Meine Lektüre Dezember 2015

Dezember
63. Kurt Vonnegut – Breakfast of Champions
64. Molly Crabapple – Drawing Blood
65. Veit Etzold – Todesdeal
66. Donald Antrim – The Emerald Light in the Air
67. Peter Watts – Echopraxia
68. Jeffery Deaver – Die Giftmaler
69. Karin Slaughter – Cop Town

Kurt Vonnegut – Breakfast of Champions

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Virtuos erzählte skurrile Geschichte, deren Inhalt sich nur schwerlich in Worte fassen lässt. Wer aber schon immer mal wissen wollte, wie Kurt Vonneguts Arschloch aussieht, der sollte sich diesen Meilenstein der amerikanischen Erzählkunst (mit einem echten Kilgore Trout) nicht entgehen lassen.

Molly Crabapple – Drawing Blood

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Sehr interessant Autobiografie der New Yorker Künstlerin. Besprechung folgt noch.

Donald Antrim – The Emerald Light in the Air

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Meisterhafte Kurzgeschichten über mehr oder weniger instabile Menschen mit kompliziertem Beziehungsstatus.

Peter Watts – Echopraxia

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Visionärer und herausragender SF-Roman über die Evolution der Menschheit, den menschlichen Geist, das Wesen Gottes und die Zukunft. Ich empfehle, vorher Blindflug zu lesen, welches im gleichen Universum spielt. Es gibt auch leichte Bezüge zur Handlung.

Jeffery Deaver – Die Giftmaler

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Der neueste Fall des im Rollstuhl sitzenden genialen Ermittlers, um einen Verrückten (?), der seine Opfer tötet, indem er sie mit Gift tätowiert. Eigentlich wie immer clever konstruiert, aber trotzdem wusste ich nach 100 Seiten schon, wie der Schlusstwist aussehen wird. Keinen Scheiß, ich bin nachts um 4.00 Uhr aufgewacht und mein erster Gedanke war: Zombiedroge – Uhrmacher – aha. Gehört aufgrund des Miteinanders der vertrauten Figuren aber trotzdem zu einem der besten Bücher der Reihe und macht schon neugierig auf den nächsten Band. Allerdings spielt Kommissar Zufall einmal zu oft eine entscheidende Rolle.

Karin Slaughter – Cop Town

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Atmosphärisch dichte und hervorragende Milieustudie über zwei junge Frauen, die sich ihm Jahr 1974 bei der Polizei von Atlanta durchzuschlagen, die zu einem großen Teil aus korrupten, sexistischen, gewalttätigen und primitiven Affen zu bestehen scheint. Der Thrillerhandlung ist auch recht spannend, aber der Roman überzeugt vor allem mit den eindrücklichen Schilderungen des harten Polizeialltags.

Veit Etzold – Todesdeal

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»Brandheißes Thema! Für mich der Politthriller des Jahres.« wird Andreas Eschbach auf der Rückseite zitiert.
Ob es der deutschsprachige Politthriller des Jahres ist, kann ich nicht beurteilen, da ich sonst keine gelesen habe. International geht der Titel natürlich an Don Winslows Das Kartell. Mit dem kann Etzold leider nicht mithalten, auch nicht mit Ellroy oder Schätzing (Breaking News!), dafür gibt es zu viele Mängel. Dabei geht es noch recht spannend los, Etzold beherzigt den Rat von Andreas Eschbach, mit dem besten Kapitel anzufangen. Das geht allerdings nur über vier Seiten, danach folgen erst einmal hundert Seiten Infodump, der fast ausschließlich aus hölzernen Dialogen besteht.

Das Thema ist brisant, aus Etzold Vita schließe ich auch, dass er sich aus erster Hand mit der Materie auskennt, da er sowohl als Unternehmensberater für eine Bergbaugesellschaft gearbeitet hat, als auch für das Auswertige Amt, und auch international viel rumgekommen zu sein scheint. Doch nach den ersten hundert Seiten wird es nicht viel besser, obwohl es bald in den Kongo und nach Ruanda geht. Dort gelingt es dem Autor durchaus, stimmungsvolle Landschaftsbilder und kurze Einblicke in das Leben der Menschen dort zu liefern, aber die bleiben viel zu kurz, da der Roman insgesamt zu 80 Prozent aus Dialogen besteht, in denen Menschen in Toppositionen mit Topausbildung sich so naiv und unwissend anstellen, was die Lagen in Ruanda, im Kongo und den Genozid von 1994 angeht, dass sie als Figuren unglaubwürdig werden. Mir ist klar, das Etzold auf diese Weise versucht, die Situation und die Hintergründe einem völlig unwissenden Leser zu vermitteln, aber das kommt viel zu oberlehrerhaft rüber, als wären die Dialoge für ein Lehrvideo eines lokalen Berufsverbandes inszeniert worden. Die zahlreichen und sich ständig wiederholenden Plattitüden und Zitate von Stalin, Lenin usw. sind auch nicht gerade hilfreich und nerven irgendwann. Einige der Figuren reden fast nur in solchen Plattitüden.

Vielleicht war ich ja auch gelangweilt, weil ich alles, was hier vermittelt wird, schon aus Spiegel-Artikeln und Dokumentationen kannte, aber ein wenig Spannung und Handlung jenseits der oben genannten Dialoge kommen erst auf den letzten hundert Seiten auf. Es gibt unzählige Handlungsfiguren, zwischen denen der Autor ständig hin und herspringt, viele Kapitel haben nur eineinhalb Seiten, das Buch auf 460 Seiten 108! Kapitel. Dadurch wirkt es trotz der statischen Dialoginszenierung unnötig hektisch.

Was gefällt, ist, wie der Autor die moralische Verlogenheit der sogenannten westlichen Länder, allen voran Europa und Deutschland aufzeigt, die immer gerne anderen Moralpredigten halten, im Hinterzimmer aber schmutzige Deals um Waffen, Coltan, Öl usw. abschließen.

Was den Schreibstil angeht, da zitiere ich einfach mal die ersten drei Sätze:

Martin rannte.
Hinter ihm fauchten Schüsse. Pfeilschnelle Projektile, die rechts und links von ihm zischend durch das Unterholz des Regenwaldes peitschten.

Ich kann mir nicht so recht vorstellen, wie Schüsse fauchen, auch wenn sie dann mit nur lahmer Pfeilgeschwindigkeit (sollten Schüsse aus automatischen Gewehren nicht viel schneller sein) zischend an ihm vorbeipeitschen. Aber ich will jetzt nicht kleinlich werden, das Buch ist zumindest lesbar, sonst hätte ich nicht bis zum Schluss durchgehalten. Für den nächsten Politthriller von Veit Etzold wünsche ich mir aber weniger Dialoge, diese dann etwas dynamischer inszeniert, mehr Action, mehr Landschaftsbeschreibungen und weniger Erklärbär.

Frohe und Phantastische Weihnachten 2015

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern meines Blogs frohe und phantastische Weihnachten und bedanke mich für die Aufmerksamkeit, die ihr meinem Blog in diesem Jahr gewidmet habt. In den nächsten Tagen geht es hier mit Beiträgen weiter.

Merry Christmas to all readers of my blog. Thanks for reading my stuff. In 2016 there will be more English entries.
Wie man sieht, bin ich schon ganz in Weihnachtsstimmung.

As you can see, I am already in Christmas mood. And no, I am neither on Hawaii nor the southern hemisphere. On Christmas it is supposed to be cold, but whoever said winter is coming lied.

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Fit ohne Geräte – Erster Zwischenbericht

Hier mein erste Eintrag zu dem Thema.

Die ersten fünf Wochen habe ich jetzt hinter mir, und bisher ist es mir gelungen, das Programm mit vier Mal pro Woche Training (je 20-40 Minuten) konsequent durchzuziehen. Ist gar keine Quälerei, sondern macht richtig Spaß. Man kann die vier wöchentlichen Einheiten grob in vier Hauptgruppen unterteilen: Drücken, Beine, Ziehen und Core. Wenn man die Übungen in korrekter Haltung durchführt, wird aber meist der ganze Körper mit trainiert.

Mit dem Drücken hatte ich anfangs etwas Schwierigkeiten, da ich praktisch Arme aus Pudding habe (bzw. hatte). Anfangs habe ich keine fünf Liegestütze am Stück hingekommen und die Übungen immer in der vereinfachten Variante ausgeführt. Inzwischen ist es schon deutlich besser geworden. Der Trizeps hat schon sichtbar und spürbar an Umfang zugenommen. Der Bizeps auch, aber nicht ganz so deutlich.

Meine Oberschenkelmuskulatur war dadurch, dass ich immer Fußball gespielt habe, regelmäßig Fahrrad fahre, jogge und Wandern gehe immer ganz gut ausgebildet, weshalb ich mit den Übungen für die Beine keinerlei Schwierigkeiten hatte. Das Einzige, was mir bei den ersten beiden Übungseinheiten Probleme bereitet hat, war erstaunlicherweise, die Arme während der Kniebeugen ausgestreckt zu halten. Das geht aber inzwischen ohne Probleme.

Das Ziehen wird von mir leider etwas vernachlässigt, weshalb der Deltamuskel noch nicht sichtbar zugelegt hat. Aus dem einfachen Grund, dass ich keine passenden Gegenstände habe, um einige der Übungen durchzuführen. Das Türziehen, eine Bewegung, die dem Rudern gleichkommt, kann ich nicht so gut durchführen, da sich unsere Türen dadurch verziehen würden, und das aus Metallstangen bestehende Treppengeländer ist reichlich unbequem, weshalb die Übungen daran zu stark auf mein angeschlagenes Knie gehen. Die Übungen ersetze ich teilweise durch andere.

Wie man sieht, nicht wirklich gut für Klimmzüge geeignet, aber was Besseres habe ich nicht.

Wie man sieht, nicht wirklich gut für Klimmzüge geeignet, aber was Besseres habe ich nicht.

Das umgekehrte Bankdrücken führe ich übrigens mit einem Wischmopp durch. 🙂 Die beiden Stühle sind eigentlich zu klein, da ich meine Arme auf dem Rücken liegend ganz ausstrecken müsste, aber so hoch würde ich mich aktuell gar nicht ziehen können. Das kommt dann in der Wiederholung der ersten zehn Übungswochen.

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Beim Core geht es vor allem und die Körpermitte, also Bauchmuskeln usw. Die Übungen sind recht anstrengend und schweißtreibend, aber kein Problem.

Das zehnwöchige Programm ist das einfachste, das Anfängerprogramm im Buch von Mark Lauren. Das ziehe ich jetzt einmal durch, um zu sehen, wie gut es funktioniert, dann wiederhole ich es einmal, um dann die schwierigeren Übungsvarianten durchzuführen, und es individuell auf meine Bedürfnisse bzw. Notwendigkeiten abzustimmen. Beine muss ich z. B. nicht so viel trainieren, mich dafür mehr auf die Arme konzentrieren. Danach geht es dann mit der nächsten Stufe weiter.

Der Bauchumfang hat jetzt noch nicht wirklich sichtbar abgenommen, dafür sind fünf Wochen zu wenig, aber ich merke, wie die Bauchmuskulatur unter der Wampe straffer wird. Ein klein wenig besser gehen die Hosen aber zu. Allerdings werden die Hosenbeine enger, wenn die Oberschenkelmuskulatur zunimmt (was ich bei meinen engsten Hosen schon merke). Um neue Hosen komme ich also nicht herum.

Gewichtsmäßig hat sich nicht viel getan, ist eher etwas mehr geworden, da die Muskulatur zunimmt. Aber ich habe ja auch kein Übergewicht und meine Ernährung nur teilweise (vermutlich unzureichend) umgestellt.

Im neuen Jahr werde ich noch Joggingeinheiten ins Programm mit einflechten. Ist aber doof, wenn es so früh dunkel wird und ich erst mit dem Training anfangen, wenn ich mein Tagespensum an Brotarbeit erledigt habe. Da muss ich mir noch was einfallen lassen.

Und jetzt kommt das WICHTIGSTE! Dadurch, dass ich bei diesem trüben Wetter beruflich bedingt die meiste Zeit vor dem Computer sitzend verbringe, hatte ich mich in den letzten zwei Monaten oft recht schlapp und antriebslos gefühlt. Das hat sich durch das Training geändert. Die Übungen sind zwar tierisch anstrengend und verursachen ordentlich Muskelkater, aber danach fühle ich mich nicht erschöpft, sondern fitter und lebendiger. Obwohl ich in den letzten fünf Wochen einiges an Übersetzungsaufträgen zu erledigen hatte, war ich so energiegeladen, dass ich noch einige längere und aufwendigere Blogeinträge verfasst habe und es endlich auf die Reihe bekommen habe, einige Kurzgeschichten fertigzustellen, von denen eine ja inzwischen schon online ist.

Bisher hat es sich also richtig gelohnt, mit diesem Trainingsprogramm anzufangen. Ob ich alle Übungen immer richtig ausführe und damit das Optimale raushole, weiß ich nicht, aber Fortschritte sind deutlich spürbar und zu sehen.

Hier geht es zum Bericht zur First Class.

Stadt der Zähne (Kurzgeschichte)

Wer sich das Geschwafel unten ersparen möchte, gelangt hier direkt zur Kurzgeschichte Stadt der Zähne als WordPress-Seite und im PDF-Format (liest sich aufgrund der Formatierung besser, habe noch nicht rausgefunden, wie ich die eingezogenen Absatzanfänge hier im Blog beibehalten kann).

Regelmäßige Leser dieses Blogs mögen schon bemerkt haben, dass ich in letzter Zeit zu Experimenten neige und mich an neuen Themen (wie Musikbesprechungen und englischsprachigen Beiträgen) versuche, und auch wenn sich das Interesse daran anscheinend mehr als in Grenzen hält, werde ich damit fortfahren, Neues auszuprobieren. Einfach, weil ich keine Lust habe, immer über die gleichen Themen auf die gleiche Weise zu schreiben. Meine Interessen ändern sich teilweise oder durchlaufen Phasen, in denen mich bestimmte Themen mal mehr, mal weniger interessieren. Jedenfalls werde ich es jetzt mal mit Kurzgeschichten versuchen.

Die erste Kurzgeschichte, die ich hiermit veröffentliche, habe ich bereits 2008 in einer ersten Fassung als Anfang eines geplanten Romans verfasst, bei dem ich aber nie über die ersten 50 Seiten hinausgekommen bin. Jetzt habe ich den Anfang etwas umstrukturiert und daraus eine Kurzgeschichte mit 25 Normseiten bzw. 39.000 Zeichen gemacht.

Ich muss euch hier direkt warnen, die Geschichte enthält explizite und eklige Sexszenen; zwei ProtagonistInnen, die sich in einer sehr dysfunktionalen und destruktiven Beziehung zueinander befinden; Spuren von Zynismus und eine pessimistische Grundstimmung. Ich bin eigentlich ein optimistischer und gut gelaunter Mensch, aber mit dieser Geschichte wollte ich etwas völlig »out of character« schreiben, etwas, das so gar nicht zu mir passt, extrem ist und über die Stränge schlägt. Als Inspiration dienten mir die Bücher von Charles Bukowski, Irvine Welsh und Chuck Palahniuk. John Niven geht auch in die Richtung, aber den kannte ich 2008 noch nicht. John Niven sagte kürzlich in einem Interview mit dem Spiegel, dass man schreiben müsse, als seien die Eltern tot. Womit er meint, dass man schreiben solle, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was die Eltern über diesen »schmuddeligen Schund« denken könnten.

Ihr seid jetzt also gewarnt. Von den beiden Testlesern, denen ich den ursprünglichen Romanfang vor einigen Jahren gezeigt hatte, reagierte einer sichtlich schockiert. Die Geschichte ist also nichts für zarte Gemüter. Aufgrund akuter Betriebsblindheit habe ich auch keine Ahnung, ob sie was taugt oder totaler Mist ist (da fehlt mir Hemingways Bullshit-Detector). Es handelt sich um die Rohfassung, die weder ein Lektorat noch ein Korrektorat hatte. Würde ich in Buchform natürlich nie veröffentlichen, aber hier im Blog mache ich das ja ständig. Ich wollte diese halbwegs extreme Geschichte auch keinem Testleser durch eine Anfrage aufnötigen.

Für die Hauptseite dieses Blogs ist die Geschichte zu lang, deshalb gibt es hier nur einen kurzen Auszug. Ich habe bewusst nicht den Anfang ausgewählt, da der etwas zu explizit dafür sein könnte. Hier gibt es die Geschichte Stadt der Zähne im PDF-Format und hier als WordPress-Seite. Im E-Book-Format habe ich sie noch nicht angelegt, da ich mich dort erst einmal einarbeiten muss. Wenn schon, dann auch richtig gesetzt und formatiert. Die nächste Geschichte, die schon fertig ist und sich gerade bei einigen Testlesern befindet, wird deutlich optimistischer und jungendfrei. Versprochen!

Stadt der Zähne (Auszug)

Nachdem sie mehrfach von kleinen wuseligen Händen durchsucht worden war, betrat sie endlich das Innere der Burg: den Thronsaal Grimhilds. Wo ihre Majestät Hof hielt, Audienzen gewährte, Geschäfte tätigte und ganz nebenbei über Leben und Tod entschied.
Der Thronsaal war ein großer, geräumiger Loft mit hohen Decken und mehreren Ebenen. Der Hofstaat wirbelte in geschäftigem Treiben wild durcheinander, verpackte weißes Pulver und zähe braune Masse, putzte Pistolen, lud Gewehre, brüllte hektisch in Handys oder zog sich Teile des eigenen Produkts durch die Nase. Und mittendrin in diesem Hexenkessel krimineller Aktivitäten thronte Grimhild auf einer flauschigen roten Couch und knutschte wild mit einem schicken Designermodel, als wäre sie ganz allein.
Selena lies sich durch die vielen Waffen nicht abschrecken, dafür war sie schon zu oft in der Höhle der Löwin gewesen. Sie bewegte sich langsam auf Grimhild zu, unsicher, ob sie diese in ihren erotischen Aktivitäten unterbrechen konnte.
Doch Grimhild schien sie aus dem Augenwinkel heraus zu bemerken. Sie ließ augenblicklich von dem magersüchtigen Kleiderständer ab, drehte sich zu Selena um und strahlte sie fröhlich an. Der Kleiderständer merkte, dass seine Halbwertszeit überschritten war, und zog sich mit leerem Gesichtsausdruck eine fette Line Koks durch die operierte Nase.
»Selena, welch freudige Überraschung an diesem trüben Nachmittag.« Grimhild sprach fehlerfreies Englisch, aber in einem melodischen Rhythmus, der eindeutig auf ihre brasilianische Herkunft schließen ließ.
»Was kann ich für dich tun? Hast du irgendwelche spezielle Wünsche?«
Selena schloss kurz die Augen. Sie hatte immer noch diesen widerlichen Geschmack im Mund, konnte immer noch fühlen, wie dieser schmierige Schwanz gegen ihren Gaumen stieß, hatte immer noch die fette Wampe dieses miesen Fickers vor Augen. »Das volle Programm«, sagte sie seufzend. »Das brauche ich heute.«
»Arbeitest du immer noch für dieses sexbesessene Arschloch. Wird höchste Zeit, dass diesem Frauen ausbeutenden Ungeheuer der Marsch geblasen wird. Soll ich ihm mal einen Besuch abstatten?« Grimhild schaute Selena fragend an. Ihr harter Gesichtsausdruck zeigte, dass sie es ernst meinte.
»Nein, danke. Er bezahlt meine Rechnungen. Solange ich nichts Besseres finde, muss ich mich mit ihm abgeben.« Selena klang ehrlich verzweifelt, hatte aber schon lange resigniert.
»Du kannst immer noch bei uns einsteigen. Das Angebot gilt weiterhin.«
Das hatte Selena noch gefehlt. Sie zwar schon tief gesunken, aber bei dieser verrückten Barbiepuppenmörderbande würde sie nicht mitmachen. Das war eine Grenze, die sie nicht überschritt. Es reichte schon, dass sie diese Wahnsinnigen finanzierte. »Nein danke, aber Waffen und ich, das passt einfach nicht zusammen.«
»Also gut, wie du möchtest.« Grimhild klang enttäuscht. »Hier, schon mal was zum Warmwerden.« Sie reichte Selena ein kleines Plexiglasröhrchen gefüllt mit weißem Pulver und rief: »Paula, mach mal ein Päckchen für unser hübsches Pornosternchen fertig.«
Selenas Haut brannte, kalter Schweiß brach ihr aus, ihre Hände begannen zu zittern, sie konnte keinen Moment länger warten und kippte sich das komplette Röhrchen in die Nase. Sie zog das Koks kräftig hoch und ihr Schädel explodierte in einer weißen Supernova. Von diesem Moment an erlebte sie den Rest des Abends, wie einen Film, den sie durch eine Milchglasbrille sah.
Weitere Linien Koks, Speed und andere Amphetamine bahnten sich einen Weg in ihr Gehirn und betrieben ein Wettschießen auf die einst so munteren Gehirnzellen. Mit einer Horde wilder Amazonen ging es hinaus in den Dschungel, vorbei an den Eingeborenen rein in einen schrägen Club, in dem seltsame Rituale abliefen. Sie trank Unmengen an Alkohol, tanzte bis zum Umfallen, stand auf und fiel wieder hin und machte in dunklen Ecken mit fremden Frauen rum. Halbnackte verschwitzte Körper, die in einem wilden Drogenrausch spastisch gegeneinander zuckten. Mit Drogen durchsetzte Körperflüssigkeiten, die ihre Besitzerinnen wechselten. Dazu heiseres Stöhnen, unkontrolliertes Gekicher, sinnlose Wortfetzen, ungesundes Husten und ekliges Schmatzen. Der Abend war wild und unberechenbar. Die Zeit war eingefroren, die Pausentaste klemmte und Selena vergaß.

Meine Lektüre November 2015

November
59. Walter Moers – Das kleine Arschloch kehrt zurück
60. Niq Mhlongo – Dog Eat Dog
61. Ian McEwan – Honig
62. Joey Goebel – The Anomalies

Dieses Mal fasse ich mich kurz, da ich momentan mit ganz anderen Ideen und Texten beschäftigt bin.

Walter Moers – Das kleine Arschloch kehrt zurück

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Genauso witzig und hintersinnig wie der erste Band. Hat auch nach mehr als 20 Jahren nichts an Aktualität und Brisanz verloren.

Niq Mhlongo – Dog Eat Dog

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Das junge Südafrika kurz nach Ende der Apartheid. Hier geht es zu meiner Besprechung. Click here for my English review.

Ian McEwan – Honig

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Clever konstruierte und stilistisch wie immer herausragend verfasste Geschichte (in toller Übersetzung von Werner Schmitz), um eine junge Frau im London der 70er Jahre, die beim MI5 anfängt und Schriftsteller requirieren und fördern soll, die Bücher mit antikommunistischen Tendenzen verfassen.

Joey Goebel – The Anomalies

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Eine Gruppe von völlig unterschiedlichen Außenseitern findet auf ungewöhnlichem Wege zusammen und gründet eine Band. Punktet mit beißendem Witz und ständig wechselnden Erzählperspektiven. Ausgezeichnetes Debüt eines vielversprechenden Autors.