The end is the beginning is the end – Ein paar Gedanken zum Jahreswechsel

Eine große Zahl an Menschen in meiner Filterblase scheint das Jahr 2016 als ein Jahr des Schreckens zu betrachten, angefangen mit einer nicht enden wollenden Serie an prominenten Todesfällen von David Bowie über Prince, Bud Spencer und und vielen mehr, bis zu Leonard Cohen, dessen Flamme im November verlosch.

Ein Jahr, dessen weltpolitischen Entwicklungen jenem Empfinden durchaus entsprachen, und das als Jahr in die Geschichte eingehen könnte, an dem die Welle der Demokratie, die nach dem Zweiten Weltkrieg an Fahrt aufnahm, brach und zurückschwappte. Rechte Parteien und Populisten scheinen fast überall im Zuge der Flüchtlingskrise und der immer stärker eskalierenden Gewalt im Nahen Osten (vor allem in Syrien), die in Form von Terroranschlägen auch unsere Breitengrade erreicht, auf dem Vormarsch.

Populisten mit faschistischen Tendenzen, wie Trump in den USA oder Duerte auf den Philippinen, werden gewählt (wenn auch nicht unbedingt von der Mehrheit ihres Volkes), demokratisch gewählte Präsidenten in einst hoffnungsvollen Ländern in Afrika (Gambia) und Südamerika (Bolivien) klammern sich trotz Ablauf der gesetzlich erlaubten Amtszeiten an die Macht. Die Türkei ist zur Diktatur geworden, in Ungarn und Polen schränken autokratische Regierungen die Pressefreiheit, die Gerichte und vieles mehr ein.

Da liegt es Nahe, diese Fülle an schlechten Nachrichten, die von vielen Medien genüsslich breitgetreten werden, um Panik zu erzeugen (siehe die »Angst!«-Überschrift in der Bild-Zeitung), in eine Narrative zu packen, deren Rahmen von unserem Kalender begrenzt wird. Schon ab Januar gab es immer häufiger Äußerungen wie „Hoffentlich ist das Jahr bald vorbei“ oder „Ich kann gar nicht abwarten, das 2016 vorbei ist“ zu lesen. Memes machten die Runde, in denen 2016 als das Jahr, „du weiß schon welches“, bezeichnet wird. Man schiebt die Schuld an diesen Krisen und Tragödien dem „Seuchenjahr 2016“ in die Schuhe, in der Hoffnung, dass es 2017 besser wird.

Das wird es aber nicht. 2016 ist kein Film, der am 31. Dezember endet, wenn der Abspann mit Feuerwerk über den Himmel läuft. Und Fortsetzungen waren selten besser als ihre Vorgänger. Es ist natürlich naheliegend, aus psychologischen Gründen für sich selbst eine Art Abschluss für ein persönliches Krisenjahr zu finden. Und vermutlich kann so etwas durchaus eine kathartische Wirkung haben und Motivation für das neue Jahr geben. Aber die Geschichte endet nicht, sie geht weiter. Das Jahr, das endet, besteht nur aus Zahlen auf einem Kalender. Sicher, die Erde hat sich einmal um die Sonne gedreht, aber sie dreht sich im Kreis (auch wenn sich das Universum und unsere Galaxie streng genommen ausdehnen, und wir damit durchaus ein wenig von der Stelle kommen).

Für uns in Europa steht nach drei Monaten Winter der Frühling vor der Tür, wenn sich die Natur erholt und in neuem (altem) Glanz erstrahlt. Aber für die südliche Hemisphäre endet der Sommer, der Herbst naht, schon bald gefolgt vom Winter. Der Äquator bleibt von solchen Wetterkapriolen völlig unbeeindruckt. Nach dem chinesischen Kalender beginnt das neue Jahr (das Jahr des Feuer-Hahns) erst am 28. Januar. Es ist alles eine Frage der Perspektive.

Mir hat es schon immer widerstrebt, in Jahren zu denken. Meinen Geburtstag feier ich prinzipiell nicht, ebenso wenig wie Silvester. Auch mache ich mir nur wenig Gedanken über mein Alter und das dem Alter gebührliche Verhalten und was ich alles schon hätte erreicht haben müssen.

Deshalb sehe ich 2016 auch nicht als Schreckensjahr an, dessen Ende ich entgegenfieber. Und ich freue mich auch nicht auf 2017. Ein neuer Jahresanfang mag Hoffnung geben, aber diese Hoffnung könnte auch unsere Wachsamkeit – die in Zeiten, in denen die Demokratie auf der Kippe steht, mehr den je gebraucht wird – schwächen.

Wenn du in der Narrative des Jahres 2016 denkst und das Gefühl hast, dass dich das Jahr zu Boden geschlagen hat, dann steh auf und kämpf weiter, aber vergiss nicht, was für ein Mistkerl das Jahr 2016 gewesen ist – das sich, während alle gebannt aufs Feuerwerk starren, nur eine neue Verkleidung anzieht.