Mit dem dritten Programm feiert Fischer Tor einjähriges Bestehen (zum runterladen Link anklicken) und trotz des sehr gelungenen Einstands mit den ersten beiden Programme zeigt der Verlag, dass man sich nicht mit dem bereits Geschaffenen zufriedengibt, sondern strebt nach weiteren Variationen, nach Abwechslung und Neuerungen. Einiges davon dürfte so manchen Leser überraschen, wie der Perry Rhodan-Roman von Andreas Eschbach, der für 2019 angekündigt ist, die neue Fantasytrilogie von Bernhard Hennen (Frühjahr 2018, noch nicht hier im Programm), ein John Sinclair-Roman von Denis Erhardt und auch John Scalzis neuer Roman ist dabei.
Science Fiction
Blade Runner von Phillip K. Dick wird passend zur Filmfortsetzung Blade Runner 2049 in neuer Übersetzung von Manfred Allié erscheinen. Ich habe das Buchs schon in der schicken orangefarbenen Nadelstreifenausgabe von Heyne im Regals stehen. Im Vergleich dazu finde ich das neue Cover ehrlich gesagt furchtbar.
Kollaps von John Scalzi; da wird man bei Heyne bestimmt keine Freudensprünge gemacht haben, als man dort erfuhr, dass der Autor, dessen Bände bisher alle dort erschienen sind, zur Konkurrenz gewechselt ist. Aber so ist das Geschäft. Die deutschsprachigen Fans kann ich beruhigen, auch dieses Buch wird von Bernhard Kempen übersetzt. Ich habe von Scalzi bisher nur Krieg der Klone gelesen, das ich ganz unterhaltsam fand, wobei es mich aber nicht so stark motiviert hat, noch mehr von ihm zu lesen. Auf dem Schirm hatte ich ihn zwar immer, aber plötzlich waren dann schon so viele weitere Bücher erschienen, dass es mich eher abgeschreckt hat.
Band 1 von Die Androidin habe ich gerade angefangen, allerdings aktuell auf Eis gelegt, da ich nächste Woche Urlaub in Paris mache und gerade ein ganz tolles und sehr dickes Sachbuch über die Stadt von Thankmar von Münchhausen lese. Aber wenn ich zurück bin, werde ich weiterlesen, da mich das Cyberpunkszenario im Weltraum durchaus interessiert. Im Oktober wird allerdings schon Band 3 Weg in die Freiheit erscheinen. Also drei Bände mit jeweils um die 600 Seiten innerhalb von einem halben Jahr. Selbst wenn mir Band 1 gefällt, wird es sicher lange dauern, bis ich weiterlesen werde, da mir das zu viel auf einmal wäre. Ich brauche mehr Abwechslung bei meiner Lektüre und lese selten mehr als ein Buch pro Autor im Jahr. Aber da bin ich als Leser eher eine Ausnahme, die meisten dürfte es freuen, dass die Reihe so schnell hintereinander verlässlich erscheinen wird.
Becky Chambers‘ Debütroman Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten hat mich im letzten Jahr schwer begeistert. Kaum ein SF-Roman hat mich in den letzten Jahren so bewegt. Da ist der nächste Band im Wayfarer-Universum – dessen Hauptfigur allerdings die Technikerin Pepper sein wird, die nicht zur Crew des Tunnelbauschiffs gehört und im ersten Band nur eine Nebenrolle hatte – natürlich Pflichtlektüre.
Zwischen den Genres
Bewegt sich G. Willow Wilson mit Alif der Unsichtbare, ein SF-Hackerroman in arabischem Setting á la Tausendundeine Nacht mit Urbanfantasyeinschlag. Alif the Unseen habe ich bereits 2012 im Original begeistert gelesen und schon nicht mehr daran geglaubt, dass das ungewöhnliche Buch noch auf Deutsch erscheinen würde. Großes Lob an Fischer Tor, dass sie sich trauen, was kein anderer deutscher Verlag sich traute.
Fantasy
Nevernight: Die Prüfung von Jay Kristoff. Zur Originalausgabe sind mir schon einige positive Stimmen begegnet. Auch wenn der Klappentext über Verschwörungen unter Mächtigen und ein Mädchen, dass zur Assassinnin ausgebildet wird, noch recht gewöhnlich klingt, aber es kommt ja auch drauf an, wie eine Geschichte geschrieben ist. Erscheint übrigens als Hardcover. Habe ja schon in meinen Beitrag zu Knaur erwähnt, dass ich das für recht gewagt in der Fantasy halte.
Die Legende von Shikanoko von Lian Hearn sagt mir gar nicht, aber ihre Saga um den Clan der Otori (Carlsen) ist mir natürlich ein Begriff, auch wenn ich sie noch nicht gelesen habe. Warum eigentlich nicht? Ich stehe doch total auf Japan und Samurais. Herrscher der acht Inseln ist der Auftakt zu einer Reihe, von der bereits drei Titel im Original erschienen sind. Allerdings mit jeweils zwischen 200 bis 300 Seiten. Da diese Übersetzung hier 600 Seiten hat, vermute ich, dass man zwei englischsprachige Bände in einem zusammengefasst hat. Band 2 ist für Frühjahr 2018 angekündigt. Nachtrag: Jetzt wo ich das Cover hier sehe, ohne den hässlichen Aufkleber von Fischer Tor, fällt mir erst auf, dass es gar nicht dort erscheint, sondern bei Fischer Sauerländer. Steht aber im Programm bei Fischer Tor.
Am Fluss der Sterne von Guy Garvriel Kay spielt in derselben Welt wie Im Schatten des Himmels (habe ich schon angefangen und muss mal dringend weiterlesen), ist aber ebenso ein abgeschlossener und alleinstehender Roman. Ich hoffe doch sehr, dass Kay genügend Leser finden wird, damit noch mehr von ihm auf Deutsch veröffentlicht wird.
Mit Verzauberung der Schatten erscheint Band 2 der Weltenwanderer-Trilogie von V.E.B. Schwab, deren erste Band Vier Farben der Magie gerade erschienen ist. Steht auch auf meiner Leseliste (aber die ist ja bekanntlich viel zu lang, um alles zu schaffen, was darauf steht). Abgeschlossene Einzelbände haben bei mir eine höhere Priorität, scheint aber eine ganz interessante historische Urban Fantasy zu sein.
Und dann wäre da noch Band 3 der Völkerkrieg-Trilogie von Bernd Frentz.
Horror
Als ich im Februar beim Programmchef im Büro stand und das Cover zu Sinclair von Dennis Erhardt an der Wand hängen sah, dachte ich, meinen Augen nicht zu trauen. Fischer Tor, mit dem wohl zurzeit anspruchsvollsten Phantastikprogramm auf dem deutschsprachigen Buchmarkt, und dann ein Roman zur trashigen Heftromanserie John Sinclair von Jason Dark! Aber warum nicht? Wenn man sich als neuer Verlag mit neuem Programm auf dem Markt festigen möchte, muss man sich möglichst breit Aufstellen und unterschiedliche Sparten abdecken. Da reicht es nicht, nur ungewöhnliche, möglichst originelle Titel zu bringen, die teilweise vielleicht nur von einigen Liebhabern wie mir gelesen werden, man muss auch andere Käuferschichten ansprechen. Zu den Romanen (Band 2 ist im Programm auch schon angekündigt), wird es auch ein Hörspiel von Dennis Erhardt geben, der ja schon viel Erfahrung mit der Inszenierung von John Sinclair hat, und den ich vor allem durch seine Adaption der Elfen-Romane von Bernhard Hennen und Dorian Hunter kenne. Da werde ich eher den Hörspielen eine Chance geben, in Buchformist John Sinlclair nichts für mich. Man merkt, ich bin nicht mit Heftromanen großgeworden (auch mit Perry Rhodan kann man mich jagen).
Und dann erscheint da noch ein ganz besonderes Schmuckstück: H. P. Lovecraft das Werk. Dabei handelt es sich um den aufwendigen Band The New Annotated Lovecraft, herausgegeben von Leslie S. Klinger. Ein wahrer Prachtband (ich habe das Original letztens mal durchgeblättert) mit zahlreichen Illustrationen, Fotografien und Anmerikungen, sowie einer Neuübersetzung durch Andreas Fliedner und Alexander Peschmann. Da ich erst kürzlich Andreas Fliedners exzellente Übersetzung von Der Fall Charles Dexter Ward gelesen habe, vermute ich mal, dass sich dieser Band auch für Lovecraft-Kenner lohnt. Geht mit 68 Euro natürlich ganz schön ins Budget, aber für Bibliophile ist diese Ausgabe vermutlich ein Muss.
Fazit
Als freier Mitarbeiter von Tor Online stehe ich dem Verlag natürlich nahe, aber ich habe ja auch schon für Cross Cult, Knaur und Heyne übersetzt. Ist man in der Branche berufliche tätig, ist es manchmal schwer, zwischen Beruf und Fans-sein bzw. dem privaten Lesen zu trennen. Meine Kommentierungen der Verlagsvorschauen versuche ich aber rein aus Lesersicht zu schreiben (und spare da auch nicht mit Kritik), und vor allem in Bezug auf meinen eigenen Lesegeschmack. Und was das angeht, gefällt mir das Progamm von Fischer Tor aktuell einfach am Besten. Während alteingesessene Verlage wie Blanvalet oder Piper etwas in ihrer Routine gefangen zu sein scheinen und wenig Aufregendes im Programm haben, wagt sich Fischer Tor immer wieder an interessante und gewagte Titel ran, die häufig durch Originalität und einen gewissen Anspruch punkten. Wie z. B. Alif der Unsichtbare oder die Lovecraft-Gesamtausgabe. Sicher gibt es auch Titel im Programm, die mich jetzt nicht so interessieren, wie die Völkerkrieg-Trilogie von Bernd Frenzen z. B. (wobei Band 1 bei mir im Regal steht), und es gibt auch Bücher, die mir nicht so gefallen haben, wie zum Beispiel das in diesem Monat erscheinende Die Überfahrt von Mats Strandberg, aber insgesamt begeistert mich die Mischung aus eher flotten Unterhaltungstiteln, originellen Werken und anspruchsvolleren Sachen, die eine große Abwechslung bietet. AutorInnen mit mehrbändigen Reihen werden konsequent gepflegt, ohne, dass man vergisst, immer wieder neue Namen mit ins Programm zu nehmen. Bei den vielen Raschen Fortsetzungen beseht natürlich die Gefahr, dass Leser, die mit den ersten Bänden nichts anfangen können, bald sagen, dass für sie nichts Interessantes im Programm sei, aber allen kann man es auch nicht recht machen. Und es gibt ja genügend eigenständige Bücher im Programm.
Für mich persönlich ist das Programm von Fischer Tor, das, an dem ich alle anderen Verlage messe (die teilweise auch sehr interessante Titel im Programm haben, wie z. b. Knaur, Heyne und Cross Cult).
P.S. schade, dass diese hässlichen gelben und grünen Tor-Flatschen mitten auf den meist schönen Covern prangen.