Meine Woche 25.02.2023: Time War on Planet Sex

In Planet Sex erkundet Cara Delevingne die zahlreichen Facetten menschlicher Sexualität und Identität, gelesen habe ich This Is How You Lose The Time War und Gute Nacht, Tokio, außerdem feiern meine SFF News sechsjähriges Jubiläum und ich erzähle, wie das Otherland Berlin mein Leben verändert hat.

Am Anfang der Woche frage ich mich immer, wie ich überhaupt eine Ausgabe meines Wochenrückblicks mit Material vollbekommen soll, das ich auch nur halbwegs interessant finde. Am Ende bin ich dann ganz erstaunt, dass es doch wieder fünf Seiten geworden sind (und ich meist noch Sachen weglasse, damit es nicht zu viel wird). Ich sammel das Material die ganze Woche über und schreibe zwischendurch immer wieder an den einzelnen Teilen, das Meiste entsteht aber doch erst kurz vor Veröffentlichung auf den letzten Drücker. Denn in der Woche ist mein Arbeitspensum momentan so hoch, dass mir dafür die Zeit fehlt und nach Feierabend oft die Energie.

So langsam bekomme ich aber mit, dass es bei jeder Ausgabe ein paar Leute gibt, die interessante Tipps zu Serien, Filmen uns sonstigem mitnehmen. Was mich natürlich besonders freut und Motivation gibt, mit dem Wochenrückblick weiterzumachen. Und insgesamt verbringe ich dadurch auch weniger Zeit in den sozialen Medien, weil ich da nicht mehr über alles, was hier reinkommt, noch mal extra poste.

Doku-Serie

Planet Sex with Cara Delevingne

Auf der Suche nach sexueller und geschlechtlicher Identität begibt sich die Schauspielerin Cara Delivingne auf eine Reise um die Welt, wo sie zahlreiche faszinierende Menschen kennenlernt, die meist aus dem fallen, was als sogenannte gesellschaftliche Norm gilt. Eine Norm, die oft mit Zwang und Repression durchgesetzt wird, manchmal auch nur mit indignierten Blicken. Daneben besucht sie auch Wissenschaftlerinnen, die die menschliche Sexualität in all ihren Facetten erforschen, ob auf neurologische oder biologische Weise.

Thematisch ist die Serie insgesamt gut strukturiert, wirkt manchmal aber etwas hektisch geschnitten, was gut zur hibbeligen Cara Delivingne passt, die keine Einstellung auf der Straße durchhält, ohne herumzualbern, insgesamt aber sehr sympathisch rüberkommt. Und viel auf ihre eigenen Erfahrungen und Schwierigkeiten bei der Findung einer Sexualität eingeht. Sie lässt sich Blut abzapfen, Spucke einsammeln, ein MRT von ihrem Gehirn beim Betrachten ihrer Ex-Partner*innen machen und ihren Orgasmus beim Masturbieren messen.

Sie besucht die aktivistische Pornofilmerin Erika Lust, die nach ethischen Standard Filme jenseits des pornoindustriellen Male Gaze filmt. Eine lesbische Sexparty in L. A., trans- und intersexuelle Personen, eine Gruppe polyamorös lebender Menschen, das schwule Museum in Berlin uvm.

Ich habe es mir inzwischen abgewöhnt, Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Ich kommentiere keine Kleidung mehr und finde niemanden hässlich. Was Menschen hässlich macht, ist ihr Verhalten, wie sie sich geben und andere Menschen behandeln. Delevingnes sechsteilige Doku-Serie ist ein Plädoyer genau dafür, das mit viel Empathie dafür wirbt, Menschen mit ihrer Sexualität und Identität so zu akzeptieren, wie sie sind und wie sie sich fühlen. Sie zeigt auch, wie langweilig rein binäre Geschlechtsvorstellungen und das konservative Familienbild sein können; wie sehr vieles davon aus patriarchalen Machtstrukturen erwachsen ist. Und wie viel aufregender Menschen, Sexualität, Geschlechtsidentitäten und Beziehungsmodelle eigentlich sind, vor allem, wenn sie sich frei entfalten können.

Gibt es im Stream bei RTL+ (Originaltonspur aber nur im Max-Abo)

Lektüre

This Is How You Lose The Time War | Amal El-Mohtar u. Max Gladstone

Liest sich anfangs, als hätte Harlan Ellison einen Doctor-Who-Roman geschrieben, in seiner Radikalität, Abstraktheit und Härte. Doch durch den Briefwechsel zweier Zeitagentinnen, Red und Blue, die für die Agency und den Garden auf zwei unterschiedlichen Seiten eines Zeitkrieges stehen, gewinnt die Geschichte durch die wachsende Nähe der beiden zueinander, bald eine neue emotionale Ebene, die trotz der Rick and Morty mäßigen apokalyptischen Parallelwelt-Hopsereien etwas sehr Zärtliches hat. Die Geschichte wird, auch wenn sie zwischendurch manchmal etwas repetitiv wirkt, zu einem gelungen und runden Ende geführt. Eine wirklich außergwöhnliche Science-Fiction-Novelle, die vor allem mit der Konsequenz ihrer Umsetzung und dem herausragenden sprachlichen Stil punktet.

Auf Deutsch ist das Buch unter dem Titel Verlorene der Zeiten in der Übersetzung von Simon Weinert bei Piper erschienen.

Gute Nacht, Tokio | Atsuhiro Yoshida

Auf lesenswelt.de gibt es jetzt meine Besprechung von Atsuhiro Yoshidas Roman Gute Nacht, Tokio, der wunderbar melancholisch und entrückt von Nachtschwärmern und Menschen erzählt, die beruflich nachts unterwegs sind.

Tor Online

Otherland Buchtipps

Als ich 2004 erstmals nach Berlin reiste, um einen guten Freund zu besuchen, war meine erste Anlaufstelle die Ufo-Buchhandlung. Für mich, der als großer Phantastikfan bis dato nur Provinzbuchhandlungen mit schmalen Fantasy- und SF-Regalen kannte, fühlte es sich wie die Ankunft im gelobten Land an. Nach stundenlangem Stöbern kaufte ich mir Der marsianische Zeitsturz von Philip K. Dick, Der ewige Krieg von Joe Haldeman und Bedenke Phlebas von Iain M. Banks und hatte viel Spaß mit den Büchern.

Als ich 2009 nach Berlin zog, wurde ich Stammgast in der Buchhandlung, die sich inzwischen in Otherland umbenannt hat, weil der alte Name zu viel Erich-von-Dänniken-Fans angezogen hat. Dort an der Kasse (damals noch direkt neben der Eingangstür) unterhielt ich mich erstmals mit Hannes Riffel (dem die Buchhandlung damals zusammen mit Birgit Herden gehörte). Und für Hannes’ Verlag Golkonda habe ich dann einige Captain-Future-Romane übersetzt. Und Hannes war es auch, der als Programmchef Fischer Tor und Tor Online aufbaute und mich 2017 mit ins Boot holte. Ich kann also durchaus behaupten, dass ich ohne das Otherland heute beruflich vermutlich was ganz Anderes machen würde. Und ich mache heute beruflich etwas, das mir richtig Spaß macht.

Die Buchhandlung gab Hannes dann irgendwann an Simon, Wolfgang und Jakob ab. Bevor ich 2013 aus Berlin wegzog, konnte ich noch an den ersten Gatherlands teilnehme und bedaure bis heute, dass ich nicht zu den vielen tollen Lesungen und Abenden im Otherland kommen kann. Wenn ich mal in Berlin bin, schaue ich dort aber immer vorbei. Denn das Otherland ist durchaus ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Und deshalb freut es mich umso mehr, dass ich jetzt wieder jeden Monat Buchtipps aus dem Otherland auf Tor Online präsentieren kann:

Wenn der Orden des geheimen Baumes den Schlüssel der Magie findet, wird Ardor Benn zur Druidendämmerung tausend Tode im Königreich der Lügen sterben müssen. Die Buchtipps Februar: Fantasy.

SFF News

Meine SFF News auf Tor Online feiern diesen Monat sechsjähriges Jubiläum. Als ich vor sechs Jahren mit Andy Hahnemann telefoniert, und er mich dazu überredet hat, hatte ich erst gar keine Lust darauf. Ich hatte gerade eine Phase hinter mir, in der ich sechs Monate lang nur Bücher aus Frankreich und keine Phantastik gelesen habe, und Blockbuster á la Marvel und Star Wars hingen mir auch damals schon mit ihrer toxischen Nostalgie zum Hals raus. Und darüber sollte ich dann dreimal die Woche berichten …

Ich bin froh, dass ich mich dann doch dafür entschieden habe. Denn das hat mir nicht nur ein festes Grundeinkommen beschert, sondern auch eine gute Vernetzung in der professionellen Phantastik-Verlagswelt. In Folge schrieb ich zahlreiche Artikel für Tor Online, übernahm 2020 das CMS-Management und letztes Jahr auch die Chefredaktion.

Als ich mit den SFF News loslegte, hieß es, wir schauen erst mal, wie sie laufen. Ich dachte nicht, dass ich das auch nur sechs Monate lang machen würde, bevor sie eingestellt werden. Und jetzt sind es sechs Jahre.

Anfangs erschienen sie tatsächlich dreimal die Woche, was ziemlich stressig war, ständig ausreichend meldenswerte News zu finden. Irgendwann wurden sie auf zwei Ausgaben in der Woche gekürzt, was angenehm und passend war. Nach einigen Umstrukturierungen (sprich Entlassungen) in der Fischer-Tor-Redaktion dann auf eine Ausgabe in der Woche. Mir persönlich ist das ganz recht, weil es mir reicht, einmal in der Woche, Material für die News zu sammeln. Aber eigentlich ist es eine Ausgabe zu wenig, mit den News auch wirklich aktuell zu bleiben. Früher habe ich teilweise noch mit der Veröffentlichung gewartet, wenn ich wusste, dass am gleichen Nachmittag der neue Star-Wars-Trailer online geht, um ihn dann praktisch in Echtzeit auf der Seite zu haben. Heute ist es eher ein Newsletter, der die in meinen Augen interessantesten News aus der Welt der Phantastik zusammenfasst.

Die Blockbuster als Aufmacher haben lange für gute Klickzahlen gesorgt, aber ich war immer bestrebt, auch kleine News abseits von Mainstreamthemen zu bringen. Infos zu interessanten Lesungen, Ausstellungen, Theaterstücken, kleineren Filmen oder Kurzfilmen. Und natürlich Neuigkeiten aus dem deutschsprachigen Phantastik-Fandom.

Während der Pandemie war zu sehen, wie die Reaktionen auf Facebook und Twitter von Monat zu Monat weiter zurückgingen. Von den Likes- und Klickzahlen von damals können wir nur noch träumen. Ob das allein am Inhalt liegt, ich weiß es nicht, glaube es aber nicht. Los ging es zwar, als die großen Kinofilmen mit ihren Trailern ausblieben, aber vor allem dürften Reichweiteneinschränkungen von Facebook eine Rolle spielen, die halt wollen, das wir für mehr Reichweite auch zahlen.

So lange sie noch halbwegs funktionieren und noch finanziert werden, mach ich mit den SFF News weiter.

Die aktuellen SFF News

#SFFnews🗞️ Was haltet ihr von der Netflix-Serie Shadow and Bone? Jetzt gibt es einen Trailer zur 2. Staffel. Außerdem in unseren News: Theresa Hannig über per KI generierte Geschichten, Clarksworld Magazine nimmt deswegen keine Einreichungen mehr an, die Legenden der Drachenlanze im Rückblick und eine traurige Meldung zu Leiji Matsumoto.

Foto der Woche

Bei solchem Besuch an meinem Fenster halte ich doch gerne kurz mit der Arbeit inne.

Eichhörnchen schaut zum Fenster rein.

Ausführliche Besprechung zu „The Weave“ von Nancy Jane Moore

In meiner Kurzkritik vom September 2015 schrieb ich:

Gut geschriebener Erstkontaktroman über eine wissenschaftlich/militärische Expedition, die auf einem fernen Planeten auf ein Volk stößt, das ausschließlich telephatisch in Bildern kommuniziert, was zu einigen Verständigungsproblemen führt. Ganz zu schweigen davon, dass das Militär den mit angeblich primitiven Wilden besiedelten Planeten in bester kolonialer Tradition ausbeuten möchte, was dazu führt, dass es in der insgesamt eher ruhigen Handlung noch so richtig kracht. Hat mir sehr gut gefallen. Ein wenig musste ich an etwas ältere SF wie Poul Andersons Planetenwanderer denken, aber auf dem neuesten Stand der Technik. Ich hoffe sehr, dass der Roman einen deutschen Verlag finden wird.

Auf der Homepage der besten Buchhandlung der Welt (innnn Berlin) – dem Otherland – kann man jetzt eine etwas ausführlichere Besprechung von mir lesen. Ein Besuch auf dieser Seite lohnt sich sowieso, da dort regelmäßig interessante Titel von Experten und Liebhabern der Phantastik besprochen werden. Auch den Newsletter, der schon fast den Charakter eines monatlichen Phantastikmagazins hat, kann ich nur empfehlen. Man kann im Otherland übrigens auch auf dem Postweg bestellen. 😉