Sommerrückblick 2023: Trauer, Urlaub und der Rest

Meinen letzten Blogeintrag gab es am 09.07.2023, mein letzter Wochenrückblick wurde am 23.04. veröffentlicht. Letzteres lag daran, dass ich mit der Übersetzung der SF-Trilogie so viel zu tun hatte, dass ich einfach keine Zeit und Energie für die Rückblicke mehr hatte. Mitte Juli ist dann mein Vater völlig überraschend gestorben, was mir erst mal die Motivation genommen hat, etwas im Internet zu schreiben, egal ob hier oder in den sozialen Medien.

Ein Stapel von 1400 Manuskriptseiten auf einer hellen Holzkommode abgelegt.
Meine Übersetzungsarbeit der letzten sechs Monate (Tor-Online-Arbeit nicht mit eingeschlossen)

Doch jetzt bin ich mit der Übersetzung durch, Roman drei wurde abgegeben und 1.400 Normseiten in sechs Monaten liegen hinter mir. Die erste von drei Urlaubswochen ist vorbei und ich habe die Erholung sehr genossen. Es ist das erste Mal, dass ich mehr als zwei Wochen Urlaub am Stück mache.

Drei Bücher und ein Tablet: Oben der Fotoband "Project 562". Untere Reihe von links nach rechts: Der Japan-Reiseführer von Baedecker, die Biografie von James Tiptree Jr. und auf dem Tablet der Roman "The Changeling".

Weggefahren bin ich nicht, ich will einfach nur in Ruhe lesen und ein paar Sachen machen, für die mir sonst nicht viel Zeit bleibt. Hier auf dem Foto seht ihr meine aktuelle Urlaubslektüre. James Tiptree Jr. – Das Doppelleben der Alice B. Sheldon von Julie Phillips habe ich mir extra für den Urlaub gekauft, steht schon seit über zehn Jahren auf meiner Leseliste. Victor La Valles The Changeling auch, das ist meine Zweitlektüre auf dem E-Book-Reader, zu der ich immer greife, wenn mir die Augen für gedruckte Buchstaben zu müde werden. Von ihm hatte ich bisher nur die Novelle The Ballad of Black Tom gelesen, da aber von The Changeling Ende August eine Serienadaption auf Amazon kommt, deren Genuss ich mir durch die Lektüre jetzt vermutlich versaut habe, bin ich das Buch endlich angegangen. Project 562 von Matika Wilbur und der Reiseführer Japan sind meine Langzeitlektüre, davon lese ich immer knapp vier Seiten pro Tag. Project 562 wurde von Reservation-Dogs-Hauptdarstellerin Devery Jacobs empfohlen. Ein toller Fotoband mit viel Text, in dem faszinierende Menschen aus allen möglichen Tribes/Nations des nordamerikanischen Kontinents vorgestellt werden und auch selbst zu Wort kommen.

Fünf Bücher in einem Bücherregal vorne liegend mit den Buchrücken nach vorne übereinander gestapelt, von groß unten bis zum kleinsten oben: "Das Klima Buch" von Greta Thunberg", "Pageboy" von Elliiot Page", "Das Labyrinth der Lichter" und "Das Spiel des Engels" von Carlos Ruiz Zafon sowie "Japan für die Hosentasche "von Francoise Hauser.

Und dieser Stapel an Bücher ist auch noch kurz vorm Urlaub hier eingetroffen, auf die Lektüre freue ich mich bereits. Der Schatten des Windes habe ich vor ca. 20 Jahren schon mal gelesen, den Rest der Reihe nie. Erneut Lust darauf bekommen habe ich durch eine Arte-Doku über Zafons Barcelona. Den Reread vom Schatten habe ich kürzlich beendet und fand das Buch noch genauso gut wie damals.

Seit Anfang Juni gehe ich mit meiner Mutter dreimal die Woche für eine Stunde ins Freibad, wo wir unsere Bahnen schwimmen. Meist morgens um 9.00 Uhr, wenn das Schwimmbad aufmacht. Als wir damit anfingen, war tolles Sommerwetter, zwischenzeitlich sind wir auch mal bei 12 Grad Außentemperatur und Regen ins Becken. Ist für mich das erste Mal seit 8 Jahren, dass ich wieder im Schwimmbad war. Hatte schon befürchtet, ich hätte die Schwimmtechniken verlernt, die ich früher in der Schule in insgesamt drei Halbjahren Schwimmunterricht gelernt habe. War aber zum Glück nicht der Fall. Auf die Idee kam ich, als ich während einer meiner wöchentlichen Radtouren mit meinem Vater am Schwimmbad vorbeifuhr und über das relative leere Sportbecken erstaunt war. Ins Freibad gehen, um dort auf der Wiese zu liegen, ist nichts für mich, rein ins Becken, Bahnen schwimmen und wieder raus aus dem Schwimmbad. Aufgrund des teils sehr schlechten Wetters und der geringen Wassertemperatur (manchmal nur 19 Grad) hatten wir aber auch schon mal nachmittags das Becken für uns ganz alleine, obwohl die Sonne dann rauskam.

Eine Woche, bevor mein Vater gestorben ist, habe ich mir noch ein neues Mountainbike gekauft, weil mein altes über 20 Jahre alt ist und ich ihm nicht mehr so ganz vertraut habe. Ich habe es extra für unsere gemeinsamen Touren gekauft, wir waren noch zusammen im Fahrradgeschäft, zum gemeinsamen Einsatz kam es aber nicht mehr. Jetzt fahre ich alleine.

Serien

Filme hab ich in den Wochen nach dem Tod meines Vaters kaum gesehen (und auch wenig gelesen), dafür haben mir – neben der Arbeit – Serien durch die Zeit geholfen. Zunächst die 2. Staffel von Shameless, deren Mischung aus bösem Humor und ernsthaftem Drama über prekäre Lebensverhältnisse für mich genau den richtigen Ton getroffen hat. 2013 hatte ich meine Diplomarbeit über die Serie geschrieben, mit dem Titel Die Darstellung von Armut und Unterschicht in amerikanischen Serien und Sitcoms (oder so ähnlich). Den Begriff Unterschicht würde ich heute nicht mehr verwenden.

Weiter ging es mit der vierten Staffel von Lost, die fand ich bei Erstausstrahlung total faszinierend, spannend und geheimnisvoll mit diesem Fernduell zwischen Ben und Charles Whitmore. Als Ben plötzlich in dessen Schlafzimmer stand, das hatte mich damals vollgepackt. Heute finde ich die Staffel immer noch gut, aber nicht mehr so stark wie damals, was wohl auch am Wissen über den weiteren Verlauf der Serie liegt.

Und endlich gesehen habe ich jetzt die 1. Staffel von Yellowstone. Auch wenn Schöpfer Tyler Sheridan sie als Der Pate mit Pferden bezeichnet (ich vermute, er meint komplette Pferde), hätte ich nicht gedacht, dass sie so düster und brutal ist. Kaum eine Folge ohne massive Gewaltausbrüche. Hatte doch mehr etwas Richtung Dallas oder Denver-Clan erwartet. Finde sie bisher aber ziemlich gut.

Da demnächst die Realverfilmung auf Netflix anläuft, habe ich kürzlich die 1. Staffel von One Piece angefangen, und mag sie so weit sehr. Vor allem die fröhliche Unbekümmertheit von Monkey D. Ruffy und die rasante Inszenierung im kreativen Chaos. Was die Netflix-Adaption angeht, erwarte ich eher eine Gurke á la Cowboy Bebop.

Filme

In meiner ersten Urlaubswoche habe ich mir dann ganz viele Filme angesehen.

Decisions to Leave (Heeojil gyeolsim)

Stilistisch und formell wieder eine einzigartige Meisterleistung von Park Chan-wook, doch inhaltlich konnte mich der Film nur teilweise abholen, was vermutlich daran liegt, dass ich – trotz eines Faibles für Noir-Geschichten – mit Femme-Fatale-Stories nicht mehr viel anfangen kann. Trotzdem ein sehenswerter Film mit zwei cleveren Kriminalfällen.

And Your Bird Can Sing (Kimi no tori wa utaeru)

Japanischer Film über drei junge Menschen aus Hakodate, die zusammen eine schöne Zeit miteinander verbringen, während sie sich etwas ziellos durchs Arbeitsleben treiben lassen. Junges, erfrischendes Kino, das nichts Besonderes erzählt, aber Spaß macht. Schön melancholisch. Gibt es beim JFF noch bis Oktober kostenlos zu streamen.

Die Frau, die rannte (Domangchin yeoja)

Koreanischer Film über eine Frau, die nach vielen Jahren (einzeln) drei Freundinnen von früher wieder trifft und mit ihnen jeweils lange Gespräche führt, die nur immer wieder von nervigen, anhänglichen und unangenehmen Männern unterbrochen werden. Hat mit 70 Minuten genau die richtige Länge. Von Hong Sang-soo (One The Beach At Night Alone). Gibt es bei Mubi.

Lonely Glory (Watashi no miteiru sekai ga subete )

Sehr schöner kleiner Film über vier Geschwister, die sich nach dem Tod der Mutter um den Nachlass der Eltern kümmern müssen, zu dem ein Lebensmittel- und Udon-Laden gehört, in dem zwei von ihnen noch immer arbeiten, während die Business-Schwestern ihn verkaufen möchte, um das Geld für ein Start-up zu verwenden. Liefert einfühlsame Einblicke in das Alltagsleben jenseits der Großstadt, wo sich die Menschen noch um einander kümmern. Gibt es beim JFF noch bis Oktober kostenlos zu streamen.

Inferno

Endlich diese Bildungslücke geschlossen. Klassischer guter Argento mit atmosphärisch dichten und eleganten Einstellungen, einem tollen Soundtrack und einer gewohnt rudimentären Handlung.

Eher mittelprächtig fand ich Heart of Stone, ein typisches Action-Star-Vehikel von Netflix mit Gal Gadot, das zwei, drei nette Actionszenen und Landschaftsaufnahmen hat, ansonsten aber viel zu generisch mit schlechtem CGI daherkommt. Einen Punkt Abzug gibt es auch noch für Matthias Schweighöfer, einen Punkt dazu ber wieder für Alia Bhatt. Wenn Netflix-Film, dann aktuell lieber They Cloned Tyrone, der ist wirklich originell, spaßig inszeniert, mit drei tollen Hauptdarsteller*innen.

Crimes of the Future ist ein typischer Cronenberg, der an frühere Werke anschließt, mich mit seinem Setting aber nicht so ganz überzeugen konnte. Plätschert so vor sich hin, auch wenn er ein paar faszinierende Ideen hat.

Gut fand ich noch She Said von Maria Schrader über die Weinstein-Enthüllungen der New York Times, weil er zeigt, wie wichtig guter Investigativjournalismus ist und wie er funktioniert, aber auch wie das Patriarchat funktioniert und Missbrauch systematische stattfindet, begünstigt und vertuscht wird. Kann aber nicht ganz mit Spotlight mithalten.

Ausblick

Dokus werde ich demnächst in einem gesonderten Beitrag vorstellen, da ich einige interessante gesehen haben, die Fülle aber hier den Rahmen sprengen würde. Ansonsten hoffe ich ich, dass ich demnächst wieder regelmäßiger bloggen und Bücher besprechen werde. Auf Twitter/X werde ich nichts mehr posten und verlinken, aktuell findet ihr mich nur bei Facebook und Mastodon.