Sex, Punk, and Videogames: Sex (Porn)

Ursprünglich wollte ich nur einen Beitrag zu den Dokumentationen verfassen, die ich in letzter Zeit gesehen habe, aber das würde zu lang und thematisch zu unübersichtlich werden. Im nächsten Beitrag (Punk) wird es um die Dokumentation The Punk Singer gehen, die aus dem Leben von Kathleen Hanna (Bikini Kill, Le Tigre) erzählt, die unter anderem als Mitbegründerin der Riot-Grrrls-Bewegung gilt. Im dritten Teil dann um die Dokumentation Videogames – The Movie, an der es einiges zu kritisieren gibt.

Jetzt geht es aber ums Sex und Pornografie. Zunächst um die Doku After Porn Ends, in der erzählt wird, was so einige Pornosternchen in ihrem Leben nach dem Porno treiben. Gefolgt von Mutantes: Punk Porn Feminism, einer französischen Doku in der Künstlerinnen wie Lydia Lunch, Sexarbeiterinnen, Pornofilmerinnen, Feministinnen uvm. zu Wort kommen. Die dritte und letzte Doku ist die von James Franco (nicht zu verwechseln mit Jess Franco 😉 ) produzierte Kink.com, in der es einen Blick hinter die Kulissen des weltweit größten BDSM-Pornoproduzenten der Welt gibt. Ganz zum Schluss gibt es von mir noch einen kleinen Essay darüber, warum ich es (als studierter Kulturwissenschaftler mit Schwerpunkt auf den USA) für wichtig halte, dass Pornografie auch in kulturwissenschaftlichen Studien und Studiengängen als Thema vorkommen sollte und warum Pornografie einen enormen Einfluss auf unsere Kultur und die der USA hat, ob das einem gefällt oder nicht.

After Porn Ends

In dieser Dokumentation aus dem Jahr 2012 kommen zahlreiche ehemalige Pornostars wie Tiffany Million, Mary Carey oder Amber Lynn zu Wort, aber auch Chronisten der Pornoszene. Sowohl Frauen als auch Männer, die mir aber alle unbekannt sind, bis auf Asia Carrera, die es 2014 auf die Startseite von Spiegelonline schaffte, weil sie sich in bester Pastafari-Tradition mit einem Nudelsieb auf dem Kopf als religiöse Kopfbedeckung für ihren Führerschein ablichten ließ – was für mich als Atheist der mit dem fliegenden Spaghettimonster sympathisiert, eine klasse Aktion ist.

Aber zurück zum Porno. Es fällt auf, dass die Männer wenig Probleme mit ihrer Zeit im Geschäft haben, während die Frauen damit viel deutlicher kämpfen, die Zeit eher negativ sehen bzw. den Ausstieg als Erleichterung. Was besonders bei einer Darstellerin deutlich wird, deren Tochter sich für ihre Mutter schämt. Den klarsten Schnitt hat wohl Tiffany Million gemacht, die inzwischen als Kopfgeldjägerin arbeitet, und der man unumwunden glaubt, dass sie nicht in die Branche zurückkehren wird. Anderen gelingt dieser Schnitt nicht, so informieren Einblendungen am Ende des Films, dass einige der Darstellerinnen, die sie zuvor noch sehr erleichtert über ihren Absprung zeigten, aus finanziellen Gründen wieder Pornos gedreht haben. Anderer haben zum Glauben gefunden, oder engagieren sich aktiv gegen Pornografie. Die Doku zeigt eine ganze Bandbreite an Erfahrungen, von negativen, über neutrale bis zu positiven.

Der Film geht auch darauf ein, mit welchen Schwierigkeiten die ehemaligen Darstellerinnen im normalen Leben zu kämpfen haben. Sie werden geächtet, beschimpft und benachteiligt, was, wie jemand im Film erklärt, durchaus daran liegen könnte, dass viele Menschen heimlich Pornografie konsumieren, sich aber dafür schämen und dies in der Öffentlichkeit durch Ächtung eben jener Darstellerinnen zeigen, zu denen sich hinter verschlossener Tür im Handbetrieb vergnügen. Asia Carrera ist mit ihren Kinder (nach ein Schicksalsschlag) nach Utah gezogen, weil Pornografie dort verboten ist und sie hoffte, dort anonym bleiben zu können. Dank des Internets hat es nicht lange gedauert, bis die Erzieherin im Kindergarten ihrer Kinder wusste, was Asia früher gemacht hatte.

Die Doku ist sehr offen und es kommen sowohl der Pornografie gegenüber positiv eingestellte Meinungen zu Wort, als auch negative. Kritik an der Methode der Branche, in der viele junge und teilweise naive oder seelisch angeschlagenen Frauen in finanzieller Not gnadenlos ausgebeutete werden. Aber es gibt auch sehr intelligente Frauen wie Asia Carrera die sich bewusst entscheiden solche Filme zu drehen, weil sie Spaß an Sex haben und es genießen über ihre Sexualität und ihren Körper selbst zu bestimmen.

Einen wirklichen Einblick hinter die Kulissen des Pornogeschäfts gibt es aber nicht. Hier geht es um die Darstellerinnen und Darsteller und deren Leben, wie sie in die Branche geraten sind, welche Erfahrungen sie gemacht haben und wie ihr Leben nach dem Porno aussieht. Die Doku könnte sowohl für Leute interessant sein, die Pornografie mögen, als auch jene, die sie ablehnen. Ausschnitte aus Pornofilmen gibt es kaum zu sehen, und wenn, dann keine expliziten.

Zur weiteren Lektüre empfehle ich die Autobiografie Pornstar von Jenna Jameson, die etwas detailliertere Einblicke liefert, allerdings zu einem großen Teil auch aus Klatsch und Tratsch besteht.

Mutantes: Punk Porn Feminism

Ist eine aus dem Jahr 2009 stammende französische Dokumentation der Regisseurin Virginie Despentes (Baise-moi), in der es unter anderem um das titelgebende punk porn feminism movement geht. Dazu gehören die Themen Sexarbeit, Pornografie und Feminismus. Den Feminismus kann man bei dieser Debatte in zwei Lager unterteilen: Sex-positiver Feminismus und Feminismus, der Sexualität als Mittel zur Unterdrückung der Frau sieht und dementsprechend Prostitution und Pornografie generell ablehnt.

Der sex-positive-feminism sieht sexuelle Freiheit als ein Zeichen für die freie Selbstbestimmung der Frau, weshalb alle Bestrebungen den einvernehmlichen Sex zwischen Erwachsenen einzuschränken oder gar zu verbieten abgelehnt werden, da dies damit auch die Selbstbestimmung der Frau unterdrückt.

In dieser Doku kommen vor allem Pro-Sex-Feministinnen zu Wort, darunter Sexarbeiterinnen (Prostitutierte), Pornodarstellerinnen, Pornoregisseurinnen, Aktivistinnen und Künstlerinnen. Darunter z. B. Lydia Lunch. Der Film zeichnet den Aufstieg des Sex-Positiv-Feminismus in den 80er Und 90 Jahren nach, indem viel Pionierinnen dieser Zeit zu Wort kommen. Auch wenn es eine französische Doku ist, geht es zunächst um die USA, wo diese Bewegung ihre Wurzeln hat. Und warum unter anderem der dortige repressive Umgang mit Prostitution wenig mit Feminismus zu tun hat, wenn Sexarbeiterinnen dort diskriminiert schikaniert werden.

Prostitution ist in den USA illegal. Strafbar machen sich dabei (anders als in manch europäischem Land) nicht nur die Freier, sondern auch die Sexarbeiterinnen. Hier ist eindeutig, dass es bei diesen Gesetzen (anders als eben in Europa) nicht um den Schutz der Frau geht, sondern um die repressive Durchsetzung eines vom Puritanismus beeinflussten bigotten Weltbildes. Prostitution ist Pfui und hat in einem christlichen Land mit konservativen Familienwerten nichts zu suchen. Wird eine Frau von einem Mann für einvernehmlichen Sex bezahlt, macht sie sich strafbar. Werden beide für einvernehmlichen Sex bezahlt, wie es bei einer Pornoproduktion der Fall ist, ist es legal.

Dabei darf man natürlich nicht ausblenden, dass es einen hohen Anteil an Zwangsprostitution und Menschenhandel gibt. Aber das ist noch lange kein Grund, Erwachsene zu bestrafen, die dieser Tätigkeit freiwillig nachgehen, was es nach der Position der Sex-Böse-Feministinnen aber gar nicht geben kann, dass Frauen Spaß an Sex haben und sich dafür auch noch freiwillig bezahlen lassen. In den USA werden Sexarbeiterinnen jedenfalls wie Verbrecher behandelt und gesellschaftlich geächtet.

Ähnlich sieht es bei der Pornografie aus. Die ist zwar legal, gesellschaftlich aber ähnlich verrufen, sowohl von konservativer Seite mit patriarchalischem Weltbild aus als auch vom Feminismus. Ich zitiere hier mal ganz unwissenschaftlich Wikipedia:

Robin Morgan fasste derartige Vorstellungen in einer Aussage zusammen: „Pornografie ist die Theorie; Vergewaltigung die Praxis.“

Diese Verteufelung der Pornografie wird unter anderem von feministischer, von Frauen produzierter Pornografie widerlegt. Es wird gezeigt, wie Künstlerinnen wie z. B. Annie Sprinkle das Thema auf humorvolle Weise als Perfomancekünstlerinnen angehen, oder Filmemacherin sinnliche Pornos drehen, die sich ausschließlich auf die Bedürfnisse von Frauen konzentrieren, darunter auch feministische SM-Pornografie. Zu Letzterem gibt es dann auch noch einen interessanten Abstecher in die spanische Punk-Porn-Feminism-Szene, der zeigt, dass es sich dabei nicht um ein auf die USA beschränktes Phänomen handelt.

Das die sexuelle Selbstbestimmung der Frau auch in der Pornografie eine wichtiges und immer noch brisantes Thema ist, zeigt z. B. die jüngste Gesetzgebung in Groß-Britannien, wo ein absurder Verbotskatalog erlassen wurde, der völlig willkürlich die Produktion unterschiedliche Arten der Pornografie im Königreich verbietet (und nur die Produktion, nicht den Konsum!). Vornehmlich geht es dabei um Praktiken, die vor allem Frauen Lust bereiten. So ist es z. B. verboten einen weiblichen Orgasmus zu zeigen, aber erlaubt, Männer abspritzen zu lassen. Frauen dürfen sich nicht mehr auf das Gesicht von Männern setzen und diese auch nicht mehr spanken.

Das es sich dabei um eine zutiefst frauenfeindliche Gesetzgebung handelt, zeigt sich unter anderem dadurch, dass es vor allem Frauen, die bisher mit solcher Pornografie ihr Geld verdient habe, in finanzielle Not bringt. Die Sex-positiv-Feministinnen sind jeden Falls alles andere als begeistert.

Weiterführende Links:
Auf der Onlineseite des Guardian gibt es einen aufschlussreichen Artikel zu der absurden Gesetzgebung in Großbritannien. Die deutschen Medien haben das Gesetz zum Teil sehr verzerrt und falsch dargestellt.

Auf Welt.de gibt es einen interessanten Beitrag über die „feministische Regisseurin“ Erika Lust, der zeigt, wie Sexfilme und Pornos auch aussehen können.

Und die New York Times berichtet über neue, von Frauen geführten Magazinen für Erwachsene.

Kink.com

Ist eine von James Franco produzierte und von Christina Voros gedrehte Dokumentation, die einen Blick hinter die Kulissen des größten Produzenten für BDSM-Pornografie wirft.

Dank des gerade angelaufenen Shades of Grey werden die meisten inzwischen wissen, was mit BDSM gemeint ist oder zumindest eine vage Vorstellung haben (auch wenn Buch und Film vermutlich alles völlig falsch darstellen). Kink.com (ich verlinke hier nur auf den Wikipediaeintrag), die ihre Filme über die gleichnamige Internetseite vertreiben, decken alle möglichen Spielarten ab. Unter den Sparten Men in Pain und Divine Bitches werden zum Beispiel Männer von Frauen dominiert, bei Hogtied und Device Bondage Frauen von Männern und Frauen, es gibt Sparten für Gay-BDSM, TS-Seduction für BDSM-Variationen mit transexuellen Darstellerinnen uvm.

Die Dokumentation begleitetet die Dreharbeiten zu Filmen aus drei dieser Sparten. Gay-BDSM, Men in Pain und Frauen, die von Männern dominiert werden. Wobei der Begriff dominieren eigentlich viel zu schwammig ist. Es wird jedenfalls eine große Bandbreite der unterschiedlichsten SM-Spielarten abgedeckt. Dazu gibt es noch Einblicke in den geschäftlichen Teil der Produktion, wie z. B. das Casting oder die monatlichen Geschäftsberichte über die Abonnentenzahlen.

Kink.com gilt als einer der anständigsten und fairsten Arbeitgeber in der Pornobranche, und scheint bei den Darstellerinnen sehr beliebt zu sein (auch wenn es in der Vergangenheit schon Streit über die Honorare für Onlinedarstellerinnen gab). Was auch daran liegen könnte, dort viele Frauen sowohl hinter der Kamera als auch im geschäftlichen Bereich z. b. beim Casting tätig sind.

Die Kamera begleitet wie schon erwähnt einige Dreharbeiten und zeigt dabei auch explizite Pornoszenen, die definitiv ab 18 sind. Gleichzeitig könnte einem dabei aber auch die Lust auf solche Filme vergehen, weil man sieht, unter welch professionellen und wenig erotischen Bedingungen die Szenen entstehen, die im fertigen Film völlig anders wirken. Wie auch bei normalen Spielfilmen wird hier eine Illusion erzeugt, die durch den Blick hinter die Kulissen entzaubert werden kann.

Die Darstellerinnen und Darteller kommen ausführlich zu Wort und schildern ihre Beweggründe in der Sexindustrie zu arbeiten. Manche machen es, weil sie das Geld brauchen, andere, weil sie auf der Suche nach Orientierung sind (wie z. B. der Darteller aus der Gay-BDSM Reihe, der gerade das College hingeschmissen hat, und nicht so recht weiß, was er jetzt anfangen soll) und manche, weil sie einfach Spaß an Sex haben, und es toll finden, dafür auch noch bezahlt zu werden.

Die kritischen Töne kommen meiner Meinung nach etwas zu kurz. Nur einer der Darstellerinnen erzählt, dass ihrer Meinung nach viele verlorene Seelen bei den Produktionen dabei seien. Und auf die Frage, was sie denke, wenn ihre Kinder (wenn sie erwachsen sind) in der Pornobranche arbeiten wollen, muss sie kräftig schlucken.

Da es in der Doku ausschließlich um eine der größten Pornoproduzenten geht, der seine Darstellerinnen vorbildlich behandelt, anständig bezahlt und Standards für die Branche gesetzt hat, werden die unzähligen Schmuddelproduzenten ausgeblendet, die die Not der Frauen ausnutzen, sie mies behandeln und mit fragwürdigen Methoden arbeiten. Das taucht nur mal kurz am Rande auf, als die als Princess Donna bekannte Darstellerin erwähnt, dass sie mal für eine andere Produktionsfirma gearbeitet habe, die härtere Filme produziere, und wo sie nicht die Möglichkeit hatte, Stopp zu sagen, als Dinge mit ihr angestellt wurden, die ihr sie nicht tun wollte.

Kink.com bietet einen interessanten Einblick hinter die Kulissen eines BDSM-Pornoproduzenten, von dem man aber nicht auf andere und die Arbeitsbedingungen in der Branche allgemein schließen sollte. BDSM gibt es in unzähligen Varationen, die einen mögen Bondage und lassen sich gerne kunstvoll verschnüren, andere mögen es ausgepeitscht oder erniedrigt zu werden, von Männern, Frauen oder etwas dazwischen. Dieser Film zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus einer vielfältigen Welt, die man nicht voreilig als Schmuddelkram oder krankes Zeug abtun sollte. Es lohnt, sich damit zu beschäftigen, denjenigen zuzuhören, die Spaß daran haben und/oder ihr Geld damit verdienen. Dann kann man eventuell auch besser verstehen, warum Shades of Grey gerade so erfolgreich ist und so viel Interesse erzeugt. Die hier gezeigten Filme sind jedenfalls sehr viel einfallsreicher, kreativer und abwechslungsreicher, als die üblichen 08/15 Pornos die immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Wobei die Filme von Kink.com oft auch nach dem gleichen oder zumindest einem ähnlichen Schema ablaufen, was bei einer solchen Massenproduktion wohl unvermeidbar ist.

Wer in dem Film überhaupt nicht zu Wort kommt, sind die Zuschauer, also die Leute, die sich diese Filme ansehen. Wäre interessant, mal zu sehen, wer sich das alles ansieht und warum. Es gibt ja auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Frauen, die sich durchaus Pornografie ansehen.
Noch ein paar kurze Gedanke zum Thema Pornografie

Man macht es sich zu einfach, wenn man Pornografie als ein Mittel zur Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen ansieht, wenn man dabei vermutlich eine fies verzerrte Großaufnahme eines männlichen Gesichts á la Lou Ferrigno vor Augen hat, während dieser der Frau ins Gesicht spritzt. Diese Pornografie gibt es natürlich und sie ist weit verbreitet, aber sie steht trotzdem nicht repräsentativ für dieses Filmgenre. Ich hoffe, dass meine obigen Texte zu den drei Dokumentationen gezeigt haben, dass es sich bei Pornografie um ein weites und vielseitiges Feld handelt, das man nicht einfach in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse unterteilen kann. Es spiegelt vielmehr das differenzierte und komplexe Zusammenleben der Menschen unter dem Aspekt der Sexualität wieder.

Und unter anderem deshalb ist es ein Feld, das in der Kulturwissenschaft nicht vernachlässigt werden sollte (was es aber wird). Ich habe z. B. Nordamerikastudien am John-F.-Kennedey Institut für Nordamerikawissenschaften an der Freien Universität Berlin mit einem Schwerpunkt auf Kultur studiert. Und während Malerei, Fotografie, Film, Serien, Musik, Journalismus usw. dort ausführlich behandelt werden, wird die Pornografie (übrigens ebenso wie Computer- und Videospiele) dort komplett ignoriert.

Die Pornoindustrie ist eine Milliardenindustrie, die sich mit ihren Umsätzen nicht hinter Hollywood verstecken braucht. Seit es Fotografie gibt, gibt es pornografische Aufnahmen, und seit es den Film gibt, gibt es auch pornografische Filme. Zunächst liefen solche Filme nur in Schmuddelkinos und Videokabinen in Sex-Shops. Die Erfindung der Videokassette und der Siegeszug von VHS und der Videotheken haben die Pornoindustrie revolutioniert und in Millionen von Haushalten gebracht. Seit dieser Zeit sind unzählige Menschen unter dem Einfluss von Pornografie aufgewachsen, ein Einfluss, der sich durch das Internet nur noch mehr potenziert hat. Es lässt sich nicht leugnen, das Pornografie eine enormen Einfluss auf ganze Generationen von Menschen hat (auch wenn viele von ihnen das öffentlich natürlich bestreiten würden). Pornodarstellerinnen sind Superstars, die sich vor Autogrammanfragen kaum retten können. Doch neben dem industriell organisierten Massenmarkt hat sich in der Pornografie auch eine Kunstform entwickelt, die versucht, den Sexualakt auf ästhetisch anspruchsvolle Weiße darzustellen.

Sämtliche oben genannten Aspekte verdienen eine ausführliche kulturwissenschaftliche Betrachtung. Dabei geht es nicht um moralische oder ästhetische Urteile – in der Kulturwissenschaft geht es nicht um Bewertungen – sondern um Analyse des kulturellen Einlusses der Pornografie auf ein Land und seine Menschen, und den Einfluss des Landes und seiner Kultur auf die Pornografie.

Salman Rushdie sagte einmal:

Wenn es um Gesellschaften geht, in denen es für junge Männer und Frauen schwierig ist, zusammenzukommen und das zu tun, was junge Männer und Frauen häufig tun, dann befriedigt sie (die Pornografie) ein allgemeines Bedürfnis. In dieser Funktion wird sie manchmal geradezu zu einem Symbol der Freiheit, ja der Zivilisation.

(Quelle: Spiegel.de)

Am Umgang einer Gesellschaft mit Pornografie kann man ihren Grad an Freiheit erkennen. Wenn man sich anschaut, wo Pornografie verboten ist, dann handelt es sich vor allem um diktatorische, autokratische und repressive Staaten. Das von mir weiter oben erwähnte neue restrektive Gesetz in Großbritannien zeigt durchaus, dass sich das Land schleichend von den Grundsätzen der Demokratie entfernt, was man an den jüngsten Geheimdienstskandalen rund um die Enthüllungen von Edward Snowden, der Aktion gegen den Guardian, den vorauseilenden Gehorsam der Presse und der umfassenden Überwachung durch die Sicherheitsbehörden erkennen kann.

In den USA ist Pornografie nur im von Mormonen dominierten Bundestaat Utah verboten, aber die Gesellschaft ist noch weit von einem gelassenen Umgang mit der Thematik entfernt. An diesem widersprüchlichen Umgang kann man die Spaltung der Nation in ein konservatives und ein liberales Lager gut erkennen.

Ich persönlich halte Pornografie nicht für schlimm. Pornografie ist kein Zeichen einer übersexualisierten Gesellschaft. Viel gruseliger finde ich die in den USA weit verbreitete Miss-Wahlen, auf denen kleine Mädchen zu puppenartigen Wesen geschminkt und gestylt werden (siehe Little Miss Sunshine), oder die Modebranche, in der 14-jährige Mädchen als Sexsymbole inszeniert werden. Ebenso unheimlich, wie diese Fixierung auf ein möglichst sexy Aussehen in Lifestylemagazinen, im TV, in Musikvideos und sonstigem Promikram. Bei Pornografie ist klar dass es um Sex geht, und sie findet in der Regel in einem abgegrenztem Rahmen statt, während die oben erwähnten Beispiele zu einer Übersexualisierung des Alltags führen.

Das alles kann dazu führen, das Heranwachsende (aber auch Erwachsene) ein falsches Selbstbild und ein gestörtes Gefühl für ihren Körper entwickeln. Pornografie sollte Jugendlichen nicht zugänglich gemacht werden (auch wenn sie trotzdem dran kommen), denn dadurch kann durchaus ein falsches Bild von gesunder Sexualität entstehen. Vielmehr sollte ein offener Umgang des Themas Sexualtität und Aufklärung an Schulen und in der Familie dazu führen, dass die Jugendlichen in kompetentem Medienumgang geschult werden und die verstehen lernen, dass Pornofilme ebenso wie Spielfilme und TV-Serien eben nicht die Realität widerspiegeln. Wobei ich glaube (und da stimmt mir die Spiegeltitelstory aus dem Heft 15 von 2014 Jugend forscht – Wie schädlich ist Pornografie zu), dass wir Erwachsenen die Jugendlichen gerne unterschätzen. Die sind viel besser in der Lage zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden, als es allgemein angenommen wird.

Frauenverachtende Pornos gibt es zuhauf, vielleicht werde ich im Laufe des Jahres ja mal dazu kommen, hier im Blog positive Beispiele für feministische, für Frauen gemachte oder einfach gut gemachte Pornos vorzustellen. Wobei ich jetzt nicht der große Pornogucker bin und auch nicht vorhabe, mir eine Sammlung anzuschaffen. Eine gute Fundgrube für solche Filme ist das jährlich im Herbst in Berlin stattfindende Pornfilmfestival.Ein sehr gelungenes Beispiel für einen Spielfilm mit gelassenem Umgang bezüglich Sexualität ist für mich Shortbus, den ich demnächst hier vorstellen werde. Aber das ist halt kein Porno.

Phantastische Netzstreifzüge 39

Das Science Fiction Jahr 2015 – Hrsg. von Sascha Mamczak & Hannes Riffel – Nachdem das Heyne Science Fiction Jahr 2014 das letzte seiner Art war, und nun zum Golkondaverlag gewechselt ist, gibt es jetzt eine erste Ankündigung zum Inhalt. Unter anderem wird es einen Text von Hardy Kettlitz über Captain Future und die Anfänge der Space Opera geben. Da ist Hardy genau der Richtige für, hat er doch schon ein Buch über Captain-Future-Autor Edmond Hamilton geschrieben und ist auch dafür verantwortlich, dass die Romane bei Golkonda neu aufgelegt wurden.

Ich muss ja gestehen, dass ich, obwohl ich schon seit vielen Jahren SF-Fan bin, noch nie ein Heyne-SF-Jahr in der Hand gehalten habe. Zunächst hatte es mich nicht interessiert, und in den letzten Jahren ist es mir zu teuer geworden. Ich denke, das werde ich im Juli, wenn die neue Ausgabe erscheint, mal ändern.

Die Hugo Awards 1953−1984 – Apropo Hardy Kettlitz, der wird ab diesem Jahr im Golkondaverlag das Sachbuchimprint MEMORANDA betreuen, und der erste Titel über die Hugo-Award-Gewinner stammt aus seiner eigenen Feder. Finde ich gut, es gibt viel zu wenig Sachbuchpublikationen zur Phantastik in Deutschland.

German Book, German Tour (And Austria): Patrick Rothfuss (Der Name des Windes) kommt im März nach Deutschland. Unter anderem wird er auf der Leipziger Buchmesse lese, bei Dussmann in Berlin, auf der LitCologn, sowie in Reutlingen und Wien. Leider liest er in Leipzig am 13. März, einen Tag nach meinem Besuch auf der Buchmesse. Die meisten Veranstaltungen scheinen bereits ausverkauft zu sein. Bei Dussmann soll es 150-200 Plätze geben, was ich für viel zu wenig halte. Da unterschätzt man die Beliebtheit des Autors. Es gibt Fans, die werden aus Riga! anreisen. Habe ich schon mal erwähnt, was für ein toller Autor Rothfuss ist, und wie sehr mir The Name of the Wind gefallen hat. Das neue (kurze) Buch habe ich noch nicht gelesen. Ins Deutsche übersetzt wurden die Bücher übrigens von Jochen Schwarzer (den ich hoffentlich vor der Buchmesse wieder sehen werde 😉 ).

Hier die genauen Termine:

13. März, 16.00 Uhr: Buchmesse Leipzig (Fantasy Leseinsel, Halle 2, Stand H309)
14. März, 19.30 Uhr: Peterskirche Leipzig (Schletterstraße 5, Moderation: Marina Weisband, Deutsche Lesung: Mathis Reinhardt)
16. März, 19.00 Uhr: Kulturkaufhaus Dussmann, Berlin (Friedrichstraße 90, Moderation: Stephan Askani)
17. März, 21.00 Uhr: lit.Cologne, MS Rhein/Energie/Literaturschiff, Frankenwerft KD-Anleger (Moderation: Denis Scheck, Deutsche Lesung:  Christine Urspruch)
18. März, 20.00 Uhr: Stadthalle Reutlingen (Manfred-Oechsle-Platz 1, Moderation: Björn Springorum, Deutsche Lesung: Chrysi Taoussanis)
20. März, 19.30 Uhr: Fantasyfestival Vindragona, Wien, Kuppitsch Buchhandlung (Schottengasse 4)

Quelle: Phantastiknews.de

Mit Batman im Lesesaal – Das Campusmagazin Furios über die ausgezeichnete Comicsammlung der Bibliothek des John-F.-Kennedy Instituts für Nordamerikawissenschaften der Freien Universität Berlin. Ich habe vier Jahre am JFK studiert, aber irgendwie ist mir die Comicsammlung entgangen. Schade. In den Seminaren der der kulturwissenschaftlichen und literaturwissenschaftlichen Abteilungen waren Comics leider auch kaum Thema. Ebenso wie auch einige andere kulturwissenschaftlich bedeutenden Themen keinerlei Erwähnung fanden: Computer- und Videospiele und Pornografie (zu beidem wird es von mir demnächst einen längeren Artikel geben). Die Bedeutung von TV-Serien ist dort schon erst mit 10 Jahren Verspätung angekommen. Es wird also noch dauern, bis man mal von den klassischen Themen abweicht und sich mit dem beschäftigt, was heute einen enormen kulturellen Einfluss auf die Menschen Amerikas (und der ganzen Welt) hat.

Axelzucken 2×04: Die Oscars und der Zustand der US-Filmindustrie – Axel Schmidt von Serienjunkies.de mit einem sehr treffenden Artikel über den Zustand der US-Filmindustrie, den ich so nur unterschreiben kann.

Ein Blog zum Buch »Die tausend Herbste des Jacob de Zoet« von David Mitchell – Der wurde schon 2012 erstellt, ist mir aber erste jetzt begegnet, da molosovsky das Buch liest und auf den Blog verlinkt hat. Da gibt es einen sehr interessanten Eintrag über die Zusammenarbeit von Lektorat und Übersetzung. So sollte die ideale Zusammenarbeit aussehen. Was aber leider oft nicht der Fall ist. Das Buch habe ich noch nicht gelesen, dafür aber Der dreizehnte Monat und Der Wolkenatlas von David Mitchell, die ich beide grandios und grandios übersetzt finde.

Nebula Awards – die Finalisten für einen der bedeutendsten Preise der SF- und Fantasyliteratur stehen fest. Darunter auch mit Cixins Lius The Three Body Problem, das ich hier im Blog empfohlen habe, erstmals ein ins Englische übersetzter Roman. Annihilation von Jeff Vander Meer habe ich im letzten Jahr schon gelesen, empfohlen (und falsch geschrieben). Bei den Kurzgeschichten ist unter anderem Aliette de Bodard mit The Breath of War (kann man ganz lesen, wenn man auf dem Link folgt) nominiert, von der ich erst kürzlich die wunderbare Kurzgeschichte Scattered Along the River of Heaven übersetzt habe. Die komplette Nominierungsliste gibt es am Ende des Eintrags.

BSFA Awards 2014 – Shortlist Announced – auch für den britischen SF-Award wurde die Shortlist jetzt bekanntgegeben. Darunter in der Kategorie Bester Roman Nina Allan mit The Race. Das Buch lese ich gerade und finde es großartig. Ich habe jetzt 58% durch, und ab dem zweiten Teil hat es mich so richtig gepackt. Auch sprachlich ist es ganz wundervoll geschrieben. Die Nominierung freut mich auch, weil ich von Nina Allan mal die Geschichte Im Angesicht Gottes fliegen übersetzt habe, die im gleichen Universum spielen soll. Im E-Mail-Kontakt war Nina übrigens überaus freundlich und hilfsbereit bzgl. meiner Übersetzungsfragen. Den Preis hat sie im letzten Jahr schon für ihre Kurzgeschichtensammlung Spin erhalten.

 

Hier alle Nebula-Nominierungen:

Novel

The Goblin Emperor, Katherine Addison (Tor)
Trial by Fire, Charles E. Gannon (Baen)
Ancillary Sword, Ann Leckie (Orbit US; Orbit UK)
The Three-Body Problem, Cixin Liu ( ), translated by Ken Liu (Tor)
Coming Home, Jack McDevitt (Ace)
Annihilation, Jeff VanderMeer (FSG Originals; Fourth Estate; HarperCollins Canada)


Novella

We Are All Completely Fine, Daryl Gregory (Tachyon)
Yesterday’s Kin, Nancy Kress (Tachyon)
“The Regular,” Ken Liu (Upgraded)
“The Mothers of Voorhisville,” Mary Rickert (Tor.com 4/30/14)
Calendrical Regression, Lawrence Schoen (NobleFusion)
“Grand Jeté (The Great Leap),” Rachel Swirsky (Subterranean Summer ’14)


Novelette

“Sleep Walking Now and Then,” Richard Bowes (Tor.com 7/9/14)
“The Magician and Laplace’s Demon,” Tom Crosshill (Clarkesworld 12/14)
“A Guide to the Fruits of Hawai’i,” Alaya Dawn Johnson (F&SF 7-8/14)
“The Husband Stitch,” Carmen Maria Machado (Granta #129)
“We Are the Cloud,” Sam J. Miller (Lightspeed 9/14)
“The Devil in America,” Kai Ashante Wilson (Tor.com 4/2/14)


Short Story

“The Breath of War,” Aliette de Bodard (Beneath Ceaseless Skies 3/6/14)
“When It Ends, He Catches Her,” Eugie Foster (Daily Science Fiction 9/26/14)
“The Meeker and the All-Seeing Eye,” Matthew Kressel (Clarkesworld 5/14)
“The Vaporization Enthalpy of a Peculiar Pakistani Family,” Usman T. Malik (Qualia Nous)
“A Stretch of Highway Two Lanes Wide,” Sarah Pinsker (F&SF 3-4/14)
“Jackalope Wives,” Ursula Vernon (Apex 1/7/14)
“The Fisher Queen,” Alyssa Wong (F&SF 5/14)


Ray Bradbury Award for Outstanding Dramatic Presentation

Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance), Written by Alejandro G. Iñárritu, Nicolás Giacobone, Alexander Dinelaris, Jr. & Armando Bo (Fox Searchlight Pictures)
Captain America: The Winter Soldier, Screenplay by Christopher Markus & Stephen McFeely (Walt Disney Studios Motion Pictures)
Edge of Tomorrow, Screenplay by Christopher McQuarrie and Jez Butterworth and John-Henry Butterworth (Warner Bros. Pictures)
Guardians of the Galaxy, Written by James Gunn and Nicole Perlman (Walt Disney Studios Motion Pictures)
Interstellar, Written by Jonathan Nolan and Christopher Nolan (Paramount Pictures)
The Lego Movie, Screenplay by Phil Lord & Christopher Miller  (Warner Bros. Pictures)


Andre Norton Award for Young Adult Science Fiction and Fantasy

Unmade, Sarah Rees Brennan (Random House)
Salvage, Alexandra Duncan (Greenwillow)
Love Is the Drug, Alaya Dawn Johnson (Levine)
Glory O’Brien’s History of the Future, A.S. King (Little, Brown)
Dirty Wings, Sarah McCarry (St. Martin’s Griffin)
Greenglass House, Kate Milford (Clarion)
The Strange and Beautiful Sorrows of Ava Lavender, Leslye Walton (Candlewick)

Quelle: http://www.sfwa.org/nebula-awards/

 Und hier alle Nominierungen für den BSFA:

Best Artwork:

Richard Anderson for the cover of Mirror Empire by Kameron Hurley, published by Angry Robot Books.

Blacksheep for the cover of Bête by Adam Roberts, published by Gollancz

Tessa Farmer for her sculpture The Wasp Factory, after Iain Banks.

Jeffrey Alan Love for the cover of Wolves by Simon Ings, published by Gollancz

Andy Potts for the cover of Mars Evacuees by Sophia McDougall, published by Egmont

Best Non-Fiction:

Paul Kincaid for Call and Response, published by Beccon Books

Jonathan McCalmont for ‘Deep Forests and Manicured Gardens: A Look at Two New Short Fiction Magazines’

Edward James, for Science Fiction and Fantasy Writers and the First World War

Strange Horizons: various authors for The State of British SF and Fantasy: A Symposium

Karen Burnham for Greg Egan, published by University of Illinois Press

 

Best Short Fiction:

Ruth E J Booth for “The Honey Trap”, published in La Femme, Newcon Press

Octavia Cade for The Mussel Eater,  published by The Book Smugglers

Benjanun Sriduangkaew for  Scale Bright, published by Immersion Press

 

Best Novel:

Nina Allan, for The Race, published by Newcon Press

Frances Hardinge, for Cuckoo Song, published by Macmillan

Dave Hutchinson, for Europe in Autumn, published by Solaris

Simon Ings, for Wolves, published by Gollancz

Anne Leckie, for Ancillary Sword, published by Orbit

Claire North, for The First Fifteen Lives of Harry August, published by Orbit

Nnedi Okorafor,  for Lagoon, published by Hodder

Neil Williamson, for The Moon King, published byNewcon Press

Quelle: http://www.bsfa.co.uk/bsfa-awards-2014-shortlist-announced/

Reread: Terry Pratchett – Helle Barden

Mein zweiter Trip „back down on memory lane“, nach dem letztjährigen Reread von Tad Williams‘ Der Drachenbeinthron. Demnächst werden noch weitere folgen, da ich momentan große Lust habe, die prägendsten Bücher meiner Adoleszenz wieder zu lesen. Diesen Artikel gibt es auch wieder auf dem Fantasyguide, wo Ralf – anders als ich hier – so fleißig war, die erwähnten Autoren und Bücher zu verlinken. Es lohnt sich also, den Artikel dort zu lesen, wenn man noch etwas Hintergrundinformationen sammeln möchte, ohne selbst groß zu googlen.

Nach einer mehrjährigen Einstiegsphase in die wunderbare Welt der Bücher mit Stephen King entdeckte ich als Teenager Mitte der 90er die Fantasyliteratur für mich. Mit allem, was damals die Fantasyregale (man beachte den Plural, damals gab es tatsächlich noch mehrere, und die waren von der Science Fiction getrennt) bevölkerte: Raymond Feist, Terry Goodkind, Michael Moorcock, ein gewisser Prof. Tolkien, E. R. Eddison, Michael Scott Rohan (kennt den noch jemand?), R. A. Salvatore, Dave Eddings, Robert Jordan, George R. R. Martin, Margarete Weis und Tracy Hickman uvm. Oft standen sogar sämtliche Bände einer Reihe im Buchladen, was bei Robert Jordan schon einiges heißen will. Und damals wie heute gab es einen Autor, der die Regale besonders dominierte, was unter anderem auch an der tollen Covergestaltung von Josh Kirby lag: Terry Pratchett.

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Sein erster Scheibenweltroman (Die Farben der Magie) erschien in England bereits 1983, in der BRD musste man sich noch bis 1989 gedulden. Doch schon wenige Jahre später war er eine feste Größe in der Fantasy und ist (anders als manch anderer Autor in der obigen Liste) auch heute nicht aus den Regalen der Buchhandlungen wegzudenken.

Ich muss so um die 15, 16 Jahre alt gewesen sein, als ich beim Stöbern in der Montanus-Buchhandlung auf Helle Barden stieß (16 DM für ein Paperback!). Diese Buchhandlung (die es schon lange nicht mehr gibt), war über Jahre meiner erste Anlaufstelle für Fantasyromane. Feist, Moorcock, Goodkind und Tolkien habe ich auf jeden Fall vor Pratchett schon gelesen, weshalb die Parodie auf die Fantasyliteratur nicht ganz an mir vorüberging.

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Vermutlich bin ich auch wegen des tollen Covers von Josh (nicht zu verwechseln mit Jack) Kirby auf das Buch aufmerksam geworden, das mich mit seinem (Stefan Pannor möge mir verzeihen) comichaften Stil angesprochen hat. Man sieht darauf die wichtigsten Mitglieder der (Nacht-)Wache: Korporal Karrrotte, Angua, Detritus, Knuddel (schnief), Feldwebel Colon, der Hund Gaspode und meine absolute Scheibenweltlieblingsfigur Nobby Nobbs (ich träume schon seit Jahren davon, dass er seinen eigenen Roman erhält, so was wie I, Nobby oder The Secret Life of Nobby Nobs).

Damals hatte ich nicht darauf geachtet, der wievielte Band in der Reihe Helle Barden war (der fünfzehnte), der Klappentext sagte mir zu, also habe ich es gekauft. Es war ein Samstag, denn ich bin immer Samstag mit meinen Eltern nach Koblenz in den Löhr-Center gefahren, wo ich stundenlang in der Buchhandlung gestöbert habe, während meine Eltern stinklangweiligen Einkäufen in irgendwelchen Klammmotteläden nachgingen. Kurze Zeit später lag ich gemütlich in meinem Bett und lachte mich bereits auf Seite 1 über Karrottes Brief an seine Eltern kaputt, und war im Nu Terry-Pratchett-Fan.

Die Scheibenweltromane kann man in verschiedene Kategorien einteilen. Ich kopier hier einfach mal die Auflistung aus der Wikipedia: Zauberer-Geschichten, Hexen-Geschichten, Tod-Geschichten, Stadtwache-Geschichten, Ankh-Morpork-Geschichten
und Sonstige Romane.

Helle Barden ist nach Wachen! Wachen! Der zweite Band der Stadtwache-Geschichten, von denen es inzwischen neun Stück gibt (wobei Mitglieder der Wache durchaus auch in anderen Romanen vorkommen). Jeder Band erzählt zwar eine abgeschlossene Geschichte, aber es lohnt sich trotzdem, sie in chronologischer Reihenfolge zu lesen, da sich sowohl die Stadtwache als auch die Wächter selbst weiterentwickeln. Allen voran Hauptmann Mumm, der einen rasanten gesellschaftlichen Aufstieg hinlegt (sehr zu seinem eigenen Missfallen).

Mir war das damals alles nicht bewusst, damals gab es auch erst drei Stadtwacheromane (Höhle Köpfe ist der dritte im Bund). Für mich war es der Einstieg in die Scheibenwelt. Denn es war etwas, das mir bis damals noch nie zuvor begegnet war: humorvolle Fantasy (Robert Asprin kannte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht). Ich habe mich während der Lektüre des Romans vor Lachen gerkringelt, und auch bei meinem kürzlichen Reread musste ich wieder kräftig lachen. Wenn auch teilweise an anderen Stellen. Im Alter von 35 Jahren lese ich den Roman als ein anderer, als mit 15 Jahren, und somit lese ich auch einen anderen Roman. Und genau das ist für mich ein perfekter Reread, wenn sich die Nostalgie der Erstlektüre mit einer neuen (positiven) Leseerfahrung vermischt, die dafür sorgt, dass die Zweitlektüre nicht langweilig wird.

Meinem 15-jährigen Ich war damals nicht bewusst, dass es neben den ganzen lustigen Szenen (frei nach Norbert Elias) um nicht weniger als den Prozess der Zivilisation geht, für den die Stadtwache stellvertretend steht. So wie aus dem faulen, korrupten und wenig kompetenten Haufen eine fähige Einsatztruppe wird, die gut organisiert für Ordnung in der Stadt sorgt, so modernisiert sich unter der führenden Hand Lord Vetinaris ganz Ankh-Morpok. Eine Entwicklung, die in fast jedem Scheibenweltroman deutlich wird, aber vor allem an den neueren Romanen um Feucht von Lipwig zu erkennen ist. Damit macht Pratchett etwas Ähnliches, wie Samuel R. Delany in seinen Nimmerya-Geschichten: Er beschreibt die Entstehung und Entwicklung der Zivilisation.

Aber wie schon erwähnt, ist mir das damals gar nicht bewusst gewesen. Ich habe mich vor allem an den lustigen und ironischen Beschreibungen und Szenen erfreut. Wenn zum Beispiel Treibe-micht-selbst-in-den-Ruin-Schnapper von einem wütenden Mob dazu gezwungen wird, seine eigenen Würstchen zu essen, und, obwohl er schon grün angelaufen ist und kurz vor der Übergabe des verdauten Materials steht, immer noch darauf beharrt, dass seine Würstchen gut schmecken. Oder die verschiedenen Arten, in Ankh-Morpork Selbstmord zu begehen.

Bei meinem Reread ist mir aufgefallen, was für wundervolle Figuren Pratchett erschaffen hat. Allein schon Karrotte, den jeder mag, den jeder kennt und dessen Anweisungen man befolgt, nicht weil sie vernünftig klingen, sondern weil sie von Korporal Karrrotte kommen. Ich bin seiner Magie genauso erlegen, wie alle anderen Bewohner Ankh-Morpoks.

Rassismus ist ein großes Thema in Helle Barden. Vetinari zwingt die Wache, erstmals Nicht-Menschen aufzunehmen. Und die Zwerge, Trolle und später auch Vampire, sind, sobald sie die Uniform tragen, keine Zwerge, Trolle und Vampire mehr, sondern Wächter. Es geht um Vorurteile, und wie man diesen ohne erhobenen Zeigefinger begegnen kann, aber auch um Vorurteile bzw. Klischees, die durchaus zutreffen können (und dafür sorgen, dass man vorsichtig ist, was dem eigenen Überleben durchaus zuträglich sein kann).

Aber worum dreht sich nun der Plot? Zivilisation zeichnet sich unter anderem durch einen steigenden Grad an Organisation aus. Man organisiert sich in Vereinen, Verbänden und in einem dem Mittelalter nicht fernen Szenario beruflich in Gilden. In Ankh-Morpork gibt es für alles eine Gilde. Eine Hundegilde, eine für Narren, eine für Alchemisten, eine für Diebe und eine für Assassine. Denn morden darf man in der Stadt nur als Mitglied der Assassinengilde, wenn man dafür bezahlt wird und am Opfer eine Mitteilung hinterlässt. Ordnung muss sein. Besagter Assassinengilde wird ein gfährlicher Gegenstand geklaut, und eine Reihe von unautorisierten Morden beginnt, während ein umnachteter Geist sich die Monarchie zurückwünscht (aktuell regiert ja der Patrizier Vetinari). Für die Nachtwache unter der Führung von Mumm, der sich eigentlich um seine Hochzeit mit Lady Käsedick kümmern sollte, steht ein harter Brocken an Ermittlungsarbeit bevor, für die sie eben die Stadtwache erst einmal gegen viele Widerstände reformieren müssen.

Reareads sind so eine Sache, manche Bücher sind nicht gut gealtert und die erneute Lektüre kann dazu führen, dass die schöne Erinnerung an das Buch durch Enttäuschung und Verwunderung darüber ersetzt werden kann, warum man einen solchen Mist einmal gemocht hat. Bei anderen Büchern bestätigt sich die gute Erinnerung. Und einige Bücher schneiden bei der wiederholten Lektüre sogar noch besser ab als früher, weil man durch 20 oder so zusätzliche Jahre mehr Erfahrung viel mehr von den ganzen Anspielungen und der Tiefe des Romans versteht. So geht es mir mit Helle Barden. Ich habe bisher erst 24 von 40 Scheibenweltromanen gelesen und dieser Romane ist für mich nach wie vor ein Highlight.

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Ich habe nicht alle 24 Titel im Regal stehen. Einige hatte ich mir von einem Freund ausgeliehen.

An dieser Stelle möchte ich auch noch die Übersetzung von Andreas Brandhorst loben, die sich ganz wunderbar liest, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie nahe sie dem Original kommt. Aber gerade solche Eigenheiten, wie dass sich die Leute auf der Scheibenwelt alle duzen, auch wenn es dann heißt: »du, Lord Vetinari«, haben mit ihrem eigenen Charme dazu beigetragen, dass ich diese Welt so liebe. Inzwischen gibt es eine Neuübersetzung von Men at Arms durch Gerald Jung. Ich habe mich ein paar Mal mit ihm über die Neuübersetzungen unterhalten, und bin überzeugt, dass er mit seinem Ansatz der Tiefe des Originals sogar näher kommt als Brandhorst, aber ich bin eben mit Brandhorst aufgewachsen und sozialisiert worden. Deshalb heißt es für mich: Brandhorst oder Original. Das Titelbild der Neuübersetzung wage ich gar nicht hier zu posten (folgen Sie diesem Link auf eigene Gfahr), das ist ebenso scheußlich, wie die Bilder aller anderen Neuübersetzungen und konterkariert den postulierten Anspruch des Verlags, Terry Pratchett aus der Fantasyschublade (böse Zungen behaupten, da ein »aus der Schmuddelecke Fantasy«, zwischen den Zeilen zu lesen) zu holen, um ihn auch auf dem deutschen Markt auf die literarischen Höhen zu holen, die er verdient habe. Tja, Mission failed. Andererseits hat Pratchett das doch auch gar nicht nötig.

Phantastische Netzstreifzüge 38

WHEEL OF TIME gets a TV pilot out of nowhere – Wer letzte Woche in den USA den Sender FXX eingeschaltet hatte, konnte eine kleine Überraschung erleben. Da wurde ohne Ankündigung ein Pilot zu einer Serienfassung von The Wheel of Time (Rad der Zeit) ausgestrahlt. Wie Adam Whithead auf Wertzone berichtet, handelt es sich dabei aber mitnichten um den Vorläufer einer kommenden Serie, sondern einfach um ein billig zusammengeschustertes Machwerk, das durch die Ausstrahlung (für die Macher den Sender bezahlt haben) dafür sorgen sollte, dass die TV-Rechte am Rad der Zeit nicht am nächsten Tag an die Erben Robert Jordans zurückfallen. Produzent dieses Pilötchen ist Red Eagle Entertainment, die die medialen Verwertungsrechten an The Wheel of Time seit ungefähr 10 Jahren besitzen, aber noch nicht anständiges daraus gemacht haben. Nachdem sich Robert Jordans Witwe und Erbin zu diesem Machwerk äußerte, wurde sie jetzt sogar von Red Eagle verklagt. Wie Adam Whitehead richtig bemerkt, hat es sich diese Firma wohl mit sämtlichen „Rad der Zeit“-Fans verscherzt und eine potentielle Goldgrube (ca. 40 Millionen verkaufte Bücher in den USA) in den Sand gesetzt, galt das Rad der Zeit doch als der heißeste Kandidat mit Erfolgsaussichten auf eine gute Serienumsetzung im „Game of Thrones“-Fahrwasser. Stattdessen wird gerade die Shannara-Reihe von Terry Brooks von MTV in Neuseeland verfilmt. Was für mich eher ein heißer Kandidat ist, in die Fußstapfen der „Legend of the Seeker“-Adaption zu treten. 😉

Den Piloten kann man sich übrigens auf youtube ansehen.

Full Fathom Five – Moya, der ich die Entdeckung der wunderbaren Bücher von Max Gladstone zu verdanken habe, hat jetzt den dritten Teil in seiner lose miteinander verbundene Craft-Sequence besprochen, und kommt zu einem durchwachsenen Urteil:

Es gibt Geheimnisse, verbotene Entdeckungen, Mord, Intrigen, humorvolle Szenen, ernsthafte Gedanken und viele tolle Ideen. Eigentlich ist Full Fathom Five also wieder ein Buch, das man lesen muss. Für mich hat sich die Handlung lediglich zu stark durch wirtschaftliche Details in die Länge gezogen und man weiß ewig nicht worauf die ganze Sache eigentlich hinaus will. Im Grunde wäre das wahrscheinlich nicht so tragisch, wenn ich ein größerer Fan von Intrigen und Komplotten zwischen Konzernen und Investoren wäre. Es gibt aber immerhin einen temporeichen Endteil, der nicht nur die ersehnten Antworten liefert sondern zudem faszinierende Einblicke in die volle Bedeutung der Büßerstatuen erlaubt.

Ich habe diese Band noch nicht gelesen, freue mich aber schon sehr auf das von Hawaii inspirierte Inselsetting. Und Max Gladstone hat immer noch keinen deutschen Verlag. Eine Schande ist das!

Die LOCUS-Jahresstatistik für 2014… – Dirk van den Boom (seines Zeichens Electroprof und kaiserlicher Tentakelexperte) stellt die Jahresstatistik des Locus-Magazins vor, in der es um die Zahl der Genreveröffentlichungen 2014 geht. Ist in der Februar-Ausgabe erschienen, die ich gerade gelesen habe. Da werden auch nochmal die interessantesten Bücher 2014 vorgestellt. Ich habe mir daraufhin direkt The Race von Nina Allan zugelegt, die damit auch just für den BSFA nominiert wurde, den sie im letzten Jahr bereits in einer anderen Kategorie gewonnen hat.

Armageddon Rock von George R. R. Martin – Nach molo und mir hat jetzt auch Ralf (lapismont) Steinberg das Buch auf dem Fantasyguide besprochen. Was ich besonders interessant finde, da Ralf anders als molo und ich im Osten aufgewachsen ist, und die Gegenkultur der 60er Jahre durch eine etwas andere Brille (im Rückblick) mitbekommen hat (nicht, dass einer von uns alt genug wäre, um die Zeit persönlich miterlebt zu haben).

Der Reihe nach klappert Sandy die alten Freunde und Freundinnen ab. Martin reißt dabei Seite um Seite vom Kalender der amerikanischen Geschichte ab und plaudert im Tone eines Insiders vom Summer of Love und von dem, was aus den Menschen von einst wurde.

Es sind Lektionen in Geschichte, die durch ihre intensive Nähe zu den Figuren eine eindringliche und tiefe Wirkung entfalten.

Announcing Tor.com’s inaugural Novella List – Tor.com will in Zukunft auch »novellas« also Novellen rausbringen, was ich für eine tolle Sache halte. Die Form des Kurzromans wird ja gerade im Genre zugunsten dicker Wälzer sträflich vernachlässigt. Bis auf K. J. Parker sagen mir die ganzen Namen nichts, aber ich bin gespannt. Vielleicht landet ja auch das ein oder andere bei Golkonda.

MIND MELD: The Intersection of SF/F Games und Genre Fiction – Ein ganzer Haufe SF- und Fantasyautorinnen schreibt auf SF-Signal darüber, wie sie von SF- und Fatasyspielen (sowohl Computer als auch Pen & Paper) beeinflusst worden sind, was sie aktuelle zocken und was man von solchen Spielen als Autorin lernen kann.

Belegexemplare eingetroffen: Das Blut der Helden von Joseph Nassise

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Nachdem ich gestern schon verkündet habe, dass nun auch die Hardcoverausgabe des Romans erschienen ist, sind die untoten Belegexemplare heute bei mir watschelnd eingefallen.

Der 1. Weltkrieg endete nicht 1918, sondern ging weiter, weil die Deutschen das so genannte Leichengas einsetzten, das die Gefallenen in, Watschler genannte, Untote verwandelte, was den Streitkräften des Kaisers praktisch unbegrenzten Nachschub an Kanonenfutter liefert. Die Watschler sind zwar nicht schnell, aber wie bei den uns bekannten Zombies kommt es auf die Masse und die Beharrlichkeit an. In den Wirren dieses bestialischen Krieges wird das Fliegerass Major Freeman hinter den feindlichen Linien abgeschossen. Und Captain »Madman« Burke, der nicht viel von dem eingebildeten Schnösel hält, muss sich mit seiner Truppe auf ein Himmelfahrtskommando durch das apokalyptische Niemandsland und in das Gebiet des Feindes hinein begeben, um den Schnösel zu retten.

Das Blut der Helden ist ein rasanter Actionroman mit spektakulären Luftkämpfen, steampunkmäßigen Erfindungen, Zombiesoldaten und einer Truppe, die ähnlich wie das dreckige Dutzend, von einer ausweglosen Situation in die nächste gerät.

Mir hat das Übersetzen dieses abwechslungsreichen Buches richtig Spaß gemacht. Das war mal was ganz anderes als Captain Future oder die Horrorgeschichten von Brian Keene. Man sollte sich von der Seitenzahlangabe von 324 Seiten nicht täuschen lassen, für die 14.90 Euro (bzw. 19.90) bekommt man deutlich mehr. Mein fertiges Manuskript hatte 594 Normseiten. Eine Normseite hat 30 Zeilen zu je 60 Zeichen und gilt als Bezugsgröße und ungefähr einschätzen zu können, wie viele Seiten das fertige Buch haben wird. Beim Blut der Helden haben die 324 Seiten 38 Zeilen mit je 70 Zeichen. Trotzdem ist die Schriftgröße gar nicht so klein ausgefallen. Es wird einfach mehr Platz pro Seite genutzt. Manche Paperbackausgaben von größeren Verlagen nutzen gerade mal zwei Drittel der Seite, damit ein relativ dünnes Buch ins Ziegelsteinformat aufgeblasen wird. Atlantis nutzt seinen Platz effektiver, ohne dass man zum Lesen eine Lupe braucht.

Geschrieben hat das Buch der amerikanische Autor Joseph Nassise. Das eindrucksvolle Titelbild stammt von Mark Freier. Den Umschlag hat Timo Kümmel gestaltet. Lektorat und Satz hat André Piotrowski übernommen. Kaufen kann man das Buch bei den bekannten Stellen oder direkt beim Atlantis Verlag. Die Hardcoverausgabe hat übrigens ein Lesebändchen! Ich liebe Lesebändchen!

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Buchempfehlung: Stimmen der Nacht von Thomas Ziegler

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Führerlos durch die Nacht

Der Ausgang des 2. Weltkriegs ist ein beliebtes Szenario in Alternativweltgeschichten. Phillip K. Dick frage sich in Das Orakel vom Berge, wie es sei, wenn die Nazis den Krieg gewonnen hätten, ebenso wie Robert Harris in Vaterland. Christian von Dithfuhrt behandelt in Der 21. Juli die Frage, was wäre wenn, Hitler beim Staufenberg-Attentat ums Leben gekommen wäre, und Himmler die Führung übernommen hätte. Bei Thomas Ziegler läuft es anders ab. Hier haben die Nazis den 2. Weltkrieg verloren. Aber anders als in unserer Wirklichkeit wurde nicht der Marschall-Plan zum Wiederaufbau Deutschlands durchgeführt, sondern der Morgenthau-Plan, der dafür sorgte, dass sämtliche Industrieanlage aus dem Land verschwanden und Deutschland eine Agrarnation blieb, in der Städte wie Berlin und Köln in Schutt und Asche liegen. Was aber für die Überlebenden Nazis nicht das Ende bedeutet. Die haben sich rechtzeitig nach Südamerika abgesetzt und sind dort unter der Führung von Martin Bormann zur Atommacht aufgestiegen. Zu Beginn der 80er Jahre stehen sie kurz vor der Wiedereroberung Deutschlands und nur der amerikanische TV-Moderator Gulf kann sie noch aufhalten. Denn Gulf hört Stimmen. Die Stimmen der Nacht. Und weiß, dass mit der Welt etwas nicht stimmt.

Es ist ein wirklich faszinierendes Szenario, das Ziegler hier entwirft, und alle, die der Meinung sind, dass Deutschland noch von den Amerikanern besetztes Gebiet sei, sollten dieses Buch lesen. Denn aus der Vorstellung, wie es aussehen würde, wenn die USA Deutschland nach dem 2. Weltkrieg verlassen und allein gelassen hätten, kann man erkennen, was sie alles für dieses Land getan haben. Auch stimmt Simmen der Nacht sehr nachdenklich in Bezug auf den nie ganz verschwundenen Führerkult. Denn tief im kollektiven Bewusstsein der Deutschen lebt der Führer weiter, sitzt in seinem Bonker, streichelt Blondi und träumt davon, wieder da zu sein.

Das Einzige, was ich kritisieren könnte, ist die Passivität der Hauptfigur. Denn Gulf dient dem Leser ausschließlich als Führer durch die Nacht dieser düsteren Vision. Nicht ein einziges Mal handelt er selbständig. Immer wird er von anderen geleitet, egal ob von der US-Militärführung, dem Geheimdienst oder diversen Entführern. Er ist nur ein Blatt im Wind, durch dessen Augen wir sehen, wie ein Sturm aufzieht.

Sprachlich ist der Roman von Thomas Ziegler deutlich weniger extravagant ausgefallen, als z. B. sein Sardor-Romane. Der Stil ist schnörkellos, klar und ganz hervorragend. Ziegler lesen ist immer ein Genuss. Der Roman ist übrigens schon 1983 bei Ullstein erschienen und wurde jetzt vom Golkonda Verlag in einer wunderschönen Neuausgabe wiederveröffentlicht. Schade, dass der 2004 verstorbene Reiner Zubeil (alias Thomas Ziegler) dies nicht mehr erleben kann.

Nachtrag: Auf Facebook wurde ich von Florian Breitsameter auf Folgendes hingewiesen: „Erwähnen sollte man hier aber vor allem die erweiterte und überarbeitete Neuauflage die 1993 bei Heyne erschien und auf die Thomas Ziegler sehr stolz war.“

Vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich hier verzapfe, und lesen Sie Thomas Zieglers Stimmen der Nacht.

Oder würden Sie diesem freilaufenden Rezensenten etwa misstrauen?

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Captain Future 06 | Sternenstraße zum Ruhm + Stand der Dinge

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Auf der berüchtigten »Selbstmordstation« testen die besten Piloten − die sogenannten Weltraumasse − die neuesten Raumschiffmodelle. Doch seit einiger Zeit verschwinden die brandneuen Raumfahrzeuge während der Testflüge auf mysteriöse Weise.

Um der geheimnisvollen Diebesbande auf die Spur zu kommen, müssen Captain Future und seine Futuremen eines der größten Rätsel in der Geschichte der Raumfahrt lösen und an der gefährlichen und atemberaubenden Systemrallye teilnehmen: einem mörderischen Rennen durch das gesamte Sonnensystem und über alle neun Planeten.

Klammheimlich hat Golkonda die nächsten beiden Bände der Captain-Future-Reihe angekündigt. Im Sommer soll Die sieben Weltraumsteine in der Übersetzung von Frauke Lengermann erscheinen. Im Winter dann Sternenstraße zum Ruhm in meiner Übersetzung (wie immer sind diese Termine mit Vorsicht zu genießen und können sich noch ändern).

Das ist dann auch vorerst die letzte Übersetzung von mir, die ich ankündigen kann. In (voraussichtlich) der nächsten Ausgabe der Phantastisch wird noch meine Übersetzung einer Kurzgeschichte von Lavie Tidhar erscheinen und bei Phase X Verstreut entlang des Himmelsflusses von Aliette de Bodard. Ansonsten stehen bei mir momentan ausschließlich TV-Dokus auf dem Programm. Aber ich hoffe, dass sich da etwas tun wird, und ich demnächst wieder einen Roman übersetzen darf. Nur TV-Dokus übersetzen ist auf Dauer doch etwas eintönig (auch wenn ich sie nicht missen möchte, eine Mischung aus beidem gefällt mir am besten). Das literarische Übersetzen fehlt mir bereits nach wenigen Wochen.

Nachtrag vom 10.12.2016: Sternenstraße zum Ruhm ist immer noch nicht erschienen. Ich habe keine Ahnung, wann und ob das Buch erscheinen wird. Abgegeben, habe ich die Übersetzung schon vor zwei Jahren.

Nachtrag zu den Netzstreifzügen 37

SF/Fantasy bei Fischer – ich hatte ja gestern gemeldet, dass Hannes Riffel für S. Fischer das SF und Fantasyprogramm ausbaut. Frank Böhmert gibt auf seinem Blog jetzt weitere Details bekannt. Es handelt sich um eine Zusammenarbeit mit dem wichtigsten englischsprachigen Phantastikverlag Tor Books. Die ersten Titel sind anscheinend auch schon eingekauft und die ersten Übersetzer beauftragt, damit das Programm im Herbst 2016 an den Start gehen kann.

Phantastische Netzstreifzüge 37

Hannes Riffel und Andy Hahnemann bauen SF/Fantasy der S. Fischer Verlage in Berlin aus – das meldet der Buchmarkt. Im Dezember wurde bereits bekannt gegeben, dass Natalja Schmidt den Ausbau der Fantasy und Science-Fiction bei Droemer/Knaur ab dem 1. April übernehmen wird. Damit gibt es eine interessante Entwicklung auf dem phantastischen Buchmarkt, nachdem in der letzten Zeit der Trend ja eher von der Phantastik weg ging. Und damit sind wieder zwei Publikumsverlage im Genre vertreten, die vor Jahren dort noch deutlich aktiver zugange waren. Von Fischer habe ich z. B. noch die Tad Williams Drachenbeinthron-Saga im Regal stehen und Knaur war einmal eine feste Größe in der Fantasy. C.S. Friedmanns Kaltfeuer-Reihe, Stephen Donaldsons Die Chroniken von Thomas Covenant sind nur zwei Beispiele für originelle Fantasy aus dem Hause Knaur. In den letzten Jahren hatten sich beide Verlage weitestgehend aus der Phantastik verabschiedet, zumindest habe ich sie nicht mehr wahrgenommen.

Mit seinem Golkonda-Verlag hat Hannes Riffel gezeigt, wie man anspruchsvolle Phantastik nach Deutschland bringt, wobei er bei einem so großen Publikumsverlag natürlich auch kommerziellen Zwängen unterworfen ist. Man sollte auch nicht zu schnell viel erwarten. Die Vorlaufzeiten im Verlagswesen sind lange, und ich vermute mal, dass man frühestens 2016 mit einer ersten Programmvorschau rechnen kann. Es gibt jedenfalls nicht nur negative Veränderungen auf dem deutschsprachigen Phantastikbuchmarkt. Ich bin sehr gespannt, was da auf uns zu kommt.

Neue Bücher: Fantastische Literatur im Februar 2015 – Fantasybuch.de stellt die deutschsprachigen Phantastikneuerscheinungen des Monats Februar vor. Darunter auch das von mir übersetzte Das Blut der Helden von Joseph Nassise (dazu werde ich mich hier im Blog noch näher äußern, wenn ich meine Belegexemplare erhalten habe). Bis auf den David Brin ist da auf den ersten Blick nichts für mich dabei. Anne Leckie habe ich schon im Original gelesen. Vieles sind auch nur Neuauflagen älterer Titel.

The Best Science Fiction, Fantasy and Horror Reads for February – Kirkus Review stellt einige ausgewählte englischsprachige Neuerscheinungen vor. Da ist schon eher was für mich dabei.

How Science-Fiction Will Help Us Go to Mars – auf Mother Jones gibt es einen interessanten Artikel von Kishore Hari darüber, warum uns SF auf den Mars helfen könnte. Während Deutschland kaum noch Hard-SF in Buchform erscheint, hat Hollywood das Genre für sich neu entdeckt.

William Gibson explains why Science-Fiction writers Don’t predict the Future – William Gibson erklärt auf boingboing wiederum, warum SF-Autoren nicht die Zukunft vorhersagen. Sehe ich ähnlich. Es geht nicht darum, wie die Zukunft sein wird. Höchstens darum, wie sie sein könnte. Aber in erster Linie geht es um eine gute Geschichte.