Warum kann ich mich so schlecht von Büchern trennen?

Die Eingangsfrage könnte ich auch etwas positiver formulieren: Warum hüte ich meine Bücher wie liebgewonnene Schätze?

Weil es liebgewonnene Schätze sind!

Vor etwas mehr als einer Woche habe ich getan, was ich seit einigen Jahren vor mir hergeschoben habe. Ich habe meinem Arbeitszimmer endlich einen neuen Teppichboden verpasst. Das Auseinandernehmen des Kleiderschranks, die schwere Kommode, der Schreibtisch, das waren schon Gründe dafür, warum ich die Aktion hinausgezögert habe. Aber der Hauptgrund waren die ganzen Bücher. Dabei steht der Hauptteil meiner Bibliothek gar nicht im Büro, sondern im Schlaf/Wohnzimmer. Sieben volle Umzugskartons waren es am Ende doch, die ich zur Zwischenlagerung auf den Speicher geschleppt habe. An einen richtigen Umzug möchte ich gar nicht denken; als ich nach Berlin zog, verblieben zwei Drittel meiner Büchersammlung im Elternhaus. Seitdem hat sie sich die Menge ungefähr verdoppelt. Bücher sind wie Tribbles. Einmal nicht hingeschaut, schon sind zehn neue hinzugekommen.

Das könnte ich alles einfacher haben, wenn ich gelesene Bücher wieder abgeben würde. In Bücherschränke (okay, gibt es bei uns nicht) oder gebraucht verkaufen. Nur, das möchte ich nicht. Ich möchte die Bücher behalten, und zwar aus verschiedenen Gründen, die zusammenkommen.

Nostalgie und Kontext

Ich bin jetzt 44 Jahre alt, sammle also seit mehr als 30 Jahren Bücher. Viele von den ersten Büchern, die ich gekauft und gelesen habe, sind mir wohlig in Erinnerung, und ich möchte mir einfach die Option offenhalten, sie irgendwann noch einmal zu lesen. Das habe ich bereits mit einigen der prägendsten Bücher meines Leselebens gemacht. Denn ich lese nie das gleiche Buch zweimal. Wenn ich ein Buch fünfzehn Jahre später erneut lese, bin ich ein anderer Mensch, mit anderem Wissen und anderen Erfahrungen, die mich das Buch mit anderen Augen sehen lassen. Und auch die Welt, in der ich es lese, hat sich verändert. Also der Kontext. Während ich Anspielungen und Sachen erkenne, die mir in jüngeren Jahren entgangen sind. Manche Bücher altern dabei schlecht, andere gut. Aber vielleicht bin manchmal auch ich es, der schlecht gealtert ist.

Und bei manchen Büchern geht es mir wirklich nur um pure Nostalgie. Zumindest für einen kurzen Lesezeitraum noch einmal einen Hauch der Freude erleben, die ich beim ersten Lesen als Jugendlicher oder junger Erwachsener mit dem Buch empfunden habe. Noch einmal ein wenig in jene Welt abtauchen, die mich damals so verzaubert hat. Das ist dann nur noch ein Tribute an das ursprüngliche Leseerlebnis, wie Tenicacious D es vielleicht formulieren würden, aber auch eine kleine Zeitreise zurück in Zeiten, die ich – zumindest im verklärten Rückblick – als heimeliger, aufregender, einfacher und als hach-war-das-schön-damals empfinde. Als die Zukunft noch vor mir lag und viele Abenteuer versprach.

Die Bücher im Regal stehen zu haben, meinen Blick jeden Tag über sie schweifen zu lassen, erinnert mich auch immer wieder ein wenig an diese schöne Zeit. Denn sie sind archivierte Erinnerungen. Bei vielen Büchern weiß ich noch (mehr oder weniger) gut, wann und wo ich sie gelesen habe, vielleicht sogar, wo ich sie gekauft habe. Wie viel Spaß mir das Stöbern und der Auswahlprozess in der Buchhandlung gemacht haben. Ob ich dafür eine Schulstunde geschwänzt habe, oder gerade einen Freund in Berlin besuchte.

Diese Bücher sind für mich Teil meiner Zimmerdekoration. Da bleibt kaum Platz für Poster, Bilder, Zimmerpflanzen usw. Nur die papierenen Staubmilbenzuchtkolonien. Für die Milben dürften das inzwischen Generationenschiffe sein.

Langfristige Investition

Manche Bücher habe ich vor 20 Jahren gekauft und bis heute nicht gelesen. Dann könnte ich sie ja eigentlich weggeben. Aber ich möchte sie tatsächlich noch irgendwann lesen. Und das habe ich mit einigen auch schon nach so langer Zeit gemacht. Und teilweise hat es sich wirklich gelohnt, sie aufzuheben.

Andere habe ich angefangen und abgebrochen, weil sie mir nicht gefallen habe. Aber ich sage lieber, ich habe sie unterbrochen. Denn vielleicht habe ich sie einfach nur zum falschen Zeitpunkt gelesen, in der falschen Stimmung und könnte irgendwann in ein paar Jahren doch noch Spaß mit ihnen haben. Alles schon vorgekommen.

Widersprüchlichkeiten

Auf meinem E-Book-Reader befinden sich knapp 400 Bücher. Zum einen, um Platz zu sparen, immerhin sind das 400 Bücher weniger im Regal. Streng genommen ja nur Leselizenzen für die 400 Titel. Zum anderen, weil mir gedruckte Bücher, gerade bei kleiner Schrift, manchmal zu anstrengend zu lesen sind (hier bin ich definitiv schlecht gealtert). Aber das sind eben auch Bücher, die fehlen, wenn mein Blick über meine Bücherregale schweift und Erinnerungsstaub an die Lektüre aufwirbelt. Oft kann ich mir sogar die Titel und Autor*innen nicht so gut merken, weil ich sie nicht, wie beim gedruckten Buch, jedes Mal beim Aufklappen während der Lektüre vor Augen habe.

Andererseits habe ich mir früher unzählige Bücher aus unserer Gemeindebücherei ausgeliehen und direkt nach der Lektüre wieder zurückgegeben. Die sind genauso wenig physisch präsent wie die E-Books. Und letztere könnte ich auch jederzeit wieder lesen, ohne sie mir neu zu kaufen.

Blick über den Buchrand

Ein befreundeter Übersetzer hat ein Bücherregal. Da stellt er das gerade gelesene Buch ganz vorne hin, und nimmt ganz unsentimental das letzte hinten raus und gibt es weg. So ist das Regal ständig im Fluss, aber nie dasselbe. Das könnte ich nicht. Dafür hänge ich zu sehr an manchen Büchern.

Andere verkaufen ihre gelesenen Bücher bei Medimops und Co. direkt nach Lektüre und holen so zumindest einen Teil des Kaufpreises wieder rein. Oder spenden sie der phantastischen Bibliothek in Wetzlar. Ich habe meiner Gemeindebücherei schon so einige Bücher gespendet, vor allem Rezensionsexemplare aus meiner Rezensentenzeit, aber bei einigen wünschte ich mir, ich hätte sie jetzt hier im Regal. Die historischen Krimis von Boris Akunin würde ich z. B. gerne mal wieder lesen, in der Bücherei sind sie aber schon längst ausgemustert worden. Also müsste ich sie mir neu kaufen.

Weniger kaufen hilft übrigens nur bedingt, wenn man in der Buchbranche tätig ist und Bücher von Verlagen sowie befreundeten Autor*innen und Übersetzer*innen zugeschickt bekommt.

Warum ich lese

Ich lese nicht nur, um Zeit totzuschlagen, oder einfach, weil es mir Spaß macht. Auch, wenn das der Hauptgrund ist. Aber ich bin seit Jugendjahren Fan besonderer Genres, vor allem der Fantasy und der Science Fiction. Ich bin seit zwei Jahrzehnten im Fandom aktiv, arbeite inzwischen sogar in diesem Bereich der Buchbranche. Und dazu gehört für mich meine eigene kleine phantastische Bibliothek. Wobei ich auch alles Mögliche ander lese und behalte. Sachbücher, Krimis, Thriller, historische Romane, Reiseberichte usw.

Besuch habe ich äußerst selten, es geht also nicht darum, meine Bücher vor anderen zu präsentieren. Die Regale sind ganz allein für mich. So ein kleiner Sammelzwang dürfte durchaus dazugehören, wobei der durch die E-Book-Lektüre deutlich abgemildert wird. Selbst, wenn mir ein E-Book ganz fantastisch gefällt, wie z. B. kürzlich Babel von Rebecca F. Kuang, kaufe ich es mir nicht noch einmal, um es mir ins Regal zu stellen.

Immerhin habe ich es jetzt im Zuge der Renovierung geschafft, Bücher im Umfang von eineinhalb Umzugskartons auf dem Speicher zu lassen. Und zwei ganze Bücher habe ich an meine Mutter abgegeben, die ihre gelesenen Bücher an Bücherfreundinnen weitergibt, oder ans örtliche Seniorenheim.

Ich habe sonst keine große Sammelleidenschaft. Der Amiga500, das NES, das meiste Spielzeug von früher oder sonstige Erinnerungsstücke sind größtenteils schon in der Mülltonne oder bei anderen Interessenten gelandet. Einzig CDs, Hörspielkassetten und DVDs befinden sich noch in größerer Anzahl in meinem Besitz. Bei allem anderem bin ich ganz unsentimental.

Und ja, ich träume durchaus gelegentlich davon, wie Jack Reacher nur mit dem, was ich am Leib trage, durch die Welt zu ziehen, ohne die Last von dem ganzen Krempel, der irgendwann dich hat.

Wie sieht es bei euch aus? Was macht ihr mit euren Büchern?

Na okay, da ihr ja jetzt doch irgendwie bei mir zu Besuch seit, gibt es hier noch ein wenig Bookshelf-Porn. Hatte überlegt, die Fotos in den Text einzubinden, aber die hätten wohl nur von ihm abgelenkt. Also mich hätten sie das, da ich nie widerstehen kann, genauer hinzuschauen, was da so im Regal steht, wie viele Bücher ich erkenne. Die Fotos lassen sich in der Glarie per Doppelklick vergrößern, die meisten Buchtitel sind aber etwas unscharf geworden.

Meine Woche: Yakuza, das Ende der Science Fiction und ein Teppich, der das Zimmer so richtig gemütlich macht

Letzte Woche gab es keinen Wochenrückblick, da mein Arbeitszimmer renoviert wurde bzw. einen neuen Teppichboden erhalten hat, und mir dadurch Zeit und Energie für den Beitrag gefehlt haben. Heute geht es um die Yakuza in Japan, die Frage, warum sich Science-Fiction-Bücher immer schlechter verkaufen und den Abschied von einem geliebten Sessel.

Collage aus vier Fotos. Drei kleine in der oberen Reihe, ein großes unten.
Oben: !. Der Hauptdarsteller aus "A Family" in Nahaufnahme mit nacktem tätowierten Oberkörper in einem Onsen. 2. Die gedruckte Ausgabe des Buchs "Die Sterne Leuchten am Erdenhimmel" von vorne. 3. Blick aufs eingeräumte Arbeitszimmer mit dem neuen Teppichboden durch die Zimmertür. Rechts steht ein grauer Lesesessel, hinten an der Wand ein hellbraune Kleiderschrank.
4. Ein dick gepolsterter grauer Fernsehsessel von oben fotografiert

Doku

Japan und die „Ära des erleuchteten Friedens“

Ausgezeichnete Doku über die Showa-Ära, also jener Zeit vor und während des 2. Weltkriegs, erzählt aus der persönlichen Perspektive einer französischen Familie, die in dieser Zeit in Japan gelebt hat. Es ist eigentlich naheliegend aufgrund der Brutalität bei der Eroberung des asiatischen Raums, aber trotzdem war mir nicht bewusst, wie repressiv die Behörden auch in Japan selbst gegen Kritiker*innen vorgegangen sind.

Arte-Mediathek

Yakuza – Japans Mafia

Sehr gute zweiteilige Doku über die Yakuza, also die organisierte Kriminalität in Japan. Geht gut auf die Geschichte ein, die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten und die geänderten Gesetze in den letzten Jahren. Ich kenne kein Land, in denen die lokale Mafia so einen Status hatte, wie in Japan. Sie haben öffentliche Geschäftsadressen mit dem Symbol der jeweiligen Organisation an der Fassade. Erstaunlich, dass in einem Land, das als eines der sichersten der Welt in Sachen Kriminalität gilt, die Yakuza über Jahrzehnte so mächtig war, dass sie Einfluss bis in die höchsten Ämter der Politik hatte.

Hier kommen auch ehemalige und aktuelle Yakuza zu Wort, die sich die Sache teilweise aber ordentlich Schönreden, wenn sie behaupten, es wären jetzt die jungen nicht-organisierten Kriminellen, die vergewaltigen und Zivilisten überfallen würden. Als hätten Yakuza das nie gemacht. Auch zu Wort kommt Jack Adelstein, Autor des Buchs Tokyo Vice (die gleichnamige Serie gibt es aktuell in der ARD-Mediathek), der sich schon wirklich gut mit der Thematik auskennt, der aber auch mit Vorsicht zu genießen ist, da er als Aufschneider gilt.

Die Doku schildert ein faszinierendes Bild der Yakuza, aber ich fand sie nicht ganz so gut, wie die dreiteilige Serie über die Triaden, da hier die historischen und gesellschaftlichen Einflüsse noch ausführlicher bearbeitet wurden.

Arte-Mediathek

Filme

A Family (Yakuza to kazoku)

Guter Film von Michihito Fujii (The Parades) über die Geschichte eines Mannes, der in jungen Jahren an die Yakuza gerät, bei ihnen schnell aufsteigt, dann im Gefängnis landet und viele Jahre später in eine Welt entlassen wird, die er nicht mehr wiedererkennt. Passt perfekt zur Doku oben, da hier gezeigt wird, warum jemand bei der Yakuza landen kann, und welche Auswirkungen die strikten Anti-Yakuza-Gesetze von 2011 haben. Menschen, die bei der Yakuza aussteigen, dürfen fünf weitere Jahre kein Bankkonto haben, nicht beschäftigt werden usw. Scheint mir doch eher kontraproduktiv, jene so zu gängeln, die aus der Kriminalität aussteigen wollen. So werden sie eher dazu gedrängt, weiter illegale Geschäft zu machen. Der Film ist kein klassischer Gangsterfilm, mehr Familiendrama und Gesellschaftsporträt mit Menschen, die Yakuza sind.

Netflix

Youtube

Die FRAU mit PLAN! 1 Tag in KAMAKURA feat. @JapanHautnah

Zusammen mit Lena von @JapanHautnah hat der gute Senpai Kamakura besucht und einen Buddha von innen gefilmt. Schönes kleines Video.

Artikel

Nobody Wants to Buy The Future: Why Science Fiction Literature is Vanishing

… the science fiction books that do sell are a shrinkingly small number of reprints, classics and novels that had been adapted into movies.

Simon McNeil in einem lesenswerten Artikel darüber, warum sich Science-Fiction-Bücher immer schlechter verkaufen. Und mit dem obigen Zitat geht auch einher, dass es sich bei diesen verfilmten Romanen in der Regel um die Werke alter weißer (und oft toter) Männer handelt (siehe Foundation, Dune, The Peripheral oder demnächst Neuromancer) – auch wenn es Ausnahmen wie The Handmaid’s Tale oder The Three Body Problem oder Kindred gibt. Die Ursachen sieht McNeil auch darin, dass wir in einer der prognostizierten Zukünfte angekommen sind, und die scheiße ist.

We got to one of the futures Science Fiction proposed, and it sucked.

Doch der Artikel ist differenzierter als dieser eine Satz. Lest selbst. Trotzdem würde ich gerne wissen, ob sich SF früher, bis auf die bekannten Ausnahmen, wirklich besser verkauft hat. Vergleichszahlen wären da ganz nett.

Lektüre

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel | Sylvana Freyberg

Gedruckte Ausgabe von "Die Sterne leuchten am Erdenhimmel" mit dem Cover nach vorne im Regal stehend.

Habt ihr schon mal Science Fiction aus Südkorea gelesen? Nicht. Dann habt ihr hier jetzt die Gelegenheit. Neun Autor*innen liefern uns mit ihren Kurzgeschichten interessante Einblicke in das Genre. Meine Besprechung auf lesenswelt.de.

Podcast

IN THE MOOD FOR LOVE: Die schöne Zeit

Einer neuen Besprechung des wohl elegantesten Films aller Zeiten kann ich einfach nicht widerstehen. Schöner Denken hat sich Wong Kar-Weis In the Mood for Love auf der großen Leinwand erstmals angesehen und ist begeistert.

Worüber ich mich freue

Die Teilrenovierung meines Arbeitszimmers

Ein dick gepolsterter grauer Fernsehsessel von oben fotografiert

Dieser Sessel hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Zunächst diente er meinen Großeltern, ging dann an mich über, als sie sich eine neue Sofagarnitur kauften, und leistete mir über 20 Jahre treue Dienste. Zog mit mir nach Berlin um, wurde von Frank Böhmert auf dem Kopf drei Stockwerke in die Tiefe getragen, als ich dort wieder wegzog. In ihm habe ich nach Feierabend in der Suchtklinik James Sullivans und Bernhard Hennens Die Elfen gelesen, Terror von Dan Simmons, House of Leaves von Mark Z. Danielewski oder Stephen Kings Duma Key, immer mit den Füßen an der Heizung und einem wohligen Gefühl im Leseherzen. Er war für mich Bürostuhl, weil einfach superbequem, während der Ikea-Bürostuhl Markus in der Ecke verstaubte.

Doch vor Jahren schon brachen die Rollen unter ihm Stück für Stück auseinander und rissen ein Loch in den Teppich, nachdem dieser aufweichte, weil Wasser aus der Heizung ausgelaufen war. Also musste ein neuer Teppichboden her, und ein neuer Sessel, damit der alten den neuen Teppich nicht wieder löcherte. Er war total durchgesessen, hatte selbst Löcher im Bezug, aber fühlte sich fast wie eine Erweiterung meines Körpers an.

Er wird mir fehlen. Der neue ist auch sehr bequem, nur die Armlehnen sind etwas schmal, dafür gehört ein ebenfalls sehr bequemer Fußhocker dazu.

Ich würde nicht behaupten, dass der alte Teppich das Zimmer erst so richtig gemütlich gemacht hat, er war einfach da, seit 38 Jahren, seit meine Eltern das Haus gebaut haben. Aber der neue tut dies. Als ich ihn mir im Probenbuch aussuchte, hätte ich nicht gedacht, dass er mir so gut gefallen würde. Obwohl ich gar keine anderen Vorschläge mehr sehen wollte, nachdem ich ihn einmal gestreichelt hatte. Doch jetzt freue ich mich jedes Mal, wenn ich das Zimmer betrete, mir der Geruch nach frischem Teppich in die Nase steigt und ich sehe, wie gut er farblich zur Tapete und den Möbeln passt, und auch zum neuen Sessel. Außerdem fühlt er sich richtig toll an, ob auf Socken oder barfuß. Ganz eingeräumt ist das Zimmer noch nicht wieder, deswegen sehen die Regale noch etwas leer aus.

Für die Leser*innen hier aus der Region: Gekauft habe ich ihn im Farbenhaus Robert Meurer. Verlegt wurde er von der Malerwerkstatt Meurer. Rückmeldung, Vermessung, Lieferung und Verlegen erfolgten superzeitnah und zu meiner vollsten Zufriedenheit.

Arbeit hatte ich selbst nur mit dem Ausräumen des Zimmers. Vier Billy-Bücherregale, drei Regalbretter, ein Schreibtisch, eine lange Kommode und das Auseinanderbauen eines Kleiderschranks. Und später dann alles wieder in umgekehrter Reihenfolge. Deswegen hatte ich mich auch lange davor gedrückt, aber das Loch im Teppich wurde einfach zu groß.

Meine Woche: Okinonawa, Carcosa und Treckerterroristen

Mein Wochenrückblick mit Filmen wie Das Lehrerzimmer und The Terroriziers, den Serien Odd Taxi und Somebody Feed Phil, Musik von Nick Cave und Hana Vu sowie der Mini Theater Journey in Okinawa und vielem mehr.

Collage aus vier Bildern, drei kleine quadratische oben, ein großes in der unteren Reihe, alles Screenshots auf Filmen und Serien, von links nach rechts: 1. Die schreiende Hauptdarstellerin aus "Das Lehrerzimmer", 2. Szene aus "Somebody Feed Phil" in der Phil rechts im Bild in einen Bürger beißt. 3. Szene aus "The Terrorizers", Protagonistin sieht sich selbst in einer Fotocollage an der Wand, 4. Das tierische Ensemble aus der Anime-Serie "Odd Taxi" vor der nächtlichen Kulisse Tokios.

Diese Woche zeigte sich, dass es bei den anhaltenden Bauernprotesten zahlreiche Unfälle mit Verletzten gab. Doch all jene, die bei der letzten Generation schnell von Klimaterroristen sprachen, sind hier erstaunlich still, kein Wort von der Bauern-RAF oder Treckerterroristen. Dabei haben sich die, anfangs sicher noch halbwegs legitimen, Proste inzwischen zu einem hasserfüllten rechten Mob entwickelt, für den ich kein Verständnis aufbringen kann. Und während der Rechtsstaat mit hartem Knie auf den Hälsen minderjähriger, friedlicher Demonstranten kniet, wird der rechte Mob auf Traktoren vom Rechtsstaat nicht mit Quarz-, sondern mit Samthandschuhen angefasst.

Youtube

Mini Theater Journey: Sakurazaka Theater (Okinawa, JAPAN)

Weiter geht es mit der Vorstellungsreihe kleiner, unabhängiger Kinos in Japan durch das JFF bzw. die Japanese Foundation.

Okinawa ist der Teil Japans, der am ehesten an eine Südseeinsel erinnert, mit Palmen und subtropischem Klima. Das Sakurazaka Theater ist ein kleines Kino, das eine möglichst breite Bevölkerungsschicht ansprechen möchte, und kein elitäres Arthouse-Kino nur für bestimmte Gesellschaftsklassen sein will. Daneben gibt es eine interessante Bandbreite an Shops und Workshops.

Ich muss zugeben, das Kino selbst sticht jetzt nicht besonder heraus, aber Okinawa dürfte die weite Anreise durchaus wert sein. Ein Begriff ist mir die Insel-Kette natürlich schon seit meiner Kindheit, seit ich Karate Kid 2: Entscheidung in Okinawa gesehen habe. Interessant finde ich die Präfektur vor allem, weil sie erst seit 1879 Teil von Japan ist, und bis dahin das Königreich Ryūkyū war. Dementsprechend gelten die Einwohne*innen auch als relativ rebellisch und eigenwillig. Die Ryūkyū haben eine eigene Kultur und eigene Sprachen. Und ich finde es immer interessant, mehr über indigene Bevölkerungen zu erfahren. Sollte es zeitlich und finanziell machbar sein, möchte ich auf jeden Fall für ein paar Tage nach Okinawa.

Das japanische Wort für „Film“ lautet übrigens „eiga“ (えいが), ausgesprochen wird es „eega“. Das Wort für „Kino“ ist „eigakan“ (えいがかん). „Kino“ (きのう) gibt es im Japanischen auch, das heißt aber „gestern“.

Doku

Insider Deutsche Bahn

Drei Insider plaudern aus dem Nähkästchen, was die Tricks der Deutschen Bahn gegenüber den Kund*innen angeht. Durchaus interessant, auch wenn die Inspector-Closeau-Verkleidungen etwas befremdlich wirken. Die Kopfkissen an den Sitzen waren mir schon immer suspekt, wie sich zeigt, zu Recht. Die werden so gut wie nie gewechselt oder gereinigt. Das sind schwabbelige, verhaarte Keimherde.

Tja, das wollte ich eigentlich über die Doku schreiben, doch nach massiver Kritik hat das ZDF sie inzwischen aus der Mediathek genommen. Und zwar zu Recht. Was hier als vermeintliches Insider-Wissen inszeniert wurde, sind teils weithin bekannte Tatsachen. Da wird so getan, als wäre es skandalös, dass die Bahn bei Verspätungen, die von dritten Personen ausgelöst wurden, keine Rückerstattungen bezahlt. Es gibt vieles, was bei der Deutschen Bahn zu Recht kritisiert wird, aber diese Reportage wirkte doch sehr unseriös und reißerisch.

Das erstaunliche Leben der Ratten

Spannende Reportage über das Verhalten von Ratten in Metropolen wie New York und Vancouver. Mit einigen erstaunlichen Erkenntnissen. Das sind schon faszinierende Tiere, sehr intelligent und anpassungsfähig. Das „Rattenproblem“ ist übrigens menschengemacht.

ZDF-Mediathek

Artikel

Die Blicke unserer Mütter

Sehr interessanter Beitrag von Sophia Fritz darüber, wie sehr das Patriarchat auch im Blick von Müttern auf ihre Töchter verankert ist. Die permanente Suche nach „Fehlern“ im Äußeren, der ständig auf den Töchtern lastende soziale Druck.

Normalisierung und ihre Folgen

Die taz über die erneute Wahl eines AFD-Bürgermeisters und wie sehr sich das schon normalisiert hat, nachdem es beim letzten Mal noch einen medialen Aufschrei gab. Einher geht damit eine weitere Verrohung der politischen Stimmung und zunehmende Gewalt gegen Demokraten. Der AFD-Politiker hier steht dem Höcke-Flügel nahe und dürfte wohl als Rechtsextremist durchgehen, während sein Vorgänger, der lange unter rechten Anfeindungen litt, sich das Leben genommen hat.

Blogs

Warum Verfilmung einer Serie vorzuziehen wäre. Die große „Neuromancer“-Besprechung.

Da Apple kürzlich angekündigt hat, eine Serie zu William Gibsons Kultroman Neuromancer zu produzieren, hat sich Sören Heim dem Roman auf seinem Blog noch mal ausführlich gewidmet und geht vor allem auf sein sprachliches Niveau ein. Ich persönlich brauche keine Verfilmung (auch wenn mir die Gibson-Serie The Peripheral durchaus gefallen hat), da ich finde, dass in letzter Zeit schon genügend Werke alter weißer (und teils toter) Männer verfilmt wurden. Verfilmt endlich mal die aufregenden Werke jüngerer Autor*innen of Color!

Lektüre

Harmony | Project Itoh

Wo fängt der menschliche Wille an? Wo besteht er nur aus neuronalen Prozessen im Gehirn? Was macht das Bewusstsein aus? Und was wären wir ohne? In seinem Science-Fiction-Roman Harmony geht der japanische Schriftsteller Project Itoh den ganz großen Fragen der Menschheit nach.

Meine komplette Besprechung auf Lesenswelt

Farbige E-Book-Ausgabe des Romans "Harmony".

Tor Online

Sparks: Die Magie der Funken – Ein Gutachter berichtet

Was hat es eigentlich mit Manuskriptgutachten auf sich? Welche Rolle spielen sie bei Verlagsentscheidungen? Anhand unseres aktuellen Romans Sparks – Die Magie der Funken  von J. R. Dawson gewährt euch Gutachter Markus Mäurer einen kleinen Blick hinter die Kulissen.

Ein Buch, das mir sehr am Herzen liegt.

Hardcover-Ausgabe des Buchs "Sparks - Die Magie der Funken" mit dem Titelbild nach vorne in einem Bücherregal stehend.

LitRPG: Alles, was du über das Genre wissen musst

Eine Charakterklasse wählen, bei Level 1 starten, Kräuter sammeln und dann langsam hochleveln: Klingt nach einem Online-Rollenspiel, gibt es aber auch in Buchform. Ein Blick in die Welt der LitRPGs von Alessandra Reß.“

Ein sehr interessanter Artikel über ein Subgenre, über das ich bisher praktisch nichts wusste.

Filme

The Terrorizers (Kongbu Fenzi, 1986)

Relativ früher Film des taiwanesischen Regisseurs Edward Yang über eine unglückliche Ehe und einen jungen Fotografen, der von einer Frau besessen ist, die vor der Polizei flieht. Leicht kryptisch gehalten, was die Handlungsstränge angeht, die sich am Ende zwar zusammenfügen, aber nicht immer Sinn ergeben. Aber der Film setzt auch mehr auf Atmosphäre und Stimmung. Den Ausdruck eines bestimmten Lebensgefühls. Sehenswert, wenn auch kein Meisterwerk.

Mubi

American Fiction

In American Fiction stecken zwei gute Filme: ein Familiendrama über Tod und Demenz, und eine (sehr treffende) Satire auf die Buchbranche. Alles dabei richtig toll gespielt, vor allem von Jefrey Wright. Aber beides passt für mich nicht ganz zusammen. Ein unterhaltsamer Film, aber nicht ganz stimmig.

Prime

Das Lehrerzimmer

Von İlker Çatak über eine junge Lehrerin an einer neuen Schule, die eine Schulmitarbeiterin (vermeintlich?) beim Klauen filmt, was einige unschöne Ereignisse zur Folge hat, unter anderem auch, weil der Sohn der Mitarbeiterin in der Klasse der Lehrerin ist. Anfangs dachte ich noch: Och nö, 4:3 muss das sein. Aber das Format fängt das Kammerspielartige des Film, der ausschließlich an der Schule spielt, aus Perspektive der Lehrerin gut ein und sorgt für eine steigende bedrückende Beklemmung ob der Situation. Ein sehr guter Film, nur die Sache mit dem Rubiks-Zauberwürfel war mir zu viel.

Prime

Serien

Odd Taxi

Noch mal danke für den Tipp, Simone! Anime-Serie über einen Taxifahrer, der in die Angelegenheiten seiner Fahrgäste verwickelt wird, darunter eine Idol-Band, ein Comedy-Duo, Yakuza und andere Nachtgestalten. Hat eine ganz tolle Atmosphäre und erzählt originelle Geschichten. Die finale Folge ist grandios. Ach ja, alle Menschen sind Tiere.

Crunchyroll

Somebeody Feed Phil (Season 7)

Es gibt ja Leute, die können Phils kindliche Begeisterung für Essen nicht ertragen, ich finde sie wunderbar. Die Serie verursacht bei mir verlässlich gute Laune, weshalb ich nie mehr als eine Folge pro Tag schaue, da ich ein Maximum an guter Laune herausholen möchte. Die aktuelle Staffel hat gleich acht neue Folgen, in denen es nach Bombay, Kyoto, Washington, Orlando, Dubai, Taipeh, Island und Schottland geht. Vor allem die Dubai-Folge hat mich überrascht. Das ist so ziemlich der letzte Ort, an den ich mal reisen möchte, aber Phil hat ein paar interessante Flecken und Menschen in der Altstadt entdeckt, die die Stadt in einem anderen Licht erscheinen lassen. Und das ihm der superteuere mit Gold überzogenen Burger im Burj Khalifa auf den Boden fällt, ist ein wunderbares Symbol. Ansonsten sind meine Anspielstipps Kyoto, Taipeh und Bombay. Die Produktion scheint vor allem in Sachen Kamera noch mal einen Sprung nach oben gemacht zu haben, die Aufnahmen der Orte sind wunderschön. Ist aber keine Show für Veganer*innen.

Netflix

Neu im Regal

Carcosa-Memoranda

Diese Woche hatte ich ein Paket aus dem Memoranda Verlag im Briefkasten, zu dem auch das Imprint Carcosa gehört.

Fünf Bücher, drei oben, zwei unten, auf einem Tisch ausgelegt: "In fernen Gefilden" von Joanna Russ, "Schwelende Rebellion" von Leigh Brackett, "Das Einstein-Vermächtnis" von Samuel R. Delany, "Oktoberrevolutioin 1967" von Kir Bulytschow und "Die Sterne Leuchten am Erdenhimmel" herausgegeben von Sylvana Freyberg.

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel ist eine Anthologie mit südkoreanischen Science-Fiction-Kurzgeschichten. Mein Schwerpunkt liegt zwar auf Japan, aber ich habe auch großes Interesse an Südkorea, zumal beide Länder ja auf eine lange, wenn auch turbulente, gemeinsame Geschichte zurückblicken.

Oktoberrevolution 1967 von Kir Bulytschow wurde mir von Verleger Hardy Kettlitz empfohlen. Und als alter Golkonda-Fan (vom ursprünglichen Verlag, nicht dem rechtsbraunversifften Überbleibsel, das der Europa Verlag daraus gemacht hat, siehe Thor Kunkel) bin ich natürlich sehr an Hannes Riffels neuem Projekt Carcosa interessiert, das vor allem progressive Klassiker wieder oder erstmals nach Deutschland bringt, die in den letzten Jahrzehnten leider etwas in Vergessenheit geraten sind. Von Joana Russ wollte ich schon immer mal was lesen, Gleiches gilt für Leigh Brackett.

Mehr zu Carcosa gibt es auf dem Blog von Hannes Riffel.

Musik

Nick Cave | Wild God

Neuer Song von Nick Cave. Gefällt mir. Erinnert ein wenig an das Doppelalbum Abattoir Blues/The Lyre of Orpheus, das ich sehr mag. Bin schon sehr auf das gleichnamige Album gespannt, das am 30. August erscheint.

Hana Vu | Care

Junge Singer-Songwriterin aus Los Angeles, die ich bisher nicht kannte. Toller Song. Eine ihrer EPs heißt Nicole Kidman / Anne Hathaway.

Meine Woche 04.02.2023: Adé Kulturjournalismus, hello KI und das Hongkong-Kino

Meine Woche in Filmen, Serien, Hörspielen und vor allem Artikeln. Der Niedergang des Kulturjournalismus, wie die Buchbranche mit dem Thema KI umgeht und das Hongkong-Kino bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Dazu meine Meinung zu Reacher, Bad Lands und Der Bücherdetektiv.

Collage aus vier Bildern. Drei kleine in der oberen Reihe, ein größeres unten. Von Links oben: Szene aus dem Film "Bald Lands", Hauptdarstellerin steht an einer Theke, in der Hand eine Tasse Tee; das Cover des Hörspiels "Der Bücherdetektiv"; das Japanisch-Lehrbuch "Genki" plus Arbeitsbuch und unten ein Screenshot aus der Serie "Reache", auf dem Reacher mit seinen drei Kamerad*innen ziemlich zerschlagen am Tisch eines Diners sitzt.

Ich führe hier übrigens nicht alles auf, was ich gesehen und gelesen habe. Manchmal fällt mir einfach nichts dazu ein, ich finde es nicht interessant genug oder habe keine Lust, etwas dazu zu schreiben.

Und ich spiele mit dem Gedanken, die Wochenrückblicke nur alle zwei Wochen zu bringen, da ich nicht jede Woche ausreichend interessantes Material habe und es mir auf Dauer auch zu stressig ist. Ich überlege auch noch, ob ich weniger Content also Empfehlungen mache, und diese dafür ausführlicher kommentiere.

Und wenn wir schon bei einer Umfrage sind:

Artikel

Das Hongkong-Kino bei der Bundeszentrale für politische Bildung

Wer meinen Wochenrückblicken folgt, weiß von meiner Leidenschaft für das Hongkong-Kino (und Hongkong allgemein). Deshalb freue ich mich auch sehr über die Artikelreihe der Bundeszentrale für politische Bildung über Selbiges.

Das ist aber leider auch eine traurige Geschichte, wie Vivienne Chow in ihrem Beitrag über die Geschichte der Zensur in Hongkong zu berichten weiß. Der umfasst einen Zeitraum von Beginn der britischen Kronkolonie, über die Hochzeit des Hongkong-Kinos von 1980 bis 1997 bis zur oppressiven Zeit nach den Regenschirmprotesten.

Fabian Tietke geht in Stadt, Kino, Welt. Das Kino Hongkongs im globalen Zusammenhang genauer auf die Geschichte des Kinos ein, allerdings erst von den 1970ern an. Leider sind viele der von ihm erwähnten Filme kaum zu bekommen. Auch relativ aktuelle wie Septet – The Story of Hong Kong nicht. King Boxer gibt es aktuell übrigens als Zhao – der Unbesiegbare bei Mubi. Erfreulicherweise geht Tietke ausführlich auf Regisseurinnen wie Ann Hui oder Mabel Cheung ein. Als Kritikpunkt möchte ich anmerken, dass der Autor, obwohl er schon God of Gamblers anführt, mit keinem Wort erwähnt, dass dieser Film wie viele andere Produktionen von den Triaden produziert wurde.

Lukas Foerster geht in Angst vor 1997 genauer auf die Folgen der Rückgabe an China ein.

Und Karen Cheung führt ein interessantes Interview mit der Regisseurin Erica Kwok über den Einfluss der Sicherheitsgesetze auf das Filmemachen und vor allem die Filmemacher*innen.

Falls ihr euch dafür interessiert, welche Einfluss die Unterdrückung durch die chinesischen Regierung auf die jungen Menschen in Hongkong hat und welche Hoffnungslosigkeit dort inzwischen herrscht, empfehle ich euch übrigens das Buch The Impossible City von Karen Cheung. Das ist übrigens nicht dieselbe Karen Cheung, die oben das Interview geführt hat.

KI in der Buchbranche. Wie ist der Stand der Dinge

Autor’innen müssen sich inzwischen Sorgen machen, dass Verlage ihre Manuskripte von KI-Programme einlesen lassen, um sie zu trainieren. Was könnte das Ziel sein? Natürlich, dass sie irgendwann Bücher schreiben lassen, ohne den lästigen Kostenfaktor Autor*in.

Als Übersetzer bekomme ich schon seit über zehn Jahren zu spüren, dass viele Verlage uns als genau das empfinden. Und so dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie uns – zumindest in manchen Sparten – teilweise oder komplett durch KI und Übersetzungsprogramme wie DeepL ersetzen. Und Coverartist durch Midjourney usw.

Doch so langsam hält für all das eine rechtliche Basis Einzug in die Verträge, wie Michael Wurmitzer für den Standard berichtet. Auch wenn deutsche Verlage da wieder hinterherhinken. Ich kann nur hoffen, dass wir uns als Gesellschaft auf gewisse Spielregeln einigen, damit nicht irgendwann nur noch seelenloser Content von Robotern für Roboter erschaffen wird, sondern weiterhin auch menschliche Kunst. Wir sollten uns fragen, wofür die Wirtschaft überhaupt da ist. Um einige wenige Superreiche auf Kosten des Rests noch superreicher zu machen, während dadurch der Planet weiter zerstört wird, oder ob die Wirtschaft nicht eher dem Ziel dienen sollte, dass alle Menschen eine würdiges, selbstbestimmtes und halbwegs erstrebenswertes Leben führen kann und die Mehrheit der Tätigkeiten zu einer Bereicherung der Gesellschaft beitragen.

Im Captain Future-Roman Erde in Gefahr von 1940 stößt unser Held auf eine Maschinenstadt, die vollautomatisch betrieben wird, in der sämtliche Arbeiten von Robotern erledigt werden, in der aber keine Menschen mehr leben. So langsam bewegen wir uns in diese Richtung.

Was auf dem Spiel steht – Über den Untergang des Kulturjournalismus

Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon den Satz: „Ich höre nicht auf die Kritiker, ich bilde mir lieber meine eigene Meinung“ gelesen habe. Meine eigene Meinung bilde ich mir auch, aber irgendwie muss ich aus dem Wust an Erscheinungen eine Auswahl treffen, und Kritiken sind dafür doch ein gutes Mittel. Kritiken richtig zu nutzen, ist eine Kunst für sich. Ich muss mir jene Kritiker*innen raussuchen, aus deren Kritik ich einen Nutzen für mich ziehen kann. Das heißt aber nicht, dass sie mit ihrer Kritik meiner Meinung sein müssen. Es kann auch genau das Gegenteil sein. Je mehr Kritiken ich von einer Person lese, desto besser kann ich sie einschätzen. Und lerne ich mit der Zeit, sie in Bezug auf meinen eigenen Geschmack zu interpretieren. Aber da muss man halt auch als Leser’in etwas Arbeit investieren.

Mal abgesehen davon, dass es zu einer offenen, lebendigen Gesellschaft auch die Kritik zu und die Einordnung von kulturellen Werken gehört.

Kritiker werden oft verächtlich gemacht, als „sogenannte“ oder „selbsternannte“ Kritiker. Das Klima wird rauer. Für 54 Books schreibt Johannes Franzen darüber, wie der Kulturjournalismus dadurch bedroht wird, aber auch durch knallhartes Unternehmer*innentum, wie es gerade im Falle des amerikanischen Musikmagazins Pitchfork passiert.

Franzen schreibt:

Der ganze Fall ist symptomatisch für den Niedergang der Geistesarbeit, für den Status des öffentlichen Nachdenkens über Kunst und Kultur – ein Anlass, um darüber nachzudenken, was verloren geht, wenn diese kulturelle Praxis zerstört wird.

Berlin Review

Ist ein neues Magazin, das aktuelle Themen mit literarischem Wissen angehen will. „Zeitschrift für Bücher und Ideen“ ist die Eigenbezeichnung. Das erinnert mich an den Vorsatz, mit dem ich meine Seite lesenswelt.de gestartet habe: Die Welt in Büchern erlesen und verstehen. Das Editorial ist mir stellenweise etwas zu verkopft, aber ich werde das Magazin mal im Auge behalten. Gerade nach obigen Text von Franzen ist es doch schön, wenn noch neuer Kulturjournalismus entsteht.

Spukschloss an der Themse

Im vorletzten Spiegel habe ich einen interessanten Artikel von Jörg Schuster über das britische House of Lords gelesen, dem wohl undemokratischsten Parlament, das sich eine Demokratie leistet. Das ist im Prinzip DIE Verkörperung des privilegierten weißen Patriarchats, hat aber auch schon zahlreiche furchtbare Gesetzesentwürfe der gewählten Tory-Regierung abgemildert. Auf Spiegel Online gibt es den Beitrag nur hinter der Bezahlschranke (im Print übrigens auch 😉 )

Fragmentansichten: Winteransichten 2024

Alessandra Reß liefert auf ihrem Blog Fragmentansichten einen guten Überblick über die Ereignisse in der Phantastikszene des bisherigen Winters. Vom aktuellen Hugo-Skandal, über den bei Goodreads, bis zu einem deutschen Verlag, der für die Prüfung von Manuskripten Geld verlangen wollte. Wie immer klug kommentiert.

Tor Online

Und auf Tor Online lieferte Alessandra diese Woche eine Übersicht zu den deutschen Phantastikpreisen.

Während es in meinen News um eine traurige Meldung zu Hans Frey, ein künstlerisch beeindruckendes Video von Amon Tobin, einen deutschen Serientipp und einen wirklich rührenden Trailer zum Film Tuesday ging.

Neu im Regal

Genki

Mit dem Buch Japanisch für Anfänger bin ich jetzt durch und habe viel länger gebraucht, als eigentlich vorgesehen. Wirklich zufrieden bin ich mit dem Buch nicht. Das ist wirklich nur dazu geeignet, die Schriften Hiragana und Katagana sowie ein paar Vokabel zu lernen. Aber hätte ich nebenbei nicht noch eine Learn-App benutzt, könnte ich noch keinen einzigen Satz sagen geschweige denn, mich vorstellen. Außerdem ist es mir zu repetetiv, jede neue Silbenreihe wird nach dem genau gleichen Schema gelernt, von der ersten bis zur letzten Seite. Und erklärt wird mir auch nicht genug.

Das Japanisch-Lehrbuch "Genki" plus das dazugehörige Arbeitsbuch.

Also schwenke ich jetzt doch zu Genki um, das gilt als das Standardwerk, um Japanisch zu lernen. Warum habe ich es nicht direkt genommen? Weil es Japanisch-Englisch ist. Ich wollte aber lieber erst mal mit einem deutschsprachigen Buch arbeiten. Wie es mit Genki läuft, darüber werde ich hier im Blog berichten.

Serie

Reacher (Staffel 2)

Über eine Gruppe von ehemaligen Militärpolizist*innen, die blutige Rache an den Mördern ihrer Kameraden nehmen. Reaktionärer Selbstjustizthriller, der schon sehr vorhersehbar und überraschungsfrei ist, aber irgendwie trotzdem Spaß macht. Gab Kritik, weil Reacher hier nicht als namenloser Fremder Kleinstädte im Alleingang aufmischt, was mich aber nicht gestört hat. Vielleicht wäre es aber geschickter gewesen, diese Geschichte erst ein, zwei Staffeln später zu bringen, denn jetzt würde ich gerne mehr von dem Team sehen.

Prime

Hörspiel

Der Bücher Detektiv

Die Audible-Hörspiele Imperator und Die sieben Siegel von Kai Meyer haben mir richtig gut gefallen und ich trauere immer noch der fehlenden dritten Staffel von Imperator nach (die nie kommen wird), aber Der Bücherdetektiv hat mir insgesamt nicht so gut gefallen. Die Geschichte ist mir von Anfang an zu sehr als rasanter Thriller inszeniert – an Dörings End of Time musste ich denken –, nicht als die bibliophile Bücherhatz, die ich erwartet hatte.

Das liegt zum Teil auch an der cineastischen Inszenierung ohne Erzähler. Bei Imperator hatte ich noch den für mein Empfinden zu präsenten Erzähler kritisiert, jetzt hat Kai auf ihn verzichtet und es gefällt mir noch weniger. Manchen Szenen konnte ich allein aufgrund der Geräusche nicht so ganz folgen, an anderer Stelle wirkt es schon etwas geschummelt, wenn der Protagonist verstohlen in ein Herrenhaus einbricht und dabei unentwegt in sein Handy quasselt, um zu berichten, was er gerade macht und sieht. Das Hörspiel ist schon gut geschrieben und inszeniert, und die Geschichte mit dem Thebanischen Grab und den Büchern in Menschenhaut ist durch aus interessant, meinen persönlichen Geschmack hat Der Bücherdetektiv aber nicht getroffen.

Mir kann ja nicht immer alles gefallen. Dafür mochte ich Kais aktuelles Buch Die Bibliothek im Nebel sehr.

Audible (da findet ihr auch eine Inhaltangabe)

Filme

Bad Lands

Bad Lands von Masato Harada (Hell Dogs, hier besprochen) begint als Film über Kleinganoven, die komplexe Enkel-Tricks am Laufen haben, entwickelt sich bald zum Yakuza-Thriller und endet als Drama über eine junge Frau, die sich von jenen Männern befreit, die sie jahrelang missbraucht und misshandelt haben. Sehenswert, unter anderem auch wegen der tollen Hauptdarstellerin Sakura Andō (Shoplifters, Love Exposure).

Netflix

Im Zuge des Japanuary gab es auf meinem Blog noch folgende Besprechungen:

Meine Woche 31.12.2023: Jahresrückblick, Buchhandel und Filmtipps

Ich gebe einen kleinen persönlichen Jahresrückblick, bespreche einige Filme von Wuxia über stilsicheren australischen Horror bis zur Liebeserklärung ans Kino und gehe auf die aktuell schwierige Situation für kleine Buchhandlungen ein.

Collage aus den beiden Fotos von mir und meinem Vater weiter unten im Beitrag. Dazu ein Filmausschnitt aus "Das Schwert der gelben Tigerin" mit der Hauptdarstellerin und ein Ausschnitt aus dem Film "Empire of Light" der das prächtige Foyer des Kinos zeigt.

Artikel

Großhändler Zeitfracht will kleine Läden seltener beliefern

Zeitfracht ist eine der drei Großbuchhändler, von denen unsere Buchhandlungen beliefert werden. Für kleine, unabhängige Buchhandlungen brechen jetzt noch härtere Zeiten an, da sich deren Belieferung für Zeitfracht anscheinend nicht mehr lohnt. Wer keinen großen Konzern hinter sich hat, hat es immer schwieriger auf dem Buchmarkt. Hunderttausende Bücher (vor allem von kleineren Verlagen) wurden bereits bei den Grossisten ausgelistet, was bedeutet, dass sie in den Buchhandlungen las nicht lieferbar gelten. Kapitalismus und freier Markt führen vor allem dazu, dass sich die Marktmacht auf wenige große Konzerne und Unternehmen konzentriert, während die kleineren immer weiter auf der Strecke bleiben.

Ob es wirklich sinnvoll ist, jedes Buch über Nacht am nächsten Tag in die Buchhandlung geliefert zu bekommen, ist eine andere Frage. Wir sollten lernen, uns wieder mehr zu gedulden. Allerdings war das schon ein Wettbewerbsvorteil (oder zumindest ein Grund, noch halbwegs mithalten zu können) gegenüber Amazon, deren Lieferzuverlässigkeit auch für Prime-Kunden in den letzten Jahren stark nachgelassen hat.

Beim Börsenblatt gibt es eine Rechtfertigung von Zeitfracht, und bei Resonanzen ein Interview mit einer Buchhändlerin.

Poor Britannia – Großbritanniens verarmte Gesellschaft

Kein Artikel sondern ein Spiegel-Podcast ist Acht Milliarden. Eine besonders interessante Folge (April 2023) ist Poor Britannia, in der es über die Verelendung und Verarmung der britischen Mittel- und Unterschicht geht. Ich habe schon einige Reportagen und Dokus über die Entwicklung im Königreich gesehen und bin entsetzt über die Situation. Gleichzeitig werden die Reichen und Superreichen immer reicher und die Politik des Landes ist weiterhin ausschließlich auf diese Personen ausgerichtet. Ist mir ein Rätsel, warum es dagegen noch keine größere Protestbewegung gibt und jene, die das Volk ins Elend treiben, weiter gewählt werden.

Filme

Talk To Me

Beeindruckender Debütfilm zweier australischer Youtuber, der sein Ding von Anfang bis Ende stilsicher durchzieht. Aus den begrenzten Mitteln holt der das Optimum heraus und sieht dabei erstaunlich schick aus. Über eine Gruppe Jugendlicher, die als eine Art TikTok-Challenge mittels verwunschener Hand Tote beschwören und sich von ihnen in Besitz nehmen lassen. Was anfangs ein großer Spaß ist, geht natürlich irgendwann in die Hose. Auf den Film bin ich schon länger gespannt, da Daniel Schröckert mit den beiden Machern bekanntfreundet ist und das Projekt regelmäßig in Kinoplus erwähnte. Von der Qualität des Films war am Ende trotzdem noch selbst überrascht. Hat mir besser gefallen als Smile oder Evil Dead.

Summer Ghost (Samā Gōsuto)

Schöner, kurzer Coming-of-Age-Anime über drei jugendliche Außenseiter, die gemeinsam einen Geist suchen und neben Freundschaft auch Motivation finden, weiterzumachen. Sehr einfühlsam und rührend inszeniert.

Funny Pages

Einer dieser Indie-Filme, wie sie vor allem in der zweiten Hälfte der 1990er und in den frühen Zweitausender gedrehte wurden. Ist aber von 2022 und noch eine Ecke schräger. Es geht um einen jungen Mann, der die High-School hinwirft, weil er Comic-Zeichner werden will und sich an Kunstschulen bewirbt. Dafür nimmt einen merkwürdigen Job an und zieht in einen noch merkwürdigere WG. Um diese Wohnverhältnisse zu beschreiben, fehlen mir ein wenig die Worte. Als wäre er ins Arschloch einer Comicfigur von Robert Crumb gezogen, wo schon andere schräge Vögel hausen. Bis auf die Hauptfigur – die vor allem auf Underground-Comics steht – sind alle anderen mega unsympathisch und es ist mir ein Rätsel, warum er die Nähe zu ihnen sucht. Der Film ist von Anfang bis Ende sehr unangenehm, aber trotzdem irgendwie interessant. Wurde von A24 produziert. Er war mir aber völlig unbekannt, bis ich ihn vor wenigen Tagen beim Stöbern auf Paramount+ entdeckt habe.

The Roundup: No Way Out

Dritter Teil der Prügelfilmreihe mit Don Lee, der hier wieder kräftig austeilt. Teil 1 fand ich schwach, Teil 2 sehr unterhaltsam und auch der dritte hat Spaß gemacht, obwohl er wieder eine massive Verherrlichung exzessiver Polizeigewalt ist. Eine wirkliche Story gibt es nicht. Verschiedene Gangster-Fraktionen kloppen sich um gestohlene Drogen, und Don Lee mittendrin, der ständig Verdächtige misshandelt, um an Informationen zu kommen, die ihn zu neuen Schurken führen, die ihm direkt ans Leder wollen und dafür aufs Maul bekommen. Die Kämpfe selbst fand ich aber deutlich langweiliger als in Teil 2, da sie deren Kreativität vermissen lassen. Hier gibt es ständig Rechts-Links-Rechst-Kombinationen von Don Lee, und schon gehen die Gegner zu Boden. Ab und zu packt der die Dampframme aus und sie fliegen gleich meterweit durch die Gegend. Wer den Vorgänger mochte, wird auch hier seinen Spaß haben, kann aber völlig unabhängig von den anderen Teilen geschaut werden.

Empire of Light

Der neue Film von Sam Mendes ist eine Hommage an die vergangene Pracht alter Filmpaläste und Kinos. Allerdings werden hier eine Menge Fässer aufgemacht: Rassismus, psychische Erkrankung, Liebe mit großem Altersunterschied. Und das alles fügt sich nicht so vollständing zu einem stimmigen Ganzen, da die Themen alle nicht ausreichend behandelt werden können. Trotzdem ein toller und schöner Film mit hervorragenden Darsteller*innen (allen voran Olivia Coleman und Micheal Ward). Und das Kino sieht echt klasse aus. Auch wenn der Film die Magie des Kinos nicht so ganz einfangen kann. so halb ist doch auch okay.

Disney+

Das Schwert der gelben Tigerin

Mit den Kung-Fu-Filmen der Shaw Brothers bin ich aufgewachsen, habe viele davon gesehen, teils sogar im Kino, aufgrund der oft austauschbaren Titel kann ich mich aber an viele nicht mehr erinnern. Den hier habe ich aber definitiv noch nicht gesehen.

Die gelbe Tigerin ist im Film übrigens eine goldene Schwalbe und wird von Hongkongfilmlegende Cheng Pei-pei toll gespielt. Der internationale Titel lautet Come Drink With Me, was dem chinesischen Original Dàzuì Xiá näher kommt. Das bedeutet so viel wie »betrunkener ritterlicher Held« und dürfte eine humorvolle Anspielung auf den Begriff Wuxia selbst sein, denn das heißt grob übersetzt »im Wushu bewanderte ritterliche Helden“.

Und so bietet der Film eine Mischung aus teils brutaler Kampfkunst und humorvollen Einlagen, wenn unser zweiter Protagonist, der betrunkene Held ins Spiel kommt. Der Film ist von 1966 und dementsprechend sehen die Kampfszene teils recht putzig aus, sind insgesamt aber toll in beeindruckenden Settings inszeniert. Hat Spaß gemacht.

Ach ja, geht darum, dass die Heldin ihren Bruder aus den Fängen einer mächtigen Gaunerbande befreien will.

Gibt es mit 13 anderen Filmen der Shaw Brothers auf Mubi (bei Prime gibt es noch einige andere).

Youtube

Mark Kermode reviews Scala!!!

Ausnahmsweise mal eine Filmbesprechung, und zwar die von Mark Kermode zur Dokumentation Scala!!! Über den gleichnamigen subversiven Londoner Filmklub, der sich gerne über die Regeln hinweggesetzt hat und eine ziemlich tolle Institution gewesen sein muss.

Trailer

Scala!!!

Und hier der Trailer zu Scala!!! Ich hoffe, dass Mubi oder Arte sich erbarmen, die Doku zu zeigen.

Fun Fact

So blond war ich einmal

Nahaufnahme von mir als Grundschulkind auf dem Steg vor einem Teich hockend. Die Haare hellblond.

Jahresrückblick

Einen ausführlichen Jahresrückblick erspare ich mir und euch. Beruflich war 2023 für mich ein gutes Jahr. Privat eher Bescheiden, da mein Vater im Sommer überraschend verstorben ist. Und global gesehen natürlich völlig beschissen. Darauf muss ich ja hier nicht weiter eingehen. Vor allem angesichts der Gewissheit, dass die Krisen in den nächsten Jahren nur noch zunehmen werden und der Abschluss eines miesen Jahres keine Hoffnung mehr auf ein besseres mit sich bringt.

Links steh ich in gelbem T-Shirt und kurzer Hose, rechts mein Vater mit karriertem Hemd, Dreiviertelhose und Schirmmütze. Zwischen uns ist im Hintergrund eine lange Hängebrücke aus Stahl über einem grünen Tal zu sehen.

Hier stehe ich mit meinem Vater vor der Geierlay, das Foto hat meine Mutter gemacht. Wir sind immer gerne Wandern gewesen.

Ein paar private Highlights gab es aber schon. Erstmals seit Beginn der Pandemie bin ich wieder verreist und überhaupt unter Leute gegangen. Ich war in Berlin und habe erstmals seit 2020 wieder alte Freunde getroffen. Auf der Buchmesse und dem BuCon war ich ebenfalls, wo ich viele Freunde und Bekannte nach langer Zeit wiedertraf und tolle Gespräche führte. Und ich bin erstaunt, dass ich mich bei dem Ganzen immer noch nicht mit Corona angesteckt habe. Auch im Kino war ich erstmals seit Januar 2020 wieder. Ansonsten habe ich meine Leidenschaft fürs Schwimmen wiederentdeckt.

Japanisch lernen geht recht langsam (aber stetig) voran, sodass ich meine Reise nach Japan für 2025 plane. Immerhin, bei jedem neuen Film, jeder neuen Serienfolge auf Japanisch verstehe ich ein, zwei Worte mehr. Doch es ist noch ein langer Weg, der aber trotzdem Spaß macht.

Ausblick

Mein Job bei Tor Online geht so weiter, wie in diesem Jahr. Was Übersetzungen angeht, habe ich noch alle Kapazitäten für 2024 frei. Bloggen werde ich erstmal weiter wie bisher. Im Januar geht es mit dem Japanuary los (genauere Infos hier), da werde ich acht japanische Filme besprechen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei euch dafür bedanken, dass ihr hier fleißig mitlest. Und ich wünsche euch einen guten Rutsch ins neue Jahr und eine gesundes, friedliches und erfolgreiches 2024!

Meine Woche 26.11.2023: Echt, Konzernschriftsteller und der Tod des Kinos

In der aktuellen Ausgabe stelle ich das beeindruckende Sachbuch Killers of the Flower Moon vor, empfehle eine Doku über eine Band, mit deren Musik man mich damals hätte jagen können, gehe der Frage nach, wer das Kino ermordet hat und empfehle unter anderem den Anime Suzume.

Die Woche

Die Woche verlief nicht ganz so gewöhnlich wie sonst, da ich am Mittwoch jemanden zu einer ambulanten Zahn-OP unter Vollnarkose fahren musste. Hat dann von 8.00 bis 15.00 Uhr gedauert und mich einen Arbeitstag gekostet. Was aber nicht schlimm war, da ich am Dienstag vorgearbeitet habe. Überrascht hat mich, dass in der zahnchirurgischen Praxis überall Cola rumstand. Das ist für die Patient*innen gedacht, damit der Kreislauf nach der Narkose wieder in Gang kommt. Habe in der Wartezeit immerhin viel gelesen bekommen. Wenn ich ein gutes Buch (E-Book) dabei habe, in dem ich ganz versinke, machen mir lange Wartezeiten nichts aus.

Worüber ich mich freue

Das neue Bild meiner Mutter, das in der Küche hängt. Ist mit der gleichen Technik entstanden wie das aus der letzten Woche.

Artikel

Über Konzernschriftsteller und die Veränderung der Buchbranche

Ein interessantes Interview mit Dan Sinykin in der FAZ zu dessen Buch Big Fiction, vor allem über die Frage, wie der Aufkauf traditioneller unabhängiger Verlage durch Konzerne die Literatur und das Schreiben großer Schriftsteller*innen verändert hat. Dürfte auch für Deutschland gelten, soweit ich das aus der Literaturbranche mitbekomme. Ich arbeite ja auch für so einen Traditionsverlag, der inzwischen zu einem riesigen Konzern gehört.

The Strange $55 Million Saga of a Netflix Series You’ll Never See

Bisher dachte ich, bei Netflix würden halbwegs kluge Köpfe sitzen, also dort, wo die Entscheidungen über Geld und Projekte getroffen werden. Doch die Geschichte von Carl Erik Rinsch und seinem Projekt Conquest – die fast zu gut ist, um wahr zu sein – bringt diesen Glauben ins wanken. John Carreyrou hat sie für die New York Times niedergeschrieben. 55 Millionen Dollar hat Netflix hier verbrannt, aber wie das abgelaufen ist, ist schon mehr als kurios.

Meine Lektüre

Killers of the Flower Moon | David Grann

Kindle-Cover des Buch "Killers of the Flower Moon" mit dem Filmposter als Titelbild. Die linke Bildschimrhälfte zeigt Leonardo Di Caprio, die rechte den Buchtitel und Blurbs.

Die Sachbuchvorlage zum aktuellen Film von Martin Scorsese, die ich gelesen habe, weil ich hörte, der Film soll die Hintergründe zu diesen teuflischen Verbrechen nur sehr unzureichend beleuchten. Es geht darum, wie die Osage in Oklahoma – nachdem Öl auf ihrem Land gefunden wurde, was ihnen Reichtum brachte – Ziel weißer Golddigger wurden, die sie geheiratet und dann nach und nach umgebracht haben. Mal mit einer Kugel in den Kopf, oft aber auch durch Vergiften. Es waren weiße Männer wie Frauen, die mordeten; innerhalb eines Jahrzehnts, das als Reign of Terror bekannt war, starben mehrere Dutzend Osage unter verdächtigen Umständen, viele der Morde wurden nie aufgeklärt.

Das Buch liefert die Hintergründe dazu, wie die Osage in diese Lage geraten sind. Erst wurden sie von ihrem Land vertrieben, dort wo sie ansiedeln sollten, wurde Öl gefunden, doch diesen Reichtum wollte ihnen das weiße Amerika nicht gönnen, weshalb viele von ihnen unter weiße Vormundschaft gestellt wurden, bei der sie praktisch um jeden Cent betteln mussten. Und viele der Osage, die unter einer solchen Betreuung standen, starben auf unnatürliche Weise. Es wurde ein perfides System zu deren Ausbeutung entwickelt, an dem Richter, Ärzte, Banker, Geschäftsmänner, Senatoren, Gouverneure usw. beteiligt waren.

Das Buch beginnt mit dem Mord an Anna Brown, der Schwester der Osage Molly Burkhart (Lily Gladstone), die wiederum mit Ernest Burkhart (Leonardo Di Caprio) verheiratet war, dem Neffen von William Hale (Robert De Niro), dem Schlimmsten und Mächtigsten aller weißen Verbrecher während des Reign of Terror. Zunächst werden die erfolglosen Ermittlungen mehrere Privatdetekteien geschildert, die Untätigkeit der lokalen Behörden, bis das FBI (das damals noch nicht so hieß) in Gestalt von Tom White (Jesse Plemons) auf den Plan trat. White ist einer der wenigen anständigen weißen Protagonisten in dieser Geschichte.

David Grann geht aber noch weiter, nachdem die Geschichte von White, Hale und Moly Burkhart erzählt ist, forscht er vor Ort bei den Nachkommen der Familien nach, wie viele ungeklärte Todesfälle es noch gab und deckt ein Ausmaß an niederträchtigen Verbrechen auf, das einem den Atem verschlägt.

Den Film habe ich noch nicht gesehen. Ich warte, bis er bei AppleTV verfügbar ist. Eigentlich wollte ich das Buch ausführlicher besprechen, weiß aber nicht, ob ich das noch schaffe. Es ist auf jeden Fall ein großartiges und wichtiges Sachbuch, das ein Stück amerikanische Geschichte erzählt, das die meisten Amerikaner*innen wohl lieber unter den Teppich kehren würden.

Japan für die Hostentasche: Was Reiseführer verschweigen | Francoise Hauser

Taschen-Ausgabe von "Japan für die Hosentasche". Das Titelbild zeigt im greiß angeordnete Piktogramme mit japanischen Motiven (wie den Fuji, Samurai, Sumoringer, Geisha usw.).

Als ich das Buch geschenkt bekommen habe (nochmals Danke Andy!), habe ich mich natürlich gefreut, dachte aber trotzdem: Na, ob das mir noch was Neues erzählen kann? Gerade auch wegen des reißerischen Untertitels, der direkt aus einer Google-AdSense-Werbung stammen könnte. Hatte dann aber doch so einiges Interessantes zu bieten, an kleinen Fakten über Japan, die mir bisher noch nicht bekannt waren, das alles in einem lockeren, humorvollen Tonfall präsentiert, ohne sich über vermeindliche Verschrobenheiten der Japaner*innen lustig zu machen, wie es viele andere ähnliche Bücher tun.

Filme

Suzume (すずめの戸締まり)

Mal wieder ein richtig schöner Film von Makoto Shinkai, der, obwohl es hier unter anderem um einen jungen Mann geht, der in einen dreibeinigen Stuhl verwandelt wird, ein ernstes Thema behandelt. Für manche, die das Tōhoku-Erdbeben 2011 erlebt haben, kein einfacher Film. Es geht um die Schülerin Suzume, die einen Studenten kennenlernt, der magische Türen verschließt, um Katastrophen zu verhindern. Dadurch entwickelt sich ein toller Roadtrip, der auch eine Reise in ihre tragische Vergangenheit ist.

Gibt es bei Crunchyroll

Mission Impossible: Dead Reckoning

Die Reihe ist für mich immer noch der bessere Bond, doch nach dem starken Fallout ist sie für mich zusammen mit den Figuren auserzählt. Der Film ist immer noch nett anzusehen, aber nur noch eine Variation von schon dagewesenen Motiven und Themen. Hier wird der MI-Baukasten einfach um ein paar spektakuläre Stunts herumgebaut, die Cruise wohl noch machen möchte, bevor er den Rollator auspacken muss. Und eigentlich geht es nur um den Motoradfallschirmsprung, der im Making-Off (also real ohne Effekte) viel beeindruckender aussah. Ansonsten die üblichen Kämpfe und Verfolgungsjagden, die zusammen mit den Erklärbärszenen und den Quasselstunden einzeln viel zu lang geraten sind, was den Film auch viel zu lang macht. Und die Zug-Kletterszene am Ende ist ja mal 1:1 aus Uncharted geklaut (also dem Spiel, nicht der Verfilmung) Hätte nichts dagegen, wenn die Reihe hiermit enden würde. Aber einen Teil wird es ja noch geben.

Passages

Mit Franz Rogowski, Ben Wishaw und Adèle Exarchopoulos, über einen deutschen Regisseur, der mit einem Engländer in Paris verheiratet lebt und sich mit einer französischen Lehrerin einlässt, was zu einer komplizierten Dreiecksbeziehung führt. Mein Problem mit dem Film ist, dass der Protagonist ein totaler Unsympath ist, eine Art narzisstischer Emitionsvampir, der die Emotionen seiner Partner*innen aussaugt und davon lebt, ohne sich über deren Befinden Gedanken zu machen. Das ist natürlich der Kern des Film, aber hat mir deswegen und auch, weil die beiden anderen Figuren deutlich zu kurz kamen, nicht so wirklich Spaß gemacht, obwohl es ein ganz guter Film ist.

Mubi

Die Reise nach Tokio (Tōkyō monogatari)

Der wohl bekannteste Film von Yasujirō Ozu, über ein älteres Ehepaar, das die erwachsenen Kinder in Tokyo besucht und feststellen muss, dass die alle ihr eigenes Leben führen, in das der Besuch so gar nicht reinpasst. Meditativer Film über Familie und die Abnabelung der Kinder.

Arte Mediathek

Fallen Angels (Duòluò Tiānsh)

Das war der erste Film, den ich je von Wong Kar-Wai gesehen habe, 1996 muss das gewesen sein, als er auf Premiere im PayTV lief. Und ich war ganz hin und weg von diesen hypnotischen Kameraeinstellungen, den delierenden, fieberhaften Fahrten durch Hongkongs enge Straßen, dem stets etwas schrägen Bild und der verzerrten Optik. Eine richtige Geschichte erzählt der Film nicht, und das ist auch gut so, den umso stärker wirken Atmosphäre und Stimmungen der einzelnen Episoden und Figuren. Für mich auch heute noch der schönste Film Wongs. Nicht der eleganteste, das ist In the Mood for Love, aber der schönste.

Youtube

Searching for Fallen Angels‘ Lost Lens

Und hier ein sehr gutes Video dazu, wie die besondere Optik in Fallen Angels mit einer ultraweiten Linse von Kameramann Christopher Doyle erzeugt wurde.

Senpai in Japan: HONG KONG hat mich UMGEHAUEN….

Durchs Kino (John Woo, Wong Kar-Wai, Tsui Hark, Fruit Chan, Ann Hui) bin ich Hongkong-Fan aus der Ferne geworden, war aber leider noch nie dort. Lese auch gerne Bücher zur Stadt (siehe hier) und lasse mir keine Doku und kein Video über Hongkong entgehen. Seit den Protesten und der chinesischen Oppression ist die Stadt nicht mehr, was sie mal war, aber die Kulisse ist immer noch beeindruckend. So wie hier im Reisevideo von Senpai, der die Stadt mit einer befreundeten Hongkongerin besichtigt.

Who Murdered Cinema

Ist ein von Patrick (H) Willems als True-Crime-Ermittlung inszenierter Video-Essay über die Frage, wer das Kino auf dem Gewissen hat. Zunächst erklärt er uns, wie sich das Kino in den letzten Jahrzehnten verändert hat und warum Dramen mit mittlerem Budget, die einst an der Spitze der Jahreskinocharts standen, Filme wie Rain Man oder Kramer vs. Kramer, heute nur noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf Streaming-Diensten laufen oder gar nicht mehr produziert werden, während die erfolgreichsten Filme nur noch Fortsetzungen und Franchises sind. Und warum deren Erfolgsformel inzwischen auch nicht mehr so zieht. Dann präsentiert er uns die üblichen Verdächtigen, wie Netflix, Studiobosse und Roger Rabbit und geht dann darauf ein, wie das Kino vielleicht noch zu retten ist.

Schön finde ich, wie er erklärt, wie der hochprofitable Heimkinomarkt (DVD/Blu-Ray) vom Streaming zerstört wurde, das sich bis heute als defizitär erwiesen hat.

Wirklich neue Erkenntnisse oder Gedankengänge hat das Video nicht zu bieten, fasst alles aber kompakt zusammen, auch wenn es etwas zu lang geraten ist und zu viel Schnurrbärte enthält.

The Golden Age of Japanese Cinema

Ein Videoessay von The Cinema Cartography, der gut herausarbeitet, was das sogenannte Golden Age des japanischen Kinos, also die 1950er, ausmacht, aber auch verdeutlicht, dass es schon in den Jahrzehnten davor eine lebendige Filmlandschaft in Japan gab. Mir war nicht bewusst, wie massiv die Zensur der USA nach Ende des 2. Weltkriegs für japanische Filmschaffende war. Der Berg Fuji durfte nicht dargestellt, werden. Keine Katanas, keine Verbeugungen.

Warum Filmtrailer immer schlechter werden

David Hain spricht mir aus dem Herzen, was aktuelle Filmtrailer angeht. Die sind kaum noch zu ertragen. Hain erklärt gut an Beispielen, was daran alles nervt.

Dokus

Echt – Unsere Jugend

Die Musik von Echt galt damals bei mir und in meinem Umfeld als die personifizierte Uncoolness, ich meine, die sind im ZDF-Fernsehgarten aufgetreten, der gerontokratischen Vorhölle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Außerdem waren sie drei, vier Jahre jünger, und welcher Jugendlicher mag schon, was jüngere so machen. Dass ihnen damals solch massiver Hass entgegengeschlagen ist, war mir allerdings entgangen. Ab dem zweiten Album fand ich die Musik auch ganz okay und dachte bei manchen Songs: Gar nicht so schlecht.

Die Band hat sich nach vier Jahren aufgelöst. Während dieser Zeit sind zahllosen Stunden an Videomaterial entstanden, und daraus hat Sänger Kim Frank jetzt eine dreiteilige Doku-Serie gemacht, die Aufstieg und Fall der Band dokumentiert. Die Ereignisse kommentiert und reflektiert er selbst aus dem Off, teils ziemlich persönlich. Und so entsteht ein intimes Porträt, das sehr vielschichtig daherkommt und mir richtig gut gefallen hat. Faszinierend finde ich, dass die Band aus fünf Jugendfreunden bestand, trotzdem nur vier Jahre hielt, die Mitglieder aber heute noch Freunde sind.

ARD-Mediathek

Serien

Ich habe keine Serie beendet, die ich hier jetzt vorstellen könnte. Aber ich bin einiges am schauen und komme gar nicht hinterher mit den interessanten Sachen. Viele beschweren sich, dass Netflix nichts Gutes mehr bringen würde, was ich anders sehen. Momentan stauen sich bei mir die aktuellen Staffeln von The Witcher, Sex Education, One Piece, Bodies, Blue Eyed Samurai, Wrestlers sowie Ishiko and Haneo. Es gibt dort immer noch genügend neue Serien, dass ich nicht in Versuchung komme, mein Abo zu kündigen. Würde ich auch schon allein wegen der vielen nicht-englischsprachigen und vor allem japanischen Serien nicht machen.

Wo ist meine Fantasie beim Lesen hin? – Auf der Suche nach dem Sense of Wonder

In diesem Blogbeitrag begebe ich mich auf die Suche nach meiner verschwundenen Fantasie. Gehe der Frage nach, warum mir beim Lesen von Fantasybüchern der Sense of Wonder, das unbändige Staunen, (zumindest teilweise) abhandengekommen ist.

Wie viele Menschen meiner Generation, die unter ähnlichen Bedingungen aufgewachsen sind, suche ich bei Filmen, Hör- und Computerspielen, aber vor allem bei Büchern immer wieder diesen Sense of Wonder, den ich als Kind und Jugendlicher so oft verspürt habe. Etwas, das mir beim Lesen immer seltener gelingt und oft nur noch durch eine gehörige Portion Nostalgie möglich ist. Aber warum ist das so? Wo ist meine Fantasie beim Lesen hin?

Ich bin Jahrgang 1979, im Oktober werde ich 44 Jahre alt. Als Jugendlicher in den 90er-Jahren habe ich die Fantasy für mich entdeckt. Bin mit Pug und Thomas durch Raymond Feists Midkemia gereist, diese Bücher habe ich förmlich verschlungen. Jedes Wochenende musste mein Vater mich wieder nach Koblenz fahren, wo ich die Buchhandlungen nach dem nächsten Band abgeklappert habe. Das Fantasyregal in der Montanus/Phoenix-Buchhandlung im Löhr-Center erschien mir wie eine riesige Schatzgrube voller Welten und Möglichkeiten.

Ich habe mit Elric und Mondmatt gelitten auf ihren unzähligen Abenteuern in teils grotesken Welten; war einer der Gefährten beim Versuch, den einen Ring loszuwerden; hatte Tränen in den Augen, als Drizzt’s Freund Wulfgar durch die Schergen der Spinnenkönigin (vermeintlich) starb; und kaum aus dem Staunen nicht raus, als ich das erste Mal die bizarre und grausame aber auch vielfältige und vor Kreativität nur so übersprudelnde Metropole New Crobuzon betrat.

Als Jugendlicher und junger Erwachsener (während meines ersten Studiums) wurde ich völlig in die Romane reingesogen, die ich las, als hätte ich eine Virtual-Reality-Brille getragen oder einen direkten Neurolink ins Buch. Die Immersion war nahezu perfekt. Erzeugt wurde sie einerseits durch die Magie der Worte, mit denen die Autor*innen diese Welten und Geschichten erschufen, aber zu einem großen Teil auch durch meine Fantasie, die wie eine Bilder-KI heute die Worte als Prompt-Eingabe nimmt und daraus etwas (vermeintlich) eigenes erschafft. Kopfkino nennen das viele. Zum einen werden die Worte der Autor*innen im Kopf in Bilder umgesetzt, aber auch die Lücken werden mit der eigenen Fantasie aufgefüllt und führen zu einer opulenten Erlebnisreise.

Und irgendwie ist mir diese Fantasie im Laufe der Jahre etwas abhandengekommen, die Gründe dafür sind vielfältig und ich werde versuchen, auf sie alle einzugehen.

Wo ist die Rechenpower hin?

Teils kommt es mir wie bei einem Computerspiel á la Cyberpunk 2077 vor, dass ich früher mit viel Rechenleistung gespielt habe, weshalb die Straßen voll von NPCs und Leben waren, das ich heute aber mit einer alten, schwachen Gurke spiele, weshalb die Boulevards wie leergefegt sind, die Grafiken verpixelt, die Farben blass, die Bewegungen ruckelig und die Maussteuerung schwerfällig.

Seinen Höhepunkt erreicht unser Gehirn mit 27 Jahren, bis dahin ist zum Beispiel auch das beste Alter für Schachspieler, danach baut die Gehirnleistung wieder ab. Ich merke das, wenn ich z. B. Point-and-Click-Adventures von früher spiele und viel länger für die Rätsel brauche, oder wenn die Reaktionszeit bei Ego-Shootern und kniffligen Spielen nachlässt. Anscheinend läuft mein Gehirn nicht mehr ganz so auf Hochtouren wie früher und sprudelt nicht mehr über vor Fantasie.

Der Reiz des Neuen ist weg

Fehlende Rechenpower dürfte allein aber kein Grund sein. Damals waren diese Welten für mich noch neu, ich hatte kaum Erfahrungen, was phantastische Bücher anging, jedes Abenteuer war eine Reise ins Unbekannte. Doch mit jedem gelesenen Buch wächst mein Erfahrungsschatz, Szenarien wiederholen sich, Tropen und Muster sind bekannt, vieles fühlt sich eben nicht mehr neu an. Alles schon mal ähnlich irgendwo gelesen.

Der kritische Leser in mir

Als Jugendlicher und junger Erwachsener war ich ein ziemlich unkritischer Leser, habe wenig hinterfragt, war einfach zufriedenzustellen und hatte andere Prioritäten bei meiner Lektüre. Inzwischen habe ich unzählige Bücher gelesen, zwei Studiums hinter mir, einiges an Lebenserfahrung gesammelt, bin als Person gewachsen und arbeite inzwischen professionell in der Buchbranche als Übersetzer, Redakteur und Gutachter.

Letzteres führt dazu, dass ich einen besonders kritischen Blick auf die Bücher habe, die ich lese. Schwächen fallen mir leichter auf, ebenso wie alles, was ich so oder so ähnlich schon in anderen Büchern gelesen habe. Ist Handlung stimmig? Gibt es Plotlöcher? Wie gut sind die Figuren und ihre Motivation ausgearbeitet? Wie würde so ein Buch auf dem deutschen Buchmarkt funktionieren? Was könnte getan werden, um die Schwächen auszubessern? Ist die Übersetzung nicht etwas zu nah am Original?

Dazu kommt ein ideologiekritischer Blick. Lese ich heute manche meiner einstigen Lieblingsbücher, bin ich teils ziemlich erschrocken über den dort enthaltenen Sexismus, die Misogynie, den Rassismus oder Rassismen, die politische Haltung (I’m talking to you, ✝Terry Goodkind) und unzählige andere Punkte, die mir früher überhaupt nicht aufgefallen sind.

Das gilt für alte Bücher, die ich nach vielen Jahren wiederlese, aber auch neue Werke werden von mir kritischer beäugt. Und ich bin hier gnadenloser geworden und breche Bücher viel schneller ab.

Dazu kommt, dass ich aufgrund der aktuellen Weltsituation in Sachen Klimakrise, Rechtsruck und Erosion der Demokratie nicht mehr so unbeschwert aufs Leben blicke wie früher. Das sind Themen, mit denen ich mich auch in meiner Freizeit beschäftige, zu denen ich Bücher lese und von denen ich erwarte, dass sie in Fantasygeschichten thematisiert werden. Das macht es aber auch schwieriger, abzuschalten. Der Eskapismus funktioniert nicht mehr so wie früher. Dabei halte ich ihn für wichtig, was Stressabbau und Resilienzförderung angeht, wenn er in einem gesunden Maß stattfindet.

Überangebot und zu viel Vorwissen

Ich habe inzwischen mehr als 300 ungelesene Bücher in meinen virtuellen und analogen Regalen stehen, darunter zahlreiche Fantasyromane. Vor lauter Auswahl weiß ich gar nicht, was ich als Nächstes lesen soll. Und je länger ein Buch bei mir ungelesen im Regal steht, mein Blick aber täglich darüber schweift, desto genauer werden meine Vorstellungen davon, womit auch ein wenig die Lust auf die Lektüre singt, weil ich das Gefühl habe, das Buch zu kennen, obwohl ich es noch nicht gelesen habe.

Mitte der 90er hatten wir noch kein Internet, in die Buchhandlung ging ich völlig unvorbereitet, alle Bücher, die ich dort entdeckte, waren neu für mich. Meine Informationen darüber beschränkten sich auf den Klappentext, ab und zu mal auf eine Werbung für das Buch am Ende eines anderen. Den Buchdeckel aufzuklappen war jedes Mal eine Reise in Unbekannte, Fanzines und Magazine kannte ich damals nicht.

Mit dem Internet stieg die Informationsdichte langsam an, ich entdeckte Onlinemagazine wie den Fantasyguide (für den ich dann selbst Rezensionen schrieb), Foren wie die Bibliotheka Phantastica, Kundenbewertungen bei Amazon usw. Mit der Zeit recherchierte ich immer mehr vor dem Bücherkauf, Womit natürlich schon gewissen Erwartungen an ein Buch geschürt werden, die eben auch enttäuscht werden können und den Überraschungseffekt mindern.

Ab Mitte/Ende der 2000er war ich fest im Fandom verankert, hatte den Markt im Blick, informierte mich immer über alle aktuellen Neuerscheinungen, auch auf dem englischsprachigen Buchmarkt. Ein Besuch in der Buchhandlung gleicht dadurch nicht mehr dem Besuch einer Schatzhöhle, in der ich mir ein paar Gemmen aussuchen darf, da ich über die meisten Bücher sowieso schon Bescheid weiß. Das macht mich zwar zu einem Genrekenner, aber auch zu einem Genreveteranen, der schon vieles gesehen hat und abgeklärt an die Sache herangeht, ohne großes Staunen.

Fehlende Ausdauer, das Alter

Früher bin ich manchmal tagelang in Büchern versunken und nichts konnte mich von der Lektüre ablenken. Die neuen Harry-Potter-Bände habe ich immer als erster in unsere Gemeindebücherei erhalten, weil die Bibliothekarin wusste, wie schnell ich sie durchhabe. Selbst die dicksten Bände habe ich innerhalb eines Tages verschlungen, bin ganz in der Welt von Hogwarts aufgegangen. Heute kann und will ich Rowling aufgrund ihrer wiederholt transfeindlichen Äußerungen nicht mehr lesen. Also auch die politischen Ansichten der Autor*innen beeinträchtigen meinen Spaß an der Lektüre. Ich trenne hier nicht die Kunst von der Künstlerin, und solch nachträgliches Wissen verändert auch meinen Blick auf die damalige Lektüre und macht ihn im Nachhinein kritischer.

Aber unabhängig von politischen und menschlichen Komponenten wäre ich heute schon rein körperlich wohl nicht mehr in der Lage, einen 700-Seiten-Schmöker am Stück zu verschlingen. Dafür hat sich meine Sehstärke zu sehr verschlechtert. An guten Tagen schaffe ich durchaus noch 200 Seiten eines gedruckten Buches, vorausgesetzt, die Schriftgröße fällt nicht zu klein aus. Bei E-Books ist die Schrift kein Problem, die kann ich nach meinen Bedürfnissen einstellen.

Inzwischen lese ich viele E-Books, zum einen aus Platzgründen (meine Regale sind zum Bersten voll), aber auch eben wegen der Schriftgröße (und wegen des Preises, gerade bei englischsprachigen Titeln). Trotzdem scheint die Haptik bei mir doch eine gewisse Rolle zu spielen, denn ich kann mich nicht erinnern, schon mal ein E-Book so verschlungen zu haben wie manch gebundenes Buch. Allerdings lese ich auch erst seit 2013 digital.

Meine liebsten Lesepositionen sind seit jeher auf dem Bett liegend, Oberkörper und Kopf auf einem Kissenstapel angelehnt; auf einem Sessel oder Sofa, die Beine aufs Bett gelegt oder die Füße auf einem Hocker an der Heizung abgestellt. Früher konnte ich so stundenlang liegen und sitzen, heute tun mir nach spätestens zwei Stunden Nacken oder Rücken weh. Dann unterbreche ich die Lektüre und bewege mich, setze mich an den Computer oder lenke mich sonst wie ab. Ich werde alt.

Ablenkungen

Apropos Ablenkungen, die sind heute vielfältiger. Ich hatte als Kind schon Konsolen wie NES und SuperNES und einen Computer. Wie hatten relativ früh Kabelfernsehen, einen Videorekorder und eine Videothek um die Ecke. Ich habe immer Sport im Verein gemacht und mich mit Freunden getroffen. Doch dank des Internets, des Smartphones und den zahlreichen Streamingdiensten sind die Ablenkungen auch im allerheiligsten Leserefugium größer geworden.

Ich mache auch nicht mehr so gerne das Gleiche für viele Stunden am Stück, sondern gestalte meinen Tag lieber abwechslungsreicher, selbst wenn das inzwischen zu einer Routine geworden ist. Im Prinzip habe ich feste Zeiten, zu denenen ich Sport mache, Filme oder Serien schaue, am Rechner sitze und eben lese. Ein hemmungsloser Binge-Konsum kommt bei mir nur noch selten vor. Das gilt übrigens auch für Streaming-Serien.

Serien

Und wo wir schon bei Serien sind. Früher waren Bücher für mich so ziemlich die einzige Möglichkeit, Fantasy zu konsumieren. Für Pen-&-Paper-Rollenspiele fehlten mir die passenden Freunde, und in Film und Fernsehen gab es nur vereinzelte gelungen Werke, Streifen wie Conan, der Barbar oder Zeichentrickserien wie Dungeons & Dragons. Einzig bei Computer- und Konsolenspielen genoss ich ebenso Fantasygeschichten (Legend of Zelda!).

Heute gibt es fast schon ein Überangebot an Fantasyserien Das Rad der Zeit, The Witcher, Die Ringe der Macht, Shadow and Bone, Carnival Row, Arcane, Demonslayer, Vox Machina, House of the Dragon – um nur mal ein paar aktuelle zu nennen.

Verfilmte Bücher (und das gilt für alle Genres) manipulieren das Kopfkino bzw. die Fantasie, mit der ich mir die Buchfiguren, Landschaften usw. früher ausgemalt habe. Wer denkt bei Conan nicht direkt an Arnold Schwarzenegger oder bei Gandalf an Ian McKellen. Die Bilder aus den Filmen und Serien überlagern die einst von meiner Fantasie erschaffenen Bilder. Was eine erneute Lektüre dieser Bücher natürlich verändert. Das Gleiche gilt für die Erstlektüre von Werken, zu denen es schon Verfilmungen gibt. Wobei es früher natürlich auch schon Illustrationen in Büchern und auf den Covern gab, die das Bild von den Protagonist*innen beeinflussen konnten. Ich denke z. B. da an die Drachenlanze-Cover von Larry Elmore oder Elric von Rodney Matthews (siehe weiter oben).

Was Adaptionen angeht, frage ich mich allerdings, ob die steigende Zahl an Fantasy- und auch Science-Fiction-Verfilmungen mit immer besseren Spezialeffekten nicht auch generell Einfluss auf meine Fantasie hat und sie auf lange Sicht mindert?

Zweitlektüre

Zuviel Zweitlektüre könnte auch ein Grund sein, warum ich nicht so ganz in einem Buch versinke. Ich lese inzwischen eigentlich immer ein gedrucktes Buch und ein E-Book parallel. Das E-Book immer dann, wenn mir die Augen für das Printbuch zu müde sind. So zum Beispiel nachts die eine Stunde, die ich vor dem Schlafengehen noch lese. Oder nach einem anstrengenden Arbeitstag am Computer. Dazu habe ich häufig noch eine Langzeitlektüre, in der ich jeden Tag nur drei bis sechs Seiten lese – oft ein Sachbuch in unhandlich großer Form.

Veränderte Routinen

Früher war ich eine Nachteule, bin selten vor 3.00 Uhr nachts ins Bett gegangen (und erst gegen 11.00 Uhr aufgestanden), habe manchmal tatsächlich bis zum Sonnenaufgang durchgelesen, wenn das Buch besonders spannend war. Mein Sozialpädagogikstudium in Siegen hat sich um ein Semester verlängert, weil ich abends die tolle Idee hatte, Matt Ruffs Fool on the Hill anzufangen, das mich so gefesselt hat, dass ich es bis 7.00 Uhr am nächsten Morgen durchgelesen habe. Zur Empirie-Seminar um 8.00 Uhr habe ich es dann nicht geschafft, wo ich mich genau an diesem Tag zur Prüfung hatte anmelden müssen. Das war das Buch aber wert.

Heute liege ich selten länger als bis 9.00 Uhr im Bett und gehe spätestens um 1.00 schlafen. Länger zu lesen kommt da bei mir irgendwie nicht mehr infrage, das würde meine Schlafroutine zu sehr durcheinanderbringen. Denn so, wie sie aktuell ist, schlafe ich schnell ein, gut durch und bin am nächsten Morgen ausgeschlafen. Als Freiberufler kann ich aufstehen, wann ich will, aber selbst am Wochenende liege ich kaum länger als bis 10.00 Uhr im Bett – und das auch nur noch selten. Für mein jüngeres Ich wäre das undenkbar gewesen.

Buchcover 2Fool on the Hill". Vor gelben Hintergrund steht ein blauer Mann auf einerm roten Hügel und lässt einen rosa Drachen steigen, hinter ihm speit ein echter grüner Drache Feuer.

Das verhindert aber eben auch, dass ich mich ganz in einem Buch verliere. Ich lese immer noch viel, sogar mehr Bücher als vor 20 Jahren (40 bis 60 im Jahr), aber meist immer in Etappen, Intervallen, mit vielen Unterbrechungen, nicht mehr dauerhaft so tief in sie versunken – was die Fantasie teils vermutlich ausbremst. Im August hatte ich immerhin mal drei Wochen Urlaub gemacht und mich stark aufs Lesen konzentriert. Da habe ich die 800-Seiten-Biografie von James Tiptree innerhalb von zwei Wochen gelesen bekommen. Früher wäre das maximal eine Woche gewesen.

Wie oben auf den Fotos von meinem Fantasyregal zu sehen ist, habe ich früher lange Fantasyreihen gelesen. Da habe ich oft große Bestellungen bei Amazon und Bol.de aufgegeben, und mir zum Beispiel gleich alle sechs Bände der Chronik der Drachenlanze bestellt und die dann auch hintereinander gelesen. Irgendwann konnte ich das nicht mehr. Plötzlich dürstete es mich nach mehr Abwechslung, weshalb ich kaum noch zwei Bücher aus dem gleichen Genre hintereinander gelesen habe. Und bei Reihen und Serien komme selten über Band 3 hinaus, meist schaffe ich sogar nur den ersten, maximal den zweiten, weil ich dann schon wieder was Neues lesen möchte.

Was kann ich daran ändern

Vor einigen Jahren habe ich bei mir den internet- und smartphonefreien Samstag eingeführt und mich knapp ein Jahr lang samstags voll aufs Lesen konzentriert, dann bin ich aufgrund äußerer Umstände damit nachlässiger geworden, will das in Zukunft aber wieder ändern.

Feiertagswochenenden wie Ostern waren bei mir immer beliebte und ergiebige Schmöckerphasen, die ich gedenke wieder zu reaktivieren.

Die aktuelle Leseroutine aufbrechen.

Viele der hier aufgezählten Gründe gelten eher allgemein, was mein Leseverhalten angeht, aber ich glaube, sie wirken sich insbesondere auf meine phantastische Lektüre aus, die eine höhere Immersion erfordert, als wenn ich einen Krimi, der in New York spielt, lesen würde. Und deshalb möchte ich auch diese Punkte angehen, in der Hoffnung, wieder mehr Spaß an meiner Fantasylektüre zu finden.

Von 35 Büchern, die ich dieses Jahr gelesen habe, gehörten nur vier zur Fantasy. Zwei davon spielten in einer Version unserer Welt (das großartige Babel z. B.). Zwei davon waren allerdings für Gutachten, da bin ich sowieso mit anderem, kritischerem Blick sowie Kugelschreiber und Notizheft herangegangen. Da ging es nicht um Spaß.

Ich hätte mal wieder Lust, so richtig in einer Fantasywelt zu versinken, so wie ich kürzlich in Frederick Backmans Die Gewinner, dem Abschluss einer Björnstadt-Trilogie, versunken bin. Zum einen muss ich dafür die richtige Lektüre finden, zum anderen aber wohl auch mit einer anderen Leseerwartung und anderem Leseverhalten rangehen.

So ganz wird der Sense of Wonder nicht mehr zurückkehren, denn bei der Sehnsucht danach geht es ja auch um die Melancholie und Trauer bezüglich der verlorenen Jugend, der Geborgenheit und Unbeschwertheit der Kindheit. Und die ist nun mal vorbei.

Wie sieht es bei euch aus? Hat sich die Art, wie ihr Fantasy lest, mit den Jahren verändert.

Sommerrückblick 2023: Trauer, Urlaub und der Rest

Meinen letzten Blogeintrag gab es am 09.07.2023, mein letzter Wochenrückblick wurde am 23.04. veröffentlicht. Letzteres lag daran, dass ich mit der Übersetzung der SF-Trilogie so viel zu tun hatte, dass ich einfach keine Zeit und Energie für die Rückblicke mehr hatte. Mitte Juli ist dann mein Vater völlig überraschend gestorben, was mir erst mal die Motivation genommen hat, etwas im Internet zu schreiben, egal ob hier oder in den sozialen Medien.

Ein Stapel von 1400 Manuskriptseiten auf einer hellen Holzkommode abgelegt.
Meine Übersetzungsarbeit der letzten sechs Monate (Tor-Online-Arbeit nicht mit eingeschlossen)

Doch jetzt bin ich mit der Übersetzung durch, Roman drei wurde abgegeben und 1.400 Normseiten in sechs Monaten liegen hinter mir. Die erste von drei Urlaubswochen ist vorbei und ich habe die Erholung sehr genossen. Es ist das erste Mal, dass ich mehr als zwei Wochen Urlaub am Stück mache.

Drei Bücher und ein Tablet: Oben der Fotoband "Project 562". Untere Reihe von links nach rechts: Der Japan-Reiseführer von Baedecker, die Biografie von James Tiptree Jr. und auf dem Tablet der Roman "The Changeling".

Weggefahren bin ich nicht, ich will einfach nur in Ruhe lesen und ein paar Sachen machen, für die mir sonst nicht viel Zeit bleibt. Hier auf dem Foto seht ihr meine aktuelle Urlaubslektüre. James Tiptree Jr. – Das Doppelleben der Alice B. Sheldon von Julie Phillips habe ich mir extra für den Urlaub gekauft, steht schon seit über zehn Jahren auf meiner Leseliste. Victor La Valles The Changeling auch, das ist meine Zweitlektüre auf dem E-Book-Reader, zu der ich immer greife, wenn mir die Augen für gedruckte Buchstaben zu müde werden. Von ihm hatte ich bisher nur die Novelle The Ballad of Black Tom gelesen, da aber von The Changeling Ende August eine Serienadaption auf Amazon kommt, deren Genuss ich mir durch die Lektüre jetzt vermutlich versaut habe, bin ich das Buch endlich angegangen. Project 562 von Matika Wilbur und der Reiseführer Japan sind meine Langzeitlektüre, davon lese ich immer knapp vier Seiten pro Tag. Project 562 wurde von Reservation-Dogs-Hauptdarstellerin Devery Jacobs empfohlen. Ein toller Fotoband mit viel Text, in dem faszinierende Menschen aus allen möglichen Tribes/Nations des nordamerikanischen Kontinents vorgestellt werden und auch selbst zu Wort kommen.

Fünf Bücher in einem Bücherregal vorne liegend mit den Buchrücken nach vorne übereinander gestapelt, von groß unten bis zum kleinsten oben: "Das Klima Buch" von Greta Thunberg", "Pageboy" von Elliiot Page", "Das Labyrinth der Lichter" und "Das Spiel des Engels" von Carlos Ruiz Zafon sowie "Japan für die Hosentasche "von Francoise Hauser.

Und dieser Stapel an Bücher ist auch noch kurz vorm Urlaub hier eingetroffen, auf die Lektüre freue ich mich bereits. Der Schatten des Windes habe ich vor ca. 20 Jahren schon mal gelesen, den Rest der Reihe nie. Erneut Lust darauf bekommen habe ich durch eine Arte-Doku über Zafons Barcelona. Den Reread vom Schatten habe ich kürzlich beendet und fand das Buch noch genauso gut wie damals.

Seit Anfang Juni gehe ich mit meiner Mutter dreimal die Woche für eine Stunde ins Freibad, wo wir unsere Bahnen schwimmen. Meist morgens um 9.00 Uhr, wenn das Schwimmbad aufmacht. Als wir damit anfingen, war tolles Sommerwetter, zwischenzeitlich sind wir auch mal bei 12 Grad Außentemperatur und Regen ins Becken. Ist für mich das erste Mal seit 8 Jahren, dass ich wieder im Schwimmbad war. Hatte schon befürchtet, ich hätte die Schwimmtechniken verlernt, die ich früher in der Schule in insgesamt drei Halbjahren Schwimmunterricht gelernt habe. War aber zum Glück nicht der Fall. Auf die Idee kam ich, als ich während einer meiner wöchentlichen Radtouren mit meinem Vater am Schwimmbad vorbeifuhr und über das relative leere Sportbecken erstaunt war. Ins Freibad gehen, um dort auf der Wiese zu liegen, ist nichts für mich, rein ins Becken, Bahnen schwimmen und wieder raus aus dem Schwimmbad. Aufgrund des teils sehr schlechten Wetters und der geringen Wassertemperatur (manchmal nur 19 Grad) hatten wir aber auch schon mal nachmittags das Becken für uns ganz alleine, obwohl die Sonne dann rauskam.

Eine Woche, bevor mein Vater gestorben ist, habe ich mir noch ein neues Mountainbike gekauft, weil mein altes über 20 Jahre alt ist und ich ihm nicht mehr so ganz vertraut habe. Ich habe es extra für unsere gemeinsamen Touren gekauft, wir waren noch zusammen im Fahrradgeschäft, zum gemeinsamen Einsatz kam es aber nicht mehr. Jetzt fahre ich alleine.

Serien

Filme hab ich in den Wochen nach dem Tod meines Vaters kaum gesehen (und auch wenig gelesen), dafür haben mir – neben der Arbeit – Serien durch die Zeit geholfen. Zunächst die 2. Staffel von Shameless, deren Mischung aus bösem Humor und ernsthaftem Drama über prekäre Lebensverhältnisse für mich genau den richtigen Ton getroffen hat. 2013 hatte ich meine Diplomarbeit über die Serie geschrieben, mit dem Titel Die Darstellung von Armut und Unterschicht in amerikanischen Serien und Sitcoms (oder so ähnlich). Den Begriff Unterschicht würde ich heute nicht mehr verwenden.

Weiter ging es mit der vierten Staffel von Lost, die fand ich bei Erstausstrahlung total faszinierend, spannend und geheimnisvoll mit diesem Fernduell zwischen Ben und Charles Whitmore. Als Ben plötzlich in dessen Schlafzimmer stand, das hatte mich damals vollgepackt. Heute finde ich die Staffel immer noch gut, aber nicht mehr so stark wie damals, was wohl auch am Wissen über den weiteren Verlauf der Serie liegt.

Und endlich gesehen habe ich jetzt die 1. Staffel von Yellowstone. Auch wenn Schöpfer Tyler Sheridan sie als Der Pate mit Pferden bezeichnet (ich vermute, er meint komplette Pferde), hätte ich nicht gedacht, dass sie so düster und brutal ist. Kaum eine Folge ohne massive Gewaltausbrüche. Hatte doch mehr etwas Richtung Dallas oder Denver-Clan erwartet. Finde sie bisher aber ziemlich gut.

Da demnächst die Realverfilmung auf Netflix anläuft, habe ich kürzlich die 1. Staffel von One Piece angefangen, und mag sie so weit sehr. Vor allem die fröhliche Unbekümmertheit von Monkey D. Ruffy und die rasante Inszenierung im kreativen Chaos. Was die Netflix-Adaption angeht, erwarte ich eher eine Gurke á la Cowboy Bebop.

Filme

In meiner ersten Urlaubswoche habe ich mir dann ganz viele Filme angesehen.

Decisions to Leave (Heeojil gyeolsim)

Stilistisch und formell wieder eine einzigartige Meisterleistung von Park Chan-wook, doch inhaltlich konnte mich der Film nur teilweise abholen, was vermutlich daran liegt, dass ich – trotz eines Faibles für Noir-Geschichten – mit Femme-Fatale-Stories nicht mehr viel anfangen kann. Trotzdem ein sehenswerter Film mit zwei cleveren Kriminalfällen.

And Your Bird Can Sing (Kimi no tori wa utaeru)

Japanischer Film über drei junge Menschen aus Hakodate, die zusammen eine schöne Zeit miteinander verbringen, während sie sich etwas ziellos durchs Arbeitsleben treiben lassen. Junges, erfrischendes Kino, das nichts Besonderes erzählt, aber Spaß macht. Schön melancholisch. Gibt es beim JFF noch bis Oktober kostenlos zu streamen.

Die Frau, die rannte (Domangchin yeoja)

Koreanischer Film über eine Frau, die nach vielen Jahren (einzeln) drei Freundinnen von früher wieder trifft und mit ihnen jeweils lange Gespräche führt, die nur immer wieder von nervigen, anhänglichen und unangenehmen Männern unterbrochen werden. Hat mit 70 Minuten genau die richtige Länge. Von Hong Sang-soo (One The Beach At Night Alone). Gibt es bei Mubi.

Lonely Glory (Watashi no miteiru sekai ga subete )

Sehr schöner kleiner Film über vier Geschwister, die sich nach dem Tod der Mutter um den Nachlass der Eltern kümmern müssen, zu dem ein Lebensmittel- und Udon-Laden gehört, in dem zwei von ihnen noch immer arbeiten, während die Business-Schwestern ihn verkaufen möchte, um das Geld für ein Start-up zu verwenden. Liefert einfühlsame Einblicke in das Alltagsleben jenseits der Großstadt, wo sich die Menschen noch um einander kümmern. Gibt es beim JFF noch bis Oktober kostenlos zu streamen.

Inferno

Endlich diese Bildungslücke geschlossen. Klassischer guter Argento mit atmosphärisch dichten und eleganten Einstellungen, einem tollen Soundtrack und einer gewohnt rudimentären Handlung.

Eher mittelprächtig fand ich Heart of Stone, ein typisches Action-Star-Vehikel von Netflix mit Gal Gadot, das zwei, drei nette Actionszenen und Landschaftsaufnahmen hat, ansonsten aber viel zu generisch mit schlechtem CGI daherkommt. Einen Punkt Abzug gibt es auch noch für Matthias Schweighöfer, einen Punkt dazu ber wieder für Alia Bhatt. Wenn Netflix-Film, dann aktuell lieber They Cloned Tyrone, der ist wirklich originell, spaßig inszeniert, mit drei tollen Hauptdarsteller*innen.

Crimes of the Future ist ein typischer Cronenberg, der an frühere Werke anschließt, mich mit seinem Setting aber nicht so ganz überzeugen konnte. Plätschert so vor sich hin, auch wenn er ein paar faszinierende Ideen hat.

Gut fand ich noch She Said von Maria Schrader über die Weinstein-Enthüllungen der New York Times, weil er zeigt, wie wichtig guter Investigativjournalismus ist und wie er funktioniert, aber auch wie das Patriarchat funktioniert und Missbrauch systematische stattfindet, begünstigt und vertuscht wird. Kann aber nicht ganz mit Spotlight mithalten.

Ausblick

Dokus werde ich demnächst in einem gesonderten Beitrag vorstellen, da ich einige interessante gesehen haben, die Fülle aber hier den Rahmen sprengen würde. Ansonsten hoffe ich ich, dass ich demnächst wieder regelmäßiger bloggen und Bücher besprechen werde. Auf Twitter/X werde ich nichts mehr posten und verlinken, aktuell findet ihr mich nur bei Facebook und Mastodon.

Warum ich meine Lieblingsbücher nicht verfilmt sehen möchte

Für mich als Jugendlichen und jungen Erwachsenen waren Bücher das Tor zur Welt bzw. viele Tore in viele Welten. Ich bin auf einem kleinen Dorf aufgewachsen, in den Urlaub sind wir nicht oft gefahren. Bücher boten eine Abwechslung zur tristen Eintönigkeit des Provinzalltags. Sie waren eine Einladung ins Abenteuer, boten die Möglichkeit, am Leben anderer teilzuhaben, und erklärten mir die Welt. Die ersten Bücher, die ich las, haben natürlich einen besonderen Eindruck hinterlassen. Aber im Verlauf der Jahrzehnte tauchten immer wieder neue auf, die etwas Besonderes waren, die sich vom bisher Gelesenen abhoben, die neue Wege beschritten und einen besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen: meine Lieblingsbücher.

Diese Bücher bieten mehr als nur die Vermittlung von Informationen und das Erzählen von Geschichten. Sie erschaffen im Kopf eine ganz eigene und einzigartige Welt, eine Welt, die für jeden etwas anders sein dürfte. Kopfkino wird so etwas heute genannt, doch es ist viel mehr. Erst die eigene Fantasie, das eigene Vorstellungsvermögen füllen die Lücken zwischen den Zeilen und erwecken ein Buch und dessen Geschichte zum Leben.

Disclaimer

Ich gönne allen Autor*innen den fetten Honorarscheck für die Verfilmungsrechte und die im Zuge einer gelungene Verfilmung hoffentlich steigende Verkäufe und neuen Fans.

Ich gönne auch allen Fans und sonstigen Zuschauer*innen ihren Spaß mit den Verfilmungen.

Meine Vorstellung vom Lesen

Trotzdem mag ich persönlich es nicht, wenn meine Erinnerungen an das Buch, meine Vorstellung beim Lesen davon, wie eine Figur aussieht, von den Bildern der Verfilmung überlagert wird. Bei Frodo sehe ich jetzt immer Elijah Wood vor mir. Und wer denkt bei Einer flog über das Kuckucksnest noch an einen großen, kräftig gebauten Rothaarigen und nicht an Jack Nicholson.

Das heißt nicht, dass Film- und Serienadaptionen von tollen Büchern nicht gut sein können. Es heißt auch nicht, dass sie mir zwangsläufig nicht gefallen werden. Die meisten Verfilmungen schaue ich mir trotzdem an.

Aber manche auch nicht. Eines meiner Lieblingsbücher ist Die Geschichte der Liebe von Nicole Krauss. Davon gibt es eine Verfilmung, die ich bisher nicht gesehen habe und die ich mir auch nicht ansehen werde. Denn ich möchte mein Kopfkino vom ersten Lesen behalten. Ich möchte Leon Gursky weiter so sehen, wie ich ihn mir bisher vorgestellt habe.

Auch Die Frau des Zeitreisenden habe ich mir nie angesehen, wobei ich das Buch in Sachen Grooming einer Minderjährigen inzwischen auch kritisch betrachte.

Terry Pratchett möchte ich nicht weiter verfilmt sehr. Die bisherigen Filme kenne ich, Hogfather finde ich mit seinem Setdesign und den Darsteller*innen sogar ganz nett. Trotzdem reizen mich weitere Verfilmungen überhaupt nicht. Im Vergleich zu dem Feuerwerk an Fantasie und geistreichen Betrachtungen, die Pratchett auf Papier gebannt und in meinem Kopf entfacht hat, kann jede Verfilmung nur eine Enttäuschung sein.

Dan Simmons’ Sommer der Nacht fängt wunderbar eine Coming-of-Age-Atmosphäre in einer amerikanischen Kleinstadt ein, mit zunehmen bedrohlicher Stimmung, die ich mir nur schwer im Bewegtbild vorstellen kann. House of Leaves von Mark Z. Danielewski, mit seinen vier verschachtelten postmodernen Ebenen, bei dem der Schrecken durch die verborgenen Winkel zwischen den Zeilen entsteht, halte ich für unverfilmbar.

Printausgaben der Bücher "Die Geschichte der Liebe", "Der Lehrling des Magiers", "Elric von Melniboné", "Helle Barden" in der oberen Reihe, und "House of Leaves", "Sommer der Nacht", "Fool on the Hill" und "Mond über Manhattan" in der unteren Reihe.
Lieblingsbücher, die ich nicht verfilmt sehen möchte.

Es gibt Filme und Serien, die besser sind als die Buchvorlage, ich denke da an Fight Club oder Dexter. Und es gibt Adaptionen, denen es gelingt, die Magie der Vorlage halbwegs einzufangen, da fällt mir spontan Life of Pie ein. Und es gibt Verfilmungen, die der Geschichte einen neuen Dreh geben, ihr andere Aspekte abgewinnen, wie Stephen Kings The Mist z. B., und das weiß ich zu schätzen, denn eigentlich will ich nicht die gleiche Geschichte eins zu eins nochmal nacherzählt bekommen, solange sie dem Geist der Vorlage treu bleiben.

Schwache Verfilmungen

Watchmen ist das z. B. nicht gelungen. Zack Snyder hat die Vorlage überhaupt nicht verstanden und völlig falsch interpretiert. Trotzdem ist ein netter Film dabei rausgekommen, den ich im Kino durchaus genossen habe.

Ich gebe aber auch zu, dass manch schwacher Film mich schon dazu animiert hat, die Buchvorlage zu lesen. So geschehen im letzten Jahr mit dem grandios geschriebenen The Tender Bar von J. R. Moehringer, auf das mich erst die mittelmäßige Adaption von George Clooney gebracht hat, die am Kern des Buches – wie ich dann bei der Lektüre feststellen musste – völlig vorbei geht. Denn bei ihm sind die Bar und ihre Gäste nur leblose Kulisse, die aber das Herz des Buches bilden. Und das in Rezensionen erwähnt, hat mich neugierig gemacht.

Franchise

Und es gibt natürlich noch Werke, die sich zu einem Franchise entwickelt haben und jetzt totgemolken werden. Das aktuellste Beispiel dürfte Der Herr der Ringe sein, wo von Warner/New Line neue Filme aus dem dritten Zeitalter angekündigt wurden. Gibt es jetzt eine Aragon-Origin-Geschichte, ein Gimli-und-Legolas-Spin-off? Mir graust bei dem Gedanken. Ich fand schon Rings of Power schwach.

Hier begeben wir uns aber auf ein Terrain, das nicht unbedingt etwas mit Buchvorlagen zu tun hat, denn, wie Daniel Green es in seinem Video dazu formuliert, ist es eher die Star-Warsierung von Mittelerde. Alles muss auserzählt und erklärt werden, wie haben sich Chewbacca und Han Solo getroffen, wie hat er den Millennium Falcon gewonnen und den Kessel Run geschafft. Was bisher ein Mysterium war und eine Legende, wird mittelprächtig erzählt und raubt dem Mysterium seinen Reiz. Die Lücken, die ungefüllt viel wirksamer wären, werden gefüllt und die Legende wird entzaubert.

Aber, liebes Hollywood, wenn ich schon Fantasy- und Science-Fiction-Bücher verfilmen wollt, dann nehmt mal die von jungen Autor*innen of Color, und nicht ständig die gleichen alten Schinken von alten weißen Männern, die meist schon längst tot sind. Robert Jordan, Isaac Assimov, Tolkien usw. Wo bleiben die angekündigten Adaptionen von N. K. Jemisin oder Nnedi Okorafor?

Schlussbetrachtung

Wie oben erwähnt, will ich niemandem den Spaß verderben. Ich engagiere nicht Team Jorge, um bestimmte Adaptionen zu sabotieren und schick auch nicht den IMF los, um sämtliche Kopien des Drehbuchs zu vernichten. Ich habe nur den Eindruck, dass die Mehrheit der Leserschaft sich schon gerne Verfilmungen ihrer Lieblingsbücher wünscht, und frage mich dabei immer: Warum eigentlich? Macht es das Buch besser? Kann die Geschichte so noch einmal erlebt werden, aber anders als bei einer Zweitlektüre? Soll die ganze Welt wissen, was für ein tolles Buch das ist, auch jene, die nicht lesen? Oder ist es einfach die Neugier, wie das Buch dann auf der Leinwand aussieht? Wie ist es bei euch? Schreibt’s mir in die Kommentare.