Dezember
63. Kurt Vonnegut – Breakfast of Champions
64. Molly Crabapple – Drawing Blood
65. Veit Etzold – Todesdeal
66. Donald Antrim – The Emerald Light in the Air
67. Peter Watts – Echopraxia
68. Jeffery Deaver – Die Giftmaler
69. Karin Slaughter – Cop Town
Kurt Vonnegut – Breakfast of Champions
Virtuos erzählte skurrile Geschichte, deren Inhalt sich nur schwerlich in Worte fassen lässt. Wer aber schon immer mal wissen wollte, wie Kurt Vonneguts Arschloch aussieht, der sollte sich diesen Meilenstein der amerikanischen Erzählkunst (mit einem echten Kilgore Trout) nicht entgehen lassen.
Molly Crabapple – Drawing Blood
Sehr interessant Autobiografie der New Yorker Künstlerin. Besprechung folgt noch.
Donald Antrim – The Emerald Light in the Air
Meisterhafte Kurzgeschichten über mehr oder weniger instabile Menschen mit kompliziertem Beziehungsstatus.
Peter Watts – Echopraxia
Visionärer und herausragender SF-Roman über die Evolution der Menschheit, den menschlichen Geist, das Wesen Gottes und die Zukunft. Ich empfehle, vorher Blindflug zu lesen, welches im gleichen Universum spielt. Es gibt auch leichte Bezüge zur Handlung.
Jeffery Deaver – Die Giftmaler
Der neueste Fall des im Rollstuhl sitzenden genialen Ermittlers, um einen Verrückten (?), der seine Opfer tötet, indem er sie mit Gift tätowiert. Eigentlich wie immer clever konstruiert, aber trotzdem wusste ich nach 100 Seiten schon, wie der Schlusstwist aussehen wird. Keinen Scheiß, ich bin nachts um 4.00 Uhr aufgewacht und mein erster Gedanke war: Zombiedroge – Uhrmacher – aha. Gehört aufgrund des Miteinanders der vertrauten Figuren aber trotzdem zu einem der besten Bücher der Reihe und macht schon neugierig auf den nächsten Band. Allerdings spielt Kommissar Zufall einmal zu oft eine entscheidende Rolle.
Karin Slaughter – Cop Town
Atmosphärisch dichte und hervorragende Milieustudie über zwei junge Frauen, die sich ihm Jahr 1974 bei der Polizei von Atlanta durchzuschlagen, die zu einem großen Teil aus korrupten, sexistischen, gewalttätigen und primitiven Affen zu bestehen scheint. Der Thrillerhandlung ist auch recht spannend, aber der Roman überzeugt vor allem mit den eindrücklichen Schilderungen des harten Polizeialltags.
Veit Etzold – Todesdeal
»Brandheißes Thema! Für mich der Politthriller des Jahres.« wird Andreas Eschbach auf der Rückseite zitiert.
Ob es der deutschsprachige Politthriller des Jahres ist, kann ich nicht beurteilen, da ich sonst keine gelesen habe. International geht der Titel natürlich an Don Winslows Das Kartell. Mit dem kann Etzold leider nicht mithalten, auch nicht mit Ellroy oder Schätzing (Breaking News!), dafür gibt es zu viele Mängel. Dabei geht es noch recht spannend los, Etzold beherzigt den Rat von Andreas Eschbach, mit dem besten Kapitel anzufangen. Das geht allerdings nur über vier Seiten, danach folgen erst einmal hundert Seiten Infodump, der fast ausschließlich aus hölzernen Dialogen besteht.
Das Thema ist brisant, aus Etzold Vita schließe ich auch, dass er sich aus erster Hand mit der Materie auskennt, da er sowohl als Unternehmensberater für eine Bergbaugesellschaft gearbeitet hat, als auch für das Auswertige Amt, und auch international viel rumgekommen zu sein scheint. Doch nach den ersten hundert Seiten wird es nicht viel besser, obwohl es bald in den Kongo und nach Ruanda geht. Dort gelingt es dem Autor durchaus, stimmungsvolle Landschaftsbilder und kurze Einblicke in das Leben der Menschen dort zu liefern, aber die bleiben viel zu kurz, da der Roman insgesamt zu 80 Prozent aus Dialogen besteht, in denen Menschen in Toppositionen mit Topausbildung sich so naiv und unwissend anstellen, was die Lagen in Ruanda, im Kongo und den Genozid von 1994 angeht, dass sie als Figuren unglaubwürdig werden. Mir ist klar, das Etzold auf diese Weise versucht, die Situation und die Hintergründe einem völlig unwissenden Leser zu vermitteln, aber das kommt viel zu oberlehrerhaft rüber, als wären die Dialoge für ein Lehrvideo eines lokalen Berufsverbandes inszeniert worden. Die zahlreichen und sich ständig wiederholenden Plattitüden und Zitate von Stalin, Lenin usw. sind auch nicht gerade hilfreich und nerven irgendwann. Einige der Figuren reden fast nur in solchen Plattitüden.
Vielleicht war ich ja auch gelangweilt, weil ich alles, was hier vermittelt wird, schon aus Spiegel-Artikeln und Dokumentationen kannte, aber ein wenig Spannung und Handlung jenseits der oben genannten Dialoge kommen erst auf den letzten hundert Seiten auf. Es gibt unzählige Handlungsfiguren, zwischen denen der Autor ständig hin und herspringt, viele Kapitel haben nur eineinhalb Seiten, das Buch auf 460 Seiten 108! Kapitel. Dadurch wirkt es trotz der statischen Dialoginszenierung unnötig hektisch.
Was gefällt, ist, wie der Autor die moralische Verlogenheit der sogenannten westlichen Länder, allen voran Europa und Deutschland aufzeigt, die immer gerne anderen Moralpredigten halten, im Hinterzimmer aber schmutzige Deals um Waffen, Coltan, Öl usw. abschließen.
Was den Schreibstil angeht, da zitiere ich einfach mal die ersten drei Sätze:
Martin rannte.
Hinter ihm fauchten Schüsse. Pfeilschnelle Projektile, die rechts und links von ihm zischend durch das Unterholz des Regenwaldes peitschten.
Ich kann mir nicht so recht vorstellen, wie Schüsse fauchen, auch wenn sie dann mit nur lahmer Pfeilgeschwindigkeit (sollten Schüsse aus automatischen Gewehren nicht viel schneller sein) zischend an ihm vorbeipeitschen. Aber ich will jetzt nicht kleinlich werden, das Buch ist zumindest lesbar, sonst hätte ich nicht bis zum Schluss durchgehalten. Für den nächsten Politthriller von Veit Etzold wünsche ich mir aber weniger Dialoge, diese dann etwas dynamischer inszeniert, mehr Action, mehr Landschaftsbeschreibungen und weniger Erklärbär.