Phantastische Netzstreifzüge 41

Da ich aktuell, dank guter Auftragslage (mit einer Romanübersetzung und TV-Dokus), ein wenig im Stress bin, wird es hier in den nächsten Wochen etwas ruhiger zugehen. Demnächst folgt noch ein Artikel mit Kurzkritiken zu meiner Lektüre im März.

How Terry Brooks Saved Epic Fantasy – Aidan Moher mit einem ausgezeichneten Artikel darüber, wie Terry Brooks die epische Fantasy gerettet haben soll. Die Argumentation ist meiner Meinung nach gar nicht so abwegig. Brooks hat in Deutschland nie den gleichen Status erreicht, wie in den USA. Er wurde schnell als Tolkien-Plagiator abgetan, was er mit seinem ersten Buch Das Schwert von Shannara (das in Deutschland auf drei Bände! gesplittet wurde) auch war. Ab Die Elfensteine von Shannara soll er aber seine eigene Stimme gefunden haben, was ich nicht beurteilen kann, da ich nach dem »Schwert« ausgestiegen bin. Ein Wiedereinstieg ist aber bereits geplant. Der Artikel äußert sich aber durchaus kritisch zu Brooks, vor allem darüber, dass er immer noch auf die alten schwarz/weiß-Klischeerollenmuster besteht. In Deutschland ist Brooks inzwischen fast völlig von der Bildfläche verschwunden (ähnliche wie auch Raymond Feist, der verstorbene Dave Edding und einige andere Fantasystars der 80er und 90er).

The Completist: Patricia McKillip’s RIDDLE-MASTER Trilogy – Kürzlich habe ich hier den ersten Band der Trilogie besprochen, jetzt widmet sich Rob H. Bedfort auf SF-Signal dem gesamten Werk und stellt heraus, was es so besonders macht.

Sword and Sorcery: A More Intimate Fantasy – Ebenfalls auf SF-Signal äußert sich Fantasyautor Seth Skorkowsky dazu, was Sword-and-Sorcery in der Fantasy für ihn so besonders macht. Ich kann ihn gut verstehen. Bei mir ging es zwar dank Raymond Feist mit epischer Fantasy los, aber direkt darauf folgten auch schon Autoren wie Michael Moorcock und Karld Edward Wagner. Heutzutage vermisse ich die klassiche Sword and Sorcery ein wenig. Für Lesetipps in die Richtung bin ich sehr dankbar. Vielleicht sollte ich Skorkowsky mal ausprobieren.

VIDEO: Male Authors on Feminism in the SFF Genre – Auch auf SF-Signal gefunden: Ein kurzes Video von Open Road Media, in dem sich Autoren wie Samuel R. Delany, Ian McDonald, Joe Haldeman und einige andere über Science-Fiction- und Fantasyautorinnen äußern.

Coelho Neto, ein brasilianischer Autor unheimlicher Phantastik – Auf Phantastikon gibt es einen interessanten Artikel von Franz Rottensteiner über Coelho Neto, von dem auch Sachen ins Deutsche übersetzt wurden. Finde ich klasse, dass hier mal ein brasilianischer Autor vorgestellt wird, der Phantastik geschrieben hat.

Rundschau: Eine Welt ist nicht genug – Und zu guter Letzt bleibt noch zu erwähnen, dass die neue Rundschau von Josefson da ist, in der er wieder einen interessanten Mix aus phantastischer Literatur vorstellt. Die Maschinen habe ich schon im Original gelesen. Im SF-Netzwerk findet dazu gerade ein Lesezirkel statt. Ansonsten interessiert mich noch auf jeden Fall Year’s Best Weird Fiction und eventuell Das Gleismeer. Seine Besprechung von Die vergessene Kammer zeigt beispielhaft, wie ein falscher Klappentext interessierte Leser in die Irre führen kann, was aber nicht immer etwas Schlechtes sein muss. Bisweilen erlebt man dabei auch positive Überraschungen.

Ein Plädoyer für die übersetzte phantastische Kurzgeschichte

Ich bin jetzt selbst nicht der größte Kurzgeschichtenleser vor der Herrin, aber trotzdem weiß ich anspruchsvolle, originelle und mitreißende Kurzgeschichten sehr zu schätzen. Für deutschsprachige phantastische Kurzgeschichten gibt es vielfältige Veröffentlichungsmöglichkeiten in Magazinen wie Nova, Zwielicht, der CT z. B. oder in den unzähligen Anthologien, die jährlich in deutschen Kleinverlagen wie pmachinery oder Begedia erscheinen.

Für Kurzgeschichten aus anderen Sprachen sieht es da eher schlecht aus. Im Januar habe ich eine von Lavie Tidhar übersetzt, die im Magazin Phantastisch in der Aprilausgabe erscheinen wird. Das Problem: die Phantastisch konzentriert sich vor allem auf Sachartikel und Interviews, so dass für eine Kurzgeschichte wenig Platz bleibt, sie sollten in der Originalfassung nicht länger als maximal 1.400 Wörter sein. Und wie ich in den letzten Tagen feststellen musste, ist es gar nicht so einfach, so kurze Kurzgeschichten zu finden.

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Im Dezember habe ich eine großartige Kurzgeschichte von Aliette der Bodard übersetzt, die in der nächsten Ausgabe des Magazins Phase X erscheinen wird. Vor einigen Jahren schon einmal für das gleiche Magazin die tolle Kg Im Angesicht Gottes fliegen von Nina Allan. Diese beiden Kurzgeschichten sind literarisch das Beste, was ich bisher übersetzen durfte. Ich fand es großartig, dass ich die Möglichkeit bekam, diese beiden Geschichten zu übersetzen, aber es ist eigentlich auch eine Schande, da sie kaum jemand lesen wird. Wer kennt schon Phase X (no offense), und vor allem wer liest es. Ich vermute mal frei aus der Luft heraus gegriffen, dass von den letzten beiden Ausgaben, nicht mehr als je 50 Exemplare verkauft wurden (Guido möge mich eines Besseren belehren 🙂 ). Phase X erscheint zu unregelmäßig und ist thematisch zu breit gefächert. Auch hier dominieren die Sachartikel.

Was fehlt ist ein deutsches Magazin oder ein Jahrbuch, das regelmäßig ausschließlich phantastische Kurzgeschichten in deutscher Übersetzung veröffentlicht. So etwas gab es mal mit dem Heyne Science Fiction Jahresband. Der meines Wissens im Jahr 2000 das letzte Mal erschienen ist.

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Warum? Weil kein Mensch Kurzgeschichten liest! Bis auf Kurzgeschichtenautoren (wenn überhaupt). So zumindest die landläufige Meinung. Und Kurzgeschichtenanthologien haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten offenbar nicht so gut verkauft.

Ein kurzer Einschub:

Kurzgeschichtenband = Kurzgeschichtensammlung eines einzigen Autors.
Kurzgeschichtenanthologie = Kurzgeschichtensammlung mit mehreren Autoren.

Kurzgeschichtenbände funktionieren von Zeit zu Zeit noch, die beiden von Ted Chiang laufen sehr gut. Und der Verlag bringt auch weiterhin fleißig neue raus, wie z. B. von Geof Rymann und Kij Johnson. Bei Heyne erscheinen zumindest einige Klassiker wie z. B. von Phillip K. Dick, Robert Scheckley oder Cordwainer Smith.

Aber muss man immer warten, bis eine Autorin genügend Geschichten für einen ganzen Band zusammen hat und Klassiker-Status genießt? Kann man die nicht zeitnah bringen?

Im englischsprachigen Raum gibt es zahlreiche Kurzgeschichtenmagazine, wie z. B. Interzone, Clarkesworld, Strange Horizons, F&SF, Analog uvm. Wobei einige nur online erscheinen und teilweise auch Sachtexte enthalten, aber alle veröffentlichen im Jahr eine nicht unbeträchtliche Zahl an teils hervorragenden phantastischen Kurzgeschichten bekannter und weniger bekannter Autorinnen und Autoren.

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Das ist aber noch nicht alles. Die besten dieser Geschichte erscheinen einmal im Jahr in verschiedenen Jahresanthologien wie z. B. The Year’s Best Science Fiction von Gardner Dozois, The Best Science Fiction and Fantasy of the Year von Jonathan Strahan und The Best Horror of the Year von Ellen Datlow (so ähnlich wie Michael Schmidt es mit deutschsprachigen Horrorgeschichten in Zwiellicht Classic versucht)..

Ob das wirklich die besten Kurzgeschichten des Jahres sind, ist sicher diskussionswürdig, aber zumindest erhält man in diesen Anthologien geballte phantastische Kurzgeschichtenqualität. Also das, was Wolfgang Jeschke auch bei Heyne bis 2000 rausgegeben hat.

Während der phantastische Buchmarkt immer noch zu einem großen Teil (wenn auch nicht mehr so wie früher) im Romanbereich von englischsprachigen AutorInnen dominiert wird, sind Freunde der gepflegten Kurzgeschichte auf deutschsprachige Autoren (die sicher nicht schlecht sind) oder auf die Originalfassung angewiesen.

Eine Schande. Denn während sich viele Autorinnen in der Langform noch teilweise (aus Gründen der Verkäuflichkeit) an Genrekonventionen, Lesegeschmäcke und Vorgaben der Verlage halten, lassen sie in der Kurzform ihrer Kreativität und Experimentierfreude freien Lauf. Und gerade diese phantastischen Perlen werden dem deutschen Buchmarkt (immerhin der größte nach dem englischsprachigen) vorenthalten.

Zeit, dass sich das ändert!

Das Problem:

Für große Verlage wie Heyne lohnen sich die Verkaufszahlen von Kurzgeschichtenanthologien nicht. Unter Wolfgang Jeschke war dies wohl noch möglich, weil er die Bände quer finanzieren konnte, was heute wohl nicht mehr so einfach möglich ist.

Und kleine Verlage können sich die Übersetzungen nicht leisten. Golkonda ist gut genug in der Branche vernetzt, um Leute zu finden, die die schmalen Kurzgeschichtenbände mit 100 bis 300 Seiten für wenig bis gar nichts übersetzen. Bei den anderen Kleinverlagen sieht es da schon schwieriger aus, die konzentrieren sich auch lieber auf die deutschen Autoren.

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Was kann man tun?

Meiner Meinung nach wäre so ein Projekt mit den besten internationalen oder zumindest englischsprachigen phantastischen Kurzgeschichten in einem Jahresband ideal für das 2016 neu startende Science Fiction, Fantasy und Horror-Programm von Fischer Tor. Das wird natürlich kein Buch werden, das hohe Verkaufszahlen einbringt, aber es würde einiges an Prestige bringen, und das ambitionierte Programm, an das man ja mit einigem Anspruch herangeht, abrunden und sich von den Einheitsbreiprogrammen der anderen Publikumsverlage abheben. Also Hannes, wie sieht es aus? 😉

Die Alternative wäre, einen Kleinverlag suchen, der das Risiko eingehen würde. Schwierig würde es werden, genügend ÜbersetzerInnen zu finden. Ansonsten könnte man es noch mit Crowdfounding versuchen, wobei ich die Erfolgsaussichten dabei sehr gering einschätze.

Andreas Eschbach hatte mal mit Eine Trillion Euro europäische Kurzgeschichten in einer ambitionierten Anthologie bei Bastei/Lübbe herausgebracht. Äußerte aber im Nachhinein, dass er so etwas nie wieder machen würde. Dass es ihm trotz aller Anstrengungen und Hindernisse gelungen ist, hängt sicher auch mit seinem bekannten Namen zusammen.

Hier bräuchte es jemanden, der sowohl in der Phantastikszene als auch in der Buchbranche gut vernetzt ist, um ein solches Projekt zu stemmen. Beides bin ich nicht. Und ich bin auch kein Macher. Ich bin höchstens ein Mitmacher, aber keiner, der so etwas auf eigenen Schultern trägt. Dazu bin ich zu wenig Netzwerker.

Für ein solches Projekt muss man brennen, man muss Mitstreiter werben können und mit seinem Enthusiasmus anstecken können. Gleichzeitig muss man die Zahlen im Auge behalten, einen Blick dafür haben, was realistisch ist und was Wunschdenken.

Aber trotz aller Bedenken bin ich der Meinung, dass es an der Zeit ist, es noch einmal mit einem solchen Projekt zu versuchen. 15 Jahre sind seit der Einstellung des Heyne Science Fiction Jahresband vergangen. Zwischenzeitlich hatte man mit Pandora versucht, anspruchsvolle internationale Kurzgeschichten und Sachartikel auf hohem Niveau in einem regelmäßig erscheinenden Band zu veröffentlichen. Leider wurde das Projekt nach vier Bänden eingestellt. Ich würde es aber auch mit einem rein aus Kurzgeschichten bestehenden Band versuchen, damit nicht jene abgeschreckt werden, die sich für Artikel nicht interessieren.

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Was müsste man dafür tun?

Man müsste natürlich den englischsprachigen Kurzgeschichtenmarkt (eine andere Sprache beherrsche ich nicht ausreichend) im Auge behalten. Wenn man nicht jedes Magazin mit jeder Ausgabe lesen möchte, ist das Locus-Magazin mit seinen monatlichen Kurzgeschichtenbesprechungen ein guter Anhaltspunkt. Und natürlich die schon oben erwähnten Jahresanthologien.

Man müsste genügend ÜbersetzerInnen bei der Hand haben, die bereit sind, für wenig bis gar kein Honorar zu übersetzen. Was bei einer Printerscheinung sicher noch einfacher ist, als bei einer reinen Online- oder E-Book-Publikation.

Man müsste einen guten Grafiker für das Titelbild kennen. Lektorinnen und Korrekturleser. Jemanden, der den Satz macht. Jemanden, der den Umschlag gestaltet.

Würde ich so etwas machen, ich hätte den Anspruch, dass es ungefähr den Standard von dem entspricht, was Golkonda veröffentlicht. Denn wenn man so etwas schon in Angriff nimmt, dann sollte man es auch richtig machen.

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Ich vermute, dass man an die Rechte für die Kurzgeschichten in den meisten Fällen recht günstig herankommt. Für jene Autoren, die schon Romane auf Deutsch veröffentlichen, ist es gute Werbung. Für jene, die noch nicht auf Deutsch veröffentlicht wurden, eine gute Möglichkeit, Aufmerksamkeit (für ihre Romane) zu erregen.

Und warum nicht mal einen Band mit den berühmtesten bzw. besten Kurzgeschichten aller Zeiten? Alle jene Geschichten, die im Staub vergangener Jahrzehnte versunken sind. Die man sich mühsam aus den einzelnen Kurzgeschichtenbänden der Autoren zusammensuchen muss.

Mit den neuen Phantastikprogrammen von Knaur und Fischer Tor soll im nächsten Jahr ein frischer Wind auf dem phantastischen Buchmarkt wehen. Ich habe einen gewissen Einblick in das erhalten, was man bei Fischer plant – Klassiker ebenso wie aufregende Neuerscheinungen. Das wäre doch auch eine gute Gelegenheit, einige kurze, kräftige Böen in Kurzgeschichtenform auf den Markt zu bringen, um die ganze Bandbreite des Genres abzudecken. Dabei geht es mir nicht darum, den deutschsprachigen Kurzgeschichten ihre Nische abzugraben, sondern das Genre zu bereichern. Eine Anthologie pro Jahr würde sicher niemandem weh tun.

Nachtrag: Von einem aufmerksamen Leser wurde ich darauf hingewiesen, dass Golkonda tatsächlich eine Art Best-of von SF-Geschichten plant:

Science Fiction Hall of Fame 1

Herausgegeben von Robert Silverberg

Die erste Hälfte dieser legendären Anthologie umfasst die besten SF-Erzählungen aus den Jahren 1934 bis 1948. Dabei reicht das Spektrum von Highlights der 1930er Jahre (Stanley G. Weinbaum, John W. Campbell) bis zu den maßgeblichen Meisterwerken der 1940er Jahre (Robert A. Heinlein, Isaac Asimov). Jede einzelne dieser Geschichten ist ein Juwel, das bis heute nichts von seinem Glanz verloren hat.

Quelle: http://golkonda-verlag.de/cms/front_content.php?idart=608

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Ankündigung: phantastisch! 58 (mit Übersetzung von mir)

Im April wird die Nummer 58 der Phantastisch! erscheinen. Die Phantastisch! ist das einzige regelmäßig erscheinende Phantastikmagazin mit einem Schwerpunkt auf Literatur. Neben Artikeln, Interviews und kurzen Comics, erscheint auch pro Augabe eine Kurzgeschichte. Dieses Mal Selfies von Lavie Tidhar. Tidhar ist ein israelischer Autor, der in Deutschland vor allem durch den bei Rogner & Bernhard erschienenen alternativgeschichtlichen Roman Osama bekannt ist, für den er 2012 den World Fantasy Award erhalten hat. Aus seiner seiner dreibändigen Reihe Das ewige Empire ist nur der erste Teil Bookman bei Piper erschienen, und wurde dann wohl sang- und klanglos eingestellt. Im englischsprachigen Raum ist er eine feste Größe in der Phantastik, in Deutschland konnte er sich bisher leider noch nicht durchsetzen.

In Selfies geht es um eine junge Frau, die ein günstiges Smartphone ersteht, das auch aus einer Folge von Erben des Fluchs oder Warehouse 13 stammen könnte. Die Geschichte wird anhand ausgewählter Selfies erzählt und nimmt einen grausigen Verlauf. Es hat richtig Spaß gemacht, mal etwas so Ungewöhnliches und Kurzes zu übersetzen.

Hier der noch unlektorierte Anfang der Geschichte:

#733

Auf einem der letzten Bilder bin ich am Rennen. Ich renne die Straße entlang, und es ist dunkel; das Licht der Straßenlampen sickert in mattem Gelb herab. Ich kann spüren, wie das Herz in meiner Brust beinahe explodiert; in meinem Mund liegt ein saurer, unangenehmer Geschmack. Ich renne so schnell ich kann. Ich muss entkommen.

Und hier der restliche Inhalt der Ausgabe:

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Das Titelbild ist von Timo Kümmel

Interview
Christian Endres: DAVID FALK: »Seit ein paar Jahren ist das Genre im Wandel.«

Bücher, Autoren & mehr
JAN NIKLAS MEIER: Mehr als eine Bestie? Der Werwolf in der neueren deutschen Phantastik
CHRISTIAN ENDRES: Sherlock Holmes und die tanzenden Drachen mit EXKLUSIVER LESEPROBE
HORST ILLMER: Professor Eggerths Rückkehr
MICHAEL PEINKOFER: Ein Werkstattbericht zu »Sternenritter« mit EXKLUSIVER LESEPROBE
MUNA GERMANN: Wie werden wir uns in der Zukunft kleiden?
SONJA STÖHR: phantastisch! im Dialog – »Warum schreiben Sie eigentlich Science Fiction?«
CHRISTIAN ENDRES: Schuld und Symbiose
SONJA STÖHR: Phantastisches Lesefutter für junge Leser
ULRICH BLODE: Wolfgang Thadewald – Ein Nachruf
RÜDIGER SCHÄFER: Deutschstunde – Sprachensterben – Ist unser Deutsch noch zu retten?

Phantastische Nachrichten zusammengestellt von Horst Illmer

Rezensionen
Ian Tregillis »Der kälteste Krieg«
Christopher Nuttall »Die Wissende«
Joann Sfar »Aspirine«
Andreas Eschbach »Der Jesus-Deal«
Ransom Riggs »Die Stadt der besonderen Kinder«
Tom Daut »Die Sinistra«
Gareth Roberts »Shada. Das verlorene Abenteuer von Douglas Adams«
Jo Walton »Die Stunde der Rotkehlchen«
Anonymus »Psychokiller«
Leonie Swann »Dunkelsprung«
Catherine Fisher »Die vergessene Kammer«
China Miéville »Das Gleismeer«

Comic & Film
STEFFEN BOISELLE: Cartoon
OLAF BRILL & MICHAEL VOGT: Ein seltsamer Tag – Teil 17
OLAF BRILL & MICHAEL VOGT: Ein seltsamer Tag – Teil 18

Story
LAVIE TIDHAR: »Selfies«

Quelle: https://atlantisverlag.wordpress.com/2015/03/13/phantastisch-ausgabe-58-der-inhalt/

Empfehlenswerte Übersetzerinnen und Übersetzer

An dieser Stelle möchte ich mal einige meiner Kolleginnen und Kollegen empfehlen, die ich sehr schätze. Dafür müssen sie drei Kriterien erfüllen. Ich muss sie persönlich kennen. Ich muss etwas von ihnen gelesen haben. Und sie müssen irgendwie im Internet präsent sein.

Frank Böhmert – Mit Frank fing alles an. Er war maßgeblich mit daran beteiligt, dass ich heute als Übersetzer tätig bin. Dabei hatte ich ihn schon lange, bevor ich ihn im Internet oder gar persönlich kennengelernt habe, bereits im Regal stehen. Die fünf Bücher von Salvatore (siehe Foto) habe ich bereits als Jugendlicher gelesen, und die Hobbit-Hommage mit den drei Bänden um die Drachenwelt hat mir damals sehr gut gefallen. Auch Franks Übersetzung zur Romanvorlage des großartigen Spike-Lee-Films 25 Stunden mit Edward Norton las ich, bevor ich Frank kennengelernt habe. David Benioff ist inzwischen übrigens Showrunner von Games of Thrones. Den ersten näheren Kontakt mit Frank hatte ich, als er für die Übersetzung von Phillip K. Dicks Die Lincoln Maschine fragte, ob jemand im SF-Forum die deutsche Ausgabe von Peter Pan zur Hand habe. Ich hatte. Es ging um den Namen des Hundes, ich half ihm weiter und bekam später zum Dank ein Belegexemplar zugeschickt.

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An Franks Übersetzungen schätze ich vor allem, dass es ihm stets gelingt, einen lässigen, authentischen Tonfall zu erzeugen, der dafür sorgt, dass die Dialoge zu keinem Zeitpunkt gestelzt oder eben übersetzt wirken. Ganz gleich ob Jugendbuch oder Krimikost der alten Schule (wie bei Robert B. Parker). Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich noch keinen einzigen der neuen Tiptree-Bände gelesen habe. Eine Bildungslücke, die ich gedenke, bald zu füllen. Auf seinem Blog berichtet er unter anderem auch über seine Übersetzungen und hat erst jüngst ein höchst amüsantes Übersetzungsgewinnspiel veranstaltet.

Mein erster Klient des Tages – und der Woche, um ehrlich zu sein – kam am Dienstag nach Thanksgiving in mein Büro und setzte sich in einen der Stühle für meine Klienten. Er war mittelgroß und schlank und trug einen braunen Tweedanzug, eine blaue Fliege mit Paisly-Muster und eine zufriedene Miene.
»Sie sind Spenser«, sagter er.
»Ja, bin ich.«
»Ich bin Dr. Ashton Prince.«
»Wie nett.«
»Verzeihung?«
»Was kann ich für Sie tun, Dr. Prince.«
»Ich sehe mich mit einer höchst diffizilen Angelegenheit konfrontiert.«

(Erste Sätze aus Trügerisches Bild von Robert B. Parker, erschienen im Pendragon Verlag.)

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Gerd Rottenecker – Gerd kenne ich schon seit vielen Jahren durch das Forum der Bibliotheka Phantastika, wo er unter dem Namen Gero unterwegs ist. Es hat aber eine Weile gedauert, bis ich erfahren habe, dass er Übersetzer ist, und, dass ich Übersetzungen von ihm im Regal stehen habe. Unter dem Pseudonym Tim Straetmann übersetzt er Das Spiel der Götter von Steven Erikson. Bis Der Tag des Sehers habe ich die Reihe auf Deutsch gelesen, bin dann aber aus Platz- und Kostengründen auf die englische Fassung umgestiegen. Da krebse ich jetzt aber schon seit einer Ewigkeit in House of Chains rum. Danach werde ich wieder auf die deutsche Fassung umsteigen, obwohl ich Englisch eigentlich fließend lese. Was an seiner Arbeit so besonders ist, zeigt mein Bericht über einen Übersetzungsworkshop, den ich mit Gerd zusammen in Straelen besucht habe. Am ehesten würde ich seine Arbeit am Spiel der Götter mit jener von Ulrich Blumenbach an David Foster Wallaces Unendlicher Spaß vergleichen. Nur, dass Gerd keine Stipendien für seine Übersetzungsleistung bekommt. Denn es handelt sich ja um Fantasy, und das kann keine große Literatur sein.

Gerd hat jetzt keine persönliche Internetseite oder einen Blog, aber er ist einer der beiden verbliebenen Betreiber der Bibliotheka Phantastika, wo er regelmäßig interessante Autorinnen vorstellt, aber auch offen über seine Übersetzungsarbeit berichtet. Auch über die nicht so schönen Aspekte. Gerd ist ein alter Hase in der Branche und war schon Herausgeber bei Knaur Fantasy und Programmberater bei Blanvalet. Ich habe gerade festgestellt, dass ich mit dem Feist (siehe Foto) sogar eine Übersetzung von ihm im Regal stehen habe, von der ich gar nichts wusste, einfach, weil ich die drei Teile der Nebenreihe zur Midkemiasaga noch nicht gelesen habe.

Die Rostflecken auf der schwarzen, vernarbten Oberfläche von Mocks Wetterfahne sahen aus wie aufgemalte Seen aus Blut. Ein Jahrhundert alt, hockte sie auf der Spitze einer alten Pike, die ganz am äußeren oberen Ende der Festungsmauer angebracht worden war. Monströs und missgestaltet wie sie war – kalt in die Form eines geflügelten Dämons gehämmert, dessen Zähne in einem boshaften Grinsen gebleckt waren -, wurde sie von jedem Windstoß hin und her geschüttelt und quietschte protestierend.

(Erster Absatz aus Die Gärten des Mondes von Steven Erikson.)

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Simone Heller – ist die zweite verbliebene Betreiberin der Bibliotheka Phantastika. Es hat bei mir auch eine Weile gedauert, bis ich rausbekommen habe, dass Mistkaeferl als Übersetzerin tätig ist. Und auch in diesem Fall entdeckte ich, dass sie mit Sündenfall von Ken Scholes bereits in meinem Regal steht. Und wie Gerd treffe ich sie inzwischen regelmäßig bei verschiedenen Veranstaltungen wie dem Bucon oder der Leipziger Buchmesse.

Ihre gelingt es, eher ungewöhnlicher Fantasy abseits der üblichen Klischees und Handlungsmuster eine adäquate deutsche Stimme in einem eleganten Stil zu verleihen. Ihr sehr schöne und übersichtlich gestaltete Homepage liefert einen guten Überblick über ihre Dienstleistungen und ihre bisherigen Arbeiten. Der dazugehörige Blog ist leider vor einigen Monaten etwas eingeschlafen. Sie ist auch als Lektorin tätig und hat z. B. das vielbeachtete In einer anderen Welt von Jo Walton in der Übersetzung von Hannes Riffel lektoriert.

Der Abtrünnige drückte sich in die Schatten des Felsens und betete, ohne sich an eine bestimmte Gottheit zu wenden, dass die Kreaturen, die unter ihm auf Maultieren durch den Pass ritten, nicht aufsehen würden. Seine Hände schmerzten, seine Bein- und Rückenmuskeln zitterten vor Erschöpfung. Im kalten, staubgeschwängerten Wind flatterte der dünne Stoff seiner Zeremonienroben. Er riskierte einen Blick hinab auf den Pfad.

(Erster Absatz aus Das Drachenschwert von Daniel Hannover).

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Jochen Schwarzer – Ohne Jochen Schwarzer würde es diesen Blog vermutlich nicht geben. Denn Translate or Die ging am 12. November 2011 mit dem Eintrag Wie ich Literaturübersetzer werde oder grandios scheitere online. Am selben Tag hatte ich zuvor ein Berufseinsteigerseminar für Literaturübersetzer am Literarischen Collouqium Berlin besucht, das von Jochen Schwarzer geleitet wurde. Wir stellten fest, dass wir mit Frank Böhmert einen gemeinsamen Freund haben, und der brachte Jochen dann auch einige Monate später erstmals mit zu unserem SF-Stammtisch. Seitdem stehen wir in Kontakt, und erst letzten Mittwoch haben wir uns in Berlin wieder zum Stammtisch getroffen.

Seine Übersetzungen von Patrick Rothfuss kenne ich nicht, da ich die englischen Ausgaben schon lange vor Erscheinen der deutschen Fassungen gelesen habe. Was ich von ihm aber gelesen habe (natürlich wieder, bevor ich ihn kennengelernt habe 😉 ), ist Null von Adam Fawler, Das schwarze Herz von John Conolly, Die Mission und Das Spiel des Löwen von Nelson De Mille, Duddits von Stephen King, und Die Wette von Hely und Chandrasekaran. Er ist nicht umsonst DER deutsche Rothfuss-Übersetzer und verleiht dieser anspruchsvollen, poetischen Fantasy eine literarische deutsche Stimme. Seine Homepage ist dezent und beschränkt sich auf die wichtigsten Eckpunkte seines beruflichen Schaffens. Interessant ist der Hinweis auf an ihn zurückgefallene Übersetzungsrechte an vergriffenen Büchern, die man bei ihm für Neuausgaben erwerben kann. Das habe ich sonst noch auf keiner Übersetzerseite gesehen.

Als Auri aufwachte, wusste sie, dass sie noch sieben Tage hatte.
Ja, sie war sich da ziemlich sicher. Am siebten Tag würde er sie besuchen kommen.
Eine lange Zeit. Lange, wenn man wartete. Aber gar nicht so lange bei all dem, was noch zu tun war. Nicht, wenn sie gewissenhaft zu Werke ging. Nicht, wenn sie bereit sein wollte.
Als sie die Augen aufschlug, sah Auri den Hauch eines schummrigen Lichtscheins. Das war eine Seltenheit, denn sie befand sich in Mantel, ihrem allerprivatesten Ort. Dann war es also ein weißer Tag. Ein tiefer Tag. Ein Findetag. Sie lächelte, und Aufregung perlte in ihrer Brust.

(Die ersten Sätze aus Die Musik der Stille von Patrick Rothfuss.)

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Heide Franck – kenne ich aus dem Umfeld des Golkonda Verlags und dem Berliner Übersetzerstammtisch. Bei Golkonda ist sie inzwischen für die Pressearbeit zuständig, aber auch als Übersetzerin tätig. Ihre Übersetzung von Ein feiner dunkler Riss von Joe R. Lansdale hat mich schwer beeindruckt. Mit ihrer präzisen Übersetzung des im Stil einer plaudernden Jugenderinnerung gehaltenen Textes gelingt es ihr hervorragend, die schwüle Südstaatenatmosphäre dieses Coming-of-Age-Romans in den von Rassismus geprägten 50er Jahren der USA herüberzubringen.

Neben ihrer Tätigkeit als Übersetzerin gilt Heide auch als unfehlbare Korrekturleserin, der kein Fehler entgeht. Ihre Homepage ist ähnlich schlicht und professionell gehalten, wie die von Jochen.

Mein Name ist Stanley Mitchel Junior, und ich schreibe hier auf, woran ich mich erinnere.
Die ganze Geschichte hat sich in einer Stadt namens Dewmont zugetragen. Es ist eine wahre Geschichte, die sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne abspielte, und ich habe sie selbst erlebt.
Dewmont wurde nach einem der ersten Siedler benannt, der Hamm Dewmont hieß. Viel mehr weiß man nicht von ihm. Er ist hier aufgetaucht, hat dem Ort seinen Namen gegeben und ist dann spurlos verschwunden.
In den ersten Jahren war Dewmont eine trostlose Ansammlung von Holzhütten, die sich am Ufer des Sabine River im tiefsten Herzen von Texas festgesetzt hatten – eine Gegend voll weißem Sand und rotem Lehm, gewaltigen Kiefern und schlangenverseuchten Sümpfen.

(Die ersten Sätze aus Ein feiner dunkler Riss von Joe R. Landsale)

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Nachtrag:

molosovsky – Fast hätte ich molo vergessen, der den ersten Kurzgeschichtenband mit stilistisch sehr unterschiedlichen und sprachlich teils komplizierten Geschichten so wunderbar ins Deutsche übertragen hat. Molo ist der Einzige in dieser Liste, der nicht hauptberuflich als Übersetzer tätig ist. Er macht es aus reinem Spaß an der Sprache. Aktuell lektoriert er die eine Delany-Übersetzung. Auf seinem Blog ist leider etwas ruhiger geworden, dafür ist er fleißig auf Twitter unterwegs. Ich kenne ihn aus verschiedenen Internetforen und habe ihn, wie alle hier in dieser Liste, inzwischen zu mehreren Anlässen schon persönlich getroffen.

Läge der Turm der Länge nach auf der Ebene von Shinar, würde man zu Fuß von einem Ende zum anderen zwei Tagesreisen benötigen. Doch da der Turm aufrecht steht, dauert es einen ganzen Monat, um von seinem Sockel bis zur Spitze emporzusteigen – wenn man denn nichts tragen musste. Aber nur wenige Menschen besteigen den Turm mit leeren Händen; das Tempo der meisten wird von Karren mit Steinen bestimmt, die sie hinter sich herziehen. Vier Monate vergehen zwischen dem Tag, an dem die Ziegel auf die Karren verladen werden, um ein Teil des Turms zu werden.

(Erster Absatz aus Der Turmbau zu Babel von Ted Chiang)

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Literaturübersetzerinnen auf der Leipziger Buchmesse + Linktipps

Mein letzter Blogeintrag vor der Leipziger Buchmesse. Morgen geht es nach Berlin, am Donnerstag dann auf die Messe.

Dort wird es auch Veranstaltungen zum Thema Übersetzen geben. Hier geht es zum Programm des Übersetzerzentrums Leipzig 2015.

Besonders interessant finde ich den Programmpunkt:

Traumberuf Literaturübersetzer?
Podiumsgäste: Eva Bonné,
Thomas Brovot und Katrin Harlaß;
Moderation: Roland Hoffmann

Katrin Harlaß kenne ich noch vom Berliner Übersetzerstammtisch und kann bestätigen, dass sie sich in der Branche gut auskennt. Leider werde ich es nicht zu diesem am Freitag den 12.03 um 14.00 Uhr stattfindenden Veranstaltung schaffen, da ich nur den Donnerstag auf der Messe sein werde. Aber für Leute, die an dem Beruf interessiert sind, lohnt sich ein Besuch bestimmt.

Dort wird auch am 12.03 das neu erschienene Handbuch Literarisches Übersetzen vorgestellt. Was ich aber vermutlich nicht schaffen werde, da ein Freund von mir um 13.30 auf der Leseinsel Fantasy seinen ersten Fantasyroman vorstellen wird.

Am Samstag den 14 März wird es (auf der Buchmesse natürlich) eine Veranstaltung unter dem Titel 100 Jahre James Tiptree Jr. geben, an der neben der Tiptree-Biografin Julie Phillps auch die ÜbersetzerInnen Elvira Bittner und Frank Böhmert (mein Gastgeber in Berlin ab morgen) teilnehmen. Man kann also davon ausgehen, dass es auch um das Übersetzen von Tiptree gehen wird.

Translation matters: The unsung heroes of world literature – Auf der Homepage der BBC gibt es einen interessanten Artikel über Edith Grossman und die Frage, warum Literaturübersetzungen von Bedeutung sind. Es gibt anscheinend tatsächlich Menschen, die Übersetzungen als ein Vergehen an dem Originalwerk sehen. Grossman ist übrigens schon seit 1969 als Übersetzerin tätig, damals hat sie ihren ersten Asterix-Band ins Englische übersetzt.

Horcynus Orca

Aus dem aktuellen Spiegel (S. 127): »Als einen würdigen Vertreter dieser Zunft [Verleger] darf man sich den Mailänder Arnoldo Modadori vorstellen, der 1961 die Druckfahnen des Romans »I fatti della fera« seinem Autor Stefano D’Arrigo für eine vierwöchige Korrektur zustellte und sie 13 Jahre später zurückbekam.«

Da soll sich nochmal einer über George Martin beschweren. Jetzt ist auch die deutsche Übersetzung, an der Mosche Kahn 8 Jahre gesessen hat, bei Fischer erschienen. Horcynus Orca heißt das Buch hat 1472 Seiten, kostet 58 Euro und gilt als Meisterwerk. Ist mir dann aber doch zu teuer. Wem das auch zu teuer ist, der kann auch auf die deutlich günstigere E-Book-Fassung zugreifen, die kostet 57,99 Euro.

Mara Giese hat das Buch auf ihrem Blog mit dem sympathischen Namen Buzzaldrins Bücher besprochen, bzw. versucht dieses Ungetüm von einem Roman zu bezwingen. Wer unter dem Blogeintrag einen Kommentar hinterlässt, kann das Buch in einer Verlosung gewinnen. Der Übersetzer meldet sich dort übrigens auch mit einem interessanten Kommentar zu Wort.

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Forumos-Übersetzer empfehlen: Tochter der Schwarzen Stadt – Die Übersetzerinnen und Übersetzer der Bibliotheka Phantastika sind immer für eine überraschende und interessante Empfehlung gut. Dieses Mal ist es mehr die Lektorin, die hier empfiehlt, denn es wird keine Übersetzung, sondern ein deutschsprachiger Roman empfohlen. Torsten Fink gehört zu den deutschsprachigen Autoren, die sich in den letzten Jahren einen Namen in der Fantasy gemacht haben. Aufgrund der generischen (meist mit einem Kapuzenheini besetzten) Cover sowie der ewig gleich klingenden Inhaltsangaben, mache ich – ehrlich gesagt – in der Regel (bis auf wenige Ausnahmen) einen großen Bogen um die meisten deutschsprachigen Autoren. Aber bei einer solchen Empfehlung könnte ich ja mal eine Ausnahme machen.

Anlässlich zu ihren Geburtstagen stellt die BP auch immer wieder Autorinnen und Autoren vor, die selbst mir (der glaubt, sich mit Fantasy auszukennen) unbekannt sind, deren Werke sich aber furchtbar interessant anhören. So zum Beispiel Elisabeth Moon, die gerade ihren 70ten Geburtstag feiert, und von der (wenn ich das richtig sehe) leider nur SF-Werke auf Deutsch veröffentlicht wurden.

Hier gibt es eine Liste mit allen Geburtstagsbeiträgen der BP. Da scheinen einige Perlen drunter zu sein, die es auch für mich noch zu entdecken gilt

March Releases in Science Fiction, Fantasy und Horror – Over 350 Book Covers to browse – Wer lieber aktuelle Phantastik lesen möchte, der findet in der ewig langen Liste zu den englischsprachigen Neuerscheinungen des März auf SF-Signal sicher etwas. Aber hier gilt wieder, vieles ist bereits zuvor in anderen Ausgaben erschienen. Wie zum Beispiel The Burning Dark von Adam Christopher, von dem jetzt die Paperbackausgabe erscheint, und demnächst auch die deutsche Fassung bei Cross-Cult. Ich sitze gerade an der Übersetzung von Teil 2 The Machine Awakes, der im April auf Englisch erscheinen wird.

The Best Science Fiction, Fantasy and Horror Reads for March – Wem obige Liste zu lang ist, der kann sich bei Kirkus Review eine Auswahl an Empfehlungen der Neuerscheinungen abholen. Darunter neue Bücher von Dan Simmons und Daryl Gregory. Die Liste hätte man allerdings etwas übersichtlicher gestalten können.

Fiction Affliction: March Releases in Fantasy – Und wer sich ausschließlich für Fantasy interessiert, kann bei Tor.com vorbeischauen.

Lesetipp des Monats: Daniel Illger, »Skargat – Der Pfad des schwarzen Lichts« – Brauchbare Empfehlungen gibt es auch regelmäßig auf der Homepage und im Newsletter der Otherlandbuchhandlung Berlin. Hier deutsche! Fantasy aus dem Hause Klett-Cotta.

Neill Blomkamp Admits He »F*cked It Up« With Elysium – Der südafrikanische Filmemacher Neill Blomkamp gesteht, dass ihm Elysium nicht so gut gelungen ist. Eine Einschätzung, der ich mich genauso anschließen kann. Nach Distric 9 hat mich die plumpe Story seine ersten Hollywoodfilms schwer enttäuscht. Die Kritiken zu seinem neuen Film Chappie sind bisher auch nicht gerade berauschend und lassen nichts Gutes für den Alien-Film hoffen, den er gerade plant.

Phantast12: Fernost – Regelmäßig erscheinende deutschsprachige Phantastikmagazine sind selten, eines davon ist der Phantast. Gerade ist die zwölfte Ausgabe mit dem Schwerpunkt Fernost erschienen. Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, sie zu lesen, aber das Inhaltsverzeichnis liest sich interessant, und asiatische Phantastik ist sowieso ein Thema, das mich sehr interessiert. Den Phantast kann man übrigens kostenlos online lesen.

 China’s Arthur C. Clarke – Im New Yorker gibt es einen guten Artikel über Cixin Liu, dessen The Three-Body Problem ich ja hier kürzlich besprochen habe. Anscheinend wird gerade an einer Verfilmung gearbeitet.

 

Meine Lektüre Januar/Februar 2015

Ich komme mit den Buchbesprechungen nicht mehr hinterher, und da ich beruflich die nächsten Monate gut im Stress sein werde, muss ich jetzt die Notbremse ziehen und einige Bücher, die eine ausführliche Besprechung verdient hätten, mit Kurzkritiken abspeisen. Um meine Rezensionen zu den ausführlich besprochenen Werken zu lesen, müsst ihr einfach auf den Link im Buchtitel klicken. Die restlichen Kurzkritiken gib es weiter unten.

1. George R. R. Martin – Armageddon Rock
2. Ernest Cline – Ready Player One
3. Patricia A. McKillip – The Riddle Master of Hed
4. George G. Pelecanos – Das große Umlegen
5. Cixin Liu – The Three-Body Problem
6. Kathrine Scholes – Die Traummalerin
7. Andrej Sapkowski – Das Schwert der Vorsehung
8. Patrick Lee – Breach
9. Andre Marx – Die drei Fragezeichen und das Kabinett des Zauberers
10. Thomas Ziegler – Stimmen der Nacht
11. Terry Pratchett – Helle Barden
12. Kate Atkinson – Die Unvollendete
13. Robin Sloan – Mr. Penumbras sonderbare Buchandlung

George G. Pelecanos – Das große Umlegen

P1000298

Wunderbarer Crime-Noir-hafter Roman (worauf ja schon der an/bei Dashiell Hammett angelehte/geklaute deutsche Titel anspielt), der die Geschichte eines griechischen Einwandererjungens in Washington vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg erzählt. Ist vor allem mal was anderes, von einer griechischen Gemeinde in den USA zu lesen, und man lernt Washington von einer ganz anderen Seite, abseits des Capitol Hills und der Oberschicht, kennen. Das große Umlegen ist mehr, als nur ein einfacher Krimi, Pelecanos ist ein begabter Schriftsteller, der hier ein eindrucksvolles Porträt eines einfachen Mannes geschaffen hat, der versucht es im Leben zu etwas zu bringen, dabei aber immer wieder heftig auf die Schnauze fällt. Ach ja, das ist der erste Teil der Washington-Trilogie, deren Fortsetzungen einige Jahrzehnte später spielen sollen.

Andrzej SapkowskiDas Schwert der Vorsehung

P1000299

Zweiter Band mit hintersinnigen, humorvollen und klugen Kurzgeschichten über den Hexer Geralt von Riva. So langsam zeichnet sich ein roter Faden in Geralts Geschichte ab. Der nächste Band ist dann auch ein Roman. Sapkowksi verpackt ernste Themen wie Rassismus, Diskriminierung und Umweltzerstörung in spannende Geschichten mit flotten Dialogen und augenzwinkerndem Humor.

Patrick LeeBreach

P1000301

Sauspannender und sehr clever konstruierter SF-Thriller, der einige atemberaubende und so noch nicht dagewesene Actionszenen bereithält, zwischendurch etwas an Fahrt verliert, gegen Ende aber wieder voll auftrumpft.

Andre MarxDie drei Fragezeichen und das Kabinett des Zauberers

P1000300

Ein schwacher Marx. Die Geschichte um den Zauberer, der während einer Kindervorstellung verschwindet und nicht wieder auftaucht, braucht viel zu lange, um in die Gänge zu kommen. Die Geschichte um alte Zauberertricks ist ganz interessant, kommt aber viel zu kurz und wird von einem viel zu plumpen und brutalen Finale überschattet.

Kate AtkinsonDie Unvollendete

P1000293

Dazu wird es noch eine ausführliche Besprechung geben. Nur so viel: Ich halte das Buch für ein Meisterwerk, das Beste, was ich bisher in diesem Jahr gelesen habe. Die narrative Struktur mit den vielen »groundhog lifes« die immer und immer wiederkehren und sich teils nur durch kleine Details unterscheiden, dann aber völlig andere Richtungen nehmen können, ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber ich habe noch nie einen Roman gelesen, der den Blitz, also die Bombenangriffe auf London, so packend und emotional mitreißend beschrieben hat. Ich konnte förmlich den Staub der Trümmer auf der Zunge spüren und die Enge, die Ursula empfunden haben muss, als sie durch die zusammengestürzten Ruinen auf der Suche nach überlebenden kroch. Die Übersetzung liest sich übrigens großartig. Ganz toller Stil, sehr elegant und wortgewaltig.

Robin SloanDie sonderbare Buchandlung des Mr. Penumbra

P1000297

Das bisher enttäuschendste Buch des Jahres. Das ist keine Liebeserklärung an die Welt der Bücher, wie die New York Times auf der Rückseite zitiert wird, sondern eine hemmungslose Lobhudelei auf Google und das Sillicon Valley. Die Buchhandlung selbst und das Rätsel wirken zunächst noch sehr interessant, aber die Bücher sind eigentlich nur Staffage für Sloans Verehrung des digitalen Zeitalters. Selbst Buchpiraten werden positiv erwähnt, also jene Verbrecher, die denen das Geschäft ruinieren, die Bücher schreiben, herstellen, vertreiben und verkaufen. Wie schon erwähnt, die Grundidee mit dieser geheimnisvollen Büchervereinigung ist gar nicht schlecht, aber Sloans Schreibe wird dem Anspruch zu keiner Zeit gerecht. Denn die ist einfach und nüchtern, gänzlich unauffällig, und versprüht keinerlei Magie oder Charme. Die Figuren bleiben flach (wenn auch teils sympathisch und die Handlung spannungsarm.

Übersetzungs-Gewinnspiel – drüben bei Frank Böhmert

Frank Böhmert – der maßgeblich mit dafür verantwortlich ist, dass ich heute als Übersetzer tätig bin – führt auf seinem Blog ein Übersetzungs-Gewinnspiel durch. Verlost werden die Belegexemplare seiner aktuell erschienenen Übersetzung »Ich sehe was, was niemand …« (das letzte Wort kann ich nicht sehen). Das erste Exemplar habe ich ganz frech abgestaubt. Aber es geht so lange mit neuen Textstellen weiter, bis alle Exemplare vergeben sind.

Was müsst ihr machen?

Einfach nur die aktuelle Textstelle ins deutsche Übersetzen und als Erstes in den Kommentaren posten.

An meiner Fassung des ersten Beispiels merkt man übrigens, warum ich am nächsten Tag noch mal gründlich über den am Vortag übersetzten Text drübergehe. Nachdem ich die Fasung abgeschickt habe, kam mir in den Sinn, dass man doch das eine oder andere »sagte« hätte rausnehmen können. Im Englischen wird »he said« und so weiter im Überfluss verwendet. Das kann man im Deutschen an vielen Stellen weglassen, wenn man sich sicher ist, dass der Leser immer noch weiß, wer da gerade spricht. Wie man an Franks Version sieht, verleiht das dem Text mehr Dynamik.