Serienempfehlungen: „Chernobyl“, „Our Planet“ und „Street Food Asia“

Chernobyl

Schaut man sich an, was Drehbuchautor Graig Mazin bisher für Filme geschrieben hat, könnte man nicht auf die Idee kommen, dass seine erste Serie ein Meisterwerk wird, das Seriengeschichte schreibt. Scary Movie 3 und 4, Hangover 2 und 3 deuten jedenfalls nicht daraufhin. Und doch ist es ihm mit Chernobyl gelungen. Von der ersten bis zur letzten Minute hat er zusammen mit Regisseur Johan Renck und seinem Team ein bedrückendes, apokalyptisches Endzeitszenario geschaffen, das schon längst stattgefunden hat. Die Schauspieler sind herausragend, allen voran Jared Harris, Stellan Skarsgård und Emily Watson. Die Ausstattung, die Sets vor Ort in Tschernobyl und der Stadt Prypjat stimmen bis ins kleinste Detail. Das Drehbuch besitzt kein Gramm fett, jede Szene und jeder Dialogzeile erfüllen einen Zweck, die Struktur sorgt für Spannung, die Handlung ist herzergreifend und geht an die Nieren. Eine nüchterne, sachliche und doch bewegende Schilderung der wahren Ereignisse im Jahr 1986. Für mich das Serienereignis des Jahres über einen Drachen, der ganz real ist und ganze Städte auslöschen kann, wenn wir unsere Kontrolle über ihn überschätzen. Hat fünf Teile und ist auf Sky zu sehen.

Our Planet

Sechsteilige britische Netflix-Dokumentation über Zustand und Zerfall unserer Erde. Was wir Menschen mit diesem Planeten anstellen, ist praktisch die Katastrophe von Tschernobyl in Zeitlupe über den gesamten Globus verteilt. Die Serie zeigt, welch drastischen Folgen unser Tun und der daraus folgende Kollaps der Biosphäre für die Tierwelt haben. Und wer glaubt, das beschränke sich nur auf ein paar Eisbären, denen die Schollen unter den Füßen wegschmelzen, der täuscht sich gewaltig und sollte sich dringend die Episode mit den Walrössern anschauen. Die Bilder sind wunderschön und doch tieftraurig. Ich empfehle die englische Fassung, in der David Attenborough als Erzähler fungiert, der für lange Zeit bei der BBC für diese wundervollen Naturdokus verantwortlich war, die uns aber auch eine heile Welt vorgegaukelt haben. Hier spricht er endlich unverblümt aus, welche Spuren das Anthropozän an Flora und Fauna hinterlassen hat.

Street Food Asia

Street Food Asia ist eine großartige Dokuserie auf Netflix, über mehrere Generationen von Street Vendors: Menschen, die alte Familienrezepte in ein erfolgreiches Geschäftsmodell und leckeres Essen verwandelt haben. Viele faszinierende Lebensgeschichten aus Ländern wie Japan, Thailand, Indonesien, Singapur, Vietnam oder Taiwan. Mein Favorit ist die Episode aus Thailand mit der Straßenköchin, die während der Arbeit aussieht wie aus einem Film von Hayao Miyazaki, seit Jahrzehnten ihr Ding durchzieht und ihre Rezepte so perfektioniert hat, dass sie sogar einen Michelin-Stern erhalten hat. Zeigt auch, wie wichtig in solchen Städten das Essen auf der Straße ist, wo viele keine Zeit zum Kochen haben, keine Küche oder nur wenig Geld. Ein faszinierender Mikrokosmos, der immer weiter verdrängt wird, ob durch Gentrifizierung oder Regierungen, die lieber leere, saubere und trostlose Straßen haben, wie in Thailand z. B.

Bei den New York Yankees im Stadion

Vor genau einem Jahr war ich bei den New York Yankees im Stadion. Hier ein kurzer Bericht.

Ich kann nicht behaupten, ein großer Fan von kommerzialisiertem Sport zu sein. Weder schaue ich mir die Bundesliga, noch die Champions League an, und Korruptinos Fußball WM der Männer ist mir auch wurscht. Noch kommerzieller als in den USA geht es wohl kaum, wo Mannschaften aus rein finanziellen Gründen von einer Stadt in die andere umziehen, wie zum Beispiel die Brooklyn Dodgers, die 1958 nach L. A. zogen und der Stadt das Herz herausrissen (»Our Bums«).

Wenn man aber die USA und deren Kultur verstehen will, kommt man an Baseball nicht vorbei. Kein anderer Sport hat das Land so geprägt und steht stellvertretend für den »American Exceptionalism«. Eine komplexe und komplizierte Sportart, die man wohl nur ganz verstehen kann, wenn man mit ihr aufgewachsen ist. Hier empfehle ich die herausragende Doku »Baseball« von Ken Burns.

Das bekannteste und erfolgreichste Team des Sports sind die New York Yankees, das Team, das mit Babe Ruth und Heinrich Ludwig »Lou« Gehrig zur Legende wurde und weitere Ausnahmespieler, wie Joe Dimaggio und Mickey Mantle hervorbrachte. Der letzte Titel und die letzte Finalteilnahme liegen allerdings schon zehn Jahre zurück. „Doch nach einem holprigen Start sieht es diese Saison gar nicht so schlecht aus“, schrieb ich letztes Jahr, als ich diesen Beitrag begann. Insgesamt lief es dann doch wieder sehr bescheiden für die Yankees.

Die U-Bahn hält direkt vor dem Stadion in der Bronx an Gate 6, wo sich die Fans ganz entspannt den Eingangskontrollen nähern. Hinter dem Einlass gab es ein Yankees-Shirt als Geschenk, dann musste ich noch einmal ums halbe Stadion rum, um meinen Platz zu finden. Der lag in der zweiten Etage mit guter Sicht auf das Spielgeschehen. Immer wieder kamen Leute mit schlechteren Tickets, die versuchten, hier bessere Plätze zu finden, bis dann die eigentlichen Kartenbesitzer kamen, um ihre Sitze einzunehmen. Zu Spielbeginn war es noch relativ leer im Stadion, die Plätze füllten sich erst nach und nach, da viele vermutlich direkt von der Arbeit kamen. Nicht wenige gingen auch schon wieder vor Spielbeginn. Bei vier bis fünf Spielen pro Woche ist das wohl nicht ungewöhnlich.

Anders als in deutschen Fußballstadien gibt es hier keine Ultras, die für Stimmung sorgen. Das läuft alles über die Stadiontechnik, mit eingespielter Musik und Fans, die dann tanzend auf der großen Leinwand eingeblendet werden. Die Jungs, die den Platz zwischendurch abzogen, tanzten dann zu YMCA. Und der übliche Patriotismus mit Heldenverehrung und Nationalhymne durfte natürlich nicht fehlen. Trotzdem herrschte eine angenehme, entspannte Stimmung im Stadion. Erst in den letzten beiden Innings, bei der drohenden Niederlage, nahmen aggressivere Töne, vermutlich durch den stetigen Bierkonsum gefördert, deutlich zu. Da merkte man, dass es unter der familienfreundlichen Fassade durchaus brodelte.

Nach dem Spiel ging es dann in einer überfüllten U-Bahn, dank Bauarbeiten, im Schneckentempo zurück nach Manhattan – aber ganz entspannt und gelassen, ohne grölende, besoffene Fans.

Die Yankees haben übrigens 3:4 gegen die Washington Nationals verloren. Hier zeigte sich, dass nicht das Team mit den meisten Homeruns gewinnt. Hat man noch keine Spieler auf den Bases, bringt ein Homerun nur jeweils einen Punkt, wie für die Yankees. Die Nationals haben mit einem Homerun gleich drei Punkte geschafft, weil sie schon Spieler auf den Bases platzieren konnten. Hier zahlt sich geschicktes Taktieren aus. Es war bis zum Schluss ein spannendes und ereignisreiches Spiel.