Die eingeschickten Übersetzungen + mein Feedback

So, hier jetzt endlich die Übersetzungen der Teilnehmer. Man muss dazu sagen, dass der Absatz ja völlig aus dem Kontext gerissen übersetzt werden sollte. Sie hatten also nicht die selben Informationen (also den kompletten Text) wie ich. Das ist immer etwas schwierig. Deshalb sollte man sich nahe an den Originaltext halten.
Ich habe die Übersetzungen ein wenig kommentiert, möchte aber betonen, dass ich kein Lektor bin und nie gut darin war, anderen ein Feedback zu ihrem Text geben. Es handelt sich also auschließlich um meine eigene Meinung. Und ist manchmal sicher auch Geschmacksache. Ich habe versucht mich dabei an die Kriterien gehalten, die mein Lektor bei meiner Übersetzung angewandt hat. Ob dies gelungen ist, kann nur er beurteilen. Ich bin jetzt auch nicht überall in Details gegangen, sondern habe versucht, ein allgemeines Feedback zu geben. Ich habe dies auch getan, bevor ich mir meine eigene Fassung angeschaut habe. Kann also gut sein, dass in meiner Fassung etwas auftaucht, das ich hier kritisiere. 
Es gibt auch nicht „die“ richtige Übersetzung. Es gibt unterschiedliche Versionen, manche sind besser, manche schlechter, aber die perfekte Übersetzung gibt es nicht.

»I’ve got to piss.«
Clint shifted from one foot to the other, looking miserable. His expression was pinched and pained. He clutched his groin with one hand. Nobody answered him. The only other sounds in the cage were Jared’s quiet, muffled sobs. He’d started crying again soon after the gunman had departed with Carlos. Jared had collapsed in the corner, sitting with his back against a stack of cell phones, knees drawn up to his chest, arms wrapped around his legs, face hidden, sobbing. He’d been unresponsive to all of their attempts to console him. Eventually, they’d just left him alone.

Merlin Thomas
„Ich muss mal  (Füllwort)pissen.“ („Ich muss pissen“ ist schön direkt)

Clint wiegte sich von einem Fuß auf den anderen. Er wirkte elend. Sein
abgemärgeltes Gesicht war schmerzverzehrt. Er drückte eine Hand auf
seine Leiste. Niemand antwortete ihm. Das einzige andere Geräusch in dem
Käfig stammte von Jareds leisem, gedämpften Schluchzen. Kurz nachdem der
Bewaffnete mit Carlos abgehauen war, hatte er angefangen zu weinen(Wer, der Bewaffnete?).
Jared war in der Ecke zusammengesunken, den Rücken gegen einen Stapel
Handys gelehnt, die Knie bis an die Brust gezogen, die Arme um die Beine
geschlungen, das Gesicht verborgen, schluchzend (Der Satz wirkt so etwas lang und unübersichtlich). Er hatte auf keinen
ihrer Versuche reagiert, ihn zu trösten. Schließlich hatten sie ihn
einfach in Ruhe gelassen.

Gefällt mir gut. Aber ich würde „Palette“ Handy schreiben, da die Handys sonst wohl umkippen würden.

Michael Morawetz
Ich muss pinkeln. Clint trippelte (ich mag „trippelte“) schon von einem auf den anderen Fuß, er schaut schon elendig aus. Er hatte schon (dreimal „schon“. Füllwort, streichen)einen erschöpften und schmerzhaften Ausdruck. Er fasste sich mit einer Hand in (an) die Leiste. Keiner(Niemand, hört ich stilistisch besser an) antwortete ihm. Das einzig andere Geräusch im Käfig war Jared´s leises, dumpfes Wimmern. Er hatte wieder das weinen angefangen, als der bewaffnete Gangster Carlos mitnahm. Jared brach in der Ecke zusammen, mit dem Rücken gelehnt an eine Palette Handys, die Knie angezogen an seine Brust, Arme um seine Beine geschlungen, sein Gesicht schluchzend darin begraben. Er hatte auf keine ihrer Versuche ihn zu trösten reagiert. Letztendlich liessen sie ihn in Ruhe und alleine (Wiederholung).
Hat gute Ansätze, ist sprachlich aber noch ein wenig holprig.

Anonymer Einsender
„Ich muss pissen.“

Clint sah beschissen aus, wie er von einem Fuß auf den anderen hüpfte. Er setzte einen gequälten Blick auf, während seine Hand zwischen seinen Beinen lag, so als könne er so dass unausweichliche zurückhalten. Keiner der anderen reagierte. Einzig Jareds dumpfes Wimmern erfüllte das Innere des Käfigs. Er hatte wieder zu flennen begonnen, kurz nachdem der Typ mit der Knarre Carlos umgebracht hatte. Jared hatte sich in der Ecke zusammengekauert, die Arme um seine angewinkelten Knie geschlungen, sein Gesicht darin verborgen, so dass man seinen Rotz nicht sehen konnte. Die Versuche der Anderen, ihn zu trösten, schien er nicht wahrzunehmen. Schließlich ließen sie ihn in Ruhe.
Hier merkt man, dass ein erfahrener Autor am Werk war. Das liest sich schon gut. Mein Lektor würde aber (zurecht) beklagen, dass es zu sehr vom Originaltext abweicht. Ob Carlos getötet wurde, geht aus dem englischen Text nicht hervor. Dort steht nur „departed with Carlos“. Die „cell phones“  sind auch verschwunden (auch wenn sie nicht wichtig sind).
„so als könne er so dass unausweichliche zurückhalten“, hier hat der Übersetzer zuviel hineininterpretiert – steht so nicht im Original.
„so dass man seinen Rotz nicht sehen konnte“, steht so auch nicht im Original.
Wie gesagt, der deutsche Text liest sich gut, weicht aber zu stark vom Original ab. Besonders beim Verbleib von Carlos ist dies wichtig.

Chistian Seeliger
„Ich muss pissen!“
Clint tänzelte(hört sich vielleicht etwas zu elegant für diese Situation an), miserable aussehend, von einem Fuß auf den Anderen. Sein Gesichtsausdruck war verkniffen und schmerzerfüllt, er griff sich dabei mit einer Hand in die Leiste. Keiner reagierte auf ihn. Das einzige was in dem Käfig zu hören war, war Jareds leises und gedämpftes Schluchzen.  Er hatte damit wieder begonnen, als einer(es gibt nur einen) der Bewaffneten mit Carlos eintraf (nicht „eintraf“ sonder „verschwand“). Jared brach, als dies geschah, in der Ecke zusammen, und saß da mit angezogenen Knien, um die er die Arme geschlungen hatte und in die er sein Gesicht vergrub, mit dem Rücken an einem Stapel Handys gelehnt und schluchzte.(der Satz liest sich etwas holprig, vor allem „als dies geschah) Er reagierte seither auf alle ihre Aufmunterungsversuche nicht(etwas umständlich formuliert, der Stil des Autors ist direkter). — Vielleicht hätten Sie ihn besser alleine lassen sollen.(„eventually“ heißt „schließlich“)
Gute Ansätze, sprachlich teilweise etwas holprig und an der ein oder anderen Stelle falsch übersetzt.

Markus Koppers
Ich muss pissen.

Clint verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und sah dabei erbärmlich aus. Sein Gesichtsausdruck war gequält und schmerzend(schmerzverzerrt, er tut ja niemand anderem mit seinem Gesichtsausdruck weh). Mit einer Hand hielt berührte er seinen Leiste. Niemand antwortet ihm. Das einzige andere Geräusch im Käfig war Jareds unterdrücktes Schluchzen. Er hatte kurz nachdem der Schütze mit Carlos verschwunden war, wieder angefangen zu weinen. Jared war in seiner Ecke zusammengebrochen, hockte den Rücken gegen eine Telefonzelle gelehnt, seine Knie vor der Brust, die Arme um seine Beine geschlungen, das Gesicht versteckt und schluchzte(auch hier hört sich der Satz etwas holprig an). Er war nicht ansprechbar (hier geht verloren, dass die anderen auch versuchen ihn anzusprechen). Vielleict müssen sie ihn allein lassen („eventually“ heißt „schließlich“)
Die Fassung hätte noch mal sorgfältig überarbeitet werden müssen.  „Eventually“ ist ein Klassiker der falschen Übersetzung.  Das Wort verstehen die meisten falsch.
„cell phone“ ist das englische Wort für „Handy“. Im Englischen gibt es das Wort Handy gar nicht. Da sagt man „mobile phone“ oder „cell phone“. Das habe ich aber auch erst bei denn „Gilmore Girls“ gelernt. Dort hat Luke in seinem Café ein Schild auf dem „no cell phones“ steht und  sagt immer „keine Handys“. Eine Telefonzelle würde hier wohl nur passen, wenn sie blau wäre und „Tardis“ hieße.  Aus diesem  Absatz, der außerhalb des Kontextes übersetzt werden musst,  geht aber auch nicht hervor, dass sie sich im Lager eines Elektronikmarktes befinden. Insofern, hätte es ja tatsächlich eine Telefonzelle sein können.

Hier ist meine ursprüngliche erste Fassung:

»Ich muss pissen.«
Clint trat von einem Fuß auf den Anderen und sah dabei furchtbar aus. Sein Gesicht zeigte einen gequälten Ausdruck. Er hielt eine Hand im Schritt(Leistengegend ist besser). Niemand antwortete ihm. Die einzigen anderen Geräusche (hier hatte ich den Käfig unterschlagen) waren Jareds gedämpfte Schluchzer. Nachdem der Bewaffnete mit Carlos verschwand, hatte er wieder angefangen zu weinen (wer, der Bewaffnet?). Er war in der Ecke zusammengebrochen, saß mit dem Rücken gegen einen Stapel Handykartons und hatte die Knie mit seinen Armen fest an die Brust gezogen. Er hielt sein Gesicht zwischen den Beinen verborgen und schluchzte. Er war sämtlichen Versuchen ihn zu trösten, gegenüber unempfänglich. Schließlich ließen sie ihn in Ruhe.

Zuviel „Er“.

Und hier zum Schluss noch die fertige gedruckte Fassung nach Lektorat:

»Ich muss pissen.«
Clint trat von einem Fuß auf den Anderen und sah dabei furchtbar aus. Sein Gesicht zeigte einen gequälten Ausdruck. Er hielt sich mit einer Hand die Leistengegend. Niemand antwortete ihm. Die einzigen anderen Geräusche im Käfig waren Jareds gedämpfte Schluchzer. Er hatte wieder angefangen zu weinen, sobald der Bewaffnete mit Carlos verschwunden war. Er war in der Ecke zusammengebrochen, saß mit dem Rücken gegen einen Stapel, die Knie an die Brust gezogen, die Arme um die Beine geschlungen, sein Gesicht zwischen den Beinen verborgen, und schluchzte. Er war sämtlichen Versuchen, ihn zu trösten, gegenüber unempfänglich. Schließlich ließen sie ihn in Ruhe.

Oh, hier fehlen ja auch die Handys.

Erkenntnis des Tages

Ich weiß ja nicht, wie es anderen Übersetzern geht, aber ich bin, trotz ausgezeichneter Englischkenntnisse (meine maßlose Selbstüberschätzung:) ), nicht in der Lage alles ohne Nachschlagen zu übersetzen. Englisch ist eine Sprache mit einem enormen Wortschatz, der weitaus größer ist, als der Wortschatz der deutschen Sprache (die genauen Zahlen habe ich jetzt nicht im Kopf). Deshalb stoße ich immer wieder auf mir bis dato unbekannte Wörter. In diesem Fall sogar auf ein Wort, dass ich so auch im Deutschen nicht kannte, das mir aber sehr gefällt:

Schrumpffolie (shrink-wrap)

Den englischen Begriff habe ich sogar schon gehört, und aus meinem Ferienjob in einem Lager kenne ich auch diese Folie, aber die Bezeichnung ist mir neu.
Bisher kannte ich nur Schrumpfköpfe und die Schrumpfkanone von Duke Nukem.

Die Gewinner stehen fest.

So, es ist so weit. Mittwochnacht um 0.00 Uhr lief die Einsendefrist ab. Bis dahin gab es fünf Einsendungen, sodass ich die beiden Gewinner auslosen musste. Es ging also nicht um die Qualität der Übersetzung, sondern einfach um Glück. Ich habe die fünf Namen der Teilnehmer auf jeweils einen Zettel geschrieben und diese dann zusammengefaltet. Im Vorfeld der Lesung von Schlotzen und Kloben gestern Abend hat sich Übersetzerkollege Frank Böhmert als Glücksfee betätigt und unter der strengen Aufsicht von Ralf Steinberg  von Fantasyguide.de die beiden Gewinner gezogen: Christian und Marcus. Glückwunsch.
In den nächsten Tagen werde ich auch noch jedem Teilnehmer eine Rückmeldung zur Übersetzung geben und, wenn sie damit einverstanden sind, die Übersetzungen auch hier im Blog (anonym, wenn gewünscht) veröffentlichen, zusammen mit meiner eigenen Version.

Vielen Dank an die Teilnehmer, die sich die Mühe mit der Übersetzung gemacht haben.

Die ersten Kritiken

Bereits wenige Tage nach erscheinen, gibt es die erst Rezensionen zu „Eingesperrt“. Das zeigt, dass Briane Keene doch recht beliebt ist.

Im Forum von Buechertreff.de äußert sich Kapo positiv zur Novelle: http://www.buechertreff.de/horror/66593-brian-keene-eingesperrt-the-cage/

Und auf dem dem äußerst sympathisch wirkenden Blog Scarecrows Area gibt es eine positive Besprechung von Harry: http://shaneschofield.blogspot.com/2011/12/buchreview-eingesperrt.html

Zur Übersetzung sagt keiner der beiden etwas, aber das ist eigentlich ein gutes Zeichen. Solange niemand meckert, bin ich glücklich. Im Idealfall sollte der Leser gar nicht merken, dass er da eine Übersetzung liest.

Zur Verlosung gibt es bereits zwei Einsendungen. Sollte noch jemand dazu kommen, wird das Losglück bestimmen.

So und jetzt muss ich noch ein wenig Akquise betreiben.

Wünsche ein Frohes Neues Jahr

Markus