Sommerrückblick 2023: Trauer, Urlaub und der Rest

Meinen letzten Blogeintrag gab es am 09.07.2023, mein letzter Wochenrückblick wurde am 23.04. veröffentlicht. Letzteres lag daran, dass ich mit der Übersetzung der SF-Trilogie so viel zu tun hatte, dass ich einfach keine Zeit und Energie für die Rückblicke mehr hatte. Mitte Juli ist dann mein Vater völlig überraschend gestorben, was mir erst mal die Motivation genommen hat, etwas im Internet zu schreiben, egal ob hier oder in den sozialen Medien.

Ein Stapel von 1400 Manuskriptseiten auf einer hellen Holzkommode abgelegt.
Meine Übersetzungsarbeit der letzten sechs Monate (Tor-Online-Arbeit nicht mit eingeschlossen)

Doch jetzt bin ich mit der Übersetzung durch, Roman drei wurde abgegeben und 1.400 Normseiten in sechs Monaten liegen hinter mir. Die erste von drei Urlaubswochen ist vorbei und ich habe die Erholung sehr genossen. Es ist das erste Mal, dass ich mehr als zwei Wochen Urlaub am Stück mache.

Drei Bücher und ein Tablet: Oben der Fotoband "Project 562". Untere Reihe von links nach rechts: Der Japan-Reiseführer von Baedecker, die Biografie von James Tiptree Jr. und auf dem Tablet der Roman "The Changeling".

Weggefahren bin ich nicht, ich will einfach nur in Ruhe lesen und ein paar Sachen machen, für die mir sonst nicht viel Zeit bleibt. Hier auf dem Foto seht ihr meine aktuelle Urlaubslektüre. James Tiptree Jr. – Das Doppelleben der Alice B. Sheldon von Julie Phillips habe ich mir extra für den Urlaub gekauft, steht schon seit über zehn Jahren auf meiner Leseliste. Victor La Valles The Changeling auch, das ist meine Zweitlektüre auf dem E-Book-Reader, zu der ich immer greife, wenn mir die Augen für gedruckte Buchstaben zu müde werden. Von ihm hatte ich bisher nur die Novelle The Ballad of Black Tom gelesen, da aber von The Changeling Ende August eine Serienadaption auf Amazon kommt, deren Genuss ich mir durch die Lektüre jetzt vermutlich versaut habe, bin ich das Buch endlich angegangen. Project 562 von Matika Wilbur und der Reiseführer Japan sind meine Langzeitlektüre, davon lese ich immer knapp vier Seiten pro Tag. Project 562 wurde von Reservation-Dogs-Hauptdarstellerin Devery Jacobs empfohlen. Ein toller Fotoband mit viel Text, in dem faszinierende Menschen aus allen möglichen Tribes/Nations des nordamerikanischen Kontinents vorgestellt werden und auch selbst zu Wort kommen.

Fünf Bücher in einem Bücherregal vorne liegend mit den Buchrücken nach vorne übereinander gestapelt, von groß unten bis zum kleinsten oben: "Das Klima Buch" von Greta Thunberg", "Pageboy" von Elliiot Page", "Das Labyrinth der Lichter" und "Das Spiel des Engels" von Carlos Ruiz Zafon sowie "Japan für die Hosentasche "von Francoise Hauser.

Und dieser Stapel an Bücher ist auch noch kurz vorm Urlaub hier eingetroffen, auf die Lektüre freue ich mich bereits. Der Schatten des Windes habe ich vor ca. 20 Jahren schon mal gelesen, den Rest der Reihe nie. Erneut Lust darauf bekommen habe ich durch eine Arte-Doku über Zafons Barcelona. Den Reread vom Schatten habe ich kürzlich beendet und fand das Buch noch genauso gut wie damals.

Seit Anfang Juni gehe ich mit meiner Mutter dreimal die Woche für eine Stunde ins Freibad, wo wir unsere Bahnen schwimmen. Meist morgens um 9.00 Uhr, wenn das Schwimmbad aufmacht. Als wir damit anfingen, war tolles Sommerwetter, zwischenzeitlich sind wir auch mal bei 12 Grad Außentemperatur und Regen ins Becken. Ist für mich das erste Mal seit 8 Jahren, dass ich wieder im Schwimmbad war. Hatte schon befürchtet, ich hätte die Schwimmtechniken verlernt, die ich früher in der Schule in insgesamt drei Halbjahren Schwimmunterricht gelernt habe. War aber zum Glück nicht der Fall. Auf die Idee kam ich, als ich während einer meiner wöchentlichen Radtouren mit meinem Vater am Schwimmbad vorbeifuhr und über das relative leere Sportbecken erstaunt war. Ins Freibad gehen, um dort auf der Wiese zu liegen, ist nichts für mich, rein ins Becken, Bahnen schwimmen und wieder raus aus dem Schwimmbad. Aufgrund des teils sehr schlechten Wetters und der geringen Wassertemperatur (manchmal nur 19 Grad) hatten wir aber auch schon mal nachmittags das Becken für uns ganz alleine, obwohl die Sonne dann rauskam.

Eine Woche, bevor mein Vater gestorben ist, habe ich mir noch ein neues Mountainbike gekauft, weil mein altes über 20 Jahre alt ist und ich ihm nicht mehr so ganz vertraut habe. Ich habe es extra für unsere gemeinsamen Touren gekauft, wir waren noch zusammen im Fahrradgeschäft, zum gemeinsamen Einsatz kam es aber nicht mehr. Jetzt fahre ich alleine.

Serien

Filme hab ich in den Wochen nach dem Tod meines Vaters kaum gesehen (und auch wenig gelesen), dafür haben mir – neben der Arbeit – Serien durch die Zeit geholfen. Zunächst die 2. Staffel von Shameless, deren Mischung aus bösem Humor und ernsthaftem Drama über prekäre Lebensverhältnisse für mich genau den richtigen Ton getroffen hat. 2013 hatte ich meine Diplomarbeit über die Serie geschrieben, mit dem Titel Die Darstellung von Armut und Unterschicht in amerikanischen Serien und Sitcoms (oder so ähnlich). Den Begriff Unterschicht würde ich heute nicht mehr verwenden.

Weiter ging es mit der vierten Staffel von Lost, die fand ich bei Erstausstrahlung total faszinierend, spannend und geheimnisvoll mit diesem Fernduell zwischen Ben und Charles Whitmore. Als Ben plötzlich in dessen Schlafzimmer stand, das hatte mich damals vollgepackt. Heute finde ich die Staffel immer noch gut, aber nicht mehr so stark wie damals, was wohl auch am Wissen über den weiteren Verlauf der Serie liegt.

Und endlich gesehen habe ich jetzt die 1. Staffel von Yellowstone. Auch wenn Schöpfer Tyler Sheridan sie als Der Pate mit Pferden bezeichnet (ich vermute, er meint komplette Pferde), hätte ich nicht gedacht, dass sie so düster und brutal ist. Kaum eine Folge ohne massive Gewaltausbrüche. Hatte doch mehr etwas Richtung Dallas oder Denver-Clan erwartet. Finde sie bisher aber ziemlich gut.

Da demnächst die Realverfilmung auf Netflix anläuft, habe ich kürzlich die 1. Staffel von One Piece angefangen, und mag sie so weit sehr. Vor allem die fröhliche Unbekümmertheit von Monkey D. Ruffy und die rasante Inszenierung im kreativen Chaos. Was die Netflix-Adaption angeht, erwarte ich eher eine Gurke á la Cowboy Bebop.

Filme

In meiner ersten Urlaubswoche habe ich mir dann ganz viele Filme angesehen.

Decisions to Leave (Heeojil gyeolsim)

Stilistisch und formell wieder eine einzigartige Meisterleistung von Park Chan-wook, doch inhaltlich konnte mich der Film nur teilweise abholen, was vermutlich daran liegt, dass ich – trotz eines Faibles für Noir-Geschichten – mit Femme-Fatale-Stories nicht mehr viel anfangen kann. Trotzdem ein sehenswerter Film mit zwei cleveren Kriminalfällen.

And Your Bird Can Sing (Kimi no tori wa utaeru)

Japanischer Film über drei junge Menschen aus Hakodate, die zusammen eine schöne Zeit miteinander verbringen, während sie sich etwas ziellos durchs Arbeitsleben treiben lassen. Junges, erfrischendes Kino, das nichts Besonderes erzählt, aber Spaß macht. Schön melancholisch. Gibt es beim JFF noch bis Oktober kostenlos zu streamen.

Die Frau, die rannte (Domangchin yeoja)

Koreanischer Film über eine Frau, die nach vielen Jahren (einzeln) drei Freundinnen von früher wieder trifft und mit ihnen jeweils lange Gespräche führt, die nur immer wieder von nervigen, anhänglichen und unangenehmen Männern unterbrochen werden. Hat mit 70 Minuten genau die richtige Länge. Von Hong Sang-soo (One The Beach At Night Alone). Gibt es bei Mubi.

Lonely Glory (Watashi no miteiru sekai ga subete )

Sehr schöner kleiner Film über vier Geschwister, die sich nach dem Tod der Mutter um den Nachlass der Eltern kümmern müssen, zu dem ein Lebensmittel- und Udon-Laden gehört, in dem zwei von ihnen noch immer arbeiten, während die Business-Schwestern ihn verkaufen möchte, um das Geld für ein Start-up zu verwenden. Liefert einfühlsame Einblicke in das Alltagsleben jenseits der Großstadt, wo sich die Menschen noch um einander kümmern. Gibt es beim JFF noch bis Oktober kostenlos zu streamen.

Inferno

Endlich diese Bildungslücke geschlossen. Klassischer guter Argento mit atmosphärisch dichten und eleganten Einstellungen, einem tollen Soundtrack und einer gewohnt rudimentären Handlung.

Eher mittelprächtig fand ich Heart of Stone, ein typisches Action-Star-Vehikel von Netflix mit Gal Gadot, das zwei, drei nette Actionszenen und Landschaftsaufnahmen hat, ansonsten aber viel zu generisch mit schlechtem CGI daherkommt. Einen Punkt Abzug gibt es auch noch für Matthias Schweighöfer, einen Punkt dazu ber wieder für Alia Bhatt. Wenn Netflix-Film, dann aktuell lieber They Cloned Tyrone, der ist wirklich originell, spaßig inszeniert, mit drei tollen Hauptdarsteller*innen.

Crimes of the Future ist ein typischer Cronenberg, der an frühere Werke anschließt, mich mit seinem Setting aber nicht so ganz überzeugen konnte. Plätschert so vor sich hin, auch wenn er ein paar faszinierende Ideen hat.

Gut fand ich noch She Said von Maria Schrader über die Weinstein-Enthüllungen der New York Times, weil er zeigt, wie wichtig guter Investigativjournalismus ist und wie er funktioniert, aber auch wie das Patriarchat funktioniert und Missbrauch systematische stattfindet, begünstigt und vertuscht wird. Kann aber nicht ganz mit Spotlight mithalten.

Ausblick

Dokus werde ich demnächst in einem gesonderten Beitrag vorstellen, da ich einige interessante gesehen haben, die Fülle aber hier den Rahmen sprengen würde. Ansonsten hoffe ich ich, dass ich demnächst wieder regelmäßiger bloggen und Bücher besprechen werde. Auf Twitter/X werde ich nichts mehr posten und verlinken, aktuell findet ihr mich nur bei Facebook und Mastodon.

Meine Woche 16.04.2023: Täterorganisation katholische Kirche, Hellraiser, Babel u. Babylon

In meinem aktuellen Wochenrückblick stelle ich eine Doku vor, die zeigt, wie kriminell die katholische Kirche ist; schwärme von der Anime-Serie Time Machine Blues, entdecke meine Liebe zur Musik von Tori Amos wieder; zeige mich wenig begeistert vom neuen Hellraiser und erzähle, was ich beruflich diese Woche gemacht habe. Und vieles mehr.

Doku

Schweigen und Vertuschen: Die Todsünden der katholischen Kirche

Eine Dokumentation in der Arte-Mediathek, die Klartext redet. Die zeigt, was die katholische Kirche wirklich ist: Eine kriminelle Vereinigung, die Kindesmissbrauch und Vergewaltigung organisiert, ermöglicht, vertuscht, abwiegelt und die Täter schützt, wenn es doch rauskommt. Während die Opfer wie der letzte Dreck behandelt werden. In Millionen von Fällen, allein 330.000 in Frankreich seit 1950. Die Äußerungen der Kirchenoffiziellen, die in der Doku zu Wort kommen, allen voran Kardinal Marx, zeigen, dass es keine Einsicht gibt, keinen Willen, etwas am System zu ändern. Wer nach all den Enthüllungen und den stets skandalösen Reaktionen der Kirche darauf immer noch Mitglieder bei dieser Organisation ist, unterstützt dieses System ganz bewusst.

Die Täter werden geschützt, die Opfer alleine gelassen. Zukünftige Taten nicht verhindert. Der katholischen Kirche geht es nicht um Nächstenliebe oder Wohltätigkeit, sie besteht allein für den Klerus und dessen Privilegien und Macht. Unterstützt wird sie dabei weiterhin von Politik und Justiz, die tatenlos zusehen und eher noch Beihilfe leisten.

Artikel

The High Cost of Silence: Why Japan Shuts Up Victims of Sexual Abuse

Yuko Tamura darüber, wie in Japan Opfer von sexuellem Missbrauch und sexueller Belästigung zum Schweigen gebracht werden. Sie bezieht sich dabei auf eine Dokumentation der BBC über den Fall Johnny Kitagawa. Bloß keine Missstände und Probleme ansprechen. Lieber schweigen. Leider eine in Japan (und nicht nur dort) noch weitverbreitete Einstellung, die verhindert, dass sich in Zukunft etwas daran ändert. Der Artikel zeigt auch, welche Mechanismen im japanischen Journalismus leider immer noch greifen.

Fans vs. KI

Bei Kotaku gibt es einen interessanten Artikel von Sisi Jiang (Fans Are Already Revolting Against AI That Make Their Games Feel Cheap And Soulless) über chinesische Computerspieler, die sich über Games beschweren, die mit KI-Artwork gestaltet wurden, das in ihren Augen seelenlos und billig aussieht. Chinesische Spielefirmen sind wohl schon fleißig dabei, menschliche Künstler durch KI-Programme wie Midjourny und Dall_E zu ersetzen (70% Auftragsrückgang). Bekomme ich mit, dass so etwas bei einem Spiel, Buchcover usw. genutzt wird, werde ich mir das Produkt nicht kaufen. Ich freue mich sehr über die Fortschritte die in Sachen KI in Bereichen wie der Medizin und anderen Forschungsgebieten erreicht werden können, aber wenn es darum geht, menschliche Kreativität zu ersetzen, bin ich ganz auf Boycott eingestellt.

Als Übersetzer bin ich davon auch direkt betroffen. Eine befreundete Übersetzerin tweetete diese Woche, dass eine ihrer Stammauftraggeberinnen zu einer billigeren Übersetzerin für die Buch-Serie gewechselt ist, die 3 Euro! pro Normseite nimmt. Das Durchschnittshonorar liegt laut Verband der Übersetzer bei 18 Euro, bei uns im Genre wohl eher bei 13 bis 15 Euro. Und das ist schon viel zu niedrig. Bei 3 Euro wird das garantiert nur eine Deep-L-Übersetzung, über die die „Übersetzerin“ noch mal kurz drüber schaut. 3 Euro sind nämlich eher ein Lektorats-Honorar (aber auch da schon arg niedrig). Ist mir ein Rätsel, warum Menschen sich selbst so ausbeuten und warum Autor*innen (oder Verlage) sich mit so einer billigen Arbeit zufriedengeben, die garantiert nicht der Vorlage gerecht wird.

Youtube

SFF180 Into the Hailey Piperverse: 3 Transcendent Tales

Thomas Wagner von SFF 180 stellt drei Werke der amerikanischen Autorin Haily Piper vor. Wagner ist aktuell so ziemlich mein liebster Rezensent, was Phantastikbücher angeht, er bringt die Essenz des jeweiligen Werkes genau auf den Punkt und erklärt nachvollziehbar, warum ihm etwas gefallen hat oder nicht. Von Piper hat er auch schon das superinteressante Queen of Teeth besprochen. Ich habe von ihr bisher nur The Worm and His Kings bin aber sehr am Rest interssiert, da wir es hier laut Wagner mit einer wirklich außergewöhnlichen Autorin zu tun haben. Ich werde von meiner weiteren Lektüre berichten.

Senpais neue Wohnung in Tokio

Und hier noch was Unterhaltsames. Senpai gibt uns eine Room-Tour durch seine neue Wohnung in Tokio. Die Wohnung ist jetzt nichts Besonderes, hat aber ein paar sehr japanische Eigenheiten, die für alle interessant sein könnten, die noch keine japanische Großstadtwohnung gesehen haben.

Aber wie geil ist denn bitte das Video gemacht. Senpai wird wirklich immer besser und unterhaltsamer.

Serie

Time Machine Blues

Time Machine Blues ist die beste Anime-Serie, die ich seit Langem gesehen habe. Es geht um eine Gruppe Student*innen, die beim Versuch, die Fernbedienung der Klimaanlage zu retten (es ist furchtbar heiß), in einen amüsanten und cleveren Zeitreisekuddelmuddel geraten. Erinnert an den großartigen Film Beyond the Infinite Two Minutes. Spielt in einem Studentenwohnheim in Kyoto, das mich sehr an das reale aus Wonderwall erinnert. Die Figuren sind schön schräg. Die Handlung herrlich albern. Aber die große Stärke der Serie ist der Zeichenstil, der wirklich originell daherkommt, nicht so ein steriler, glatter Hochglanzkarm, wie in vielen aktuellen Anime-Serien. Der hier hat wirklich Charakter. Die Serie stammt aus der Tatami-Galaxy zu dem auch der Film Night Is Short, Walk On Girl gehört, den ich nächste Woche bespreche. Das Ganze basiert auf den Romanen von Tomihiko Morimi (Penguin Highway).

Gibt es bei Disney+.

Filme

Hellraiser (2022)

Gestern auf Paramount+ gesehen. Besser als alles, was nach Teil 2 kam, aber weniger gut, als ich mir erhofft hatte. Bin also eher enttäuscht, gerade, weil ich David Bruckners letzten Film The House at Night so gut, gruselig und vor allem atmosphärisch dicht fand, mit einigen sehr innovativen Einstellungen, die ich so vorher noch nicht gesehen habe. Hellraiser hat gute Ansätze, vor allem das Redesign der Zenobiten ist gelungen, aber insgesamt wirkt er auf mich zu glatt und sauber. So richtig Spannung kommt auch nicht auf. Die Geschichte ist ziemlich vorhersehbar, hält keinerlei Überraschungen parat. Teilweise sehen die Zenobiten auch zu sehr nach Kostüm und Plastik aus, nicht nach Fleisch. Aber Jamie Clayton macht einen guten Job als Pinhead. Auf die Story muss ich gar nicht groß eingehen, junge Leute fummeln am Würfel rum, Ketten mit spitzen Haken fliegen durch die Luft, Fleisch wird zerrissen. Eine sehr beliebige Story, schon x-Mal gesehen (13 Geister lässt grüßen), ohne die Abgründigkeit und die persönlichen Verwicklungen und Konflikte, die denn ersten Teil so besonders gemacht haben. Dort wirkte das Auftauchen der Zenobiten auch viel beeindruckender inszeniert, obwohl Low-Budget und kein CGI.

Der Film ist okay, mehr aber auch nicht.

Babylon

Ich weiß gar nicht, was alle haben, ich fand ihn großartig. Vor allem die erste Stunde ist ein grandios inszenierter mitreißender Rausch. Der Rest fällt im Vergleich etwas ab, was mich aber nicht gestört hat, da es sich ebne um die Ernüchterung nach dem Rausch handelt, die einige der Protagonist*innen wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt und Raum für ernstere Themen bietet. Klar, ist etwas lang geraten, teils überzogen und plakativ, für mich hat das aber gut zur Thematik gepasst. Bin sonst nicht so der Fan von Hollywood-Filmen über Hollywood, aber die überbordende Opulenz dieses Streifens hat genau meinen Geschmack getroffen. Und der Gag mit Samara Weaving ist klasse. Als ich den Trailer zu Ready or Not gesehen habe, dachte ich auch erst. Häh, ist das Margot Robbie?. Nur die Tobby-McGuire-Passage wirkt auf mich etwas zu schräg, die hätte es so nicht gebraucht. Für weitere Infos verweise ich auf die sehr gelungenen Letterboxd-Kritik von Daniel Schröckert.

Lektüre

Babel | Rebecca F. Kuang

Auf lesenswelt.de habe ich diese Woche Rebecca F. Kuangs Babel: Or the Necessity of Violence besprochen, nicht nur der beste Fantasyroman, den ich seit Jahren gelesen habe, sondern auch einer der wichtigsten. Und eine Liebeserklärung an die Sprache und das Übersetzen.

Die Besprechung ist richtig gut angekommen. So viele Zugriffe hatte ich schon lange nicht mehr. Und bestimmt ein halbes Dutzend Leute hat mir schon geschrieben, dass sie das Buch jetzt aufgrund meiner Rezension kaufen oder endlich anfangen zu lesen, wenn sie es schon hatten. Genau dafür schreibe ich meine Rezis. Und so leicht ist mir schon lange keine mehr gefallen. Die hat sich praktisch von selbst geschrieben. Während der Lektüre kamen mir schon ständig ganze Absätze, die ich dann schnell aufgeschrieben habe, so dass das Meiste schon vor Ende des Buch fertig war. Vier Wordseiten sind es geworden, es hätten auch acht sein, können, bei all den Themen des Buchs, aber eine Rezension sollte auch nicht zu lang werden, sonst verlieren die Leser*innen die Lust, bevor ich zum Fazit komme.

Elric | Michael Moorcock

So wird übrigens die kommende Gesamtausgabe zu Michael Moorcocks Elric aussehen. Was mich besonders freut, da das Coverbild mein Vorschlag war. Allerdings aus traurigem Anlass, denn aufmerksam wurde ich darauf durch den Tod des Künstlers Chris Achilleos. Der Band erscheint am 25.10. und wird 68 Euro kosten. Ich freue mich schon darauf, die Neuübersetzung von Hannes Riffel zu lesen, bisher kenne ich nur die alte von Thomas Schlück, die etwas in die Jahre gekommen ist.

Nachdem ich das Cover am Freitag auf der S.Fischer-Seite entdeckt und auf meinen Social-Media-Kanälen geteilt habe, gab es richtig viel positive Rückmeldungen (zumindest für meine bescheidene Reichweite), von Leuten, die an der Ausgabe interessiert sind und denen das Cover gut gefällt. Hätte ich nicht mit gerechnet. Um die 100 Likes, 30 Retweets und zahlreiche Kommentare. Bei der Resonanz, die meine Posts/Tweets usw. sonst erhalten, ist das für mich ein gutes Zeichen, was das Interesse für diese ja nicht gerade günstige Ausgabe angeht.

Warum mir Michael Moorcock Elric so viel bedeutet, werde ich erzählen, wenn die neue Ausgabe raus ist.

Musik

Tori Amos

Es kommt nicht häufig vor, dass ich mich in Musik neu verliebe, die ich bereits seit fast 30 Jahren höre. Bei Tori Amos ging es mir diese Woche aber so. Zwei ihrer Titel begegneten mir in den Serien Yellowjackets und Beef, was mich dazu brachte, mir Reaction-Videos zu ihrer Musik auf Youtube anzusehen. Das brachte mich wiederum zu der Erkenntnis, dass ich mir ihr Debüt-Album Little Earthquakes nie richtig angehört habe, weshalb ich Winter gar nicht so richtig auf dem Schirm hatte.

In meinen Jungendjahren in den 90ern habe ich zu 90% Musik von Männern gehört (Nine Inch Nails, Rage Against the Machine, Radiohead, Nick Cave, Tool usw.), die 10% waren Björk, Jewel (Pieces of You) und Tori Amos. In den letzten Jahren hat sich das geändert, da höre ich vermehrt Musik von Frauen (ZAZ, Taylor Swift, Billie Eilish, Little Simz, Halsey, Arlo Parks, Meg Meyers uvm.). So ist es vielleicht auch nicht verwunderlich, dass ich Tori Amos für mich wiederentdeckt habe.

Ihre Musik höre ich seit Mitte der 90er, seit mir ein Freund das Album Under the Pink ausgeliehen hat, das ich mir von CD auf MC überspielte und erste Jahre später digital selber gekauft habe. Boys for Pele habe ich mir direkt bei Erscheinen gekauft, dem tollen Cover konnte ich einfach nicht widerstehen. Ebenso bei Scarlett’s Walk. 2003 hatte ich eine Karte für Toris Konzert in Frankfurt, bin aber nicht hingefahren, weil auf der gesamten Strecke von Siegen bis Frankfurt Blitzeis herrschte. Danach habe ich ihre Musik etwas aus den Ohren verloren, nur einzelne Musikvideos gesehen, mir aber keine neuen Alben gekauft. Hab mir jetzt vorgenommen, mir alle 16 in chronologischer Reihenfolge anzuhören.

Meine Lieblingsband der 90er war übrigens Nine Inch Nails und ich fand so ziemlich alles, was Trent Reznor gemacht hat, großartig. Trotzdem habe ich fast 20 Jahre gebraucht, um mitzubekommen, dass die Backing Vocals auf Past the Mission auf Under the Pink von ihm stammen. Und erst kürzlich las ich, dass er während der Aufnahmen zu seinem Meisterwerk The Downward Spiral täglich Little Earthquakes gehört haben soll (nach eigener Aussage).

Wie auch immer, momentan läuft die Musik von Tori Amos bei mir wieder rauf und runter. Und ich schaue mir auf Youtube auch Interviews mit ihr an, da sie dort stets sehr witzig und geistreich antwortet und von sich erzählt. Diese Woche hat sie in Deutschland Konzerte gegeben, mir ist nach der Pandemie aber aktuell noch nicht nach so großen Menschenmassen.

Ach ja, was mir an Toris Musik so gefällt: Mit 13 flog sie wegen „Musical Subordination“ von der Peabody Academy (und weil sie lieber Scooby Doo geschaut hat, als die Notenblätter längst verstorbener Komponisten zu lesen und die Stücke zu spielen, die alle anderen auch gespielt haben). Und genau diese Musical Subordination ist es, die ihre Musik so besonders macht. Sie wandelt nicht auf ausgetretenen Pfaden, sondern beschreitet neue, ungewöhnliche Wege. Allein die Art, wie sie singt, die Symbiose mit dem Piano, mit Musik, die ständig im Wandel ist und überrascht. Sie schreibt keine radiotauglichen Popsongs, kein Rocketman, sondern nutzt die Musik als künstlerische Ausdrucksform, mit poetischen Texten, die teils sehr persönlich und unbequem sind (diese Live-Version von Me and a Gun geht wirklich unter die Haut). Und sie ist eine tolle Erzählerin (Storyteller).

Mein liebstes Stück von ihr ist diese Live-Version von Winter (Montreux 1991), die ich für einen der besten und schönsten Live-Auftritte halte, die ich je auf Video gesehen habe.

Berufliches

One down, two to go: Übersetzung abgeben

Ein Übersetzungsmanuskript. Oben drauf liegt ein Blatt, auf dem ich über zwei Monate ein Strickliste geführt habe, auf für jeden Tag die Zahl der übersetzten Seiten notiert ist.

Gestern habe ich meine erste von drei Übersetzungen abgegeben. Ich glaube, so konstant habe ich noch kein Buch übersetzt, vom Abgabetermin aus rechne ich mir aus, wie viele Seiten ich pro Tag übersetzen muss und schaue, ob das auch gut machbar ist (habe ja auch noch meinen Job bei Tor Online). Dabei versuche ich mich an übliche Bürozeiten von 9.00 bis 17.00 Uhr zu halten, und übersetze an fünf Werktagen. Hier habe ich samstags alles, was ich in der Woche übersetzt habe, noch einmal Korrektur gelesen. Die letzten zwei Wochen vor Abgabe lese ich dann alles noch einmal in ausgedruckter Form gründlich durch. Da gibt es noch kleine Verbesserungen: Tippfehler, Satzstellung, noch ungelenke Formulierungen, Wortwiederholungen usw. Wobei ich das Meiste schon im ersten Korrekturgang verbessert habe.

Da ich vom Verlag noch keine offizielle Ankündigung gesehen habe, weiß ich nicht, ob ich schon etwas über das Buch schreiben darf. Ist eine Science-Fiction-Trilogie mit interessanter Handlung, in der ein Wissenschaftler, ein Roboter und ein Papagei die Welt retten müssen. Morgen geht es direkt mit Teil 2 weiter.

Meine Woche 09.04.2023: Buchmarkt in Deutschland und Pornomarkt in Japan

Diese Woche gibt es eine abgespeckte Version des Wochenrückblicks nur mit Empfehlungen für Artikel, Radiobeiträge und Youtube-Videos. Serien habe ich keine beendet und keinen Film gesehen, den ich unbedingt empfehlen möchte. Ich wünsche euch schöne Feiertage!

Artikel und Radiobeiträge

Rechte „Literatur“ in Buchläden

Jana Stäbener berichtet für BuzzFeed darüber, wie schwer es für Buchhandlungen ist, Bücher von rechten Verlagen auszusortieren. Damit sind nicht die Titel gemeint, die im Laden selbst ausliegen, sondern jene, die über Großhändler wie Libri oder ein angegliedertes Portal wie Genialokal bestellt werden können. Solche Machwerke auszusortieren bzw. sich zu weigern, sie zu verkaufen, hat übrigens nichts mit Zensur zu tun, sondern mit Haltung und der Freiheit der Händler*innen, zu verkaufen oder nicht zu verkaufen, was sie nicht wollen und ethisch und moralisch für nicht vertretbar halten. Dem rechten Dreck darf keine Plattform geboten werden.

Radiofeature: Wie Bestseller den Buchmarkt prägen

Ach, schau an. Als ich mir den Link fürs spätere Anhören gespeichert habe, war mir noch gar nicht aufgefallen, dass dieses Radiofeature von Christian Blees stammt. Der hat mich letzten Montag für ein anderes Radiofeature beim Deutschlandfunk Kultur interviewt, das irgendwann im Sommer kommt. Ob ich es aber auch hineinschaffe, ist fraglich, da ich keine gute Figur abgegeben habe. Ist einfach nicht mein Ding. Als Textmensch fühle ich mich an der Tastatur wohl, nicht am Mikro.

In dem aktuellen Beitrag geht es um die Frage, wer entscheidet, was ein Besteller wird, und wie Besteller den Buchmarkt prägen. Die offensichtlichste Anwort: Die Leser*innen, ist nicht unbedingt auch die richtige, oder zumindest einzig richtige Antwort. Die Lage ist komplexer. Der Beitrag ist gründlich und erklärt, woher das Prinzip Bestsellerliste ursprünglich kommt und wie sie heute entstehen. Zwischendurch kommen immer wieder Buchhändler*innen zu Wort.

Ein paar harte Fakten: 1% der in Deutschland verkauften Bücher machen 50% des Umsatzes aus. 90% aller erhältlichen Titel verkaufen keine 100 Stück.

Aber kann ein Bestseller wirklich konstruiert werden? Da fragt ihr am besten bei Dirk Roßmann nach. 😉

In dem Beitrag geht es allerdings ausschließlich um die Perspektive des Buchhandels und der Verlage. Was das System Bestellerliste und die Konzentration des Umsatzes auf wenige Titel für die Autor*innen bedeutet, wird nicht erwähnt. Der Umsatz der Bestseller-Titel finanziert sicher einiges von den anderen Büchern quer, aber gerade für Midlist-Autor*innen wird die Luft immer dünner, die Höhe der Honorare sinkt (so weit ich das mitbekommen habe). Ich merke, dass bei den Verlagen, für die ich tätig bin und Gutachten verfasse. Wenn im gleichen oder letzten Jahr ein richtiger Besteller erschienen ist, ist es auch einfacher, Titel durchzusetzen, die vielleicht etwas ungewöhnlicher sind und nicht direkt wie Bestsellermaterial wirken. So zumindest mein Eindruck

Die besten Cyberpunk-Romane bei Bookriot

Die Seite Bookriot hat eine Liste mit den 22 besten Cyberpunk-Romanen aller Zeiten erstellt. Da sind die bekannten Klassike wie Snow Crash, Neuromancer und Altered Carbon drauf, Aber auch Titel, die eher überraschen, wie Future Home of the Living God von Louise Erdrich. Meine Empfehlung ist The Waste Tide von Chen Qiufan (hier besprochen).

Deutschsprachige Titel fehlen natürlich. Da möchte ich das kürzlich von mir besprochene Neongrau von Aiki Mira empfehlen. Und der Shadowrun-Roman Pesadillas von Maike Hallmann lohnt sich auch, wenn man kein Fan des Rollenspiels ist. Und natürlich Miami Punk von Juan S. Guse, das ich ebenfalls rezensiert habe.

Auch wenn aus Cyberpunk inzwischen eher Cybermonday geworden ist, für mich ist das Genre noch lange nicht tot. Was Cyberpunk ist, habe ich hier mal erklärt.

Klimakrise: „Fragt endlich nach dem Geld!“

Auf Zeit.de schreiben Vanessa Nakate und Luisa Neubauer darüber, wie das globale Finanzsystem die Klimakrise befeuert. Für kurzfristige Gewinne einiger gieriger Reicher wird weiterhin in fossile Brennstoffe und andere klimaschädliche Produkte investiert, ohne sich um die gigantischen Folgekosten der Klimakrise zu scheren. Konkrete und realistische Vorschläge zu dem, was getan werden kann, gibt es, allein es tut sich wenig.

Youtube

Senpai in Japan

Nachdem sich der Japan-Youtuber Nihongo mit dem Hans-Georg-Maaßen-Interview endgültig als rechtskonservative Socke entpuppt habt, schaue ich jetzt lieber die Videos von Mr. Nippon (siehe unten) und Senpai in Japan. Der hat diese Woche ein Video veröffentlicht, in dem er einfach ein paar Fragen von Zuschauer*innen beantwortet. Ist ein guter Einstieg zu seinem Kanal, um herausuzfinden, ob seine euch Art zusagt. Mir ist er sehr sympathisch.

Wie ist es, größter P*RNOSTAR in JAPAN zu sein?

Tobi von Mr. Nippon hat Japans wohl bekanntesten Pornodarsteller Ken Shimizu interviewt und einige interessante (und teils auch unerwünschte :)) Einblicke in die Branche erhalten. Der ist wohl wirklich der bekannteste, denn mir ist er in anderen Dokus auch schon begegnet. Aber Vorsicht, der hat einen sehr eigenwilligen Humor. Er ist auch in zwei Folgen der ausgezeichneten Netflix-Serie The Naked Director zu sehen.

Jack Edwards liest Pedro Pascals Buchempfehlungen

Der für mich wohl sympathischste, eloquentestes und mitreißenste Buchvlogger ist Jack Edwards. Er ist in seinen Buchbesprechungen nicht nur super unterhaltsam und witzig, sondern liefert auch kompakte und geistreiche Zusammenfassungen und Analysen der gelesenen Titel.

Fotos der Woche

Sonnenuntergang, Samstag, der 09.04.2023.

Auf der Birke direkt gegenüber von meinem Arbeitszimmer.

Ein Eichhörnchen von vorne fotografiert, hockt auf dem abgesägten Stumpf eines Birkenasts.

Meine Woche 25.02.2023: Time War on Planet Sex

In Planet Sex erkundet Cara Delevingne die zahlreichen Facetten menschlicher Sexualität und Identität, gelesen habe ich This Is How You Lose The Time War und Gute Nacht, Tokio, außerdem feiern meine SFF News sechsjähriges Jubiläum und ich erzähle, wie das Otherland Berlin mein Leben verändert hat.

Am Anfang der Woche frage ich mich immer, wie ich überhaupt eine Ausgabe meines Wochenrückblicks mit Material vollbekommen soll, das ich auch nur halbwegs interessant finde. Am Ende bin ich dann ganz erstaunt, dass es doch wieder fünf Seiten geworden sind (und ich meist noch Sachen weglasse, damit es nicht zu viel wird). Ich sammel das Material die ganze Woche über und schreibe zwischendurch immer wieder an den einzelnen Teilen, das Meiste entsteht aber doch erst kurz vor Veröffentlichung auf den letzten Drücker. Denn in der Woche ist mein Arbeitspensum momentan so hoch, dass mir dafür die Zeit fehlt und nach Feierabend oft die Energie.

So langsam bekomme ich aber mit, dass es bei jeder Ausgabe ein paar Leute gibt, die interessante Tipps zu Serien, Filmen uns sonstigem mitnehmen. Was mich natürlich besonders freut und Motivation gibt, mit dem Wochenrückblick weiterzumachen. Und insgesamt verbringe ich dadurch auch weniger Zeit in den sozialen Medien, weil ich da nicht mehr über alles, was hier reinkommt, noch mal extra poste.

Doku-Serie

Planet Sex with Cara Delevingne

Auf der Suche nach sexueller und geschlechtlicher Identität begibt sich die Schauspielerin Cara Delivingne auf eine Reise um die Welt, wo sie zahlreiche faszinierende Menschen kennenlernt, die meist aus dem fallen, was als sogenannte gesellschaftliche Norm gilt. Eine Norm, die oft mit Zwang und Repression durchgesetzt wird, manchmal auch nur mit indignierten Blicken. Daneben besucht sie auch Wissenschaftlerinnen, die die menschliche Sexualität in all ihren Facetten erforschen, ob auf neurologische oder biologische Weise.

Thematisch ist die Serie insgesamt gut strukturiert, wirkt manchmal aber etwas hektisch geschnitten, was gut zur hibbeligen Cara Delivingne passt, die keine Einstellung auf der Straße durchhält, ohne herumzualbern, insgesamt aber sehr sympathisch rüberkommt. Und viel auf ihre eigenen Erfahrungen und Schwierigkeiten bei der Findung einer Sexualität eingeht. Sie lässt sich Blut abzapfen, Spucke einsammeln, ein MRT von ihrem Gehirn beim Betrachten ihrer Ex-Partner*innen machen und ihren Orgasmus beim Masturbieren messen.

Sie besucht die aktivistische Pornofilmerin Erika Lust, die nach ethischen Standard Filme jenseits des pornoindustriellen Male Gaze filmt. Eine lesbische Sexparty in L. A., trans- und intersexuelle Personen, eine Gruppe polyamorös lebender Menschen, das schwule Museum in Berlin uvm.

Ich habe es mir inzwischen abgewöhnt, Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Ich kommentiere keine Kleidung mehr und finde niemanden hässlich. Was Menschen hässlich macht, ist ihr Verhalten, wie sie sich geben und andere Menschen behandeln. Delevingnes sechsteilige Doku-Serie ist ein Plädoyer genau dafür, das mit viel Empathie dafür wirbt, Menschen mit ihrer Sexualität und Identität so zu akzeptieren, wie sie sind und wie sie sich fühlen. Sie zeigt auch, wie langweilig rein binäre Geschlechtsvorstellungen und das konservative Familienbild sein können; wie sehr vieles davon aus patriarchalen Machtstrukturen erwachsen ist. Und wie viel aufregender Menschen, Sexualität, Geschlechtsidentitäten und Beziehungsmodelle eigentlich sind, vor allem, wenn sie sich frei entfalten können.

Gibt es im Stream bei RTL+ (Originaltonspur aber nur im Max-Abo)

Lektüre

This Is How You Lose The Time War | Amal El-Mohtar u. Max Gladstone

Liest sich anfangs, als hätte Harlan Ellison einen Doctor-Who-Roman geschrieben, in seiner Radikalität, Abstraktheit und Härte. Doch durch den Briefwechsel zweier Zeitagentinnen, Red und Blue, die für die Agency und den Garden auf zwei unterschiedlichen Seiten eines Zeitkrieges stehen, gewinnt die Geschichte durch die wachsende Nähe der beiden zueinander, bald eine neue emotionale Ebene, die trotz der Rick and Morty mäßigen apokalyptischen Parallelwelt-Hopsereien etwas sehr Zärtliches hat. Die Geschichte wird, auch wenn sie zwischendurch manchmal etwas repetitiv wirkt, zu einem gelungen und runden Ende geführt. Eine wirklich außergwöhnliche Science-Fiction-Novelle, die vor allem mit der Konsequenz ihrer Umsetzung und dem herausragenden sprachlichen Stil punktet.

Auf Deutsch ist das Buch unter dem Titel Verlorene der Zeiten in der Übersetzung von Simon Weinert bei Piper erschienen.

Gute Nacht, Tokio | Atsuhiro Yoshida

Auf lesenswelt.de gibt es jetzt meine Besprechung von Atsuhiro Yoshidas Roman Gute Nacht, Tokio, der wunderbar melancholisch und entrückt von Nachtschwärmern und Menschen erzählt, die beruflich nachts unterwegs sind.

Tor Online

Otherland Buchtipps

Als ich 2004 erstmals nach Berlin reiste, um einen guten Freund zu besuchen, war meine erste Anlaufstelle die Ufo-Buchhandlung. Für mich, der als großer Phantastikfan bis dato nur Provinzbuchhandlungen mit schmalen Fantasy- und SF-Regalen kannte, fühlte es sich wie die Ankunft im gelobten Land an. Nach stundenlangem Stöbern kaufte ich mir Der marsianische Zeitsturz von Philip K. Dick, Der ewige Krieg von Joe Haldeman und Bedenke Phlebas von Iain M. Banks und hatte viel Spaß mit den Büchern.

Als ich 2009 nach Berlin zog, wurde ich Stammgast in der Buchhandlung, die sich inzwischen in Otherland umbenannt hat, weil der alte Name zu viel Erich-von-Dänniken-Fans angezogen hat. Dort an der Kasse (damals noch direkt neben der Eingangstür) unterhielt ich mich erstmals mit Hannes Riffel (dem die Buchhandlung damals zusammen mit Birgit Herden gehörte). Und für Hannes’ Verlag Golkonda habe ich dann einige Captain-Future-Romane übersetzt. Und Hannes war es auch, der als Programmchef Fischer Tor und Tor Online aufbaute und mich 2017 mit ins Boot holte. Ich kann also durchaus behaupten, dass ich ohne das Otherland heute beruflich vermutlich was ganz Anderes machen würde. Und ich mache heute beruflich etwas, das mir richtig Spaß macht.

Die Buchhandlung gab Hannes dann irgendwann an Simon, Wolfgang und Jakob ab. Bevor ich 2013 aus Berlin wegzog, konnte ich noch an den ersten Gatherlands teilnehme und bedaure bis heute, dass ich nicht zu den vielen tollen Lesungen und Abenden im Otherland kommen kann. Wenn ich mal in Berlin bin, schaue ich dort aber immer vorbei. Denn das Otherland ist durchaus ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Und deshalb freut es mich umso mehr, dass ich jetzt wieder jeden Monat Buchtipps aus dem Otherland auf Tor Online präsentieren kann:

Wenn der Orden des geheimen Baumes den Schlüssel der Magie findet, wird Ardor Benn zur Druidendämmerung tausend Tode im Königreich der Lügen sterben müssen. Die Buchtipps Februar: Fantasy.

SFF News

Meine SFF News auf Tor Online feiern diesen Monat sechsjähriges Jubiläum. Als ich vor sechs Jahren mit Andy Hahnemann telefoniert, und er mich dazu überredet hat, hatte ich erst gar keine Lust darauf. Ich hatte gerade eine Phase hinter mir, in der ich sechs Monate lang nur Bücher aus Frankreich und keine Phantastik gelesen habe, und Blockbuster á la Marvel und Star Wars hingen mir auch damals schon mit ihrer toxischen Nostalgie zum Hals raus. Und darüber sollte ich dann dreimal die Woche berichten …

Ich bin froh, dass ich mich dann doch dafür entschieden habe. Denn das hat mir nicht nur ein festes Grundeinkommen beschert, sondern auch eine gute Vernetzung in der professionellen Phantastik-Verlagswelt. In Folge schrieb ich zahlreiche Artikel für Tor Online, übernahm 2020 das CMS-Management und letztes Jahr auch die Chefredaktion.

Als ich mit den SFF News loslegte, hieß es, wir schauen erst mal, wie sie laufen. Ich dachte nicht, dass ich das auch nur sechs Monate lang machen würde, bevor sie eingestellt werden. Und jetzt sind es sechs Jahre.

Anfangs erschienen sie tatsächlich dreimal die Woche, was ziemlich stressig war, ständig ausreichend meldenswerte News zu finden. Irgendwann wurden sie auf zwei Ausgaben in der Woche gekürzt, was angenehm und passend war. Nach einigen Umstrukturierungen (sprich Entlassungen) in der Fischer-Tor-Redaktion dann auf eine Ausgabe in der Woche. Mir persönlich ist das ganz recht, weil es mir reicht, einmal in der Woche, Material für die News zu sammeln. Aber eigentlich ist es eine Ausgabe zu wenig, mit den News auch wirklich aktuell zu bleiben. Früher habe ich teilweise noch mit der Veröffentlichung gewartet, wenn ich wusste, dass am gleichen Nachmittag der neue Star-Wars-Trailer online geht, um ihn dann praktisch in Echtzeit auf der Seite zu haben. Heute ist es eher ein Newsletter, der die in meinen Augen interessantesten News aus der Welt der Phantastik zusammenfasst.

Die Blockbuster als Aufmacher haben lange für gute Klickzahlen gesorgt, aber ich war immer bestrebt, auch kleine News abseits von Mainstreamthemen zu bringen. Infos zu interessanten Lesungen, Ausstellungen, Theaterstücken, kleineren Filmen oder Kurzfilmen. Und natürlich Neuigkeiten aus dem deutschsprachigen Phantastik-Fandom.

Während der Pandemie war zu sehen, wie die Reaktionen auf Facebook und Twitter von Monat zu Monat weiter zurückgingen. Von den Likes- und Klickzahlen von damals können wir nur noch träumen. Ob das allein am Inhalt liegt, ich weiß es nicht, glaube es aber nicht. Los ging es zwar, als die großen Kinofilmen mit ihren Trailern ausblieben, aber vor allem dürften Reichweiteneinschränkungen von Facebook eine Rolle spielen, die halt wollen, das wir für mehr Reichweite auch zahlen.

So lange sie noch halbwegs funktionieren und noch finanziert werden, mach ich mit den SFF News weiter.

Die aktuellen SFF News

#SFFnews🗞️ Was haltet ihr von der Netflix-Serie Shadow and Bone? Jetzt gibt es einen Trailer zur 2. Staffel. Außerdem in unseren News: Theresa Hannig über per KI generierte Geschichten, Clarksworld Magazine nimmt deswegen keine Einreichungen mehr an, die Legenden der Drachenlanze im Rückblick und eine traurige Meldung zu Leiji Matsumoto.

Foto der Woche

Bei solchem Besuch an meinem Fenster halte ich doch gerne kurz mit der Arbeit inne.

Eichhörnchen schaut zum Fenster rein.

Liebe Buchbranche, wir müssen mal wieder reden: Von Sensitivity Reading, unsensiblem und rassistischem Verhalten und veränderungsunwilligen Strukturen

Die letzte Woche zeigte wieder, dass auch in der Buchbranche, die sich gerne so weltoffen, divers, emphatisch und kulturell gibt, immer noch viel Nachholbedarf in Sachen Rassismus, Diskriminierung und Selbstkritik besteht.

Dieser Beitrag bezieht sich auf eine Veranstaltung der IG Belletristik und Sachbuch sowie des Börsenvereins des deutschen Buchhandels zum Thema Sensitvity Reading. Hier ein kurzer Bericht des Börsenblatts dazu, der die Abläufe aber wohl ziemlich verzerrt darstellt (wie die Überschrift schon befürchten lässt). Auf ihren Twitter-Accounts schildern die beiden Betroffenen Victoria Linnea und Jade S. Kye, was dort vorgefallen ist (am besten durch die Accounts scrollen, da es mehrere Threads zum Thema gibt). Auf Facebook gibt es einen differenzierten und selbstkritische Beitrag von Karin Schmidt-Friderichs (aber Warnung, die Kommentare darunter lesen sich teils ziemlich gruselig und zeigen exemplarisch, was noch alles schiefläuft).

Was ich so alles von der Veranstaltung mitbekommen habe, und was zwei der Teilnehmerinnen, die Expertinnen zu dem Thema und Peoples of Color sind, da durchmachen mussten, zeigt mir, so toll viele meiner Kolleg*innen in der Buchbranche auch sind, ein gewisser und leider nicht unbeträchtlicher Teil der immer so auf den gesellschaftlichen Wert des Kulturgutes Buch bedachten Branche scheint weiterhin aus a) unsensibeln Trampeln und b) rücksichtlosen Arschlöchern zu bestehen, die bewusst von Diskriminierung betroffene Menschen vor den Kopf stoßen und verletzen. Eine Branche, die sich nach außen gerne divers gibt und mit Büchern diverser Autor*innen schmückt, im Inneren aber nicht bereit ist, eigenes rassistisches Verhalten und eigene rassistische und diskriminierende Strukturen auch nur ansatzweise zu hinterfragen und zu reflektieren, geschweige denn zu reformieren.

Statt den Betroffenen und Expert*innen zuzuhören, werden diese in aggressiven Abwehrkämpfen lieber diffamiert oder ins Lächerliche gezogen. Statt sich auf das Thema einzulassen, dessen Nutzen zu erkennen und damit zum kulturellen und gesellschaftlichen Fortschritt beizutragen, wird lieber ein diffuser Freiheitsbegriff der Autorenschaft beschworen. Statt den Mehrwert eines konstruktiven Miteinanders zu nutzen, wird jeder Vorschlag zur Verbesserung als Angriff auf die eigene Person, den ach so heiligen Status Quo und das eigene Weltbild gesehen. Ein Weltbild, in dem sie sich als Vertreter*innen eines intellektuellen Habitus sehen, der für moralisch überlegenen bzw „gute“ Werte stehen soll, aber eigentlich nur privilegierte Bequemlichkeit ist.

Bei besagter Veranstaltung kritisierte eine Literaturkritikerin in der Keynote, Sensitvity Reading würde die Autorenschaft infrage stellen. Und keine*r der anwesenden Lektor*innen sprang auf und fragte, ob das für sie dann auch gelte?

Als Tokens werden Sensitivty Reader und PoC in bester Greenwashing-Manier gerne hinzugeholt. Doch wenn es um konkrete Veränderungen der Strukturen geht, stören sie mit ihrer „emotionalen und aggressiven Art“ dann doch eher. Das mit solchem Verhalten auch enormes wirtschaftliches Potenzial verschenkt wird, darauf gehe ich hier jetzt nicht weiter ein (empfehle aber die Lektüre von Hether McGhees The Sum of Us: What Racism Costs Everyone and How We Can Prosper Together – auch zwei Jahre nach Veröffentlichung nicht auf deutsch erschienen), denn die eigentlichen Gründe für solche Veränderungen sollte ein respektvoller Umgang von allen Menschen mit allen Menschen sein; der Wille, mit dem Kulturgut Buch auch wirklich zu einer besseren Welt beizutragen und der Wunsch, niemanden mit seinem Werk/Produkt/Handeln zu verletzten (was nicht heißt, dass es keine kritische und provokante Literatur mehr geben darf).

Bei Büchern geht es doch auch darum, die Welt zu entdecken und sich mittels Empathie in die Perspektive anderer Menschen hineinzuversetzen. Es ist wirklich erschreckend, wie viele Menschen in der Buchbranche dazu nicht willens oder in der Lage sind.

Für Victoria, Jade und alle anderen Betroffenen tut es mir wirklich leid, dass sie das im Jahr 2023 immer noch ertragen müssen. Wir können daran nur etwas ändern, wenn wir ihnen offen zuhören; nicht einfach betreten Schweigen, wenn ihnen so etwas passiert und sie dann später für ihre „Tapferkeit“ loben; uns und unser Umfeld selbstkritisch hinterfragen und auf die notwendigen Veränderungen aktiv hinarbeiten.

P. S. Auf meiner Seite lesenswelt.de stelle ich ein paar Bücher vor, die dabei helfen können.

P. P. S. Eigentlich sollte das hier nur ein wütender Tweet werden, ist mir dafür dann aber zu lang geworden. So knüpfe ich mit der Überschrift an meinen Beitrag Liebe Buchbranche, wir müssen reden! Wenn Selbstausbeutung existenzbedrohend wird an.

P. P. P. S. Bei Sensitivity Reading geht es nicht nur um Rassismus, auch Ableismus und andere verletztenden oder traumatisierende Themen können Gegenstand sein. Hier ein Artikel dazu.

P. P. P. P. S. Unterstützen könnte ihr Jade und Victoria auf Ko-fi oder, indem ihr ihnen anständig bezahlte Aufträge anbietet (und damit sind keine pauschalen 300 Euro für das Sensitivity Reading eines kompletten Buchs gemeint).

Disclaimer: Ich arbeite selbst in der Buchbranche, freiberuflich als Übersetzer und in der Chefredaktion des Phantastik-Online-Magazins Tor Online, das zu Fischer Tor/S.FIscher gehört.

Meine Woche 27.01.2023: Ein japanisches Inselparadies, Hawai’i und ein nachhaltiger neuer Verlag

Für alle, die vom nasskalten Wetter genervt sind, habe ich genau die richtigen Dokus parat. Und wer sich fragt, wie Bücher deutlich nachhaltiger produziert werden können, sollte sich den Artikel zum Kjona Verlag ansehen. Dazu gibt es noch eine Buchwarnung von mir.

Youtube

27 Stunden in der schneereichsten Region der Welt

Die die deutschen Japan-Youtuber Mr. Nippon und Senpai sind Anfang des Jahres für ein paar Tage in eine der schneereichsten Regionen Japans und der Welt gereist und haben dort Schneemonster entdeckt. Es gibt ein paar richtig schöne Naturaufnahmen und interessante Reiseziele.

Dokus

Japans Garten Eden: Die Insel Iriomote

Eine sehr schöne Naturdoku ist seit Kurzem in der Arte-Mediathek über die japanische Insel Iriomote verfügbar. Die liegt noch südlich von Okinawa, fast schon vor Taiwan. Die Natur ist wunderschön: Mangrovenwälder und Dschungel, bewohnt von Feuerliesten, Schlangenweihern und Schlammspringern sowie einer weltberühmten Modedesignerin. Wunderbar, um eine dreiviertel Stunde abzuschalten, und ein schöner Kontrast zum schneereichen Mr.-Nippon-Video. Ist noch bis zum 22. April abrufbar.

Hawai‘i: Aus Feuer geboren

Ebenfalls in der Arte-Mediathek gibt es jetzt eine vierteilige Doku über Hawai’i, die sich den vier großen Insel widmet und Lava bzw. die Vulkane als Hauptthema hat, aber eine gute Mischung zwischen Natur, den Menschen und hawaiianischer Kultur findet. Genau das Richtige, um nach Feierabend etwas abzuschalten und Fernweh zu bekommen. Hier der erste Teil:

Artikel

Bücher mit nachhaltiger Wirkung

Bei SZ-Online gibt es einen interessanten Artikel über den neu gegründeten Kjona Verlag. Der nimmt es mit der Nachhaltigkeit in der Produktion besonders ernst. Was mich besonders neugierig gemacht hat, ist folgende Aussage:

Alle Autorinnen und Autoren erhalten die gleiche Beteiligung, zwölf Prozent etwa bei Hardcovern, mehr als branchenüblich. Übersetzer werden als Urheber auf dem Cover genannt. Auch bei Preisverhandlungen mit Dienstleistern aller Art heißt die Devise: ›kein Kampf, sondern Kooperation‹. Das fühle sich für alle Beteiligten sehr viel besser an, sagt Claßen.

Um zu sehen, wie die Qualität dieser ökologisch produzierten Bücher aussieht (Druckverfahren mit weniger Tintenverbrauch und komposttierbares Papier), werde ich mir wohl mal eins kaufen müssen. Dana Spiottas Roman Unberechenbar klingt ganz interessant.

Hier ein Video, in dem sich der Verlag kurz vorstellt:

Opinion: “Sweden needs to reckon with its racism”

Die Designerin Kat Zhou (Asian-American) berichtet in Vogue Scandinavia von ihren Begegnungen mit Rassismus, nachdem sie nach Stockholm gezogen ist.

Kitschige Graphic-Novel-Romantik statt lästiger Rassismus-Sensibilität bei Arte

Im Dezember habe ich hier auf die vierteilige Arte-Reportage zu den Ursprüngen der Fantasybücher hingewiesen, und mich sehr über die Lovecraft-Folge aufgeregt. Da ging es nicht nur mir so. Auf Youtube gibt es zahlreiche kritische Kommentare unter dem Video und für Übermedien fasst Martin Niewendick gut zusammen, warum diese Episode so ein Ärgernis ist.

Tor Online

In meinen SFF News ging es neben dem Trailer zur Retro-SF-Serie Hello Tomorrow! um: Ein Gesprächsabend zu Ursula K. Leguins Die Linke Hand der Dunkelheit mit Übersetzerin Karen Nölle in Berlin, Theresa Hannig in ihrer taz-Kolumne zu Lützerath und ein neuer Trailer zu Dungeons and Dragons – Honor Among Thieves.

Und im Artikel der Woche geht Lars Schmeink der Frage nach, warum der Film „Strange World“ an den Kinokassen so gefloppt ist, erklärt, warum das zu Unrecht geschehen ist, was diesen progressiven Film so besonders macht und warum er sich ganz auf der Höhe der Zeit befindet.

Lektüre

Meine Warnung vor dem Buch Psych Diver: Desires of the Flesh von Baku Yumemakura, das nur was für Fans von brutalen und misogynen Animes wie Violence Jack oder Urotsukidoji sein dürfte.

Trailer

밀수 (Smuggle)

Ein Action-Thriller von Ryoo Seung (dessen Escape from Mogadishu mich schwer beeindruckt hat) über eine koreanische Perlentaucherin, die in den 1970er-Jahren in eine Schmuggelgeschichte verwickelt wird. Sieht gut aus. Startet in Südkorea im Sommer.

Filme

Letzte Woche habe ich nichts gesehen, was mich zu einer ausführlichen Besprechung angeregt hat. Erstmals komplett sah ich Fritz Langs M – eine Stadt sucht einen Mörder, und bin überrascht, wie psychologisch und differenziert er an die Thematik herangeht, vor allem beim Tribunal der Ringvereine am Ende.

The Menu war ganz nett, interessantes Konzept und gelungene Kritik am Druck und Chefkochkult, der in erfolgreichen Restaurants herrscht und wohl wirklich schon Sekten-Charakter annehmen kann.

The Killer ist ein solider südkoreanischer Action-Film in Richtung John Wick, bei dem Story und Figuren jedoch noch flacher und austauschbarer ausfallen. Die Action ist aber sehenswert inszeniert. Ich habe in der letzten Zeit allerdings zu viele südkoreanische Action-Thriller auf dem Level gesehen, um mich wirklich dafür begeistern zu können.

Bodies Bodies Bodies: Netter Whodunit der Generation-Instagram über eine Gruppe junger Frauen, deren Wochenendparty aus dem Ruder läuft, als plötzlich jemand tot ist. Entwickelt ab da eine interessante Gruppendynamik und hat eine wirklich gute Auflösung. Ich kann aber auch alle verstehen, die von dem Rumgestreite und Gerenne genervt sind. Ganz so gut, wie ich gehofft hatte, war der Film nicht.

Serien

Hier gibt es heute keine Tipps, da ich keine neue Serienstaffel beendet habe. Was nicht daran liegt, dass ich keine gesehen hätte, aber keine davon konnte mich so begeistern, dass ich eine ganze Staffel innerhalb von einer Woche fertiggeschaut habe.

The Hardy Boys ist nach acht Folgen eine unterhaltsame Jugendetektivgeschichte, die in der ersten Episode für die Zielgruppe aber etwas zu brutal daherkommt, im Verlauf aber einige spannende Mysterien aufbauen kann und abenteuerliche Kleinstadtatmosphäre versprüht. Disney+

Bonn – Alte Freunde, neue Feinde erzählt von dem Aufbau des Bundesnachrichtendienstes und dessen Verstrickungen mit Altnazis durch die Organisation Gehlen. Die ersten beiden Folgen machen einen guten Eindruck. ARD_Mediathek

Fotos der Woche

Ich liebe verschneite Winterabende, vor allem am Wochenende, wenn der Schneepflug nicht direkt ausrückt und sich ein verzauberter weißer Schleier über die Umgebung legt. Das hier war letzte Woche Freitag. Was vom Schnee übrig bliebt, hat seinen Zauber inzwischen verloren und ist eher unangenehm.

m Vordergrund ein verschneiter Garten mit Thuja-Hecke. Dahinter die Kurve einer schneebedeckten Straße, deren Weiß von einer Straßenlaterne beleuchtet wird. Dahinter eine Baumreihe. Rechts der Rand eines weiteren Grundstücks mit Thuja-Strauch.
Im Vordergrund ein verschneiter Garten mit Thuja-Hecke. Dahinter die Kurve einer schneebedeckten Straße, deren Weiß von einer Straßenlaterne beleuchtet wird. Dahinter eine Baumreihe. Rechts der Rand eines weiteren Grundstücks mit Thuja-Strauch.

Durch die Belichtung sieht man die Schneeflocken als weiße Punkte in der Luft. Manche leuchten sogar.

Ausblick

Das hier ist mein letzter Wochenrückblick, der an einem Freitag erscheint. Ab nächste Woche geht es sonntags weiter. Das nächste halbe Jahr werde ich gut damit beschäftigt sein, eine SF-Trilogie ins Deutsche zu übersetzen. Deshalb schiebe ich meine unbezahlte Arbeit aufs Wochenende. Kann auch gut sein, dass die Rückblicke etwas abgespeckt erscheinen werden, da ich in solch geschäftigen Zeiten nicht so dazu komme, im Internet zu surfen und interessante Artikel und Videos zu sammeln. Auch Serien werde ich sicher etwas weniger schauen. Denn ich will ja auch noch weiter Japanisch lernen und Bücher lesen.

Im Hintergrund ein Notebook mit geöffnetem Schreibprogram, auf der Tastaturebene des Schreibtischs davor ein hochkant gestelltes Tablet, das von einem dicken Buch am Umfallen gehindert wird. Davor noch der Ran einer Tastatur.

So sieht das jetzt aus, wenn ich übersetze. Bisher habe ich die zu übersetzenden Manuskripte immer noch ausgedruckt, doch ich will weg vom Papier. Deswegen dieses Fire-Tablet von Amazon, das momentan für 73 Euro zu haben ist. Da ich es ausschließlich als Papierersatz nutze, reich mir das völlig aus. Ganz papierlos funktioniert mein Büro aber noch nicht, denn die fertige erste Fassung der Übersetzung drucke ich zum Korrigieren noch aus. Der Text auf dem Tablet ist nicht der, den ich übersetze, sondern meine aktuelle Lektüre. Die Perspektive täuscht, ich kann gut über das Tablet kommplett auf den Bildschirm des Notebooks sehen. Andere übersetzen lieber mit zwei Monitoren oder haben einen großen, den sie zweiteilen, mir ist das hier so lieber.

Meine Woche 13.01.2023: X, Pistol und die Filme von Wong Kar-Wei

Heute geht es um Frauen in den Anfangsjahren von Dungeons an Dragons, Maria Sibylla Merian – geniale Naturforscherin des 17. Jahrhunderts und ein Interview mit der Übersetzerin irischer Literatur Anna-Nina Kroll. Ein Videoessay erklärt die Arbeitsweisen von Meister-Regisseur Wong Kar-Wei und ich erkläre, warum die Youtube-Universität beim Japanisch-Lernen eine hilfreiche Ergänzung zu Lehrbüchern ist. Dazu Film- und Serientipps.

Youtube

Zu meinen Top 5 Lieblingsregisseuren der 90er gehört eindeutig Wong Kar-Wei. Seine Filme waren für mich eine Art cineastisches Erweckungserlebnis. Entdeckt habe ich ihn als Fallen Angels auf Premiere lief. Kurz darauf folgten As Tears Go By und Days of Being Wild im Nachprogramm der Dritten. Alle auf VHS aufgenommen und mehrfach angeschaut. Die großen Hits Chungking Express und In The Mood For Love (2000) fand ich gar nicht besser als die drei anderen. Sie lernte ich erst kürzlich (vor ca. einem Jahr) durch den Erwerb der DVDs so richtig schätzen.

In seinem Videoessay How Wong Kar-Wai Shoots A Film At 3 Budget Levels arbeitet In Depht Cine schön heraus, wie Wong arbeitet: oft ohne Drehbuch, von einem Tag zum anderen planend, teils über Jahre an einem Film arbeitend. Was mich damals in den 90ern am meisten an den Filmen fasziniert hat, war die hypnotische Kamera-Arbeit von Christopher Dolye – von dem ich gar nicht wusste, dass er sich mit Wong verkracht hatte -, und die melancholische Stimmung. Ein wirklich sehenswertes Video, auch wenn nicht alle Details immer hundertprozentig akkurat sind.

The Grandmaster ist übrigens auch ein ganz toller Film. Und In The Mood For Love gehört jetzt doch zu meinen absoluten Lieblingsfilmen. Eine Schande, dass die Filme von Wong Kar-Wei teils nur so schwierig zu bekommen sind und er seit 2013 keinen Film mehr finanziert bekommen hat – angeblich soll er aber an einem arbeiten.

Alejandro G. Iñárritu, Guillermo del Toro & Alfonso Cuarón: The Three Amigos In Conversation

Dieses Video mit einem eineinhalbstündigen Gespräch dieser drei großartigen mexikanischen Regisseure habe ich noch nicht gesehen, da ich es erst kurz vor Erstellung dieses Beitrags entdeckt habe, möchte aber trotzdem darauf hinweisen, da es sicher superinteressant ist. Pinocchio fand ich ziemlich gut, Bardo will ich noch sehen. Cuarón hat, glaube ich, aktuell noch keinen neuen Film am Start.

Artikel

Maria Sibylla Merian

In der FAZ gibt es einen interessanten Artikel von Katharina Deschka über Maria Sibylla Merian, die im 17. Jahrhundert als geniale Naturforscherin unterwegs war. Anlass ist, dass ihr im Museum Wiesbaden jetzt ein ganzer Raum gewidmet wird – der soll allerdings erst 2025 fertig sein. Eine faszinierende Frau, die spannende Forschungsreisen unternommen hat.

Die literarische Irland-Spezialistin: Anna-Nina Kroll

Das hier ist ja auch ein Blog zum Übersetzen, weswegen ich mich immer freue, etwas zum Thema bringen zu können. Die Irland News hat jetzt ein Interview mit der Übersetzerin Anna-Nina Kroll geführt, die sich zu einer Art Spezialistin für die Übersetzung irischer Romane entwickelt hat, allen voran Milchmann von Anna Burns. Kroll war auch schon als Translator in Residence für ein halbes Jahr am Trinity College in Dublin und scheint ein spannendes Übersetzerinnen-Leben zu führen.

Auf Abwegen zum Palast der Silberprinzessin

Auf seinem stets lesenswerten Blog Skalpell und Katzenklaue geht Peter Schmidt auf die Anfänge von D&D ein. Es geht um ein mysteriöses Modul, das erstmals von einer Frau (Jean Wells) geschrieben und wegen »objectionable content« eingestampft wurde. Warum bloß? Und wie standen Gary Gygax und Dungeons und Dragons damals überhaupt zu Frauen? Peter Schmidt ist der Sache auf den Grund gegangen und hat ein interessantes Stück Rollenspielgeschichte hervorgeholt.

Eigentlich wollte ich hier auch noch was zu Lützerath bringen, aber da ist ja inzwischen eigentlich alles gesagt und geschrieben worden. Nur so viel, die Entscheidung, das Dorf zu zerstören, die Kohle wegzubaggern und das Pariser Klimaabkommen so wie das eigene Klimagesetz nicht einzuhalten, dürfte jegliche zukünftige Bemühung Deutschlands torpedieren, andere Länder von einer klimafreundlichen Politik zu überzeugen. Und für die Grünen könnte es einen Kipppunkt bedeuten, ganz gleich, ob da ein bindendes Gerichtsurteil steht. Was nur zeigt, dass Politik, Justiz und Polizei in Deutschland immer noch vor allem auf die Vertretung von Kapitalinteressen ausgelegt sind.

Translate or Die

Am Mittwoch ging ein kurzer Beitrag von mir online, in dem ich darauf hinweise, dass ich als Übersetzer aus dem Englischen ins Deutsche noch Kapazitäten für 2023 frei habe. Dazu meine Qualifikationen und Referenzen. Scheint sich gelohnt zu haben, eine erste vielversprechende Anfrage ist bereits eingegangen.

Lesenswelt

Und auf meiner Buchbesprechungsseite Lesenswelt gibt es eine Rezension zu Six Four von Hideo Yokoyama, einer grandiosen Mischung aus Krimi, Verwaltungsepos und Gesellschaftsporträt.

Tor Online

In meinen SFF News auf Tor Online geht es um einen ersten Teaser zur zweiten Staffel von Foundation. Außerdem: Die FaRK findet nicht mehr statt, die Phantastik-Bestenliste Januar, englischsprachige Buchneuerscheinungen 2023, eine Konferenz zu »Disruptiven Imaginationen« und ein Trailer zur 2. Staffel von Carnival Row.

Und der Artikel der Woche heißt Big Data ist Waching You! Werden wir durch unsere Smartphones belauscht?: An einem Tag unterhalten wir uns über ein bestimmtes Thema, am nächsten erhalten wir genau dazu Werbung. Kennt ihr das auch? Olaf Kemmler geht der Frage nach, ob wir von unseren Smartphones belauscht werden, und zieht die Science Fiction als Beispiel heran, um aufzuzeigen, wohin das noch führen kann.

Serie

Pistol

Nach den ersten Kritiken wollte ich die Serie eigentlich gar nicht sehen. Gab ihr diese Woche aber spontan aus einer Laune heraus eine Chance, da ich einfach auf Serien und Filme über Musik und Jugendsubkulturen stehe. Die ersten beiden Folgen bestätigten eigentlich meine Befürchtungen bezügliche einer biederen Inszenierung, die dem Punk und der Musik nicht gerecht wird. Der jugendliche Elan von Trainspotting ist doch schon seit ein paar Jährchen verflogen. Doch ich blieb wegen der Frauen am Ball, die für mich die viel interessanteren Figuren waren, vor allem Chrissie Hynde, die wirklich toll von Sydney Chandler gespielt wird. Ab Folge drei konnte ich dann gar nicht mehr genug von der Serie bekommen. Formal gibt es auch an den letzten Folgen einiges zu bemängeln, aber losgelöst von den wahren Ereignissen und Personen fand ich die Dynamik der Figuren unter einander faszinierend (ähnlich, wie es mir schon mit Pam & Tommy erging). Die Serie arbeitet zwar gut heraus, wie sexistisch die damalige Musikszene war, und Steve Jones nicht mal auf die Idee kommt, Chrisie Hynde eine Chance in der Band zu geben; und wie manipulativ Malcom McLaren agierte, trotzdem fehlt ihr an einigen entscheidenden Stellen Tiefgang. Bei Disney+.

In dem hier eingebetteten Trailer kommt Steve Jones kaum vor, Chrissie Hynde überhaupt nicht, dabei sind die beiden eigentlich die zentralen Hauptfiguren der Serie.

Filme

X

Ich mag die Filme von Ti West, besonders The House of the Devil und The Innkeepers. Wie sie langsam und auf sehr atmosphärische Weise Spannung aufbauen. X ist eine Hommage an 70er-Jahre-Slasherfilme wie Texas Chainsaw Massacre, die in einer ländlichen Gegend in den Südstaaten spielen, mit jungen Leuten in einem Van, die einer nach dem anderen ermordet werden – hier nachdem sie auf einer alten Farm einen Pornofilm gedreht haben. Aber X ist anders als diese Filme. Wie er sich Themen wie dem Älterwerden nähert, während man sich immer noch nach Sexualität sehnt und danach begehrt zu werden. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Herangehensweise sensibel ist, oder ob sie das Thema auf eine sensationslüsterne Art und Weise nutzt, aber ich neige dazu, Ersteres zu glauben. Die Besetzung ist hervorragend, besonders Mia Goth und Jenna Ortega. Der Slasher-Teil ist gelegentlich ein bisschen langweilig, aber insgesamt ist X recht unterhaltsam.

Believer (Dokjeon)

Sehr guter Hochglanz-Thriller aus Südkorea, über eine Polizeieinheit, die einen mächtigen und mysteriösen Drogenboss jagt, und sich dafür selbst als Drogendealer ausgibt. Die Auflösung war durchaus zu erwarten und passt mit der Chronologie nicht so ganz zusammen, trotzdem ist der Film spannend und sehenswert. Ist aktuell OmU bei Prime enthalten.

Hell Dogs

Ausgezeichnet gefilmter Yakuza-Thriller über einen Ex-Cop, der sich bei einer Yakuza-Familie undercover einschleusen und hocharbeiten soll. Dabei geht er nicht gerade zimperlich vor und mordet auch im Auftrag der Polizei. Erinnert an Donnie Brasco, mit knallharter Action, guten Darsteller*innen und einer Handlung, die nicht ganz den typischen Yakuza-Trillern entspricht. Wirkt ab und zu etwas ziellos, ist aber trotz seiner 138 Miuten zu keiner Zeit langweilig. Der Film basiert übrigens auf einem Roman von Akio Fukamachi, der wiederum das Drehbuch zu World of Kanako geschrieben hat. So schön abgründig ist Hell Dogs aber nicht. Bei Netflix.

The Pale Blue Eye

Sehr stimmungsvoll inszenierter historischer Krimi, in dem Edgar Allen Poe als Kadett an der Militärakademie von West Point in eine Mordermittlung verwickelt wird. Der Ermittler wird von Christian Bale vielschichtig verkörpert. Den Twist habe ich nicht kommen sehen, obwohl er früh angedeutet wurde. Hat mir richtig gut gefallen. Die gesamte Besetzung ist ausgezeichnet. Bei Netflix.

Japanisch

Diese Woche habe ich mal wieder gelernt, dass ich mich beim Lernen einer Sprache nicht ausschließlich auf Lehrbücher verlassen sollte und die „Youtube-Universität“ durchaus hilfreich sein kann. In meinem aktuellen Japanisch-Lehrbuch heißt es zum Beispiel, das »anata« (あなた) Liebling bedeute, selten auch »Sie«. Das habe ich vor einigen Wochen gelernt, als ich beim Hiragana in der N-Reihe angekommen bin.

Kürzlich spülte mir der Youtube-Algorithmus ein Video in die Timeline, bei dem auf dem Screenshot stand: »anata is rude«. Und ich fragte mich, warum denn »Liebling« unhöflich sei. Also habe ich mir mehrere Videos zu dem Thema angsehen, unter anderem von Learn Japanese with JapanesePod101.com und Miku Real Japanese, hier eingebettet habe ich aber das von That Japanese Man Yuta, weil es mir am verständlichsten erklärt hat, was da gemeint ist. »Anata« bedeutet vor allem »You« also »Sie«, wird aber nur in bestimmten Situationen als Höflichkeitsform verwendet. Z. B. wenn man einen älteren Vorgesetzten anspricht. Bei Paaren kann es auch vorkommen, dass es verwendet wird, aber nicht als liebevolles »Liebling«, sondern wenn sie sich streiten und dem Gegenüber Vorwürfe machen. Und auch ansonsten wird es in Streits verwendet, um seinem Streitpartner gegenüber unhöflich zu sein.

Von »Du« und »Sie« gibt es zahlreiche Varianten im Japanische, für jede der vielschichtigen Höflichkeitsformen eine eigene. Meistens wird das Pronomen aber einfach weggelassen und durch eine bestimmte Betonung ersetzt. Die japanische Grammatik machts möglich.

Die Videos stammen alle von japanischen Muttersprachler*innen, die wissen, wie im Alltag gesprochen wird. Gerade das finde ich an Youtube so hilfreich, eine Perspektive jenseits der Lehrbücher und Lern-Apps auf die Sprache zu bekommen. Im fortgeschrittenen Lernstadium dürften auch Tandem-Partner*innen aus Japan sehr hilfreich sein, die mittels moderner Kommunikationsmittel relativ einfach zu erreichen sind. In der Prime-Serie Modern Love: Tokyo gibt es eine sehr schöne Episode dazu.

Übersetzer (Englisch/Deutsch) nimmt 2023 noch Aufträge entgegen

Dieser Blog hier heißt ja Translate or Die und ist an einem kühlen Novemberabend 2011 nach dem Besuch eines Berufseinsteigerseminars von Jochen Schwarzer bzw. dem VDÜ am Literarischen Colloquium Berlin entstanden. Gedacht, um von meinen ersten Erfahrungen als Literaturübersetzer zu berichten. 11 Jahre später bin ich noch immer in der Branche tätig. Aktuell unter anderem als Chefredakteur des Magazins Tor Online vom Verlag Fischer Tor bzw. S. Fischer.

Doch ich bin auch weiterhin als Übersetzer aus dem Englischen ins Deutsche tätig, und für 2023 habe ich noch Kapazitäten frei und nehme Aufträge gerne entgegen. Insgesamt habe ich 16 Bücher ins Deutsche übersetzt (siehe hier), darunter Science Fiction, Horror und Thriller für Verlage wie Heyne, Knaur, Golkonda und Cross Cult. Zahlreiche Kurzgeschichten von Autor*innen wie Jeff VanderMeer, Ken Liu, Aliette de Bodard, Jo Walton oder Laird Barron. Sowie jede Menge TV-Dokumentationen für N24. 2015 habe ich den fünftägigen Übersetzungsworkshop In einer anderen Welt am Europäischen Übersetzerkollegium in Straelen besucht, unter der Leitung von Hannes Riffel und Karen Nölle.

Neben meinem Diplom als Sozialpädagoge habe ich einen Abschluss in Nord- und Lateinamerikastudien von der Freien Universität Berlin, kenne mich also besonders gut mit amerikanischer Kultur und Geschichte aus, bin aber auch anderweitig gut belesen, was zeitgenössische, historische und Sachliteratur angeht. Mein popkulturelles Wissen ist breit gefächert, so dass Anspielungen auf Musik, TV, Filme usw. kein Problem sind.

Ich würde mich also sehr freuen, mal was jenseits des phantastischen Genres zu übersetzen. Begrifflich und fachlich dürfte das für mich kein Problem darstellen. Ich weiß, wie schwer es als Übersetzer ist, aus einer Genre-Schublade wieder herauszukommen. Wobei ich natürlich auch weiterhin gerne Fantasy, Science Fiction und Horror übersetze.

Bei keinem einzigen meiner Projekte habe ich den Abgabetermin nicht einhalten können. Pünktlichkeit ist mir neben Sorgfalt besonders wichtig. Was die Übersetzung selbst angeht, ist mein Ansatz: Wirkungsäquivalenz, also mir vorzustellen, wie der Autor * die Autorin den Text als Muttersprachler*in auf Deutsch geschrieben hätte, damit die Übersetzung die gleiche Wirkung auf die Leserschaft erzielt, wie das Original. Bei Aufträgen halte ich mich natürlich an die gewünschten Vorgaben.

Habe ich schon erwähnt, wie pünktlich ich bin! 🙂 Ich weiß ja, wie wichtig das für Verlage und Redaktionen ist.

Anfragen bitte an meine E-Mailadresse markusmaeurer(at)gmx.de

Und hier noch ein Foto der von mir übersetzten Bücher:

Meine Woche 06.01.2023: Japan, Japan, James May, sumimasen

Erstmal noch frohes neues Jahr euch allen! Ich hoffe, es wird besser als 2022 (auch wenn ich das nicht wirklich glaube). Und danke fürs Vorbeischauen auf meinem Blog!

In meinem aktuellen Wochen-Newsletter geht es wieder viel um Japan: Eine ausführliche Besprechung der Dokumentation Salaryman über die teils problematische Angestelltenkultur in Japan. James May stellt in sechs Episoden die schöneren Seiten von Nippon vor. Dazu geht es noch um sinnlose Arbeit (Stichwort Bullshitjobs) und Buchneuerscheinungen 2023 in den Bereichen Science Fiction, Fantasy und Horror.

Filme

The Legend of the Stardust Brothers (1985)

Völlig überdrehte japanische Satire aufs Musikbusiness, die aus jeder Einstellung 80er-Jahre schreit und kreischt, größtenteils aus Meta-Montagen mit furchtbarer Musik besteht (manche Songs sind okay), die zeit- und kulturgeschichtlich aber durchaus von Interesse ist. Hat sicher ihr Publikum, ich gehöre aber nicht unbedingt dazu.

The Middle Man

Nettes Kleinstadtdrama mit komödiantischen Zügen, das einige makabere Wendungen nimmt.

Salaryman

Ganbaru

Der Film beginnt mit Männern, die bewusstlos oder schlafend auf Bürgersteigen liegen oder orientierungslos durch die Gegend torkeln. Männer, die nicht obdachlos sind, sondern Büroangestellte in Anzügen, die nach Feierabend mit den Kollegen saufen waren, was zur japanischen Arbeitskultur dazugehört. Die im Film interviewten Angestellten bezeichnen sich selbst als Arbeitsvieh und Sklaven, die morgens wie Zombies durch überfüllte Straßen und U-Bahnen ins Büro schlurfen und mittags Rahmen am Nudelstand, während es am Abend – oft verpflichtend – mit den Kollegen und dem Chef zum Karaoke geht oder in kleine Bars. Businessmen sind unabkömmlich, Salarymen ersetzbar und entbehrlich.

Der Film ist bezüglich dieser Arbeitsmoral sehr kritisch, lässt aber auch Stimmen zu Wort kommen, die dieses System in führenden Positionen umsetzen, und erklären, was dahintersteckt. Im Japanischen heißt das Wort für Angestellter als Kanji-Zeichen: „Jemand, der Arbeit befolgt“. Die unterschiedlichen Ansichten zu uns im Westen gründen sich darauf, dass in Japan die Gesellschaft bzw. Gemeinschaft vor dem Individuum kommt und den Anstrengungen, das Land nach dem 2. Weltkrieg wieder aufzubauen.

Um die Salarymen strukturiert sich auch das Geschäft mit den Host-Clubs und Hostessen, die von ihnen dafür bezahlt werden, ihnen Gesellschaft beim Trinken zu leisten, aber auch bei Geschäftsmeetings in Clubs.

Beim Zusehen empfinde ich es allerdings etwas unangenehm, wenn Regisseurin und Künstlerin Allegra Pachecco die auf der Straße Schlafenden mit Kreide umzeichnet und Leuten nachts mit der Kamera folgt, die sich kaum noch auf den Beinen halten können. Ich verstehe zwar, dass sie damit auf das Problem aufmerksam machen möchte; Karoshi, Tod durch Überarbeitung ist ein Problem in Japan, eine japanische Regisseurin hätte da so aber sicher nicht gemacht. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob nicht manche Szenen davon gestellt sind.

Es gibt auch Menschen, die versuchen, aus dem System auszubrechen. Manchmal nur im kleinen, wie die Extreme Commuters, die den Weg zur Arbeit möglichst unterhaltsam und abwechslungsreich gestalten, manchmal aber auch im Großen, indem sie ihren Job kündigen und auf Land ziehen, wo andere Arbeitsbedingungen herrschen.

Der Dokumentation gelingt es gut, Einblicke in die Arbeitskultur Japans zu liefern, zeigt eindrücklich, wie sich das so höfliche und zurückhaltende Tokyo nachts verändert, und lässt Menschen aus allen Bereichen zu Wort kommen. Aktuelle und ehemalige Salarymen, Soziologen, Gewerkschafter, Aktivisten, Vorgesetzte und die Mutter von Matsuri Takahashi. Letztere arbeitete für Japans größte Werbeagentur und nahm sich 2016 das Leben, weil sie den Druck und die Belastung durch die Arbeit, nicht mehr aushielt.

Eine durchaus einfühlsame Doku, die Bewusstsein für die Problematik liefert, aber auch ein paar unangenehme Momente hat.

Serien

Auf Disney+ – das ich noch für einen Monat habe – habe ich mir die erste Folge von The Old Man angesehen. Schlecht ist die nicht, aber Folge 2 habe ich nach zehn Minuten wieder ausgemacht, weil ich momentan einfach keine Lust auf noch eine Geschichte über einen alten CIA-Agenten habe, der von der Vergangenheit eingeholt und gejagt wird. So toll Jeff Bridges den auch spielt.

Nach Sumo Do, Sumo Don’t habe ich auch noch die anderen japanischen Serien auf Disney+ angefangen, von denen mich zwei mit ihren Pilotfolgen aber nicht so recht überzeugen konnten. Die Geschichten sind eigentlich ganz interesant, aber die Inszenierung ist eher so mittelprächtig und trifft in beiden Fällen nicht den intendierten Ton. Bei Was wir vergessen (Subete Wasurete Shimau Kara)geht es um einen Krimiautor, der sich auf die Suche nach seiner vermissten Freundin macht und herausfindet, dass sie gegenüber anderen Menschen eine ganz andere Person war, als bei ihm. So richtige Noir-Atmosphäre kommt aber leider nicht auf. Tomorrow I’ll Be Somone’s Girlfriend (Ashita, Watashi wa Dareka no Kanojo)erzählt von einer Studentin, die sich ihren Lebensunterhalt als Miet-Freundin verdient. Leider ist das recht holprig inszeniert.

Vielversprechender war die erste Folge der neuen Serie Gannibal (Gannibaru), die auf dem gleichnamigen Manga von Masaaki Ninomiya basiert (der erst im März auf Deutsch erscheint). Das Drehbuch stammt von Takamasa Ōe, der auch das Drehbuch von Drive My Car mitgeschrieben hat. Scheint in die Richtung von The Wailing zu gehen. Stadtbulle landet mit Frau und Kind in einem Dorf, in dem Unheimliches vorgeht und die Gebräuche der Einheimischen nicht immer ganz gesetzeskonform sind. Technisch ist das viel besser gefilmt, als die beiden Serien oben (wie man auch am Trailer sieht).

The Makanai: Cooking for the Maiko House

Einer meiner derzeit absoluten Lieblingsregisseure ist der Japaner Hirokazu Kore-eda (Shoplifters), dessen Our Little Sister mich letztes Jahr verzaubert hat. Am 12. Januar startet eine Serie von ihm auf Netflix. In The Makanai: Cooking for the Maiko House (Maiko-san Chi no Makanai-san)geht es um zwei Teenagerinnen/junge Frauen, die in der Zeit zurückreisen? um Meikos zu werden (eine noch exklusivere Variante der Geishas). Im Magazin Time-Out gibt es einen Artikel dazu, der auch ausführlich darauf eingeht, wie Kore-eda junge Filmemacher*innen fördert. Die Serie basiert auf dem Manga Maiko in Kyoto: From the Maiko House von Aiko Koyama.

James May – Our Man in Japan

Um diese Reisedoku habe ich mich lange gedrückt, weil James May einer der drei Moderatoren von The Grand Tour ist, neben Jeremy Clarkson. Zum Glück entpuppt sich May nicht als so ein großes, misogynes, rassistisches Arschloch. In der Serie kommt er sogar als ganz netter Kerl rüber. Clarkson hätte sicher keine Hemmungen gehabt, das Maid-Café zu betreten.

In sechs Folgen reist May vom verschneiten Hokkaido im Norden über Fukushima und Tokyo bis an die sonnigen Strände von Shikoku im Süden. Dabei macht er immer wieder skurrile Sachen mit, wie das Schneeball-Battle oder die Mechwarriors; aber auch traditionelle japanische Sachen wie Aikido, Kalligrafie oder Bogenschießen; oder besucht modernere japanische Events, wie ein Boy-Band-Konzert um 7.00 Uhr morgens, das Schülerinnen vor der Schule besuchen.

Begleitet wird er oft von unterhaltsamen Guides, verhält sich gerne recht albern (manchmal auch etwas respektlos) und bringt viel britischen Humor mit, für den er sich ständig – sumimasen – entschuldigen muss. Da ist natürlich viel dabei, was Japan-Aficionados wie ich kennen, aber auch Sachen, die mir bisher unbekannt waren.

Dokus

New York, New York

Beim ZDF gibt es seit dieser Woche mit New York, New York einen guten Film über die Stadt nach zwei Jahren Pandemie. Ist halt die klassische ÖR-Reportage, in der ein gestandener Auslandsreporter (Johannes Hano) interessante Menschen besucht und interviewt, die stellvertretend für viele jüngere Veränderungen stehen. Darunter ein aus Deutschland stammender Immobilienmakler für Superreiche, der genauso so auftritt, wie es das Klischee verlangt. Aber auch jemand, der sich seit drei Jahren darauf vorbereitet, dass Cannabis endlich in NY legalisiert wird.

Arbeit ohne Sinn

Die Doku auf Arte geht der Frage nach, warum eine Vielzahl moderner Arbeitsstellen das sind, was der hier auch zu Wort kommende (inzwischen leider verstorbene) David Graeber in seinem gleichnamigen Buch als Bullshitjobs bezeichnet. Wie konnte unsere Arbeitswelt so ineffizient werden, was vor allem auf Kosten der Angestellten geht, die diese sinnlosen (oder als sinnlos empfundenen) Tätigkeiten ausführen, und dann im Burnout landen. Von der massiven Kapitalvernichtung, die schlechtes Management verursacht, ganz zu schweigen. Kann Arbeit auch Spaß machen? Auf jeden Fall! Mir macht meine Arbeit Spaß. Noch mehr Spaß würde sie allerdings machen, wenn sie besser bezahlt wäre.

Offices are graveyards of possibilities.

Lektüre

Farbiges E-Book-Cover von "The Jasmine Throne". Vor gelbem Hintergrund sitzt eine junge Frau in indischem Sari auf der Steintreppe eines Tempels.

Endlich beendet: The Jasmine Throne von Tasha Suri. Einer der besten Fantasyromane, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Opulenter Weltenbau, der Magie und Natur auf sehr originelle Weise verbindet; eine mitreißende Geschichte; vielschichtige Figuren und eine an die indische Kultur angelehnte Mythologie. Im Mittelpunkt stehen drei Frauen, die für ihr Recht zu leben, aber auch die Freiheit ihres Landes kämpfen. Hat den World Fantasy Award 2022 verdient erhalten. Auf Deutsch ist das Buch leider noch nicht erschienen. Für eine ausführlichere Besprechung fehlen mir leider Zeit und Muse, verdient hätte es das Buch aber.

Neue Bücher 2023: Science Fiction, Fantasy und Horror

Auf seinem Kanal SFF 180 stellt Thomas Wagner in drei Videos interessante Neuerscheinungen aus den Bereichen Science Fiction, Fantasy und Horror vor. Ich bette hier nur mal das Video zur Fantasy ein, da dort die meisten Titel dabei sind, die mich interessieren. Z. B. The Daughters of Idzihar von Hadeer Elsbai, The Keeper’s Six von Kate Elliot oder Victory City von Salman Rushdie. Bereits lesen konnte ich The Basilisk Throne (04.04.23) von Greg Keyes und The First Bright Thing (22.06.23) von Jenna Dawson, die ich beide nur empfehlen kann (mehr schreibe ich dazu, wenn sie im Original erschienen sind). Wagner versteht es wirklich gut, in kurzen, klaren Sätzen vorzustellen, worum es in den Büchern geht und wie sie im Kontext des Gesamtwerk der jeweiligen Autor*innen einzuordnen sind.

Tor Online

In meinen SFF News ging es diese Woche um die Absetzung der deutschen Netflix-Serie 1899, über die ich hier auf dem Blog bereits gerantet habe. Dazu ein Teaser-Trailer zum südkoreanischen Science-Fiction-Film Jung_E, das Brecht-Haus über progressive Phantastik und das Magazin nd über gute Science-Fiction-Bücher 2022.

Im Artikel der Woche von Natascha Strobl geht es um Akte X, Dystopien und Querschwurbeleien. Der ist richtig gut geworden und hat mir wieder Lust gemacht, meinen Akte X-Rewatch (in Staffel 4) fortzusetzen.

lesenswelt

Auf meiner anderen Webseite lesenswelt.de habe ich eine Besprechung des Mangas Boys Run The Riot von Keito Gaku veröffentlicht. Hier ein kurzer Teaser:

Gefühlvoller und mitreißender Manga über junge Menschen, die noch nach ihrer Identität und Stimme suchen; die sich gegen die gesellschaftlichen Konventionen auflehnen und ihre Kreativität nutzen, um einen Platz im Leben zu finden.

Worüber ich mich freue

Juhu, Januar. Endlich kann ich meinen neuen Kalender aufklappen. Das Foto hier von Jan Becke zeigt verschneite Bauernhäuser in Shirakawa.

Links der Rand eines Bücherregals, in der Mitte eine Karte von Japan und rechts daneben ein Wandkalender mit einem Fotos von verschneiten Bauernhäusern in Japan - alles vor einer gelben Tapete, rechts daneben ein blauer Vorhang.

Meine erste Arbeitswoche im neuen Jahr. Kein Scheiß! Während der beiden Wochen Weihnachtsurlaub habe ich mich natürlich nicht darauf gefreut, montags wieder mit der Arbeit anzufangen. Hätte gerne noch eine Woche mehr sein können. Doch schon nach dem ersten Arbeitsvormittag hatte ich gute Laune, die die ganze Woche lang anhielt, weil eigentlich alles gut lief und Spaß gemacht hat (siehe „Arbeit ohne Sinn“ weiter oben).

Meine Woche 30.12.2022: Andor, Pinocchio und japanische Filme

Diese Woche geht es bei mir um: Andor, Pinocchio, japanische Filme, ethische Pornografie, die Wiederauferstehung von Barnes & Nobles und einen persönlichen Jahresrückblick sowie einen Ausblick auf 2023 .

Normalerweise mag ich die Woche zwischen Weihnachten und Neujahr sehr, da ich sie als einen entrückten Schwebezustand empfinde, in dem die Zeit ein wenig still steht. Doch nach einem Kondolenzbesuch bei Eltern, die ihren 37-jährigen Sohn überraschend verloren haben und dessen Beerdigung, wollte diese Stimmung dieses Jahr nicht so recht bei mir aufkommen. Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie schlimm das für sie und seine Lebensgefährtin und deren Kind sein muss. Auf der Beerdigung lief übrigens Pink Floyd.

Artikel

What can we learn from Barnes and Nobles

Interessanter Artikel von Ted Gioia über Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg der amerikanischen Buchhandelskette Barnes & Nobles, die, ähnlich wie Borders, kurz vorm Verschwinden stand, dann aber doch noch die Kurve bekam. Und über die Mechanismen des Buchhandels. Im Prinzip läuft der neue Erfolg von Barnes & Nobles auf das Gleiche heraus, wie der von Waterstones in England: einen Chef, der Bücher liebt – und zwar den gleichen in beiden Fällen. Der hat die Verantwortung über die Bücherauswahl wieder an die einzelnen Filialen und deren Mitarbeiter*innen zurückgegeben. Von Verlagen gekaufte Plätze auf Präsentiertische gibt es anscheinend nicht mehr. Alles Sachen, von denen sich deutsche Ketten wie Thalia eine Scheibe abschneiden können. Das mag den größeren Verlagen auf den ersten Blick nicht gefallen, doch langfristig dürften auch sie von einem florierenden lokalen Buchhandel profitieren. Teil 1 habe ich als Kind mal gesehen, haber aber nicht die Absicht, ihn mir noch einmal anzusehen.

Die wichtigsten japanischen Filme des Jahres

Das Magazin des Japanese Film Festival stellt zusammen mit sieben Exper*innen die wichtigsten japanischen Filme des Jahres vor. Die meisten davon dürften bei uns noch nicht verfügbar sein. Einige wie Makoto Shinkais Suzume werden auf jeden Fall einen Heimkinostart erhalten. Bei anderen können wir wohl froh sein, wenn sie überhaupt irgendwann mal bei Mubi erscheinen. Manche davon liefen auch auf Festivals wie der Nippoh Connection. Mich überfordert die Liste in ihrer Fülle etwas.

How do you know if the porn you consume is ethical?

Für das Lustzine geht Almaz Ohene der Frage nach, wie ethisch einwandfreie Pornografie konsumiert werden kann. Also Pornos, die unter guten Bedingungen entstanden sind, bei denen die Darstellerinnen anständig bezahlt und ordentlich behandelt werden. Dazu sei erwähnt, dass das Lustzine zum Porno-Imperium von Erika Lust gehört, die mit Lust Cinema und XConfession selbst Pornos produziert und dabei auch Regie führt. Es ist also kein journalistisch unabhängiges Medium. Lust ist durch zahlreiche Reportagen und Dokumentationen aber dafür bekannt, jenem Ideal zu entsprechen und dabei mit einem hauptsächliche weiblichen*X Team ästhetisch hochwertige Filme zu produzieren.

Filme

Top Gun: Maverick

Atemberaubende Flugszenen, die gelegentlich von mittelprächtigen Filmszenen unterbrochen werden, deren Nebenfiguren nur dazu da sind, Tom Cruise alias Maverick gut aussehen zu lassen. Hochgerüsteter Military-Porn, mit einem gewissen Unterhaltungswert, wenn man sich nicht daran stört, was da alles sinnlos an CO2 in die Atmosphäre gepustet wird.

Guillermo del Toro’s Pinocchio

Gelungene Adaption des Kinderbuchklassikers in wunderschöner Stop-Motion-Technik. Wieder einmal verbindet del Toro gekonnt märchenhafte Elemente mit einer vor faschistischem Hintergrund spielenden Geschichten, die ans Herz geht. Die Gesangseinlagen bzw. die Songs sind allerdings nur mittelmäßig und trüben den Spaß etwas.

Barbarian

Hat in den ersten 45 Minuten einen makellosen Spannungsaufbau, mit zwei jungen Leuten, die beide versehentlich am gleichen Abend dasselbe Airbnb-House gemietet haben und einen unheimlichen Tunnel im Keller entdecken. In der zweiten Hälfte fällt der Film stark ab und bedient Klischees eines Genres, das ich hier jetzt nicht spoilern will, die dem Film bei mir aber einen Stern kosten. Der Bruch in der Mitte des Films ist durchaus ein gewagter, der die Erwartungen der Zuschauer untergräbt, der mir aber nicht wirklich gefallen hat. Den Trailer poste ich hier nicht, da der Film mehr Spaß macht, wenn man möglichst wenig über ihn weiß.

Serien

Andor

Dürfte die beste realverfilmte Star-Wars-Serie sein, allerdings auch die, bei der am wenigsten das klassische Star-Wars-Feeling aus den Ursprungsfilmen aufkommt, das The Mandalorian in der ersten Staffel so gut einfangen konnte. Aber darum geht es den Macher*innen wohl auch nicht. Sie wollen eine erwachsene, düstere und ernste Geschichte über die Dynamik von faschistischen Systemen erzählen, und wie diese Rebellionen begünstigen. Nach den Totalausfällen Boba Fett und Obi-Wan Kenobi war es angenehm, eine SW-Serie zu sehen, die sich selbst ernst nimmt. Bis zum Heist wird sie auch durchgehend stimmig erzählt, danach wirken die Storylines etwas zerfahren und haben Längen, weshalb ich die Serie zwar gerne gesehen habe, aber auch sehr geduldig auf die nächste Folge warten konnte. Das Bedürfnis, mehr als eine Episode pro Tag zu sehen, kam bei mir nicht auf. Auch wenn die Serie Andor heißt und Diego Luna eine tolle Leistung abliefert, ist das eigentliche Highlight aber der von Stellan Skarsgård gespielte Luthan Rael mit seinen ganzen Machenschaften und der moralischen Ambiguität. Ach ja, erzählt wird praktisch die Vorgeschichte vom Film Rogue One, an den ich mich kaum noch erinnern kann.

Wo ihr mich findet

Noch bin ich auf Twitter, einfach, weil ich dort zu einigen wichtigen Themen die besten Informationen erhalte. Doch auch ich bin jetzt schwach geworden, und habe mir einen Account bei Mastodon zugelegt. https://literatur.social/@MarkusMaeurer. Einfach, um mit den Leuten aus meiner Twitter-Bubble in Kontakt zu bleiben, die durch Musks Shitshow schon vertrieben wurden.

Ebenfalls neu ist mein Account bei Letterboxd. Das ist eine Plattform für Filmbewertungen- und Kritiken. Da ich sowieso eine Liste darüber führe, was ich an Filmen im Jahr sehe, kann ich das auch dort machen. Meine Kurzkritiken sind auf Englisch und Deutsch.

Auch bei Instagram bin ich wieder aktiver und poste dort kurze Buchkritiken.

Weitere Blogbeiträge

In der letzten Woche gab es noch zwei weitere Beiträge auf Translate or Die:

Neu im Regal

Unterm Weihnachtsbaum lag Hilary Mantels Wölfe, das ich schon seit Jahren lesen wollte. Die ersten 132 Seiten konnten mich bereits begeistern. Ein historischer Roman über Thomas Cromwell, der in die Hofintrigen von Henry VIII gerät. Herausragend geschrieben, da dürfen sich auch gerne mal Fantasy-Autor*innen von inspirieren lassen. Leider ist Hilary Mantels dieses Jahr verstorben.

Foto der Woche

Mond im Sonnenuntergang.

Rückblick 2022 – Ausblick 2023

Das 2022 global gesehen ein beschissenes Jahr voller Krisen war, brauche ich eigentlich nicht zu erwähnen. Vor allem der mörderische Angriffskrieg Russlands auf die Bevölkerung der Ukraine dürfte in Sachen globaler Weltordnung und Stabilität tatsächlich eine Zeitenwende darstellen. Nur leider ist das bei denen, die sie so groß tönend ausgerufen hat, immer noch nicht angekommen, wie die Politik der letzten Monate zeigt.

Für mich persönlich war 2022 wieder ein gutes Jahr, vor allem, da ich eine gesundheitliche Baustelle angegangen bin, die ich seit Jahren vor mir hergeschoben habe, und die jetzt abgeschlossen ist.

Beruflich lief es auch ganz okay. Auf Tor Online hatten wir nach einem Jahr Resteverwertung und Limbus endlich wieder etwas Budget für neue Artikel und am Ende des Jahres auch Klarheit, wie es weitergehen wird. Ich bin da jetzt so was wie der Chefredakteur und freue mich schon auf die Arbeit im neuen Jahr. Gleich in der ersten Januar-Woche wird es mit einem Artikel einer Autorin losgehen, die auf Tor Online zu lesen, einige von euch sicher überraschen wird. Aber auch ansonsten haben wir schon einige interessante und spannende Artikel in der Pipeline. Da wir seit dem Start 2015 schon so viele Artikel hatten, will ich versuchen, öfters mal über den Tellerrand zu blicken und thematisch für uns neue Gebiete zu erschließen, bei denen aber ein Bezug zur Phantastik gegeben ist.

Gefreut hat mich, dass ich bei Fischer Tor zuletzt etwas mehr in die Redaktionsarbeit eingebunden war. 2023 wird ein Buch erscheinen, das ich dem Verlag empfohlen habe, da bin ich sehr gespannt, wie es laufen wird. An dem waren mehrere Verlage interessiert und es gab eine Auktion. Zuletzt habe ich ein Titelbild für den Elric-Sammelprachtband ausgesucht, von dem ich hoffe, dass er sich im Verlag durchsetzen wird und die Lizenzierung funktioniert. Dazu bin ich aktuell noch auf der Suche nach einigen Innenillustrationen. Falls ihr Tipps habt, gerne jenseits von Rodney Matthews und Michael Whelan, immer her damit.

Übersetzt habe ich dieses Jahr allerdings überhaupt nichts. Das muss sich 2023 wieder ändern. Da habe ich noch alle Kapazitäten frei. Dazu werde ich im Januar einen eigenen Blogbeitrag verfassen. Über Anfragen für Buchübersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche werde ich mich jedenfalls freuen.

Nicht so schön waren die Todesfälle dieses Jahr in meinem persönlichen Umfeld. Einen habe ich ja weiter oben schon erwähnt. Daneben ist Holger M. Pohl im Januar verstorben. Einen Nachruf auf ihn hatte ich hier im Blog veröffentlicht.

2022 habe ich noch komplett im Pandemie-Modus verbracht. War auf keinen Veranstaltungen, nicht im Kino oder sonst wo. Nur im Sommer habe ich mich mit zwei ehemaligen Mitschülern in einem Koblenzer Biergarten am Rhein getroffen.

2023 gedenke ich das aber langsam wieder zu ändern. Bucon ist eingeplant. Marburg Con … mal schauen. Vorgemerkt ist die Metropol Con in Berlin, die vom 18. bis zum 20. Mai statt. Bei einem Eintrittspreis von 85 Euro (+ Reise- und Übernachtungskosten) ist mir bisher aber zu wenig zum Programm bekannt. Bei einer Con, die internationale Veranstaltungen zum Vorbild nimmt, erwarte ich auch einige thematisch interessante Diskussionspanels, von denen bisher noch nichts angekündigt ist.

Ansonsten werde ich mich 2023 vor allem darauf konzentrieren, weiterhin Japanisch zu lernen und mich mit japanischer Kultur und Geschichte zu beschäftigen. Ein Reise nach Japan möchte ich aber frühestens 2024 in Angriff nehmen. Abhängig davon, wie es bis dahin um meine Japanisch-Kentnisse steht. Und ob es finanziell passt.

Ach ja, ich freue mich auch darüber, endlich wieder die Lust am Bloggen zurückgefunden zu haben. Zwischenzeitlich hatte ich schon überlegt, meine Seiten ganz dicht zu machen. Wobei ich inhaltlich wohl etwas nachjustieren muss, angesichts der bisher eher bescheidenen Zugriffszahlen und Rückmeldungen. Aber ich weiß auch, dass die Hochzeit der Blogs vorbei ist und ich nicht mehr solche Zahlen wie früher erreichen werde. Aber Youtube-Videos oder Podcasts sind einfach nicht mein Ding. Wenn es ums Reden geht, bin ich dafür einfach nicht unterhaltsam genug.

An dieser Stelle danke an alle, die meine neuen Blogbeiträge lesen!