Meine zehn liebsten Bücher 2023

46 Bücher habe ich dieses Jahr gelesen (theoretisch sogar 52, wenn ich noch sechs Elric-Romane mitzählen würde, aber bei mir gelten nur abgeschlossene Bücher und da fehlen noch zwei Romane). 22 von Frauen oder nicht-männlichen Personen (so weit ich das beurteilen kann). Trans-Personen (wie Elliot Page oder Keito Gaku) zähle ich natürlich zu dem Geschlecht, dem sie sich zugehörig fühlen. 12 Bücher stammen von nicht-englisch- oder deutschsprachigen Autor*innen. 4 Sachbücher, ein Comic und ein Manga.

Hier jene zehn Titel, die mir davon am besten gefallen haben. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um die zehn besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe, sondern um jene, die mir subjektiv am besten gefallen habe. Und es sind ausschließlich Titel, die ich dieses Jahr zum ersten Mal gelesen habe, aber nicht unbedingt Bücher, die auch dieses Jahr erschienen sind.

The Jasmine Throne | Tasha Suri

E-Book-Cover von "The Jasmine Throne" in Farbe

The Jasmine Throne von Tasha Suri. Einer der besten Fantasyromane, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Opulenter Weltenbau, der Magie und Natur auf sehr originelle Weise verbindet; eine mitreißende Geschichte; vielschichtige Figuren und eine an die indische Kultur angelehnte Mythologie. Im Mittelpunkt stehen drei Frauen, die für ihr Recht zu leben, aber auch die Freiheit ihres Landes kämpfen. Hat den World Fantasy Award 2022 verdient erhalten. Auf Deutsch ist das Buch leider noch nicht erschienen.

Six Four | Hideo Yokoyama

E-Book-Cover "Six Four" in Farbe

Eine grandiose Mischung aus Krimi, Verwaltungsepos und Gesellschaftsporträt. Hier meine ausführliche Besprechung.

Gute Nacht, Tokio | Atsuhiro Yoshida

Cover der gebundenen Ausgabe von "Gute Nacht, Tokio" auf einem Bücherregal stehend.

Gute Nacht Tokio erzählt wunderbar melancholisch und entrückt von Nachtschwärmern und Menschen, die beruflich nachts unterwegs sind. Hier meine ausführliche Besprechung.

Neongrau | Aiki Mira

Paperback-Ausgabe von "Neongrau" mit Cover nach vorne im Regal stehend.

Das teilgeflutete und verregnete Hamburg bietet die perfekte Kulisse, um die Neonlichter des Cyberpunks stimmungsvoll zu reflektieren. Und neonschlau holt Aiki Mira das Optimum aus diesem Szenario, sowohl sprachlich, inhaltlich, als auch vom Weltenbau her und den vielschichtig herausgearbeiteten Figuren und den vielen kleinen originellen Geschichten, die dem Neurosubstrat des Romans seine Substanz verleihen.

Es geht um Gamer*innen, KIs, Konzerne, VR, eine Revolution, Identität, aber vor allem (insert Vin-Diesel-Voice) Familie – und was wir daraus machen.

Babel: or the Necessity of Violence | Rebecca Kuang

E-Book-Cover von "Babel" in Farbe.

Nicht nur der beste Fantasyroman, den ich seit Jahren gelesen habe, sondern auch einer der wichtigsten. Und eine Liebeserklärung an die Sprache und das Übersetzen. Hier meine ausführliche Besprechung.

Das Ende der Ehe | Emilia Roig

Gebundenen Ausgabe von "Das Ende der Ehe".

In Das Ende der Ehe fordert Emilia Roigs die Abschaffung einer patriarchalen Institution, die systematisch und strukturell Frauen unterdrückt und benachteiligt. Hier meine ausführliche Besprechung.

James Tiptree Jr.: Das geheime Leben der Alice B. Sheldon | July Phillips

Gebundene Ausgabe der Biografie von Alice B. Sheldon.

In dieser Biografie geht es um das Leben von Alice B. Sheldon, die unter dem Pseudonym James Tiptree Jr. zu einer berühmten Science-Fiction-Schriftstellerin wurde, ihre wahre Identität lange geheim hielt, aber auch jenseits davon ein sehr interessantes Leben führte, jedoch kein einfacher Mensch war. Hier meine ausführliche Besprechung.

Dies ist mein letztes Lied | Lena Richter

Farbiges E-Book-Cover von "Dies ist mein letztes Lied".

Eine berührende Novelle, die zeigt, warum dieses Format in der Science Fiction besonders stark ist, und die eine tolle Mischung aus Abenteuer und moderner SF á la Becky Chambers bietet. Hier meine ausführliche Besprechung.

Die Insel der tausend Leuchttürme | Walter Moers

Gebundene Ausgabe von "Die Insel der Tausend Leuchtürme"

Im Vorfeld hatte ich mich über den Preis von Walter Moers’ Die Stadt der Tausend Leuchttürme aufgeregt, habe es dann aber zum Geburtstag bekommen. Würde sich der Preis eines Buches aus dem Lesespaß damit zusammensetzten, wären die 42 Euro durchaus gerechtfertigt. Denn so viel hatte ich schon lange nicht mehr mit einem Roman.

Hildegunst von Mythenmetz ist zurück. Angeregt durch seinen verstorbenen Dichtpaten Danzelot begibt er sich zur Kur auf die Insel Eydernorn, um sich im Sanatorium seine eingebildeten Krankheiten behandeln zu lassen. Nebenher lernt er das Krakenfieken, macht Bekanntschaft mit skurrilen Einheimischen, erkundet Flora und Fauna und vor allem die berühmten 111 Leuchttürme, von denen jeder ein einzigartiges und faszinierendes Mysterium ist.

Moers in Höchstform, was er hier in opulenten Beschreibungen an Fantasie einbringt, steht der Stadt der träumenden Bücher in nichts nach. Die meiste Zeit passiert gar nicht viel, Hildegungst verbringt im Prinzip einfach einen ruhigen Kuraufenthalt, aber das ist so grandios und einfallsreich geschrieben, dass ich davon gar nicht genug bekommen konnte. Zwischendurch gibt es auch immer wieder Andeutungen, dass die Hummdudel nicht sind, was sie scheinen und der pittoreske Kulisse des trägen Kurorts ein düsteres Geheimnis verbirgt, actionreich wird es daber erst im Finale auf den letzten 100 Seiten. Und das dann so richtig. Bombastische wäre noch eine Untertreibung, was hier an apokalyptischem Endzeitspektakel aufgefahren wird.

Und so gut das Finale geschrieben ist, ich glaube, der Roman hätte mir sogar noch besser gefallen, wenn Hildgunst einen gemütlichen Kuraufenthalt verbracht hätte und am Ende einfach wieder zurück aufs zamonische Festland geschippert wäre. Trotzdem für mich ein Meisterwerk der deutschsprachigen Fantasy. Auch sprachlich eine Wucht.

Killers of the Flower Moon | David Gran

Farbiges E-Book-Cover von "Killers of the Flower Moon".

Die Sachbuchvorlage zum aktuellen Film von Martin Scorsese, die ich gelesen habe, weil ich hörte, der Film soll die Hintergründe zu diesen teuflischen Verbrechen nur sehr unzureichend beleuchten. Es geht darum, wie die Osage in Oklahoma – nachdem Öl auf ihrem Land gefunden wurde, was ihnen Reichtum brachte – Ziel weißer Golddigger wurden, die sie geheiratet und dann nach und nach umgebracht haben. Mal mit einer Kugel in den Kopf, oft aber auch durch Vergiften. Es waren weiße Männer wie Frauen, die mordeten; innerhalb eines Jahrzehnts, das als Reign of Terror bekannt war, starben mehrere Dutzend Osage unter verdächtigen Umständen, viele der Morde wurden nie aufgeklärt.

Das Buch liefert die Hintergründe dazu, wie die Osage in diese Lage geraten sind. Erst wurden sie von ihrem Land vertrieben, dort wo sie ansiedeln sollten, wurde Öl gefunden, doch diesen Reichtum wollte ihnen das weiße Amerika nicht gönnen, weshalb viele von ihnen unter weiße Vormundschaft gestellt wurden, bei der sie praktisch um jeden Cent betteln mussten. Und viele der Osage, die unter einer solchen Betreuung standen, starben auf unnatürliche Weise. Es wurde ein perfides System zu deren Ausbeutung entwickelt, an dem Richter, Ärzte, Banker, Geschäftsmänner, Senatoren, Gouverneure usw. beteiligt waren.

Das Buch beginnt mit dem Mord an Anna Brown, der Schwester der Osage Molly Burkhart (Lily Gladstone), die wiederum mit Ernest Burkhart (Leonardo Di Caprio) verheiratet war, dem Neffen von William Hale (Robert De Niro), dem Schlimmsten und Mächtigsten aller weißen Verbrecher während des Reign of Terror. Zunächst werden die erfolglosen Ermittlungen mehrere Privatdetekteien geschildert, die Untätigkeit der lokalen Behörden, bis das FBI (das damals noch nicht so hieß) in Gestalt von Tom White (Jesse Plemons) auf den Plan trat. White ist einer der wenigen anständigen weißen Protagonisten in dieser Geschichte.

David Grann geht aber noch weiter, nachdem die Geschichte von White, Hale und Moly Burkhart erzählt ist, forscht er vor Ort bei den Nachkommen der Familien nach, wie viele ungeklärte Todesfälle es noch gab und deckt ein Ausmaß an niederträchtigen Verbrechen auf, das einem den Atem verschlägt.

Den Film habe ich noch nicht gesehen. Ich warte, bis er bei AppleTV verfügbar ist. Eigentlich wollte ich das Buch ausführlicher besprechen, weiß aber nicht, ob ich das noch schaffe. Es ist auf jeden Fall ein großartiges und wichtiges Sachbuch, das ein Stück amerikanische Geschichte erzählt, das die meisten Amerikaner*innen wohl lieber unter den Teppich kehren würden.

Abschlussbetrachtungen

Drei Sachbücher, dreimal Fantasy, zweimal Science Fiction und zweimal Japan. Die Mischung erstaunt mich ein wenig. Kaum allgemeine Belletristik, kein klassischer historischer Roman, kein Thriller, keine Autobiografie (Pageboy hat die Liste knapp verpasst). Hätte nicht gedacht, dass so viel Phantastik hier landet. Und gleich zweimal Science Fiction aus Deutschland und einmal Fantasy.

Bei Erstellung dieser Top 10 gehe ich nach meiner internen Punktewertung, die ich immer gleich nach Lektüre vergebe. Da gibt es keine Quote, Bevorzugung oder gewollte Ausgewogenheit, ich wähle einfach die zehn Bücher aus, denen ich die meisten Punkte gegeben habe.

Meine Woche 30.12.2022: Andor, Pinocchio und japanische Filme

Diese Woche geht es bei mir um: Andor, Pinocchio, japanische Filme, ethische Pornografie, die Wiederauferstehung von Barnes & Nobles und einen persönlichen Jahresrückblick sowie einen Ausblick auf 2023 .

Normalerweise mag ich die Woche zwischen Weihnachten und Neujahr sehr, da ich sie als einen entrückten Schwebezustand empfinde, in dem die Zeit ein wenig still steht. Doch nach einem Kondolenzbesuch bei Eltern, die ihren 37-jährigen Sohn überraschend verloren haben und dessen Beerdigung, wollte diese Stimmung dieses Jahr nicht so recht bei mir aufkommen. Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie schlimm das für sie und seine Lebensgefährtin und deren Kind sein muss. Auf der Beerdigung lief übrigens Pink Floyd.

Artikel

What can we learn from Barnes and Nobles

Interessanter Artikel von Ted Gioia über Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg der amerikanischen Buchhandelskette Barnes & Nobles, die, ähnlich wie Borders, kurz vorm Verschwinden stand, dann aber doch noch die Kurve bekam. Und über die Mechanismen des Buchhandels. Im Prinzip läuft der neue Erfolg von Barnes & Nobles auf das Gleiche heraus, wie der von Waterstones in England: einen Chef, der Bücher liebt – und zwar den gleichen in beiden Fällen. Der hat die Verantwortung über die Bücherauswahl wieder an die einzelnen Filialen und deren Mitarbeiter*innen zurückgegeben. Von Verlagen gekaufte Plätze auf Präsentiertische gibt es anscheinend nicht mehr. Alles Sachen, von denen sich deutsche Ketten wie Thalia eine Scheibe abschneiden können. Das mag den größeren Verlagen auf den ersten Blick nicht gefallen, doch langfristig dürften auch sie von einem florierenden lokalen Buchhandel profitieren. Teil 1 habe ich als Kind mal gesehen, haber aber nicht die Absicht, ihn mir noch einmal anzusehen.

Die wichtigsten japanischen Filme des Jahres

Das Magazin des Japanese Film Festival stellt zusammen mit sieben Exper*innen die wichtigsten japanischen Filme des Jahres vor. Die meisten davon dürften bei uns noch nicht verfügbar sein. Einige wie Makoto Shinkais Suzume werden auf jeden Fall einen Heimkinostart erhalten. Bei anderen können wir wohl froh sein, wenn sie überhaupt irgendwann mal bei Mubi erscheinen. Manche davon liefen auch auf Festivals wie der Nippoh Connection. Mich überfordert die Liste in ihrer Fülle etwas.

How do you know if the porn you consume is ethical?

Für das Lustzine geht Almaz Ohene der Frage nach, wie ethisch einwandfreie Pornografie konsumiert werden kann. Also Pornos, die unter guten Bedingungen entstanden sind, bei denen die Darstellerinnen anständig bezahlt und ordentlich behandelt werden. Dazu sei erwähnt, dass das Lustzine zum Porno-Imperium von Erika Lust gehört, die mit Lust Cinema und XConfession selbst Pornos produziert und dabei auch Regie führt. Es ist also kein journalistisch unabhängiges Medium. Lust ist durch zahlreiche Reportagen und Dokumentationen aber dafür bekannt, jenem Ideal zu entsprechen und dabei mit einem hauptsächliche weiblichen*X Team ästhetisch hochwertige Filme zu produzieren.

Filme

Top Gun: Maverick

Atemberaubende Flugszenen, die gelegentlich von mittelprächtigen Filmszenen unterbrochen werden, deren Nebenfiguren nur dazu da sind, Tom Cruise alias Maverick gut aussehen zu lassen. Hochgerüsteter Military-Porn, mit einem gewissen Unterhaltungswert, wenn man sich nicht daran stört, was da alles sinnlos an CO2 in die Atmosphäre gepustet wird.

Guillermo del Toro’s Pinocchio

Gelungene Adaption des Kinderbuchklassikers in wunderschöner Stop-Motion-Technik. Wieder einmal verbindet del Toro gekonnt märchenhafte Elemente mit einer vor faschistischem Hintergrund spielenden Geschichten, die ans Herz geht. Die Gesangseinlagen bzw. die Songs sind allerdings nur mittelmäßig und trüben den Spaß etwas.

Barbarian

Hat in den ersten 45 Minuten einen makellosen Spannungsaufbau, mit zwei jungen Leuten, die beide versehentlich am gleichen Abend dasselbe Airbnb-House gemietet haben und einen unheimlichen Tunnel im Keller entdecken. In der zweiten Hälfte fällt der Film stark ab und bedient Klischees eines Genres, das ich hier jetzt nicht spoilern will, die dem Film bei mir aber einen Stern kosten. Der Bruch in der Mitte des Films ist durchaus ein gewagter, der die Erwartungen der Zuschauer untergräbt, der mir aber nicht wirklich gefallen hat. Den Trailer poste ich hier nicht, da der Film mehr Spaß macht, wenn man möglichst wenig über ihn weiß.

Serien

Andor

Dürfte die beste realverfilmte Star-Wars-Serie sein, allerdings auch die, bei der am wenigsten das klassische Star-Wars-Feeling aus den Ursprungsfilmen aufkommt, das The Mandalorian in der ersten Staffel so gut einfangen konnte. Aber darum geht es den Macher*innen wohl auch nicht. Sie wollen eine erwachsene, düstere und ernste Geschichte über die Dynamik von faschistischen Systemen erzählen, und wie diese Rebellionen begünstigen. Nach den Totalausfällen Boba Fett und Obi-Wan Kenobi war es angenehm, eine SW-Serie zu sehen, die sich selbst ernst nimmt. Bis zum Heist wird sie auch durchgehend stimmig erzählt, danach wirken die Storylines etwas zerfahren und haben Längen, weshalb ich die Serie zwar gerne gesehen habe, aber auch sehr geduldig auf die nächste Folge warten konnte. Das Bedürfnis, mehr als eine Episode pro Tag zu sehen, kam bei mir nicht auf. Auch wenn die Serie Andor heißt und Diego Luna eine tolle Leistung abliefert, ist das eigentliche Highlight aber der von Stellan Skarsgård gespielte Luthan Rael mit seinen ganzen Machenschaften und der moralischen Ambiguität. Ach ja, erzählt wird praktisch die Vorgeschichte vom Film Rogue One, an den ich mich kaum noch erinnern kann.

Wo ihr mich findet

Noch bin ich auf Twitter, einfach, weil ich dort zu einigen wichtigen Themen die besten Informationen erhalte. Doch auch ich bin jetzt schwach geworden, und habe mir einen Account bei Mastodon zugelegt. https://literatur.social/@MarkusMaeurer. Einfach, um mit den Leuten aus meiner Twitter-Bubble in Kontakt zu bleiben, die durch Musks Shitshow schon vertrieben wurden.

Ebenfalls neu ist mein Account bei Letterboxd. Das ist eine Plattform für Filmbewertungen- und Kritiken. Da ich sowieso eine Liste darüber führe, was ich an Filmen im Jahr sehe, kann ich das auch dort machen. Meine Kurzkritiken sind auf Englisch und Deutsch.

Auch bei Instagram bin ich wieder aktiver und poste dort kurze Buchkritiken.

Weitere Blogbeiträge

In der letzten Woche gab es noch zwei weitere Beiträge auf Translate or Die:

Neu im Regal

Unterm Weihnachtsbaum lag Hilary Mantels Wölfe, das ich schon seit Jahren lesen wollte. Die ersten 132 Seiten konnten mich bereits begeistern. Ein historischer Roman über Thomas Cromwell, der in die Hofintrigen von Henry VIII gerät. Herausragend geschrieben, da dürfen sich auch gerne mal Fantasy-Autor*innen von inspirieren lassen. Leider ist Hilary Mantels dieses Jahr verstorben.

Foto der Woche

Mond im Sonnenuntergang.

Rückblick 2022 – Ausblick 2023

Das 2022 global gesehen ein beschissenes Jahr voller Krisen war, brauche ich eigentlich nicht zu erwähnen. Vor allem der mörderische Angriffskrieg Russlands auf die Bevölkerung der Ukraine dürfte in Sachen globaler Weltordnung und Stabilität tatsächlich eine Zeitenwende darstellen. Nur leider ist das bei denen, die sie so groß tönend ausgerufen hat, immer noch nicht angekommen, wie die Politik der letzten Monate zeigt.

Für mich persönlich war 2022 wieder ein gutes Jahr, vor allem, da ich eine gesundheitliche Baustelle angegangen bin, die ich seit Jahren vor mir hergeschoben habe, und die jetzt abgeschlossen ist.

Beruflich lief es auch ganz okay. Auf Tor Online hatten wir nach einem Jahr Resteverwertung und Limbus endlich wieder etwas Budget für neue Artikel und am Ende des Jahres auch Klarheit, wie es weitergehen wird. Ich bin da jetzt so was wie der Chefredakteur und freue mich schon auf die Arbeit im neuen Jahr. Gleich in der ersten Januar-Woche wird es mit einem Artikel einer Autorin losgehen, die auf Tor Online zu lesen, einige von euch sicher überraschen wird. Aber auch ansonsten haben wir schon einige interessante und spannende Artikel in der Pipeline. Da wir seit dem Start 2015 schon so viele Artikel hatten, will ich versuchen, öfters mal über den Tellerrand zu blicken und thematisch für uns neue Gebiete zu erschließen, bei denen aber ein Bezug zur Phantastik gegeben ist.

Gefreut hat mich, dass ich bei Fischer Tor zuletzt etwas mehr in die Redaktionsarbeit eingebunden war. 2023 wird ein Buch erscheinen, das ich dem Verlag empfohlen habe, da bin ich sehr gespannt, wie es laufen wird. An dem waren mehrere Verlage interessiert und es gab eine Auktion. Zuletzt habe ich ein Titelbild für den Elric-Sammelprachtband ausgesucht, von dem ich hoffe, dass er sich im Verlag durchsetzen wird und die Lizenzierung funktioniert. Dazu bin ich aktuell noch auf der Suche nach einigen Innenillustrationen. Falls ihr Tipps habt, gerne jenseits von Rodney Matthews und Michael Whelan, immer her damit.

Übersetzt habe ich dieses Jahr allerdings überhaupt nichts. Das muss sich 2023 wieder ändern. Da habe ich noch alle Kapazitäten frei. Dazu werde ich im Januar einen eigenen Blogbeitrag verfassen. Über Anfragen für Buchübersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche werde ich mich jedenfalls freuen.

Nicht so schön waren die Todesfälle dieses Jahr in meinem persönlichen Umfeld. Einen habe ich ja weiter oben schon erwähnt. Daneben ist Holger M. Pohl im Januar verstorben. Einen Nachruf auf ihn hatte ich hier im Blog veröffentlicht.

2022 habe ich noch komplett im Pandemie-Modus verbracht. War auf keinen Veranstaltungen, nicht im Kino oder sonst wo. Nur im Sommer habe ich mich mit zwei ehemaligen Mitschülern in einem Koblenzer Biergarten am Rhein getroffen.

2023 gedenke ich das aber langsam wieder zu ändern. Bucon ist eingeplant. Marburg Con … mal schauen. Vorgemerkt ist die Metropol Con in Berlin, die vom 18. bis zum 20. Mai statt. Bei einem Eintrittspreis von 85 Euro (+ Reise- und Übernachtungskosten) ist mir bisher aber zu wenig zum Programm bekannt. Bei einer Con, die internationale Veranstaltungen zum Vorbild nimmt, erwarte ich auch einige thematisch interessante Diskussionspanels, von denen bisher noch nichts angekündigt ist.

Ansonsten werde ich mich 2023 vor allem darauf konzentrieren, weiterhin Japanisch zu lernen und mich mit japanischer Kultur und Geschichte zu beschäftigen. Ein Reise nach Japan möchte ich aber frühestens 2024 in Angriff nehmen. Abhängig davon, wie es bis dahin um meine Japanisch-Kentnisse steht. Und ob es finanziell passt.

Ach ja, ich freue mich auch darüber, endlich wieder die Lust am Bloggen zurückgefunden zu haben. Zwischenzeitlich hatte ich schon überlegt, meine Seiten ganz dicht zu machen. Wobei ich inhaltlich wohl etwas nachjustieren muss, angesichts der bisher eher bescheidenen Zugriffszahlen und Rückmeldungen. Aber ich weiß auch, dass die Hochzeit der Blogs vorbei ist und ich nicht mehr solche Zahlen wie früher erreichen werde. Aber Youtube-Videos oder Podcasts sind einfach nicht mein Ding. Wenn es ums Reden geht, bin ich dafür einfach nicht unterhaltsam genug.

An dieser Stelle danke an alle, die meine neuen Blogbeiträge lesen!

Mein 2019

Am 7. Januar war 2019 für mich bereits gelaufen. Ab da ging es humpelnd, auf Krücken und mit Knieorthese durchs Jahr. Zwei Knie-Operationen, ein genähter Meniskus (dessen Naht übrigens nicht gehalten hat), eine Beckenkammentnahme (Knochenmaterial weggefräst und in die Bohrkanäle der alten Kreuzbandplastik eingesetzt), eine alte entfernte Kreuzbandplastik und eine neu eingsetzte. War alles halb so wild, beeinflusste mein Jahr aber doch stark, folgte auf die OPs jeweils eine längere Rehaphase mit Physiotherapie und viel Training zu Hause.

Und zu Hause war das Leitthema des Jahres, verzichtete ich doch aufgrund oben geschilderter Situation auf längere Reisen. 2017 war ich in Paris, 2018 in New York, 2019 nur auf dem Marburg Con und dem Bucon (die aber beide toll waren). Ansonsten habe ich vor allem viele Artikel und Newszusammenfassungen für Tor Online geschrieben, tolle Bücher gelesen, viele Serien geschaut (mit hochgelegtem Knie und einem Eisbeutel darauf). Im Kino war ich kein einziges Mal. Wandern auch nicht. Dafür aber viel Fahrradfahren.

Der Blog wurde ziemlich vernachlässigt, da alle schreibtechnische Energie in Tor Online floss. Nur 10 Beiträge. Ein Rekordtief, seit Translate Or Die 2011 an den Start ging. Nur eine einzige Buchbesprechung, zu The Borrowed von Chan Ho-Kei. Ein paar Kurzkritiken und drei Serienempfehlungen. Ein Artikel über meine sinkende Leselust (die sich übrigens behoben hat), über eine unveröffentlichte Übersetzung (die es wohl auch bleiben wird), ein Bericht über meinen Besuch bei den New York Yankees 2018 und ein Rückblick auf das komplette vergangene Jahrzehnt.

Meine Artikel auf Tor Online für das erste Halbjahr habe ich in diesem Beitrag zusammengefasst, und hier ist der Rest:

Und bei Hundertvierzehn (dem literarischen Onlinemagazin des S. Fischer Verlags) erschien:

 

Mein(e) … des Jahres

Song: Solway Firth von Slipknot
Album: Lux Prima von Karen O und Danger Mouse
Buch: Beastie Boys Book von Adam Horowitz und Mike Diamond
Sachbuch: Midnight in Chernobyl von Adam Higginbotham
Roman: Die goldene Stadt von Sabrina Jansch
Film: Marriage Story
Cleverstes Drehbuch: On Cut Of The Dead (nicht von den ersten 30min abschrecken lassen, die erhalten am Ende eine geniale Auflösung)
Bestes Remake: Suspiria
Beste Doku: American Factory
Beste Mini-Serie: Chernobyl
Beste neue Serie: Euphoria
Beste alte Serie: Mindhunter und She’s Gotta Have It
am schnellsten weggebingte Serie: Line of Duty (Staffeln 1-4)
Beste Doku-Serie: Street Food Asia und Our Planet
Bestes Computerspiel des Jahres: Resident Evil 2 Remake (hab sonst nichts gezockt)
Bestes Hörspiel des Jahres: Die jutten Sitten
Bester Artikel des Jahres: A Battle for My Life von Emilia Clarke (im New Yorker)

Zu den Filmen sei noch gesagt, dass ich – anders als bei den Büchern – keine Liste darüber führe, was ich geschaut habe, weshalb die Filme vom Jahresende besser in Erinnerung sind, als die vom Jahresanfang. Da ich nicht im Kino war, kann ich nur gesehen haben, was schon im Heimkino erschienen ist.

Die Knieverletzung hat mich ein wenig aus meiner üblichen Routine gebracht, was durchaus eine interessante Abwechslung war. 2020 wird beruflich noch ein bisschen was anderes hinzukommen, und mal schauen, wie es weitergeht. Hätte nichts dagegen, mal wieder ein Buch zu übersetzen. Im Januar erscheint zumindest eine von mir übersetzte Kurzgeschichte in der phantastisch! Zur politischen Lage habe ich mich bereits im Dekadenrückblick geäußert.

Da ich ja in der Phantastik- bzw. Buchbranche arbeite, sei noch erwähnt, dass 2019 für ebenjene schon eine Art Krisenjahr war. Anfang des Jahres meldete der Buchgroßhändler KNV Insolvenz an, weshalb viele Verlage auf ihren Rechnungen sitzen blieben, was vor allem für Kleinverlage existenzbedrohend sein konnte. Dann kündigte die Post die Abschaffung der Buchsendung und eine Portoerhöhung an, und zu guter Letzt sortierte der andere Großhändler Libri Hunderttausende Buchtitel aus seinem System aus. Angeblich aus ökonomischen Gründen Titel, die sich nicht verkauft haben. Doch von Verlagen hört man, dass das oft völlig willkürlich ablief, ohne Vorankündigung. Teilweise Teil 4 oder so einer Serie, während alle anderen Teile im System blieben.

Und einige Phantastikverlage gingen infolge der Krise tatsächlich in die Insolvenz. Z. B. Feder & Schwert und Golkonda, andere Kleinverlage machten ganz dicht. Die Zahl der LeserInnen schrumpft, Netflix und Co. werden zur immer größeren Konkurrenz, und die Verlage sind ratlos, was noch funktioniert, weil es keine klar definierbaren Trends mehr gibt, wie einst die Völkerfantasy, Vampire oder Ähnliches. Und Riesenbestseller wie einst Harry Potter, Dan Brown oder Fifty Shades of Grey gibt es auch kaum noch.

Ich wünsche allen einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Mein Lesejahr 2017

Hier die Liste der Bücher, die ich 2017 zu Ende gelesen habe. Ich habe sie (fast) alle mehr oder weniger lang auf diesem Blog besprochen, bin aber zu faul, 68 Links zu setzen. Ich verlinke nur jene, die ich in meinem Resümee unter der Liste gesondert erwähne. Den Rest findet man über die Suchfunktion ganz einfach. Bei Sammelrezis muss man manchmal etwas runterscrollen.

Januar

1. Bruce Springsteen – Born to Run
2. Antoine Laurain – Liebe mit zwei Unbekannten
3. Anne Berrest – Emelienne oder die Suche nach der perfekten Frau
4. Didier Erebon – Rückkehr nach Reims
5. Oliver Plaschka – Marco Polo – Bis ans Ende der Welt
6. Ben Aaranovitch – Der böse Ort
7. Nathan Hill – Geister

Februar
8. Thomas Mullen – Darktown
9. Jiro Taneguchi – Vertraute Fremde
10. Kai Mayer – Die Krone der Sterne
11. Philip Pullman – Der goldene Kompass
12. Mats Strandberg – Die Überfahrt
13. Susan Brownrigg – Pages for you

März
14. Andrzej Sapkowski – Das Erbe der Elfen
15. Francois Sagan – Bonjour tristesse
16. Philip Reeve – Mortal Engines
17. H. P. Lovecraft – Der Fall Charles Dexter Ward
18. Caitlan R. Kiernan – Agents of Dreamland
19. Delphine de Vigan – No und ich

April
20. Harry Mulisch – Die Entdeckung des Himmels
21. Daryl Gregory – Afterparty
22. Charlie Jane Anders – Alle Vögel unter dem Himmel
23. Thomas Thiemeyer – Babylon
24. Allan Cole u. Chris Bunch – Die fernen Königreiche
25. Chris Cleave – Liebe in diesen Zeiten

Mai
26. Edouard Louis – Das Ende von Eddy
27. Hella Boerken – Paris-Spaziergänge: Die schönsten Streifzüge durch die französische Metropole
28. Jean-Christophe Grange – Herz der Hölle

Juni
29. Seth Dickinson – The Traitor Baru Cormorant
30. Muriel Barbery – Die Eleganz des Igels
31. David Morrel – Der Opiummörder
32. William Finnigan – Barbarian Days: A Surfing Life
33. James Lee Burke – Blut in den Bayous

Juli
34. Kristin Hannah – Die Nachtigall
35. Joe R. Lansdale – Die Wälder am Fluss
36. Rebecca Hunt – Everland
37. Jean-Michel Guenassia – Eine Liebe in Prag
38. Michael Chabon – Telegraph Avenue

August
39. Thankmar von Münchhausen – Paris: Geschichte einer Stadt seit 1800
40. Abir Mukherjee – Ein Angesehener Mann
41. Jay Kristoff – Nevernight: Die Prüfung
42. Virgine Despentes – Das Leben des Vernon Subutex
43. Philip Winkler – Hool

September
44. Lian Hearne – Die Legend von Shikanoko (Herrscher der acht Insel)
45. Philip K. Dick – Blade Runner
46. Ethan Cross – Spektrum
47. Stephen Elliott – My Girlfriend comes to the City and beats me up
48. André Marx – Die ???: Das Geheimnis des Bauchredners
49. Volker Kutscher – Lunapark
50. Maigret, Berest, Mas, Diwan- How to be a Parisian
51. John Scalzi – Kollaps

Oktober
52. Adam Neville – The Ritual
53. William Blatty – The Exorcist
54. Don Winslow – Corruption
55. John Langan – The Fisherman

November
56. Candice Fox – Hades
57. Verena Maria Kallmann – Von Elise
58. Albert Sanchez Pinol – Pandora im Kongo
59. Stephanie Buttland – Ich treffe dich zwischen den Zeilen
60. Jesmyn Ward – Sing, Unburied, Sing
61. Barbara – Es war einmal ein schwarzes Klavier
62. Jean Paul Didierlaurent – Die Sehnsucht des Vorlesers

Dezember
63. Patrica Williams und Jeannine Amber – Rabbit: A Memoir
64. Angela Davis – An Autobiography
65. Jean-François Parot – Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel
66. Philip Pullman – Das magische Messer
67. Jeffery Deaver – Der talentierte Mörder
68. Leigh Bardurgo – Das Lied der Krähen

Resümee

68 Bücher habe ich im Jahr 2017 zu Ende gelesen, 2016 waren es nur 52. Ungebrochen war mein schon 2016 entstandenes Interesse an französischer Literatur, das mit einem einwöchigen Parisbesuch seinen Höhepunkt erlangte. 15 Bücher aus französischer Feder habe ich in deutscher Übersetzung gelesen, dazu zwei deutsche Sachbücher über Paris.

21 der Bücher wurden von Frauen geschrieben. 24 Bücher fallen unter Phantastik, darunter nur 5 Science-Fiction-Büchern. Ich hatte so ziemlich das ganze Jahr über keine große Lust auf Phantastik. Einiges davon habe ich nur gelesen, weil Fischer Tor mir die Bücher unaufgefordert geschickt hat und ich bei einigen davon doch neugierig wurde. Jene Bücher, die mich 2017 am meisten begeistert haben, fallen nicht unter Phantastik (oder nur im weiteren Sinne, wie z. B. Die Entdeckung des Himmels).

Harry Mulischs Jahrhundertroman wollte ich schon seit Langem lesen, hatte keine Ahnung, worum es überhaupt geht und wurde dann sehr positiv überrascht. Oliver Plaschkas historischer Roman Marco Polo: Reise ans Ende der Welt konnte bei mir einen Sense of Wonder und einen Abenteuergeist wecken, wie es keinem der phantastischen Bücher gelungen ist. Tief berührt hat mich Kirstin Hannahs Die Nachtigall, über zwei Schwestern, die den 2. Weltkrieg in Frankreich auf ganz unterschiedliche Weise erleben.

Nathan Hills Geister und Thomas Mullans Darktown werfen jeweils einen interessanten Blick auf spannende Epochen der amerikanischen Geschichte, und sind meisterhaft erzählt. Jiro Taneguchis Vertraute Fremde ist ein wunderbarer Manga über eine Zeitreise in die eigene Jugend und die Frage, was wir tun würden, wenn wir die Jugendjahre mit dem Wissen von heute noch einmal erleben könnten.

Über jene Jugendjahre schreibt auch der Boss Bruce Springsteen in seiner großartigen Autobiografie Born to Run ganz meisterhaft und atmosphärisch dicht. Deutlich bedrückender sind da die autobiografischen Bücher von Éduard Louis (Das Ende von Eddy) , Didier Erebeon (Rückkehr nach Reims) und Patricia Williams (Rabbit: A Memoir) ausgefallen, kämpferisch hingegen die von Angela Davis. Ich liebe Autobiografien von charismatischen Menschen, die interessante Leben geführt haben. Das dürfen dann auch mal ganz fröhliche Geschichten sein, wie die Surferautobiografie Barbarian Days: A Surfing Life von William Finnegan oder die unvollendeten Memoiren der französischen Sängerin Barbara.

Durchweg stark fand ich alle historischen Romane, die ich 2017 gelesen habe, neben den schon erwähnten von Oliver Plaschka und Kirstin Hannah, auch Der Opiummörder von David Morrel, Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel von Jean-François Paro, Die Wälder am Fluss von Joe R. Lansdale, Lunapark von Volker Kutscher, Pandora im Kongo von Albert Sanchez Pinol, Eine Liebe in Prag von Jean-Michel Guenassia, Liebe in diesen Zeiten von Chris Cleave, Ein Angesehener Mann von Abir Mukherjee und Everland von Rebecca Hunt. Ja, der historische Roman scheint sich, neben den Autobiografien, zu einem meiner Lieblingsgenres zu entwickeln.

Während bei der Phantastik momentan etwas Flaute herrscht. Besonders begeistern konnte mich eigentlich nur Philip Reeves Mortal Engines, ein toller postapokalyptischer Jugendroman mit riesigen Raubtierstädten auf Rädern. Das Erbe der Elfen von Andrzej Sapkowski war ziemlich gut, wenn auch für einen Roman noch etwas zu episodenhaft. Die große Überraschung war für mich Alle Vögel unter dem Himmel von Charlie Jane Anders, das hatte mich eigentlich gar nicht interessiert, doch dann lag es im Briefkasten, ich las in die ersten Seiten rein und konnte dann gar nicht mehr aufhören. Eine tolle Mischung aus Fantasy und Science Fiction, die viel zu wenig Beachtung hier in Deutschland erhalten hat.

In der Science Fiction konnten mich jetzt weder Die Krone der Sterne von Kai Meyer noch Kollaps von John Scalzi groß vom Hocker hauen. Einzig der Reread von Philip K. Dicks Blade Runner brachte meine Augen zum Funkeln. In der klassischen Fantasy gab es mit Das Lied der Krähen von Leigh Bardurgo und Nevernight von Jay Kristoff zwei sehr gute Romane, bei denen mir das gewisse Ewas aber noch gefehlt hat. Ein originelles Setting bot Lian Hearn Die Legend von Shikanoko, die auch noch toll erzählt ist.

Im Bereich Horror stach John Langans The Fisherman hervor. Bei den Thrillern natürlich James Lee Burke mit Blut in den Bayous, während Jeffery Deaver und Don Winslow mit ihren neun Werken etwas schwächelten und nur oberen Durchschnitt ablieferten.

Bei der zeitgenössischen Literatur ragte vor allem Michael Chabon mit Telegraph Avenue hervor, aber auch Delphin de Vigan (No und ich) und Virgine Despentes (Das Leben des Vernon Subutex) brauchen sich hinter ihrem amerikanischen Kollegen nicht zu verstecken.

Deutsche Autoren sind nur 8 auf der Liste zu finden. Besonders erwähnen möchte ich da Verena Maria Kallmanns Von Elise und mein Sachbuch des Jahres: Paris: Geschichte einer Stadt seit 1800 von Thankmar von Münchhausen. Wie man sieht, mit deutschen Autoren habe ich es nicht so, vor allem, wenn deren Bücher auch in Deutschland spielen. Mich interessiert eher die Ferne. Philip Winklers Hool war ganz nett, mir insgesamt aber zu oberflächlich und knapp. Da merke ich gerade, dass ich mit Reeve, Pullman und Winkler gleich drei Philips gelesen habe.

Unter den 68 Büchern befanden sich übrigens nur 11 E-Books, was mein Vorhaben, das Wachstum meiner Büchersammlung zu beschränken, doch stark untergräbt. Ich musste dieses Jahr auch noch ein weiteres Bücherregal anbauen, das inzwischen auch schon wieder ganz gut gefüllt ist. Damit ist aber jetzt auch der letzte freie Platz erschlossen, was bedeutet, dass ich versuchen werde, 2018 mehr E-Books zu lesen und weniger Bücher zu kaufen. Was heißt, dass ich wieder mehr englischsprachige Bücher lesen werde, denn bei deutschen Verlagen sind mir die E-Books im Verhältnis zur Printausgabe meist zu teuer.

Ausblick auf 2018

Gerade gelesen habe ich mit Mariana Lekys Was man von hier aus sehen kann eines meiner Weihnachtsgeschenke, ansonsten werde ich mich vor allem auf afroamerikanische Literatur (vor allem von Frauen) und Bücher über die afroamerianische Geschichte konzentrieren. Dazu noch ganz viel über New York. Wie man sieht, ist mein Fokus inzwischen von Frankreich hinüber in die USA verrutscht. Inzwischen habe ich mit Nnedi Okorafors Who Fears Death begonnen (das wir hier im Lesezirkel des SF-Netzwerks besprechen), N. K. Jemisins The Broken Earth wartet auch schon auf dem Kindle, daneben sind schon Toni Morrison und Octavia Butler geplant. Also durchaus auch Phantastik.

Rückblick auf 2015

Wie schon im letzten Jahr gibt es einen kurzen Rückblick auf mein Jahr (2015). Was das allgemeine Weltgeschehen angeht, da halte ich es mit Helmut Schmidt, das ist Tagespolitik, dazu äußere ich mich nicht.

Buch des Jahres: Die Geschichte der Liebe – Nicole Krause, Die Unvollendete – Kate Atkinson
Bestes SF-Buch: Ready Player One – Ernest Cline, The Three-Body Problem – Cixin Liu, Echopraxia – Petter Watts
Bestes Fantasybuch: The Grace of Kings – Ken Liu
Bestes Horrorbuch: That Which Should Not Be – Brett J. Tally
Bester Krimi/Thriller: Das Kartell – Don Winslow, Sturm über New Orleans – James L. Burke
Beste neue Kurzgeschichte des Jahres: Operation Gnadenakt – Frank Böhmert
Bester Kurzgeschichtenklassiker: Mimsy were the Borogoves – Henry Kuttner
Kinofilm des Jahres: Mad Max: Fury Road
Bester Film (nicht im Kino gesehen): La Grande Belleza (Die Große Schönheit)
SF-Film des Jahres: Ex Machina
Serienereignis des Jahres: Netflix
Beste alte Serie: Person of Interest, Fargo, Penny Dreadful, Parenthood
Beste neue Serie: Narcos, Mr. Robot, Better Caul Saul
Bestes Serienfinale: Mad Men, das Ende einer Ära.
Album des Jahres: Sol Invictus – Faith No More
Persönliche musikalische Neuentdeckung des Jahres: Die Antwoord
Computerspiel des Jahres: Life is Strange
Zeitschrift des Jahres: Phantastisch, Geek und Locus
Konzert des Jahres: War leider auf keinem Konzert (aufgrund eines Unwetters habe ich darauf verzichtet, nach Bonn zum Konzert von ZAZ zu fahren)
Fandomveranstaltung des Jahres: Bucon, MarburgCon
Veranstaltung des Jahres: Fantasy Filmfest in Berlin

Persönliches Ereignis des Jahres: Letztes Jahr hatte ich hier angegeben, Trauzeuge gewesen zu sein. Dieses Jahr ist irgendwie nichts Aufregendes passiert. Höchstens, dass ich im Dezember endlich mal eine Kurzgeschichte fertig geschrieben und auf meinen Blog veröffentlicht habe. Auch wenn kaum jemand sie gelesen hat.

Ach, da fällt mir doch etwas ein. Ich habe es erstmals geschafft, zum Forentreffen der Bibliotheka Phantastika zu fahren. Das fand in diesem Jahr an einem Septemberwochenende in Wetzlar statt und beinhaltete eine wirklich tolle Führung durch die Phantastische Bibliothek von Wetzlar.

Größte Veränderung des Jahres: Habe angefangen, viermal die Woche mit dem eigenen Körpergewicht zu trainieren.

Beruflicher Höhepunkt des Jahres: Letztes Jahr schrieb ich: Was 2015 bringen wird: Hoffentlich eine hauptberufliche Karriere als Übersetzer, die letzten drei Monate des Jahres 2014 liefen schon mal ganz gut.

Das Jahr 2015 lief dann tatsächlich ganz gut. Bin von Anfang bis Ende des Jahres gut mit Aufträgen versorgt gewesen. Wobei es in diesem Jahr nur ein Roman war (ansonsten Kurzgeschichten und jede Menge TV-Dokus, wobei die Kurzgeschichten für den „Akte X“-Band zusammengerechnet auch auf Romanlänge kommen). Ich hoffe, dass sich die Zahl 2016 erhöhen wird. Einen Auftrag habe ich schon (vorausgesetzt, der Autor liefert das Buch im Original auch pünktlich ab – und nein, es ist nicht George R. R. Martin. 🙂 ).

Erkenntnis des Jahres: Ich will mehr eigene Texte schreiben (Kurzgeschichten und Romane). Ich will mehr auf Englisch schreiben. Mein Interesse an der Phantastik hat im letzten Viertel des Jahres etwas nachgelassen, bzw. meine Interessen haben sie (vorübergehend?) etwas verschoben.

Was 2016 hoffentlich bringen wird: Mehr Romanübersetzungen, mehr englischsprachige Blogeinträge, mehr von mir geschriebenen Kurzgeschichten und hoffentlich auch endlich mal einen abgeschlossenen Roman.