„Gates of Stone“ von Angus Macallan

Eine Mischung aus Military- und High-Fantasy mit Abenteuercharakter in einem Setting, das an Südostasien während des 18. Jahrhunderts erinnert. Also auch Flintlockfantasy mit Musketen und Kanonen, die eine wichtige Rolle spielen. Im Fokus stehen leicht verfremdet die Länder und Kulturen von Indonesien, China, Indien und Russland. Es gibt vier Protagonistinnen, denen wir abwechselnd in den Kapiteln bei der Verfolgung ihrer Ziele folgen.

Darunter der Khaleesi-Veschnitt Katharina, die noch keine 18 ist, aber schon rücksichtlos ambitionierte militärische Ziele verfolgt. Der versnobte Adlige Jun, der bei einem Überfall seine Heimat verliert, den Verantwortlichen dafür jagt und an den Herausforderungen seiner neuen Situation wächst. Dazu noch ein Händler, der als doppelt und Dreifachagent für verschiedene Parteien im Machtkampf agiert, aber eigentlich nur seine Schulden begleichen will und ein Magier, der sieben Artefakte sucht, um die Tore zur Hölle zu öffnen.

Der eigentliche Plot ist also eine ziemlich klassische Mischung, gut inszeniert und geschrieben. Der Star des Buchs ist aber das Setting. Macallan ist Anthropologe und hat über lokale Magiemythen in Indonesien geforscht. Magie wird im Buch zunächst dezent eingesetzt, bekommt dann aber eine immer wichtigere Rolle. Auch verschiedene Religionen sind von Bedeutung. Trotzdem hält er sich mit philosophischen Betrachtungen und Tiefgang zurück.

Gates of Stone ist ein auf den Punkt geschriebenes rasantes Abenteuer, bei dem die Action im Vordergrund steht, die Figuren immer in Bewegung sind, es aber nie gehetzt wirkt. Ein sehr unterhaltsames Buch mit interessanten Figuren und vor allem faszinierendem und abwechslungsreichem Setting. Eine Schande, dass es auf dem englischsprachigen Buchmarkt so wenig Beachtung gefunden hat.

Das Buch endet jetzt auch nicht mit einem großen Cliffhanger. Die Figuren haben erste Etappenziele erreicht, der Grundstein für eine Fortsetzung ist gelegt, aber man kann es durchaus auch für sich lesen. Wobei es mich schon freuen würde, einen weiteren Band zu lesen.

Aktuelle Musik, die mich begeistert (1/x)

Es gibt eine Studie von 2018, nach der bei den Deutschen mit dem 31. Lebensjahr musikalischer Stillstand eintreten soll. Also, dass man ab dann keine neue Musik mehr für sich entdecke. Es war, glaube, ich Douglas Adams, der mal gesagt haben soll, alles, was nach dem 30. Lebensjahr erschaffen wird, würde man scheiße finden, oder so ähnlich (kann das Zitat nicht mehr finden).

Ich kenne tatsächlich viele Menschen in meinem Alter (bin 41) und darüber, die musikalisch nur das Zeugs von früher hören. So eine Phase hatte ich auch. Für einige Jahre haben ich nur neue Musik gehört, wenn sie von Musikern kam, die ich schon im alten Jahrtausend oder vor meinem 30. Lebensjahr gehört habe: Nick Cave, Radiohead, Faith No More usw. Da hatte ich auch dieses Gefühl, dass keine gute neue Musik mehr erscheint. Was natürlich Bullshit ist. Das nennt man wohl Altwerden.

In den letzten Jahren und vor allem in der letzten Zeit hat sich das stark geändert (Midlife-Crisis?), und ich entdecke immer wieder tolle neue Musik, vor allem von Musikerinnen. Schaue ich auf meine CD-Sammlung, findet sich dort zu 80% Musik von Männern. Die Ausnahmen sind Björk (von der ich schon immer jedes neue Album gekauft habe), Tori Amos, Fiona Apple und vereinzelte CD von Sängerinnen wie Jewel, Nelly Furtado; Yael Naim oder Shakira.

Mein Musikgeschmack vor dem 30. Lebensjahr bestand zu 70% aus Rockmusik. Erstaunlicherweise entdecke inzwischen kaum noch neue Rockmusik für mich, sondern vor allem poppigere Sachen, die ich als junger Mann nie gehört hätte. In seinem Video What Killed Rock & Roll?? vertritt Rick Beato die These, dass das Verschwinden der Blues-Einflüsse dafür verantwortlich sei.

Und er hat nicht ganz unrecht. Schaut man sich die Headliner der großen Rockfestivals der letzten Jahre, finden sich dort fast ausschließlich Bands aus dem letzten Jahrtausend: Foo Fighters, Metallica, System of a Down, Green Day, Tool, Rammstein, Slpknot, Muse, Black Sabbath, Kiss usw. Während bei Hip-Hop-Festivals vor allem aktuelle neue Musiker headlinen.

Es gibt natürlich immer noch gute neue Rockmusik, aber diese Bands erhalten keine Aufmerksamkeit und gehen, wie man auf den Postern zu Rockfestivals sieht, im Kleingedruckten unter, während die Rock-Dinosaurier immer noch das Geschäft dominieren. Und es sind natürlich die Fans, die immer nur ihre alten Helden mit den alten Hits hören wollen, während sich die neueren Generationen anderen Musikgenres zugewandt haben (die Spotify-Charts sind eindeutig). Software wie Autotune und Melodyne haben mit der einhergehenden digitalen Perfektion der Musik im Studio sicher auch ihren Beitrag geleistet. Zeichnete sich die Musik vor den 2000ern noch durch ihr menschliches Element aus, das für kleine Nuance sorgte, die den Sound „imperfekt“ und eigen machte, und für Blues essenziell ist.

So viel dazu, warum meine Generation+ nicht viel mit aktueller Musik anfangen kann. Kommen wir zum Positiven: der neuen tollen aktuellen Musik

Billie Eilish

Auf dem Radar habe ich Billie Eilish schon seit ca. 2. Jahren, fand sie schon immer originell, konnte aber zunächst nichts mit ihrem „breathy“ Gesang anfangen. Erst durch Reaction-Videos von Vocal-Coaches bin ich darauf aufmerksam geworden, wie viel Kunstfertigkeit und Können in ihrer Art zu singen steckt. Was mich dazu gebracht hat, mich näher mit den einzelnen Songs auseinanderzusetzen. Für manche, wie My Future, habe ich etwas länger gebraucht, bis sie mir gefallen haben, dann aber so richtig. Andere, wie All The Good Girls Go To Hell, mochte ich vom ersten Ton an.

Eilishs Song (produziert von ihrem Bruder Finneas) klingen poppig genug, um erfolgreich zu sein, und bei den Grammys abzuräumen, haben aber doch etwas ganz Eigenes, Kantiges, dass sie vom Rest abhebt. Dazu die originellen Videos und Billie Eilishs Auftreten, das offen und ehrlich wirkt. Läuft bei mir seit zwei Wochen in Heavy Rotation und heben meine Laune erheblich.

My Future: Dieser jazzige Sound, die ruhige Melodie, der hervorragende Text, mit dem ich mich auch als 41-jähriger noch gut identifizieren kann: großartig.

Die Uptempo-Musik mit Westcoast-Sound á la Dr. Dre kombiniert mit ihrem typischen Gesang, der hier noch eine Spur lässiger daherkommt, während er ein ernstes Thema behandelt (Klimakrise), machen All The Good Girls Go To Hell zu einem meiner Lieblingssongs von ihr. Mir gefällt aber auch das komplette Album When We All Fall Asleep, Where Do We Go und einige der älteren Songs.

Dass die Lieder auch gut ohne das ganze elektronischen Brimborium funktionieren, zeigen ihre kleinen Liveauftritte, wie hier beim Tiny Desk Concert.

Arlo Parks

Die junge britische Musikerin Arlo Parks ist schon seit ca. 2 Jahren im Gespräch, mir ist sie erst letzte Woche anlässlich der Veröffentlichung ihres Debütalbums Collapsed Into Sunbeams (ein Zitat einer meiner Lieblingsautorinnen Zadie Smith) richtig aufgefallen. Entspannter jazziger Sound mit Trip-Hop-und-Thom-Yorke-Anleihen, dazu ihre Wahnsinnsstimme, die absolut unverkennbar ist. Und Parks ist eine ausgezeichnete Geschichtenerzählerin, wie z. B. Caroline zeigt, über einen Beziehungsstreit auf offener Straße:

Caroline, I Swear To Good I’ll Try

Neben Black Dog ist wohl Hurt mein Lieblingssong von ihr. Der hat den originellsten Sound und den besten Flow des Albums. Depression, Schmerz und schwere Zeiten sind große Themen von Arlo Parks.

Phoebe Brigders

Ihr Album Punisher habe ich erst einmal gehört, kann das noch nicht so gut beurteilen, Kyoto, der Song über die schwierige Beziehung zu ihrem alkoholkranken Vater ist aber großartig und kommt trotz des schweren Themas irgendwie fröhlich daher.

Lorde – Liability

Kürzlich in der zweiten Special-Folge von Euphoria gehört (in der auch Billie Eilishs und Rosalias Lo Vas A Olvidar zu hören war). Hat mich daran erinnert, was für eine tolle Songschreiberin Lorde ist.

Jinjer

Um auch etwas Rockmusik (bzw. Metal) in der Liste zu haben, hier die 2009 in der Ukraine gegründete Band Jinjer, die mit Pisces 2017 einen großen Youtube-Hit hat, den ich hier aber jetzt extra nicht einbette. Lieber das aktuellere Judgement (& Punishment), wo sich Reaggea-Elemente mit dem typtischen Schreigesang von Tatiana Shmayluk abwechseln.

Jelly Roll

Ist vor allem allem als Rapper bekannt, der Themen aus der weißen Unterschicht der USA und aus seinem Leben behandelt. Zwar hat er schon immer auch gute Gesangspart in seinen ausgezeichneten Rap-Parts eingepflegt, aber mit einer so herzzerreißend guten Stimme wie in Save me hat man ihn wohl noch nicht gehört.

To be continued …

Meine Top Ten des Jahres relativ aktueller Filme:

Uncut Gems
The Sun Is Also A Star
Shoplifters
Parasite
Ex Libris: The New York Public Library
The Half of It
The Farewell
Porträt einer jungen Frau in Flammen
Marlina – Eine Mörderin in vier Akten
Ramen Shop

Und als Bonus noch: A Taxi Driver

Knapp verfehlt haben die Liste »Ford vs. Ferrari«, »1917« u. »Joker«, weil ich am Ende lieber den kleineren Filmen den Vorzug gebe. Klassiker im Rewatch wie »Taxi Driver« oder »Arizona Dream« habe ich weggelassen.

Insgesamt habe ich 150 Filme gesehen. Stärkster Monat war der November mit 21, schwächster der September mit 5. Im November begann mein Rewach aller Bond-Filme, gestern kam ich bei »Octopussy« an.

»Uncut Gems« auf Netflix mit Adam Sandler als Diamantenhändler, der sich durch seine Wettsucht immer tiefer in die Scheiße reitet. Neben dem großartigen Sandler und den eleganten und atmosphärisch dichten Bildern auch eine faszinierende Analogie auf die Finanzmärkte.

»The Sun is Also a Star«: Mitreißendes Drama über zwei Jugendliche, die sich in New York kennen und lieben lernen, denen aber nur ein Tag zusammen verbleibt. Toll gefilmt. So schön sieht man New York selten. Durchaus kitschig, aber manchmal sollte man sich die Zeit zum Träumen einfach nehmen.

In »Shoplifters« geht es auf den ersten Blick um Armut – ein Tabuthema in der japanischen Gesellschaft, weshalb man es eher selten im Film sieht –, doch dann bekommt der Film einen Twist, der die Frage aufwirft, was Familie wirklich bedeutet. Sehr warmherzig und bewegend erzählt.

»Parasite« ist thematisch ähnlich gelagert wie »Shoplifters«, geht das Thema aber als böse Satire an. Ist eleganter gefilmt, dafür weniger warmherzig erzählt. Wird dem Hype nicht ganz gerecht, dafür ist er nicht clever genug geschrieben. Trotzdem ein großartiger Film, der zu keiner Sekunde langweilt.

»Ex Libris: The New York Public Library« von Frederick Wiseman ist eine 3 ½-stündige Doku über die öffentliche New Yorker Bibliothek, die viel mehr leistet als nur Bücher auszuleihen. Das steckt ganz viel wichtige Stadtteil- und Sozialarbeit drin. Wiseman begleitet die Mitarbeiter, aber auch die Leitung bei ihrer Arbeit. Faszinierend und erhellend.

»The Half Of It« ist ein wunderbarer Coming-of-Age-Film in erfrischend anderem Kleinstadtsetting mit eher ungewöhnlicher Figurenkonstellation, der zwar ein paar Klischees aufgreift, sie aber stimmig nutzt, um eine warmherzige Geschichte jenseits der üblichen Genreformel zu erzählen.

»The Farewell« über eine junge Frau, hingerissen zwischen zwei Kulturen, die von den USA nach China reist, um sich von ihrer sterbenden Großmutter zu verabschieden, der man dort ihre Krankheit verschweigt, um ihr die letzten Tag leichter zu machen. Feinfühlig erzähltes Drama mit Sinn für Humor.

»Porträt einer jungen Frau in Flammen«, bewegende, zärtliche Liebesgeschichte zweier Frauen in historischem Setting. Großartig gespielt, mitreißend gefilmt, zu keiner Zeit kitschig, aber auch nie unnötig dramatisiert.

»Marlina«: Großartiger indonesischer Film über eine Frau, die in Notwehr ihre Vergewaltiger tötet. Kein Rachethriller, sondern in wunderschönen melancholischen Bildern inszenierte Neo-Italo-Western über Frauen in einer frauenfeindlichen Gesellschaft.

»Ramen Shop«, wunderbar ruhiger Familienfilm über einen jungen Japaner, der in Singapur seinen Kindheitserinnerungen und der Familie seiner Mutter nachspürt. Gleichzeitig auch eine Liebeserklärung an die Esskultur des Landes.

Und als Bonus noch:

»A Taxi Driver«, sehr bewegender Film über einen südkoreanischen Taxifahrer, der 1980 den ARD-Reporter Jürgen Hinzpeter ins abgeriegelte Gwangju fährt, wo das Militär ein Massaker verübt. Beginnt humorvoll, bis einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

Reread: „Die Gärten des Mondes“ von Steven Erikson

Spiel der Götter 1, Originaltitel: Gardens of the Moon Übers. von Tim Straetmann alias Gerd Rottenecker

Ein Reread, bei dem ich das Buch ebenso begeistert verschlungen haben, wie bei der Erstlektüre an Silvester 2006. Und es bleibt auch in der Top 5 meiner liebsten Fantasybücher.

Die Gärten des Mondes trifft meinen Fantasygeschmack perfekt, mit seinem groß angelegten Panorama, den zahlreichen Fraktionen und Figuren, den Göttern, Dämonen und unterschiedlichen Völkern und Rassen (abseits von Tolkien). Eine Welt, in der jeder Stein, jeder Baum und jede jahrtausende alte Ruine Geheimnisse und Mysterien birgt.

Im Prinzip handelt es sich um Military-Fantasy, in der der Feldzug des malazanischen Imperiums gegen die freien Städte und darunter vor allem Darujhistan im Mittelpunkt steht. Und hier im Besonderen die Brückenverbrenner um Sergeant Elster, eine Sabotage-Truppe, die nicht umsonst an die Black Company von Glen Cook erinnert.

Orientierungspunkt 2 sind die Freunde um den Dieb Crokus in Darujhistan, die uns die Geschichte aus Perspektive der zu Erobernden erleben lässt. Hier wechseln wir zu (fast) klassischer Städtefantasy, mit Dieben und Assassinen, die sich gegenseitig über die Dächer jagen, während Armbrustbolzen klackernd von Mauern und Schindeln abprallen und die Juwelen schöner Adelstöchter die verborgenen Taschen beschweren.

Die großen Schlachten spart sich Erikson für spätere Bände auf, die Eroberung von Fahl bekommen wir nur am Rande mit, mit einem großen magischen Gefecht zwischen den Hohemagier*innen des Imperiums und dem Lord von Mondbrut. Kämpfe finden meist in Form von Duellen und in kleinen Gruppen statt, meist im Verborgenen – und sind in der Regel auch relativ kurz. Zwischen den Zeilen knistert die Magie, neben dem Rascheln beim Umblättern der Seite hören wir schwach eine sich drehende Münze.

Es ist schon ziemlich komplex, was Erikson hier entworfen hat, das Figurenarsenal ist riesig, die Fraktionen und ihre Verbindungen und Intrigen untereinander wirken auf den ersten Blick sehr unübersichtlich. Liest man die Kundenbewertungen bei Amazon, ist es einigen Leser*innen auch zu komplex und verwirrend. Aber man kann Erikson nicht vorwerfen, sich übernommen zu haben, denn es fügt sich alles stimmig in einander, aber dafür muss man aufmerksam lesen und eben auch die Folgebände. Denn vieles, was hier im ersten Band angedeutet wird, ist der Grundstein für die weitere Teile, manches wird erst einige Bücher später aufgegriffen, aber alles folgt einem Plan, Erikson hat die Zügel stets fest im Griff.

Es gibt Vorwürfe, seine Figuren wären flach und wenig ausgearbeitet, ich behaupte das genaue Gegenteil. Trotz des riesigen Ensembles gelingt es ihm, fast jeder wichtigeren Figur mit wenigen (okay, bei Kruppe etwas mehr) Worten und Taten einen ganz eigenen Charakter zu verleihen, auch wenn sich manche Figuren in vielen Eigenschaften ähneln. Ich kann aber auch verstehen, wenn man durch die zahlreichen Perspektivwechsel zu den schier unzähligen Figuren keinen Bezug zum Buch aufbauen kann. Manche brauchen halt ein, zwei Bezugspersonen als Anker, wenn es zu viele werden, verliert man als Leser*in den Halt. In den Folgebänden wird das noch schlimmer, da schon in Band 2 wieder ganz neue Figuren auftauchen werden, und die, an die man sich in Band 1 gewöhnt hat, eben nicht. Wer Endlosserien wegen des Soapcharakters liest, ist hier falsch.

Die Gärten des Mondes ist der Auftakt zu einer (wenn nicht der) gewaltigsten und ambitioniertesten Fantasyserien aller Zeiten, die trotz der großen Dinge, die sich ankündigen, doch auf relativ engem Raum stattfindet, mit vielen unvergesslichen und unterhaltsamen Figuren. Für mich ein fast* perfektes Fantasybuch. Und das zweite Lesen hat auf eine ganz ander Weise Spaß gemacht, eben weil ich viele Andeutungen nun einzuordnen wusste.

Wobei ich bei meinem Erstdurchgang von Malazan nicht über House of Chains hinausgekommen bin. Da hatte ich den Fehler gemacht, von Gerds tollen Übersetzungen auf die englische Fassung umzusteigen, da mir die deutschen Splittbände während meines zweiten Studiums zu teuer waren. An dem Band lese ich jetzt schon seit zehn Jahren und bin gerade mal im letzten Drittel. Deshalb habe ich jetzt im Spiel der Götter noch mal von vorne angefangen und werde nun alle Bände auf Deutsch lesen.

*Meinem Empfinden nach gibt es zu viel Deus-ex-Machina-Momente, in denen wieder jemand durch das Eingreifen höherer Mächte oder bisher völlig unbekannter Fraktionen wie aus dem Nichts gerettet wird. Deshalb »fast perfekt«.

Parallellesen: Wie mir mein verändertes Leseverhalten wieder mehr Spaß am Lesen brachte

Bisher war ich vor allem Ein-Buch-Leser. Sprich, ich habe immer nur an einem Buch zur gleichen Zeit gelesen. Es ist durchaus vorgekommen, dass ich ein Buch mittendrin zur Seite gelegt habe, um erst ein anderes komplett zu lesen, das mich noch mehr interessiert, bevor ich mit dem zur Seite gelegten weitergemacht habe. Und manche dieser zur Seite gelegten Bücher liegen dort noch immer, aber wirklich mehrere Bücher gleichzeitig gelesen, zwischen ihnen hin und her springend, habe ich nie.

Das hat sich im September dieses Jahres geändert. Ausgangspunkt war, dass ich mehr Sachbücher lesen will. Angesichts der anstehenden US-Präsidentschaftswahlen regte sich in mir das Bedürfnis, mich wieder intensiver mit den aktuellen politischen, technologischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Welt zu beschäftigen, um diese besser zu verstehen.

So ganz ohne Roman ging das dann aber nicht, wie ich feststellen musste. Nur ein Sachbuch zu lesen, reicht mir nicht. Zum Ausgleich brauche ich auch den eskapistischen Ansatz einer fiktiven Geschichte, in die ich mich zur Erholung begeben kann. Die Lösung: Beides gleichzeitig lesen.

Und zu meinem eigenen Erstaunen zeigte sich, dass das nicht nur sehr gut funktioniert, sondern, dass ich dadurch auch viel mehr gelesen bekomme, als in den Monaten zuvor. Meine Vermutung: Lese ich ein einziges Buch, das zwischendurch die ein oder andere Länge hat, oder für das ich nicht immer rund um die Uhr in Stimmung bin, lege ich es zur Seite und mache etwas anderes. Schaue drei Serienfolgen statt nur einer am Tag, oder zocke ein Computerspiel.

Lese ich mehrere Bücher parallel, kann ich, wenn obiger Fall eintritt, einfach zu einem anderen Buch springen, das meiner aktuellen Stimmung eher entspricht, das gerade spannender ist, oder mich durch die thematische Abwechslung bei der Stange hält. Das führte nicht dazu, dass ich eines der Bücher vernachlässigt habe, sondern alle gleichzeitig kontinuierlich schnell gelesen bekomme.

Bis September habe ich im Monat durchschnittlich vier Bücher gelesen. Im September waren es dann neun, im Oktober acht. Wobei noch hinzukommt, dass ich seit September samstags immer internetfrei mache, dass Smartphone komplett ausgeschaltet lasse und generell nicht mehr so viele Serien auf einmal schaue. Auch schalte ich mein Handy abends ab. 20.00 Uhr konsequent aus und schaue tagsüber nicht mehr so häufig drauf und in den sozialen Netzwerken von Twitter und Facebook) vorbei.

Ein weiterer Grund fürs Parallellesen ist die oft unnötig kleine Schrift bei gedruckten Büchern. Wenn ich den ganzen Tag beruflich intensiv Texte am Bildschirm bearbeitete, kann es sein, dass mir bei kleiner Schrift nach einigen Seiten die Buchstaben vor den Augen verschwimmen, oder es mir einfach zu anstrengend wird, in Reclamheftschriftgröße zu lesen. Dann wechsel ich zum E-Book-Reader, wo ich mir die Schriftgröße selbst einstellen kann und nie Ermüdungserscheinungen beim Lesen habe (sehr schade, dass es keine E-Book-Variante zum gedruckten Buch dazu gibt).

Und so sieht meine Lektüre aktuell aus

Peter Akroyds London: Die Biografie habe ich mir Anfang des Jahres zur Vorbereitung auf meinen London-Urlaub im Mai zugelegt. Da aus dem nichts wurde, habe ich das Buch zur Langzeitlektüre umgewandelt, von der ich jeden Tag nur ein paar Seiten lese. Inzwischen bin ich fast durch. Tolles Buch, das ein lebendiges Bild der englischen Hauptstadt über die Jahrhunderte zeichnet.

Die Masterpieces of Fantasy Art sind eine Sonderlektüre, die ich mir ausnahmsweise zum letzten Geburtstag selbst gegönnt habe. Da lese ich immer nur ein Kapitel über eine (n) Künstler*inn am Stück. Der Text hält sich in Grenzen, vor allem geht es um die Bilder, die ich so intensiv genießen kann.

Lütten Klein: Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft von Steffen Mau ist meine eigentlich aktuelle Sachbuchlektüre. Hatte einen Artikel im Spiegel darüber gelesen, wie der Soziologe seine eigene Autobiografie dafür verwendet, einen soziologisch-analytischen, aber auch persönlichen Blick auf die Gesellschaft der ehemaligen DDR vor und nach der Wende zu werfen. Sehr interessante Lektüre, die Taschenbuchausgabe hat allerdings doch eine sehr kleine Schrift.

Durch mein Sachbuchinteresse ist auch mein Interesse an Romanen wieder angestiegen, die sich mit den aktuellen Herausforderungen unserer Gesellschaft beschäftigen. Und der gerade erschienene Near-Future-Roman Ministry for the Future von Kim Stanley Robinson ist dafür doch mit seiner durchaus optimistisch gestimmten Behandlung des Themas Klimakrise bestens geeignet. Auch, wenn es sich über weite Strecken eher wie ein Sachbuch liest, da die Infodump-Kapitel ohne Handlung (die er schon immer gerne vereinzelt eingestreut hat) einen sehr großen Anteil haben, das Lesevergnügen aber in keiner Weise beeinträchtigen.

Und da ich gerade die Suche nach den 100 besten Fantasybüchern aller Zeiten koordiniere, habe ich auch Lust darauf bekommen, wieder mehr Fantasy zu lesen. Sofia Samatars A Stranger in Olondria steht schon seit seinem Erscheinen 2013 ganz oben auf meiner Leseliste, hat es aber dann doch nie an die Spitze geschafft. Da es für die Liste nominiert wurde, nutze ich die Gelegenheit, dieses außergewöhnlich, wunderbar poetisch geschriebene Buch, das leider nie ins Deutsche übersetzt wurde, endlich zu lesen.

Doch wie sieht es bei euch aus? Wie ist euer Leseverhalten?

Artikel auf Tor Online: „Wegsehen, boykottieren, kritisieren? Cixin Liu und die Uiguren“

Für das Internetmagazin Tor Online habe ich einen Übersichtsartikel mit dem Titel Wegsehen, boykottieren, kritisieren? Cixin Liu und die Uiguren geschrieben, in dem es um kontroverse Äußerungen von Cixin Liu zu Chinas Umgang mit der muslimischen Minderheit geht. Die wurden schon 2019 getätigt, sind jetzt aber hochgekommen, nachdem Netflix bekanntgab, Lius Trisolaris-Trilogie als Serie umsetzen zu wollen. Woraufhin fünf republikanische Senatoren von Netflix Konsequenzen forderten.

Was es damit auf sich hat, erkläre ich im Artikel, und gehe auch auf Disney, Mulan und Chinas wachsenden Einfluss auf Hollywood aber auch die westliche Wirtschaft und akademische Welt allgemein.

„Außerhalb der Politik im Westen scheint mir der größere Aufreger die Personalie D. B. Weiss und David Benioff zu sein, jene Showrunner, die das Ende von Game of Thrones nach Meinung vieler versaut haben sollen. Der popkulturelle Groll über fiktive Ereignisse scheint länger zu währen als jener über reale Menschenrechtsverletzungen.“

Cixin Lius deutscher Lektor Sebastian Pirling von Heyne hat auf meinen Artikel zu Lius Äußerungen bzgl. der Uiguren in China mit einem eigenen Beitrag auf die Zukunft reagiert.

Blogbeiträge nur teilweise anzeigen?

Ich spiele gerade mit dem Gedanken, die Blogeinträge, die bisher immer in voller Länge auf der Startseite angezeigt wurden, nur noch teilweise dort anzuzeigen, mit der Option, sie mit Klick auf »weiterlesen« komplett aufzuklappen.

Auf diese Weise könnte man sich einen schnelleren Überblick über meine letzten Blogeinträge verschaffen. Besonders bei längeren Artikeln muss man endlos scrollen, um bis zum nächsten zu gelangen. So gibt es einen bis drei Absätze als Anreißer, und wer mehr lesen möchte, muss einfach auf »weiterlesen« klicken.

Was meint ihr? Macht das den Blog übersichtlicher? Oder lieber doch alles auf die Startseite? Schaut es euch mal auf der Startseite an, habe das für die letzten Beiträge schon mal so eingstellt.

„Die Verräterin: Das Imperium der Masken“ von Seth Dickinson

Im Original heißt das Buch The Traitor Baru Cormorant, und ich liebe diesen Titel, denn der verlockte mich damals bei Erscheinen dazu, das Buch zu kaufen. Sehr schade, dass man für die britische und deutsche Ausgabe den Titel geändert hat. Der ist nämlich wirklich ein Alleinstellungsmerkmal, das aus der Masse der generischen Fantasytitel herausragt und Neugierde weckt.

Und er ist Programm. Denn es geht um die junge Baru Komoran (in der deutschen Ausgabe wurde der Nachname übersetzt), die im Laufe der Geschichte Verrat begehen wird. Wann, wo, wie und an wem sei an dieser Stelle nicht verraten.

Und als Warnung vorweg an die Fantasypuristen: In diesem Buch gibt es weder Magie noch irgendwelche Fabelwesen. Würde es nicht in einer erfundenen Welt spielen, könnte es sich auch um einen historischen Roman handeln. Die wirkliche Fantasie liegt in den von Dickinson entwickelten Gesellschaftssystemen.

They sentenced me to twenty years of boredom
For trying to change the system from within
I’m coming now, I’m coming to reward them
First we take Manhattan, then we take Berlin

Leonard Cohen

Langweilig wird es Baru in der Geschichte jedenfalls nicht, zettelt sie doch die ein oder andere Revolution an und nimmt mehrere Städte ein. Die große Frage ist nur, gegen wen da wirklich rebelliert wird, wem die Pläne auf lange Sicht nutzen und wer hier wen manipuliert.

Baru wächst mit zwei Vätern auf einem kleinen Inselparadies in einfachen, aber nicht rückständigen Verhältnissen auf. Bis das Imperium der Maskerade auf den Plan tritt, die Insel kolonisiert und den Menschen ihre gesellschaftliche Konventionen aufzwingt. Wer gegen diese verstößt, wird grausam bestraft.

Doch die Römer haben ja bekanntlich nicht nur unterdrückt, sondern auch den Aquädukt gebracht, und so erhält Baru von der Maskerade eine Ausbildung und macht Karriere im Verwaltungsapparat des Imperiums. Ein Weg, auf dem sie viele Kompromisse eingehen und oft gegen ihr Herz entscheiden muss.

Dickinson erzählt hier durchaus eine epische Geschichte, wählt aber, wie so mancher Fantasyautoren mit einer Agenda, eine recht distanzierte Erzählweise, die nicht jedem gefallen wird, dafür aber originelle Abwechslung zu den üblichen Fantasybüchern bietet.

Wer wissen will, was ich mit Agenda meine, dem empfehle ich den (von mir übersetzten) Essay von Seth Dickinson zu seinem Buch, indem er darauf eingeht, was ihn beim Verfassen angetrieben hat. Könnte allerdings interessanter sein, ihn erst nach Lektüre des Buchs zu lesen, um zu vergleichen, ob man das Buch auch ohne Dickinsons Erläuterungen ähnlich gelesen hat.

Doch diese Agenda wird zum Glück nicht mit dem Holzhammer präsentiert, sondern dezent in die Struktur des Romans eingewoben, ohne aufdringlich zu wirken. Die Welt ist einfach so, da macht Dickinson keine große Sache draus, obwohl es entscheidenden Einfluss auf den Handlungsverlauf nimmt.

Kleiner Kritikpunkt: Trotz der sehr hilfreichen Karte des Reichs Aurdwynn mit seinen unzähligen Herzogtümern gibt, die auch persönlichen Anmerkungen Barus zu jedem davon enthält, habe ich irgendwann den Überblick verloren, wer hier mit wem koaliert oder intrigiert. Eine Flut aus Namen, die Dickinson gerne in schneller Abfolge aneinanderreiht. Zumal viele dieser Figuren nur kurze Auftritte erhalten.

Gelesen habe ich das Buch zu 60% im englischen Original und zu 40% in der ausgezeichneten Übersetzung von Jakob Schmidt. Warum ich das Buch seinerzeit zur Seite gelegt habe, weiß ich nicht mehr, es lag jedenfalls nicht daran, dass es mir nicht gefallen hätte.

Fantasy für LeserInnen, die keine Magie und Fabelwesen brauche, ohne Orks und Elfen, eher Social Fantasy mit distanzierter Erzählweise, wie z. B. auch bei David Anthony Durhams Acacia. Auf jeden Fall mal was Anderes im Einheitsbrei der großen Fantasyverlagsprogramme.

Nachtrag: Lapismont hat mit seinerm Kommentar noch zwei wichtige Punkte angesprochen, die ich nicht erwähnt hatte: Emotional hat mich das Buch nicht so richtig angesprochen. Eher auf einer sachlichen Ebene. Keine Ahnung, ob da noch ein Band kommt. Die Geschichte kann man als abgeschlossen lesen.

Nachtrag 2: Vom Verlag wurde mir mitgeteilt, dass es eine Trilogie werden soll.

Programmvorschau Herbst/Winter 2017/18: Knaur

Leider hat Knaur die Cover noch nicht zum Download auf der Verlagshomepage, deswegen muss diese Programmvorschau ohne bunte Bilder auskommen. Hier kann man sich das Programm als PDF (mit den Cover) runterladen.

Science Fiction

An Science-Fiction findet man nicht viel im Programm, Jason M. Hughes Fortsetzung von Darwin City, mit dem Titel Exodus Towers (wieder von Simone Heller übersetzt). Thematisch klingt es für mich eigentlich interessant, aber beide Bücher haben über 600 Seiten, und da es ja die Dire Earth-Trilogie ist, wird wohl auch noch ein dritter dazu kommen. Warum können sich die Autoren nicht kürzer fassen? Mal sehen.

Der zweite SF-Titel im Programm ist die Jugenddystopie Arena von Holly Jennings. Die Geschichte über eine Gladiatorenliga in der virtuellen Realität spricht mich jetzt nicht so wirklich an.

Fantasy

Der interessanteste Titel im Programm dürfte Das Lied der Krähen (Six of Crows) von Leigh Bardugo sein, das in den USA wohl ein ziemlicher Hit war. Scheint mir Rollenspielgruppen-Heist-Fantasy zu sein. Soll eine Duologie (mit Crooked Kingdom) in der gleichen Welt wie die Grisha-Trilogie sein, aber offenbar eigenständig. Merke ich mir mal vor.

Schattenprinz von David Gemmell habe ich schon in der alten Bastei-Ausgabe im Regal stehen, aber schön, dass die Drenai-Saga weiter neu aufgelegt wird. Ein echter Klassiker, der unter der ganzen anderen Fantasy der 80er Jahre aus der Reihe tanzt (zusammen mit Glen Cooks Black Company). Als Nächstes müsste dann Waylander folgen.

Schattendiebe von Hanna Kuhlmann hat den Indie-Autoren-Preis 2016 gewonnen. Der Klappentext über Diebe, Könige und Götter (falls es da einen Unterschied gibt) spricht mich jetzt nicht so an.

Sehr schön, Fran Wildes Updraft hat einen deutschen Verlag gefunden und wird unter dem Titel Stadt aus Sand und Knochen erscheinen. Der Roman hat im Original für einiges an Aufsehen erregt und auch mich neugierig gemacht.

Und dann wäre da noch Markus Heitz‘ Wedora-Fortsetzung Schatten und Tod. Mit Heitz habe ich es ein paar Mal versucht, aber seine Schreibe ist einfach nicht meins.

Auch fortgesetzt wird Ju Honischs Seelenspalter mit Blutfelsen, und Fechter und Feiglinge ist bereits der dritte Band Der Gilde der Duellanten von Julia Knight.

Und auch Michael J. Sullivans Zeit der Legenden wird mit dem zweiten Band Zeitenfeuer (übersetzt von Marcel Aubron-Bülles) weitergepflegt. Ich bin ja seinerzeit nicht in seine erste Riyria-Saga reingekommen, da mir Band 1 (Der Thron von Melengar) irgendwie zu albern und seicht erschien. Zeitenfeuer hat ein tolles Cover (das ich hier gerne gezeigt hätte), genau solche exotischen Panoramen sind es, die mich auf ein Fantasybuch neugierig machen, mich in fremde Welten locken und Abenteuer verheißen.

Und auch Ken Lius Das Schwert von Dara erhält eine Fortsetzung, genauer gesagt sogar zwei, da man The Wall of Storms in zwei Bände aufteilt (Die Götter von Dara und Die Stürme von Dara. Ich kann ja verstehen, warum Verlage aus einem Buch zwei machen (die Rechte und auch die Übersetzung müssen finanziert werden) – und besser, als wenn es gar nicht erscheinen würde; Band 1 scheint nicht wirklich viel Interesse erregt zu haben (nur zwei Amazonrezensionen). Aber Fantasy als Hardcover hat es auch schwer, da geht es wohl vielen wie mir, für die das traditionell einfach ein Taschenbuch- und inzwischen Paperbackgenre ist. Und 40 Euro für Band 2 sind da nicht so wirklich reizvoll. Den großartigen ersten Band habe ich direkt nach Erscheinen im Original gelesen (im Hardcover für 27 Euro!, da war ich superneugierig drauf), lange bevor eine deutsche Veröffentlichung feststand. In der Sprache werde ich dann wohl auch Band 2 lesen. 40 Euro für ein Buch geht einfach über mein Budget bzw. dem, was ich mir unter einem vernünftigen Buchpreis vorstelle (deswegen habe ich auch nicht viel von Klett Cott bzw. der Hobbit Presse im Regal stehen, auch den nächsten Tad Williams, der gesplittet wird, werde ich dann lieber im Original lesen). Das sind zumindest die Gründe, die ich dahinter vermute, warum es zu dem Buch so wenig Rückmeldungen gibt, aber vielleicht liegt es auch an dem ungewöhnlichen Szenario und der komplexen und distanzierten Erzählweise, die für mich persönlich Pluspunkte sind. Aber ich habe auch Bekannte, die daran gescheitert sind.

Da blutende Land von Klaus N. Frick, da bin ich einfach neugierig, was der Perry-Rhodan-Chefredakteur so drauf hat, die Synopsis liest sich auch herrlich altmodisch.

Fantasymäßig ist Knaur richtig gut aufgestellt, mit einer ausgewogenen Mischung aus Fortsetzungen (also dem Aufbau von Autoren) und Titeln von neuen AutorInnen. Die sowieso nie stark vertretene Science-Fiction scheint man weiter zurückzufahren. Die Fortsetzung von The Ark – Die letzte Reise der Menschheit wird wohl nicht auf Deutsch erscheinen (und falls doch, dann nicht von mir übersetzt, denn ich weiß von nichts), unter den am Ende der Programmvorschau aufgeführten Top-Titeln ist The Ark nicht dabei.

Na, wie auch immer, in Bezug auf Fantasy kann man das Programm von Knaur weiterhin im Auge behalten, da die Linie mit einer Mischung aus originellen und eher mainstreamigen Fantasytiteln weiter beibehalten wird, und es auch wieder einige Überraschungen im Programm gibt. Ein paar Titel habe ich mir vorgemerkt, aber das habe ich auch mit Titeln aus dem letzten Herbstprogramm gemacht, die ich immer noch nicht gelesen habe (es erscheinen eindeutig zu viele interessante Bücher 😉 )

Je mehr Programmvorschauen der großen Genreverlage ich mir durchschaue, desto mehr scheint sich der Trend zu Science Fiction (den ich vor einem Jahr meinte, erkannt zu haben) wieder zu verflüchtigen. Warum das der Fall ein könnte, habe ich hier schon mal ausgeführt (allerdings vor den aktuellen Programmvorschauen).

Heyne bleibt gewohnt stark in der Science-Fiction, bei Blanvalet ist sie ganz verschwunden, Piper bringt zumindest weiterhin seine inzwischen etablierten Autoren. Knaur scheint jetzt fast ganz auf Fantasy zu setzen, Fischer Tor bleibt seiner bisherigen Linie treu und hat mit Scalzi und Chambers auch wieder lupenreine SF im Programm (die Vorschau ist noch nicht online, aber auf Amazon kann man sich die Titel ansehen). Und Cross Cult, die klassische Fantasy ( bisher gemieden haben, wie der Teufel das Weihwasser, setzen ab Herbst verstärkt auf Fantasy und haben neben Dirk van den Boom und den Franchise-Titeln kaum noch SF im Programm (auch hier gibt es noch keine Vorschau, aber die Titel stehen schon auf der Verlagsseite). Wobei mancher Fantasytitel mehr SF enthält, als man auf den ersten Blick glauben mag. Und Claudia Kerns „Divided States of America“ soll auch SF sein.

Und man darf nicht vergessen, dass aktuell viel SF in allgemeinen Reihen außerhalb der Genreprogramme erscheint. Blake Crouchs Dark Matter (Goldmann) erhält zum Beispiel aktuell viel Aufmerksamkeit von den Medien (gerade heute eine Besprechung in der Rhein-Zeitung gelesen).

Öffentliche Kritik an Übersetzungen, was bedeutet das für Übersetzer?

Ich habe gerade Nathan Hills Geister in der deutschen Übersetzung gelesen, die auf Zeit.de von Marie Schmidt als »Katastrophe« bezeichnet wird. Ich muss sagen, ich fand die Übersetzung auch ziemlich holprig. Statt »Fahnen schwingend« stand dort an drei Stellen »Fahnen Schwinglend« (es gibt jemandem mit dem Namen Schwingle im Buch, so dass ich einen falschen Gebrauch der Ersetzenfunktion vermute), da steht »das UCLA« für die University of California, und auch viele Redewendungen und Idiome wurden teilweise zu wörtlich übersetzt. Als Übersetzer, der selbst schon Erfahrung mit enormem Zeitdruck bei solchen Brocken gemacht hat, erkenne ich, dass es wohl schnell gehen musste, damit es zeitnah zum Original erscheint.

Meine Frage an die ÜbersetzerInnen (und LektorInnen): Begrüßt ihr solche Kritiken in den Rezensionen (auch auf die Gefahr hin, dass es einen selbst mal erwischen könnte)? Vom Verband der Übersetzer (und Kolleginnen und Kollegen) kommen oft Klagen, wenn der Übersetzer nicht erwähnt wird, wenn nicht erwähnt wird, dass der tolle Stil auch der Übersetzung geschuldet ist. Dann muss aber auch umgekehrt erwähnt werden, wenn sich die Übersetzung nicht gut liest. Auch, wenn die Rezensentin natürlich nicht erkennen kann, woran es gelegen hat (Zeitdruck, zu viele Übersetzer, schlechtes Lektorat usw.).

Ist meine Hoffnung naiv, dass die Verlage durch solche öffentlichen Kritiken an Übersetzungen vielleicht ein wenig umdenken, und solch anspruchsvolle Bücher (der Autor hat zehn Jahre daran geschrieben), innerhalb kürzester Zeit übersetzen lassen? Die Hoffnung, dass man als Übersetzer die Zeit für einen Text bekommt, die er eigentlich benötigt (was durchaus häufig der Fall ist, aber eben nicht immer und vermutlich immer weniger)?

In den meisten Kritiken wird auf die Übersetzung übrigens gar nicht eingegangen, auch in den Amazon-Besprechungen taucht kaum welche auf? Zeigt das, dass die Verlage (bzw. manche, aber natürlich nicht alle) mit ihrer Strategie Erfolg haben, auch mangelhafte oder schwächere Übersetzungen zu veröffentlichen, ohne, dass sich das auf die Verkaufszahlen auswirkt (weil die meisten Leser es gar nicht merken, und weil den professionellen Rezensenten Zeit und/oder Lust haben, sie mit dem Original zu vergleichen, sofern sie der Ausgangssprache mächtig sind)? Vermutlich leider schon.

Meiner Meinung nach könnte diese oft fehlende Übersetzungskritik dazu führen, dass sich die Bedingungen für uns Übersetzer (und Lektoren) eher noch verschlechtern (auch wenn es finanziell vielleicht lohnender ist, wenn man mit einer Übersetzung schnell durch ist).

 

P.S. mir ist klar, dass es heikel ist so ein Thema als Übersetzer öffentlich zu diskutieren, aber es brennt mir unter den Nägeln. In meinem bisher relativ kurzen Berufsleben habe ich schon alles gehabt: super wenig Zeit für viel Text, angemessen Zeit und so viel Zeit, wie ich möchte. Zu viel Zeit muss auch nicht immer gut sein, wenn die Arbeit am Text dann z. B. zu weit auseinander liegt und man noch Sachen dazwischen schiebt.