Pornographische Netzstreifzüge

Simon Danczuk MP has watched porn – why should we care? – (auf Guardian.com) In Großbritannien scheint man sich darüber aufzuregen, dass sich ein Mitglied des Parlaments Pornos angesehen hat. Früher war es ein Skandal, wenn selbsternannte Moralapostel in hohen Ämtern gegen Prostitution und Sittenverfall wetterten und sich dann selbst mit Edelnutten erwischen ließen. Wenn Präsidenten Oralverkehr mit der Praktikantin hatten, oder Bunga Bunga mit Minderjährigen feierten. Heute reichte es schon aus, Pornos zu gucken.

Das scheint mir symptomatisch zu sein, für eine Zeit, in der sich eine Hysteriekultur ausbreitet, die kaum noch Grenzen zu kennt. Kinder werden in abgedunkelten Schulen eingesperrt, damit sie nicht von der finsteren Sonne zu Asche verbrannt werden. Es geht eine Wissenschafts- und Medizinfeindlichkeit um, die jeglicher Vernunft und Rationalität entbehrt und dem Irrglauben anhängt Masernimpfungen seien schlimmer als die Krankheit selbst. Im Internet verbreiten sich die abstrusesten Verschwörungstheorien, selbst unter Menschen, die ich eigentlich für vernünftig und intelligent halte.

Die sensationsgeile, Hysterie verbreitende Medienberichterstattung tut dazu ihr Übriges und sorgt dafür, dass der komplette Journalismus für tot erklärt wird und viele Menschen selbst seriösen, investigativen und gut recherchierten Artikeln keinen Glauben mehr schenken.

Das gab es natürlich auch schon früher in der einen oder anderen Form, aber ich habe den Eindruck, dass die Welt um mich herum immer bekloppter wird.

Laurie Penny on the porn debate: the genie of unlimited filth is out of the bottle and no law can stop us polishing our lamps – (Auf Newstatesman.com) Die Feministin Laurie Penny sieht die Pornodebatte etwas pragmatischer. Im Blame-Game ist jetzt die Pornografie wieder an der Reihe und wird unter anderem für die Ermordung eines jungen Mädchens verantwortlich gemacht.

I do not want to live in a world where the government and a select few conservative feminists get to decide what we may and may not masturbate to, and use the bodies of murdered women or children as emotional pawns in that debate.

Dem kann ich mich nur anschließen. Obwohl wir in einer aufgeklärten und relativ liberalen Zeit leben, werden die Attacken und Eingriffsversuche konservativer Wertevertreter gegen den Schutz der Privatsphäre immer aggressiver und massiver. Vielleicht auch gerade deswegen.

In Großbritannien wollen Schulen jetzt der Polizei melden, wenn Kinder GTA oder Call of Duty spielen. Das muss man sich mal vorstellen. Da wollen Pädagogen, die zum Schutz und zur Ausbildung unserer Kinder da sind, jene als potenzielle Amokläufer bei der Polizei denunzieren, nur weil man von ihnen vermutet, dass sie Computerspiele mit etwas härterem Inhalt spielen! Wenn das mal keine hysterische Reaktion von Menschen ist, die eigentlich mit besonnenem Vorbild vorangehen sollten.

Schulen wollen der Polizei melden, wenn Kinder »GTA« oder »Call of Duty« spielen  (auf derStandard.at)