Einiges an meinem gestrigen Blogeintrag könnte aufgrund einiger Formulierungen etwas missverständlich rübergekommen sein. Weshalb ich in diesem Beitrag noch ein paar Sachen ergänzen möchte.
Eine berechtigte Frage. Warum nur so wenige Frauen? Ich bin mir sicher, dass die Auswahl bei Fischer/Tor völlig unabhängig vom Geschlecht getroffen wurde. Ich kenne den Geschmack und Anspruch von Programmchef Hannes Riffel ein wenig und weiß, dass es ihm vor allem um die Geschichte, die Sprache und jetzt bei einem großen Publikumsverlag natürlich auch ein wenig um die Verkaufbarkeit geht. Bei Droemer/Knaur besteht das Team und Programmleiterin Natalja Schmidt zum größten Teil aus Frauen.
Mit diesem Absatz wollte ich den Teams der anderen Verlage auf keiner Weise unterstellen, dass sie mit einem anderen Anspruch an ihr Programm herangehen würden als Hannes Riffel und Fischer/Tor. Ich habe ihn nur explizit erwähnt, weil ich ihn (und seinen Buchgeschmack und seine Kriterien) aus meiner Zeit in Berlin und bei Golkonda persönlich kenne, und wollte damit ausschließen, dass man meine Ausführungen so verstehen könnte, ich würde glauben, man nähme dort bewusst mehr Männer ins Programm. Bei allen anderen Verlagen kenne ich niemanden persönlich oder nicht so gut. Das war etwas doof formuliert.
Etwas unglücklich formuliert war auch meine Aussage, dass es den Anschein habe, dass in den Verlagen mit mehr Frauen im Team mehr Frauen im Programm erscheinen würden. Denn dafür kenne ich weder Verlagsteams noch deren Abläufe gut genug.
Der Eintrag war auch überhaupt nicht als Wertung der Programme gedacht. Die finde ich nämlich ganz toll. Da werden im Herbst/Winter 2016 so viele tolle Bücher erscheinen, dass ich gar nicht weiß, wo ich mit dem Lesen anfangen soll. Auch soll es nicht heißen, dass ich die Bücher von Frauen besser finden würde als die der Männer, die dort in den Programmen erscheinen.
Mir brannte es einfach nur auf den Finger, meiner Verwunderung über das Verhältnis im Programmanteil von Autorinnen zu Autoren Ausdruck zu verleihen. Und vielleicht die Frage in den Raum zu werfen: Woran es liegen könnte?
In der Diskussion im Forum der Bibliotheka Phantastika und auf dem Blog Fragementansichten wurden einige interessante Erklärungsansätze geäußert. So schrieb Alessandra Reß auf ihrem Blog zum Beispiel:
Aus meiner Kleinverlagsperspektive heraus hätte ich aber erwartet, dass es in der Fantasy inzwischen ein bisschen besser aussähe als das Ergebnis impliziert.
In historischer Sicht ist es zumindest für den deutschsprachigen Raum allerdings nicht verwunderlich, dass männliche Autoren dominieren. Die Phantastikszene, wie sie heute im deutschsprachigen Raum existiert, ist primär aus dem Heftroman-Fandom und der Rollenspielszene entstanden. Ersteres ist glaube ich bis heute eine Männerdomäne, zumindest im SF- und F-Bereich. In der Rollenspielszene sieht das inzwischen zwar anders aus, aber Anfang der 90er waren Frauen auch hier unterrepräsentiert. Darin liegt vielleicht auch ihr verhältnismäßig geringerer Anteil an der Erstellung von DSA-Romanen und -Regelwerken begründet – aber eben die waren eine wichtige Vorstufe zur heutigen Szene.* Davon abgesehen ist es kein Zufall, dass nahezu jeder der Ü35-Autoren angibt, aus dem Pen&Paper- oder TableTop-Bereich zu kommen.
Und Forist Gero gab im Forum der Bibliotheka Phantastika noch ein paar Punkte zu bedenken:
(1) Ein Halbjahresprogramm ist ein – letztlich sehr willkürlich gewählter – Ausschnitt; um grundlegende Aussagen zu treffen, müsste man sich das schon über einen längeren Zeitraum anschauen (wobei in Subgenres wie der SF oder der Epic und oder Heroic Fantasy/Sword & Sorcery (incl. ihres Stiefkinds namens Grim & Gritty) die Zahl der Autorinnen vermutlich immer deutlich unter der ihrer männlichen Kollegen liegen dürfte, weil sich in diesen Subgenres deutlich mehr Autoren als Autorinnen bewegen – man muss sich doch nur mal anschauen, wie es mit deutschsprachigen AutorInnen in diesen Bereichen aussieht).
(2) Ich bin der Überzeugung, dass die spezifischen Themen, die Männer und Frauen interessieren (und zwar jeweils den überwiegenden Teil – dass es Männer und Frauen gibt, bei denen das anders ist, steht selbstredend nicht zur Debatte) und über die Männer und Frauen dann eben auch schreiben, wenn sie schreiben, sich signifikant unterscheiden. Und die Themen, die die meisten Frauen interessieren, lassen sich (wiederum mMn, man kann das sicher anders sehen!) in den o.g. Subgenres schlechter umsetzen (oder sie werden von der männlichen Leserschaft und von dem Teil der weiblichen Leserschaft, deren Interessen nicht mit denen des Großteils ihrer Geschlechtsgenossinnen identisch sind, als störend oder als Fremdkörper empfunden) als z.B. in der Urban Fantasy (in deren heutiger Ausprägung deutlich mehr Autorinnen als Autoren unterwegs sind).
(3) In den ersten Programmen des All-Age-Verlags Penhaligon (der nie ein richtiger All-Age-Verlag war, aber so what ;)) waren meistens mehr Autorinnen als Autoren vertreten, ebenso wie das (gefühlt, ich habe das nicht im Detail überprüft) generell im All-Age-Bereich der Fall ist. Auch die unzähligen Jugendbuch-Dystopien, die im Gefolge der »Tribute von Panem« den Markt überschwemmt haben, wurden und werden überwiegend von Autorinnen verfasst. Soll heißen, die Frage ist auch, was ich mir letztlich anschaue, welchen Ausschnitt aus dem wie auch immer zu definierenden Gesamtbereich ich wähle.
(4) Ungeachtet all dessen finde ich es natürlich grundsätzlich bedauerlich, dass eine Elizabeth Bear, eine Kate Elliott, eine Kameron Hurley, eine N.K. Jemisin, eine Glenda Larke, eine Sofia Samatar etc.pp. derzeit nicht (mehr) auf dem deutschen Buchmarkt präsent sind bzw. es niemals waren.
Wirft man einen Blick auf den englischsprachigen Buchmarkt, wird man sicher zu einem ähnlichen Anteil von Frauen in den SF & F Programmen kommen. Bei mir haben sich auch deutsche Verleger gemeldet, die mitteilten, dass sie einfach weniger Manuskripte von Frauen bekommen würden.
Im ursprünglichen Beitrag hatte ich ja schon angekündigt, dass ich noch auf die jeweiligen Verlagsprogramme im Einzelnen eingehen wolle. Das war so gemeint, dass ich auf das eingehen will, was mir in den Programmen so gut gefällt (wenn auch mit einem Schwerpunkt auf den darin vertretenen Autorinnen). Und ich bin sehr froh, dass ich als Übersetzer auch an dem einen oder anderen Programm beteiligt bin.
Die Absicht hinter meinem gestrigen Beitrag lag vor allem darin, etwas mehr Aufmerksamkeit für die Frauen in den Phantastikprogrammen (und insbesondere in der Science Fiction) zu erzeugen. Er war rein konstruktiv gemeint, aber ja, doch durchaus auch ein wenig provozierend und lockend in Richtung Verlage. 😉
Ich verlange überhaupt keine Quote oder ein Verhältnis von 50:50. Es war der Versuch eine Debatte in der Phantastikszene anzustoßen, um ein wenig zu hinterfragen. Und zwar nicht nur die Programme, sondern auch uns selbst als Leser. Ich erliege zumindest dem Glauben, dass ich meine Bücherauswahl völlig unabhängig vom Geschlecht der Verfasserin treffe, basierend darauf, ob mich die Geschichte anspricht, ob mir die Leseprobe gefällt oder ob von mir geschätzte Rezensenten und/oder Freunde das Buch empfohlen haben. Trotzdem stammen die Bücher in meinem Regalen zu 70 bis 80 Prozent von Männern. Da muss ich mir auch an die eigene Nase fassen. Würde ich ein Verlagsprogramm nach denselben Kriterien zusammenstellen, wie meine private Lektüre, es würden vermutlich auch die Männer dominieren.