Meine Woche: Yakuza, das Ende der Science Fiction und ein Teppich, der das Zimmer so richtig gemütlich macht

Letzte Woche gab es keinen Wochenrückblick, da mein Arbeitszimmer renoviert wurde bzw. einen neuen Teppichboden erhalten hat, und mir dadurch Zeit und Energie für den Beitrag gefehlt haben. Heute geht es um die Yakuza in Japan, die Frage, warum sich Science-Fiction-Bücher immer schlechter verkaufen und den Abschied von einem geliebten Sessel.

Collage aus vier Fotos. Drei kleine in der oberen Reihe, ein großes unten.
Oben: !. Der Hauptdarsteller aus "A Family" in Nahaufnahme mit nacktem tätowierten Oberkörper in einem Onsen. 2. Die gedruckte Ausgabe des Buchs "Die Sterne Leuchten am Erdenhimmel" von vorne. 3. Blick aufs eingeräumte Arbeitszimmer mit dem neuen Teppichboden durch die Zimmertür. Rechts steht ein grauer Lesesessel, hinten an der Wand ein hellbraune Kleiderschrank.
4. Ein dick gepolsterter grauer Fernsehsessel von oben fotografiert

Doku

Japan und die „Ära des erleuchteten Friedens“

Ausgezeichnete Doku über die Showa-Ära, also jener Zeit vor und während des 2. Weltkriegs, erzählt aus der persönlichen Perspektive einer französischen Familie, die in dieser Zeit in Japan gelebt hat. Es ist eigentlich naheliegend aufgrund der Brutalität bei der Eroberung des asiatischen Raums, aber trotzdem war mir nicht bewusst, wie repressiv die Behörden auch in Japan selbst gegen Kritiker*innen vorgegangen sind.

Arte-Mediathek

Yakuza – Japans Mafia

Sehr gute zweiteilige Doku über die Yakuza, also die organisierte Kriminalität in Japan. Geht gut auf die Geschichte ein, die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten und die geänderten Gesetze in den letzten Jahren. Ich kenne kein Land, in denen die lokale Mafia so einen Status hatte, wie in Japan. Sie haben öffentliche Geschäftsadressen mit dem Symbol der jeweiligen Organisation an der Fassade. Erstaunlich, dass in einem Land, das als eines der sichersten der Welt in Sachen Kriminalität gilt, die Yakuza über Jahrzehnte so mächtig war, dass sie Einfluss bis in die höchsten Ämter der Politik hatte.

Hier kommen auch ehemalige und aktuelle Yakuza zu Wort, die sich die Sache teilweise aber ordentlich Schönreden, wenn sie behaupten, es wären jetzt die jungen nicht-organisierten Kriminellen, die vergewaltigen und Zivilisten überfallen würden. Als hätten Yakuza das nie gemacht. Auch zu Wort kommt Jack Adelstein, Autor des Buchs Tokyo Vice (die gleichnamige Serie gibt es aktuell in der ARD-Mediathek), der sich schon wirklich gut mit der Thematik auskennt, der aber auch mit Vorsicht zu genießen ist, da er als Aufschneider gilt.

Die Doku schildert ein faszinierendes Bild der Yakuza, aber ich fand sie nicht ganz so gut, wie die dreiteilige Serie über die Triaden, da hier die historischen und gesellschaftlichen Einflüsse noch ausführlicher bearbeitet wurden.

Arte-Mediathek

Filme

A Family (Yakuza to kazoku)

Guter Film von Michihito Fujii (The Parades) über die Geschichte eines Mannes, der in jungen Jahren an die Yakuza gerät, bei ihnen schnell aufsteigt, dann im Gefängnis landet und viele Jahre später in eine Welt entlassen wird, die er nicht mehr wiedererkennt. Passt perfekt zur Doku oben, da hier gezeigt wird, warum jemand bei der Yakuza landen kann, und welche Auswirkungen die strikten Anti-Yakuza-Gesetze von 2011 haben. Menschen, die bei der Yakuza aussteigen, dürfen fünf weitere Jahre kein Bankkonto haben, nicht beschäftigt werden usw. Scheint mir doch eher kontraproduktiv, jene so zu gängeln, die aus der Kriminalität aussteigen wollen. So werden sie eher dazu gedrängt, weiter illegale Geschäft zu machen. Der Film ist kein klassischer Gangsterfilm, mehr Familiendrama und Gesellschaftsporträt mit Menschen, die Yakuza sind.

Netflix

Youtube

Die FRAU mit PLAN! 1 Tag in KAMAKURA feat. @JapanHautnah

Zusammen mit Lena von @JapanHautnah hat der gute Senpai Kamakura besucht und einen Buddha von innen gefilmt. Schönes kleines Video.

Artikel

Nobody Wants to Buy The Future: Why Science Fiction Literature is Vanishing

… the science fiction books that do sell are a shrinkingly small number of reprints, classics and novels that had been adapted into movies.

Simon McNeil in einem lesenswerten Artikel darüber, warum sich Science-Fiction-Bücher immer schlechter verkaufen. Und mit dem obigen Zitat geht auch einher, dass es sich bei diesen verfilmten Romanen in der Regel um die Werke alter weißer (und oft toter) Männer handelt (siehe Foundation, Dune, The Peripheral oder demnächst Neuromancer) – auch wenn es Ausnahmen wie The Handmaid’s Tale oder The Three Body Problem oder Kindred gibt. Die Ursachen sieht McNeil auch darin, dass wir in einer der prognostizierten Zukünfte angekommen sind, und die scheiße ist.

We got to one of the futures Science Fiction proposed, and it sucked.

Doch der Artikel ist differenzierter als dieser eine Satz. Lest selbst. Trotzdem würde ich gerne wissen, ob sich SF früher, bis auf die bekannten Ausnahmen, wirklich besser verkauft hat. Vergleichszahlen wären da ganz nett.

Lektüre

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel | Sylvana Freyberg

Gedruckte Ausgabe von "Die Sterne leuchten am Erdenhimmel" mit dem Cover nach vorne im Regal stehend.

Habt ihr schon mal Science Fiction aus Südkorea gelesen? Nicht. Dann habt ihr hier jetzt die Gelegenheit. Neun Autor*innen liefern uns mit ihren Kurzgeschichten interessante Einblicke in das Genre. Meine Besprechung auf lesenswelt.de.

Podcast

IN THE MOOD FOR LOVE: Die schöne Zeit

Einer neuen Besprechung des wohl elegantesten Films aller Zeiten kann ich einfach nicht widerstehen. Schöner Denken hat sich Wong Kar-Weis In the Mood for Love auf der großen Leinwand erstmals angesehen und ist begeistert.

Worüber ich mich freue

Die Teilrenovierung meines Arbeitszimmers

Ein dick gepolsterter grauer Fernsehsessel von oben fotografiert

Dieser Sessel hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Zunächst diente er meinen Großeltern, ging dann an mich über, als sie sich eine neue Sofagarnitur kauften, und leistete mir über 20 Jahre treue Dienste. Zog mit mir nach Berlin um, wurde von Frank Böhmert auf dem Kopf drei Stockwerke in die Tiefe getragen, als ich dort wieder wegzog. In ihm habe ich nach Feierabend in der Suchtklinik James Sullivans und Bernhard Hennens Die Elfen gelesen, Terror von Dan Simmons, House of Leaves von Mark Z. Danielewski oder Stephen Kings Duma Key, immer mit den Füßen an der Heizung und einem wohligen Gefühl im Leseherzen. Er war für mich Bürostuhl, weil einfach superbequem, während der Ikea-Bürostuhl Markus in der Ecke verstaubte.

Doch vor Jahren schon brachen die Rollen unter ihm Stück für Stück auseinander und rissen ein Loch in den Teppich, nachdem dieser aufweichte, weil Wasser aus der Heizung ausgelaufen war. Also musste ein neuer Teppichboden her, und ein neuer Sessel, damit der alten den neuen Teppich nicht wieder löcherte. Er war total durchgesessen, hatte selbst Löcher im Bezug, aber fühlte sich fast wie eine Erweiterung meines Körpers an.

Er wird mir fehlen. Der neue ist auch sehr bequem, nur die Armlehnen sind etwas schmal, dafür gehört ein ebenfalls sehr bequemer Fußhocker dazu.

Ich würde nicht behaupten, dass der alte Teppich das Zimmer erst so richtig gemütlich gemacht hat, er war einfach da, seit 38 Jahren, seit meine Eltern das Haus gebaut haben. Aber der neue tut dies. Als ich ihn mir im Probenbuch aussuchte, hätte ich nicht gedacht, dass er mir so gut gefallen würde. Obwohl ich gar keine anderen Vorschläge mehr sehen wollte, nachdem ich ihn einmal gestreichelt hatte. Doch jetzt freue ich mich jedes Mal, wenn ich das Zimmer betrete, mir der Geruch nach frischem Teppich in die Nase steigt und ich sehe, wie gut er farblich zur Tapete und den Möbeln passt, und auch zum neuen Sessel. Außerdem fühlt er sich richtig toll an, ob auf Socken oder barfuß. Ganz eingeräumt ist das Zimmer noch nicht wieder, deswegen sehen die Regale noch etwas leer aus.

Für die Leser*innen hier aus der Region: Gekauft habe ich ihn im Farbenhaus Robert Meurer. Verlegt wurde er von der Malerwerkstatt Meurer. Rückmeldung, Vermessung, Lieferung und Verlegen erfolgten superzeitnah und zu meiner vollsten Zufriedenheit.

Arbeit hatte ich selbst nur mit dem Ausräumen des Zimmers. Vier Billy-Bücherregale, drei Regalbretter, ein Schreibtisch, eine lange Kommode und das Auseinanderbauen eines Kleiderschranks. Und später dann alles wieder in umgekehrter Reihenfolge. Deswegen hatte ich mich auch lange davor gedrückt, aber das Loch im Teppich wurde einfach zu groß.

Meine Woche: Okinonawa, Carcosa und Treckerterroristen

Mein Wochenrückblick mit Filmen wie Das Lehrerzimmer und The Terroriziers, den Serien Odd Taxi und Somebody Feed Phil, Musik von Nick Cave und Hana Vu sowie der Mini Theater Journey in Okinawa und vielem mehr.

Collage aus vier Bildern, drei kleine quadratische oben, ein großes in der unteren Reihe, alles Screenshots auf Filmen und Serien, von links nach rechts: 1. Die schreiende Hauptdarstellerin aus "Das Lehrerzimmer", 2. Szene aus "Somebody Feed Phil" in der Phil rechts im Bild in einen Bürger beißt. 3. Szene aus "The Terrorizers", Protagonistin sieht sich selbst in einer Fotocollage an der Wand, 4. Das tierische Ensemble aus der Anime-Serie "Odd Taxi" vor der nächtlichen Kulisse Tokios.

Diese Woche zeigte sich, dass es bei den anhaltenden Bauernprotesten zahlreiche Unfälle mit Verletzten gab. Doch all jene, die bei der letzten Generation schnell von Klimaterroristen sprachen, sind hier erstaunlich still, kein Wort von der Bauern-RAF oder Treckerterroristen. Dabei haben sich die, anfangs sicher noch halbwegs legitimen, Proste inzwischen zu einem hasserfüllten rechten Mob entwickelt, für den ich kein Verständnis aufbringen kann. Und während der Rechtsstaat mit hartem Knie auf den Hälsen minderjähriger, friedlicher Demonstranten kniet, wird der rechte Mob auf Traktoren vom Rechtsstaat nicht mit Quarz-, sondern mit Samthandschuhen angefasst.

Youtube

Mini Theater Journey: Sakurazaka Theater (Okinawa, JAPAN)

Weiter geht es mit der Vorstellungsreihe kleiner, unabhängiger Kinos in Japan durch das JFF bzw. die Japanese Foundation.

Okinawa ist der Teil Japans, der am ehesten an eine Südseeinsel erinnert, mit Palmen und subtropischem Klima. Das Sakurazaka Theater ist ein kleines Kino, das eine möglichst breite Bevölkerungsschicht ansprechen möchte, und kein elitäres Arthouse-Kino nur für bestimmte Gesellschaftsklassen sein will. Daneben gibt es eine interessante Bandbreite an Shops und Workshops.

Ich muss zugeben, das Kino selbst sticht jetzt nicht besonder heraus, aber Okinawa dürfte die weite Anreise durchaus wert sein. Ein Begriff ist mir die Insel-Kette natürlich schon seit meiner Kindheit, seit ich Karate Kid 2: Entscheidung in Okinawa gesehen habe. Interessant finde ich die Präfektur vor allem, weil sie erst seit 1879 Teil von Japan ist, und bis dahin das Königreich Ryūkyū war. Dementsprechend gelten die Einwohne*innen auch als relativ rebellisch und eigenwillig. Die Ryūkyū haben eine eigene Kultur und eigene Sprachen. Und ich finde es immer interessant, mehr über indigene Bevölkerungen zu erfahren. Sollte es zeitlich und finanziell machbar sein, möchte ich auf jeden Fall für ein paar Tage nach Okinawa.

Das japanische Wort für „Film“ lautet übrigens „eiga“ (えいが), ausgesprochen wird es „eega“. Das Wort für „Kino“ ist „eigakan“ (えいがかん). „Kino“ (きのう) gibt es im Japanischen auch, das heißt aber „gestern“.

Doku

Insider Deutsche Bahn

Drei Insider plaudern aus dem Nähkästchen, was die Tricks der Deutschen Bahn gegenüber den Kund*innen angeht. Durchaus interessant, auch wenn die Inspector-Closeau-Verkleidungen etwas befremdlich wirken. Die Kopfkissen an den Sitzen waren mir schon immer suspekt, wie sich zeigt, zu Recht. Die werden so gut wie nie gewechselt oder gereinigt. Das sind schwabbelige, verhaarte Keimherde.

Tja, das wollte ich eigentlich über die Doku schreiben, doch nach massiver Kritik hat das ZDF sie inzwischen aus der Mediathek genommen. Und zwar zu Recht. Was hier als vermeintliches Insider-Wissen inszeniert wurde, sind teils weithin bekannte Tatsachen. Da wird so getan, als wäre es skandalös, dass die Bahn bei Verspätungen, die von dritten Personen ausgelöst wurden, keine Rückerstattungen bezahlt. Es gibt vieles, was bei der Deutschen Bahn zu Recht kritisiert wird, aber diese Reportage wirkte doch sehr unseriös und reißerisch.

Das erstaunliche Leben der Ratten

Spannende Reportage über das Verhalten von Ratten in Metropolen wie New York und Vancouver. Mit einigen erstaunlichen Erkenntnissen. Das sind schon faszinierende Tiere, sehr intelligent und anpassungsfähig. Das „Rattenproblem“ ist übrigens menschengemacht.

ZDF-Mediathek

Artikel

Die Blicke unserer Mütter

Sehr interessanter Beitrag von Sophia Fritz darüber, wie sehr das Patriarchat auch im Blick von Müttern auf ihre Töchter verankert ist. Die permanente Suche nach „Fehlern“ im Äußeren, der ständig auf den Töchtern lastende soziale Druck.

Normalisierung und ihre Folgen

Die taz über die erneute Wahl eines AFD-Bürgermeisters und wie sehr sich das schon normalisiert hat, nachdem es beim letzten Mal noch einen medialen Aufschrei gab. Einher geht damit eine weitere Verrohung der politischen Stimmung und zunehmende Gewalt gegen Demokraten. Der AFD-Politiker hier steht dem Höcke-Flügel nahe und dürfte wohl als Rechtsextremist durchgehen, während sein Vorgänger, der lange unter rechten Anfeindungen litt, sich das Leben genommen hat.

Blogs

Warum Verfilmung einer Serie vorzuziehen wäre. Die große „Neuromancer“-Besprechung.

Da Apple kürzlich angekündigt hat, eine Serie zu William Gibsons Kultroman Neuromancer zu produzieren, hat sich Sören Heim dem Roman auf seinem Blog noch mal ausführlich gewidmet und geht vor allem auf sein sprachliches Niveau ein. Ich persönlich brauche keine Verfilmung (auch wenn mir die Gibson-Serie The Peripheral durchaus gefallen hat), da ich finde, dass in letzter Zeit schon genügend Werke alter weißer (und teils toter) Männer verfilmt wurden. Verfilmt endlich mal die aufregenden Werke jüngerer Autor*innen of Color!

Lektüre

Harmony | Project Itoh

Wo fängt der menschliche Wille an? Wo besteht er nur aus neuronalen Prozessen im Gehirn? Was macht das Bewusstsein aus? Und was wären wir ohne? In seinem Science-Fiction-Roman Harmony geht der japanische Schriftsteller Project Itoh den ganz großen Fragen der Menschheit nach.

Meine komplette Besprechung auf Lesenswelt

Farbige E-Book-Ausgabe des Romans "Harmony".

Tor Online

Sparks: Die Magie der Funken – Ein Gutachter berichtet

Was hat es eigentlich mit Manuskriptgutachten auf sich? Welche Rolle spielen sie bei Verlagsentscheidungen? Anhand unseres aktuellen Romans Sparks – Die Magie der Funken  von J. R. Dawson gewährt euch Gutachter Markus Mäurer einen kleinen Blick hinter die Kulissen.

Ein Buch, das mir sehr am Herzen liegt.

Hardcover-Ausgabe des Buchs "Sparks - Die Magie der Funken" mit dem Titelbild nach vorne in einem Bücherregal stehend.

LitRPG: Alles, was du über das Genre wissen musst

Eine Charakterklasse wählen, bei Level 1 starten, Kräuter sammeln und dann langsam hochleveln: Klingt nach einem Online-Rollenspiel, gibt es aber auch in Buchform. Ein Blick in die Welt der LitRPGs von Alessandra Reß.“

Ein sehr interessanter Artikel über ein Subgenre, über das ich bisher praktisch nichts wusste.

Filme

The Terrorizers (Kongbu Fenzi, 1986)

Relativ früher Film des taiwanesischen Regisseurs Edward Yang über eine unglückliche Ehe und einen jungen Fotografen, der von einer Frau besessen ist, die vor der Polizei flieht. Leicht kryptisch gehalten, was die Handlungsstränge angeht, die sich am Ende zwar zusammenfügen, aber nicht immer Sinn ergeben. Aber der Film setzt auch mehr auf Atmosphäre und Stimmung. Den Ausdruck eines bestimmten Lebensgefühls. Sehenswert, wenn auch kein Meisterwerk.

Mubi

American Fiction

In American Fiction stecken zwei gute Filme: ein Familiendrama über Tod und Demenz, und eine (sehr treffende) Satire auf die Buchbranche. Alles dabei richtig toll gespielt, vor allem von Jefrey Wright. Aber beides passt für mich nicht ganz zusammen. Ein unterhaltsamer Film, aber nicht ganz stimmig.

Prime

Das Lehrerzimmer

Von İlker Çatak über eine junge Lehrerin an einer neuen Schule, die eine Schulmitarbeiterin (vermeintlich?) beim Klauen filmt, was einige unschöne Ereignisse zur Folge hat, unter anderem auch, weil der Sohn der Mitarbeiterin in der Klasse der Lehrerin ist. Anfangs dachte ich noch: Och nö, 4:3 muss das sein. Aber das Format fängt das Kammerspielartige des Film, der ausschließlich an der Schule spielt, aus Perspektive der Lehrerin gut ein und sorgt für eine steigende bedrückende Beklemmung ob der Situation. Ein sehr guter Film, nur die Sache mit dem Rubiks-Zauberwürfel war mir zu viel.

Prime

Serien

Odd Taxi

Noch mal danke für den Tipp, Simone! Anime-Serie über einen Taxifahrer, der in die Angelegenheiten seiner Fahrgäste verwickelt wird, darunter eine Idol-Band, ein Comedy-Duo, Yakuza und andere Nachtgestalten. Hat eine ganz tolle Atmosphäre und erzählt originelle Geschichten. Die finale Folge ist grandios. Ach ja, alle Menschen sind Tiere.

Crunchyroll

Somebeody Feed Phil (Season 7)

Es gibt ja Leute, die können Phils kindliche Begeisterung für Essen nicht ertragen, ich finde sie wunderbar. Die Serie verursacht bei mir verlässlich gute Laune, weshalb ich nie mehr als eine Folge pro Tag schaue, da ich ein Maximum an guter Laune herausholen möchte. Die aktuelle Staffel hat gleich acht neue Folgen, in denen es nach Bombay, Kyoto, Washington, Orlando, Dubai, Taipeh, Island und Schottland geht. Vor allem die Dubai-Folge hat mich überrascht. Das ist so ziemlich der letzte Ort, an den ich mal reisen möchte, aber Phil hat ein paar interessante Flecken und Menschen in der Altstadt entdeckt, die die Stadt in einem anderen Licht erscheinen lassen. Und das ihm der superteuere mit Gold überzogenen Burger im Burj Khalifa auf den Boden fällt, ist ein wunderbares Symbol. Ansonsten sind meine Anspielstipps Kyoto, Taipeh und Bombay. Die Produktion scheint vor allem in Sachen Kamera noch mal einen Sprung nach oben gemacht zu haben, die Aufnahmen der Orte sind wunderschön. Ist aber keine Show für Veganer*innen.

Netflix

Neu im Regal

Carcosa-Memoranda

Diese Woche hatte ich ein Paket aus dem Memoranda Verlag im Briefkasten, zu dem auch das Imprint Carcosa gehört.

Fünf Bücher, drei oben, zwei unten, auf einem Tisch ausgelegt: "In fernen Gefilden" von Joanna Russ, "Schwelende Rebellion" von Leigh Brackett, "Das Einstein-Vermächtnis" von Samuel R. Delany, "Oktoberrevolutioin 1967" von Kir Bulytschow und "Die Sterne Leuchten am Erdenhimmel" herausgegeben von Sylvana Freyberg.

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel ist eine Anthologie mit südkoreanischen Science-Fiction-Kurzgeschichten. Mein Schwerpunkt liegt zwar auf Japan, aber ich habe auch großes Interesse an Südkorea, zumal beide Länder ja auf eine lange, wenn auch turbulente, gemeinsame Geschichte zurückblicken.

Oktoberrevolution 1967 von Kir Bulytschow wurde mir von Verleger Hardy Kettlitz empfohlen. Und als alter Golkonda-Fan (vom ursprünglichen Verlag, nicht dem rechtsbraunversifften Überbleibsel, das der Europa Verlag daraus gemacht hat, siehe Thor Kunkel) bin ich natürlich sehr an Hannes Riffels neuem Projekt Carcosa interessiert, das vor allem progressive Klassiker wieder oder erstmals nach Deutschland bringt, die in den letzten Jahrzehnten leider etwas in Vergessenheit geraten sind. Von Joana Russ wollte ich schon immer mal was lesen, Gleiches gilt für Leigh Brackett.

Mehr zu Carcosa gibt es auf dem Blog von Hannes Riffel.

Musik

Nick Cave | Wild God

Neuer Song von Nick Cave. Gefällt mir. Erinnert ein wenig an das Doppelalbum Abattoir Blues/The Lyre of Orpheus, das ich sehr mag. Bin schon sehr auf das gleichnamige Album gespannt, das am 30. August erscheint.

Hana Vu | Care

Junge Singer-Songwriterin aus Los Angeles, die ich bisher nicht kannte. Toller Song. Eine ihrer EPs heißt Nicole Kidman / Anne Hathaway.

Meine Woche 04.02.2023: Adé Kulturjournalismus, hello KI und das Hongkong-Kino

Meine Woche in Filmen, Serien, Hörspielen und vor allem Artikeln. Der Niedergang des Kulturjournalismus, wie die Buchbranche mit dem Thema KI umgeht und das Hongkong-Kino bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Dazu meine Meinung zu Reacher, Bad Lands und Der Bücherdetektiv.

Collage aus vier Bildern. Drei kleine in der oberen Reihe, ein größeres unten. Von Links oben: Szene aus dem Film "Bald Lands", Hauptdarstellerin steht an einer Theke, in der Hand eine Tasse Tee; das Cover des Hörspiels "Der Bücherdetektiv"; das Japanisch-Lehrbuch "Genki" plus Arbeitsbuch und unten ein Screenshot aus der Serie "Reache", auf dem Reacher mit seinen drei Kamerad*innen ziemlich zerschlagen am Tisch eines Diners sitzt.

Ich führe hier übrigens nicht alles auf, was ich gesehen und gelesen habe. Manchmal fällt mir einfach nichts dazu ein, ich finde es nicht interessant genug oder habe keine Lust, etwas dazu zu schreiben.

Und ich spiele mit dem Gedanken, die Wochenrückblicke nur alle zwei Wochen zu bringen, da ich nicht jede Woche ausreichend interessantes Material habe und es mir auf Dauer auch zu stressig ist. Ich überlege auch noch, ob ich weniger Content also Empfehlungen mache, und diese dafür ausführlicher kommentiere.

Und wenn wir schon bei einer Umfrage sind:

Artikel

Das Hongkong-Kino bei der Bundeszentrale für politische Bildung

Wer meinen Wochenrückblicken folgt, weiß von meiner Leidenschaft für das Hongkong-Kino (und Hongkong allgemein). Deshalb freue ich mich auch sehr über die Artikelreihe der Bundeszentrale für politische Bildung über Selbiges.

Das ist aber leider auch eine traurige Geschichte, wie Vivienne Chow in ihrem Beitrag über die Geschichte der Zensur in Hongkong zu berichten weiß. Der umfasst einen Zeitraum von Beginn der britischen Kronkolonie, über die Hochzeit des Hongkong-Kinos von 1980 bis 1997 bis zur oppressiven Zeit nach den Regenschirmprotesten.

Fabian Tietke geht in Stadt, Kino, Welt. Das Kino Hongkongs im globalen Zusammenhang genauer auf die Geschichte des Kinos ein, allerdings erst von den 1970ern an. Leider sind viele der von ihm erwähnten Filme kaum zu bekommen. Auch relativ aktuelle wie Septet – The Story of Hong Kong nicht. King Boxer gibt es aktuell übrigens als Zhao – der Unbesiegbare bei Mubi. Erfreulicherweise geht Tietke ausführlich auf Regisseurinnen wie Ann Hui oder Mabel Cheung ein. Als Kritikpunkt möchte ich anmerken, dass der Autor, obwohl er schon God of Gamblers anführt, mit keinem Wort erwähnt, dass dieser Film wie viele andere Produktionen von den Triaden produziert wurde.

Lukas Foerster geht in Angst vor 1997 genauer auf die Folgen der Rückgabe an China ein.

Und Karen Cheung führt ein interessantes Interview mit der Regisseurin Erica Kwok über den Einfluss der Sicherheitsgesetze auf das Filmemachen und vor allem die Filmemacher*innen.

Falls ihr euch dafür interessiert, welche Einfluss die Unterdrückung durch die chinesischen Regierung auf die jungen Menschen in Hongkong hat und welche Hoffnungslosigkeit dort inzwischen herrscht, empfehle ich euch übrigens das Buch The Impossible City von Karen Cheung. Das ist übrigens nicht dieselbe Karen Cheung, die oben das Interview geführt hat.

KI in der Buchbranche. Wie ist der Stand der Dinge

Autor’innen müssen sich inzwischen Sorgen machen, dass Verlage ihre Manuskripte von KI-Programme einlesen lassen, um sie zu trainieren. Was könnte das Ziel sein? Natürlich, dass sie irgendwann Bücher schreiben lassen, ohne den lästigen Kostenfaktor Autor*in.

Als Übersetzer bekomme ich schon seit über zehn Jahren zu spüren, dass viele Verlage uns als genau das empfinden. Und so dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie uns – zumindest in manchen Sparten – teilweise oder komplett durch KI und Übersetzungsprogramme wie DeepL ersetzen. Und Coverartist durch Midjourney usw.

Doch so langsam hält für all das eine rechtliche Basis Einzug in die Verträge, wie Michael Wurmitzer für den Standard berichtet. Auch wenn deutsche Verlage da wieder hinterherhinken. Ich kann nur hoffen, dass wir uns als Gesellschaft auf gewisse Spielregeln einigen, damit nicht irgendwann nur noch seelenloser Content von Robotern für Roboter erschaffen wird, sondern weiterhin auch menschliche Kunst. Wir sollten uns fragen, wofür die Wirtschaft überhaupt da ist. Um einige wenige Superreiche auf Kosten des Rests noch superreicher zu machen, während dadurch der Planet weiter zerstört wird, oder ob die Wirtschaft nicht eher dem Ziel dienen sollte, dass alle Menschen eine würdiges, selbstbestimmtes und halbwegs erstrebenswertes Leben führen kann und die Mehrheit der Tätigkeiten zu einer Bereicherung der Gesellschaft beitragen.

Im Captain Future-Roman Erde in Gefahr von 1940 stößt unser Held auf eine Maschinenstadt, die vollautomatisch betrieben wird, in der sämtliche Arbeiten von Robotern erledigt werden, in der aber keine Menschen mehr leben. So langsam bewegen wir uns in diese Richtung.

Was auf dem Spiel steht – Über den Untergang des Kulturjournalismus

Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon den Satz: „Ich höre nicht auf die Kritiker, ich bilde mir lieber meine eigene Meinung“ gelesen habe. Meine eigene Meinung bilde ich mir auch, aber irgendwie muss ich aus dem Wust an Erscheinungen eine Auswahl treffen, und Kritiken sind dafür doch ein gutes Mittel. Kritiken richtig zu nutzen, ist eine Kunst für sich. Ich muss mir jene Kritiker*innen raussuchen, aus deren Kritik ich einen Nutzen für mich ziehen kann. Das heißt aber nicht, dass sie mit ihrer Kritik meiner Meinung sein müssen. Es kann auch genau das Gegenteil sein. Je mehr Kritiken ich von einer Person lese, desto besser kann ich sie einschätzen. Und lerne ich mit der Zeit, sie in Bezug auf meinen eigenen Geschmack zu interpretieren. Aber da muss man halt auch als Leser’in etwas Arbeit investieren.

Mal abgesehen davon, dass es zu einer offenen, lebendigen Gesellschaft auch die Kritik zu und die Einordnung von kulturellen Werken gehört.

Kritiker werden oft verächtlich gemacht, als „sogenannte“ oder „selbsternannte“ Kritiker. Das Klima wird rauer. Für 54 Books schreibt Johannes Franzen darüber, wie der Kulturjournalismus dadurch bedroht wird, aber auch durch knallhartes Unternehmer*innentum, wie es gerade im Falle des amerikanischen Musikmagazins Pitchfork passiert.

Franzen schreibt:

Der ganze Fall ist symptomatisch für den Niedergang der Geistesarbeit, für den Status des öffentlichen Nachdenkens über Kunst und Kultur – ein Anlass, um darüber nachzudenken, was verloren geht, wenn diese kulturelle Praxis zerstört wird.

Berlin Review

Ist ein neues Magazin, das aktuelle Themen mit literarischem Wissen angehen will. „Zeitschrift für Bücher und Ideen“ ist die Eigenbezeichnung. Das erinnert mich an den Vorsatz, mit dem ich meine Seite lesenswelt.de gestartet habe: Die Welt in Büchern erlesen und verstehen. Das Editorial ist mir stellenweise etwas zu verkopft, aber ich werde das Magazin mal im Auge behalten. Gerade nach obigen Text von Franzen ist es doch schön, wenn noch neuer Kulturjournalismus entsteht.

Spukschloss an der Themse

Im vorletzten Spiegel habe ich einen interessanten Artikel von Jörg Schuster über das britische House of Lords gelesen, dem wohl undemokratischsten Parlament, das sich eine Demokratie leistet. Das ist im Prinzip DIE Verkörperung des privilegierten weißen Patriarchats, hat aber auch schon zahlreiche furchtbare Gesetzesentwürfe der gewählten Tory-Regierung abgemildert. Auf Spiegel Online gibt es den Beitrag nur hinter der Bezahlschranke (im Print übrigens auch 😉 )

Fragmentansichten: Winteransichten 2024

Alessandra Reß liefert auf ihrem Blog Fragmentansichten einen guten Überblick über die Ereignisse in der Phantastikszene des bisherigen Winters. Vom aktuellen Hugo-Skandal, über den bei Goodreads, bis zu einem deutschen Verlag, der für die Prüfung von Manuskripten Geld verlangen wollte. Wie immer klug kommentiert.

Tor Online

Und auf Tor Online lieferte Alessandra diese Woche eine Übersicht zu den deutschen Phantastikpreisen.

Während es in meinen News um eine traurige Meldung zu Hans Frey, ein künstlerisch beeindruckendes Video von Amon Tobin, einen deutschen Serientipp und einen wirklich rührenden Trailer zum Film Tuesday ging.

Neu im Regal

Genki

Mit dem Buch Japanisch für Anfänger bin ich jetzt durch und habe viel länger gebraucht, als eigentlich vorgesehen. Wirklich zufrieden bin ich mit dem Buch nicht. Das ist wirklich nur dazu geeignet, die Schriften Hiragana und Katagana sowie ein paar Vokabel zu lernen. Aber hätte ich nebenbei nicht noch eine Learn-App benutzt, könnte ich noch keinen einzigen Satz sagen geschweige denn, mich vorstellen. Außerdem ist es mir zu repetetiv, jede neue Silbenreihe wird nach dem genau gleichen Schema gelernt, von der ersten bis zur letzten Seite. Und erklärt wird mir auch nicht genug.

Das Japanisch-Lehrbuch "Genki" plus das dazugehörige Arbeitsbuch.

Also schwenke ich jetzt doch zu Genki um, das gilt als das Standardwerk, um Japanisch zu lernen. Warum habe ich es nicht direkt genommen? Weil es Japanisch-Englisch ist. Ich wollte aber lieber erst mal mit einem deutschsprachigen Buch arbeiten. Wie es mit Genki läuft, darüber werde ich hier im Blog berichten.

Serie

Reacher (Staffel 2)

Über eine Gruppe von ehemaligen Militärpolizist*innen, die blutige Rache an den Mördern ihrer Kameraden nehmen. Reaktionärer Selbstjustizthriller, der schon sehr vorhersehbar und überraschungsfrei ist, aber irgendwie trotzdem Spaß macht. Gab Kritik, weil Reacher hier nicht als namenloser Fremder Kleinstädte im Alleingang aufmischt, was mich aber nicht gestört hat. Vielleicht wäre es aber geschickter gewesen, diese Geschichte erst ein, zwei Staffeln später zu bringen, denn jetzt würde ich gerne mehr von dem Team sehen.

Prime

Hörspiel

Der Bücher Detektiv

Die Audible-Hörspiele Imperator und Die sieben Siegel von Kai Meyer haben mir richtig gut gefallen und ich trauere immer noch der fehlenden dritten Staffel von Imperator nach (die nie kommen wird), aber Der Bücherdetektiv hat mir insgesamt nicht so gut gefallen. Die Geschichte ist mir von Anfang an zu sehr als rasanter Thriller inszeniert – an Dörings End of Time musste ich denken –, nicht als die bibliophile Bücherhatz, die ich erwartet hatte.

Das liegt zum Teil auch an der cineastischen Inszenierung ohne Erzähler. Bei Imperator hatte ich noch den für mein Empfinden zu präsenten Erzähler kritisiert, jetzt hat Kai auf ihn verzichtet und es gefällt mir noch weniger. Manchen Szenen konnte ich allein aufgrund der Geräusche nicht so ganz folgen, an anderer Stelle wirkt es schon etwas geschummelt, wenn der Protagonist verstohlen in ein Herrenhaus einbricht und dabei unentwegt in sein Handy quasselt, um zu berichten, was er gerade macht und sieht. Das Hörspiel ist schon gut geschrieben und inszeniert, und die Geschichte mit dem Thebanischen Grab und den Büchern in Menschenhaut ist durch aus interessant, meinen persönlichen Geschmack hat Der Bücherdetektiv aber nicht getroffen.

Mir kann ja nicht immer alles gefallen. Dafür mochte ich Kais aktuelles Buch Die Bibliothek im Nebel sehr.

Audible (da findet ihr auch eine Inhaltangabe)

Filme

Bad Lands

Bad Lands von Masato Harada (Hell Dogs, hier besprochen) begint als Film über Kleinganoven, die komplexe Enkel-Tricks am Laufen haben, entwickelt sich bald zum Yakuza-Thriller und endet als Drama über eine junge Frau, die sich von jenen Männern befreit, die sie jahrelang missbraucht und misshandelt haben. Sehenswert, unter anderem auch wegen der tollen Hauptdarstellerin Sakura Andō (Shoplifters, Love Exposure).

Netflix

Im Zuge des Japanuary gab es auf meinem Blog noch folgende Besprechungen:

Meine Woche 31.12.2023: Jahresrückblick, Buchhandel und Filmtipps

Ich gebe einen kleinen persönlichen Jahresrückblick, bespreche einige Filme von Wuxia über stilsicheren australischen Horror bis zur Liebeserklärung ans Kino und gehe auf die aktuell schwierige Situation für kleine Buchhandlungen ein.

Collage aus den beiden Fotos von mir und meinem Vater weiter unten im Beitrag. Dazu ein Filmausschnitt aus "Das Schwert der gelben Tigerin" mit der Hauptdarstellerin und ein Ausschnitt aus dem Film "Empire of Light" der das prächtige Foyer des Kinos zeigt.

Artikel

Großhändler Zeitfracht will kleine Läden seltener beliefern

Zeitfracht ist eine der drei Großbuchhändler, von denen unsere Buchhandlungen beliefert werden. Für kleine, unabhängige Buchhandlungen brechen jetzt noch härtere Zeiten an, da sich deren Belieferung für Zeitfracht anscheinend nicht mehr lohnt. Wer keinen großen Konzern hinter sich hat, hat es immer schwieriger auf dem Buchmarkt. Hunderttausende Bücher (vor allem von kleineren Verlagen) wurden bereits bei den Grossisten ausgelistet, was bedeutet, dass sie in den Buchhandlungen las nicht lieferbar gelten. Kapitalismus und freier Markt führen vor allem dazu, dass sich die Marktmacht auf wenige große Konzerne und Unternehmen konzentriert, während die kleineren immer weiter auf der Strecke bleiben.

Ob es wirklich sinnvoll ist, jedes Buch über Nacht am nächsten Tag in die Buchhandlung geliefert zu bekommen, ist eine andere Frage. Wir sollten lernen, uns wieder mehr zu gedulden. Allerdings war das schon ein Wettbewerbsvorteil (oder zumindest ein Grund, noch halbwegs mithalten zu können) gegenüber Amazon, deren Lieferzuverlässigkeit auch für Prime-Kunden in den letzten Jahren stark nachgelassen hat.

Beim Börsenblatt gibt es eine Rechtfertigung von Zeitfracht, und bei Resonanzen ein Interview mit einer Buchhändlerin.

Poor Britannia – Großbritanniens verarmte Gesellschaft

Kein Artikel sondern ein Spiegel-Podcast ist Acht Milliarden. Eine besonders interessante Folge (April 2023) ist Poor Britannia, in der es über die Verelendung und Verarmung der britischen Mittel- und Unterschicht geht. Ich habe schon einige Reportagen und Dokus über die Entwicklung im Königreich gesehen und bin entsetzt über die Situation. Gleichzeitig werden die Reichen und Superreichen immer reicher und die Politik des Landes ist weiterhin ausschließlich auf diese Personen ausgerichtet. Ist mir ein Rätsel, warum es dagegen noch keine größere Protestbewegung gibt und jene, die das Volk ins Elend treiben, weiter gewählt werden.

Filme

Talk To Me

Beeindruckender Debütfilm zweier australischer Youtuber, der sein Ding von Anfang bis Ende stilsicher durchzieht. Aus den begrenzten Mitteln holt der das Optimum heraus und sieht dabei erstaunlich schick aus. Über eine Gruppe Jugendlicher, die als eine Art TikTok-Challenge mittels verwunschener Hand Tote beschwören und sich von ihnen in Besitz nehmen lassen. Was anfangs ein großer Spaß ist, geht natürlich irgendwann in die Hose. Auf den Film bin ich schon länger gespannt, da Daniel Schröckert mit den beiden Machern bekanntfreundet ist und das Projekt regelmäßig in Kinoplus erwähnte. Von der Qualität des Films war am Ende trotzdem noch selbst überrascht. Hat mir besser gefallen als Smile oder Evil Dead.

Summer Ghost (Samā Gōsuto)

Schöner, kurzer Coming-of-Age-Anime über drei jugendliche Außenseiter, die gemeinsam einen Geist suchen und neben Freundschaft auch Motivation finden, weiterzumachen. Sehr einfühlsam und rührend inszeniert.

Funny Pages

Einer dieser Indie-Filme, wie sie vor allem in der zweiten Hälfte der 1990er und in den frühen Zweitausender gedrehte wurden. Ist aber von 2022 und noch eine Ecke schräger. Es geht um einen jungen Mann, der die High-School hinwirft, weil er Comic-Zeichner werden will und sich an Kunstschulen bewirbt. Dafür nimmt einen merkwürdigen Job an und zieht in einen noch merkwürdigere WG. Um diese Wohnverhältnisse zu beschreiben, fehlen mir ein wenig die Worte. Als wäre er ins Arschloch einer Comicfigur von Robert Crumb gezogen, wo schon andere schräge Vögel hausen. Bis auf die Hauptfigur – die vor allem auf Underground-Comics steht – sind alle anderen mega unsympathisch und es ist mir ein Rätsel, warum er die Nähe zu ihnen sucht. Der Film ist von Anfang bis Ende sehr unangenehm, aber trotzdem irgendwie interessant. Wurde von A24 produziert. Er war mir aber völlig unbekannt, bis ich ihn vor wenigen Tagen beim Stöbern auf Paramount+ entdeckt habe.

The Roundup: No Way Out

Dritter Teil der Prügelfilmreihe mit Don Lee, der hier wieder kräftig austeilt. Teil 1 fand ich schwach, Teil 2 sehr unterhaltsam und auch der dritte hat Spaß gemacht, obwohl er wieder eine massive Verherrlichung exzessiver Polizeigewalt ist. Eine wirkliche Story gibt es nicht. Verschiedene Gangster-Fraktionen kloppen sich um gestohlene Drogen, und Don Lee mittendrin, der ständig Verdächtige misshandelt, um an Informationen zu kommen, die ihn zu neuen Schurken führen, die ihm direkt ans Leder wollen und dafür aufs Maul bekommen. Die Kämpfe selbst fand ich aber deutlich langweiliger als in Teil 2, da sie deren Kreativität vermissen lassen. Hier gibt es ständig Rechts-Links-Rechst-Kombinationen von Don Lee, und schon gehen die Gegner zu Boden. Ab und zu packt der die Dampframme aus und sie fliegen gleich meterweit durch die Gegend. Wer den Vorgänger mochte, wird auch hier seinen Spaß haben, kann aber völlig unabhängig von den anderen Teilen geschaut werden.

Empire of Light

Der neue Film von Sam Mendes ist eine Hommage an die vergangene Pracht alter Filmpaläste und Kinos. Allerdings werden hier eine Menge Fässer aufgemacht: Rassismus, psychische Erkrankung, Liebe mit großem Altersunterschied. Und das alles fügt sich nicht so vollständing zu einem stimmigen Ganzen, da die Themen alle nicht ausreichend behandelt werden können. Trotzdem ein toller und schöner Film mit hervorragenden Darsteller*innen (allen voran Olivia Coleman und Micheal Ward). Und das Kino sieht echt klasse aus. Auch wenn der Film die Magie des Kinos nicht so ganz einfangen kann. so halb ist doch auch okay.

Disney+

Das Schwert der gelben Tigerin

Mit den Kung-Fu-Filmen der Shaw Brothers bin ich aufgewachsen, habe viele davon gesehen, teils sogar im Kino, aufgrund der oft austauschbaren Titel kann ich mich aber an viele nicht mehr erinnern. Den hier habe ich aber definitiv noch nicht gesehen.

Die gelbe Tigerin ist im Film übrigens eine goldene Schwalbe und wird von Hongkongfilmlegende Cheng Pei-pei toll gespielt. Der internationale Titel lautet Come Drink With Me, was dem chinesischen Original Dàzuì Xiá näher kommt. Das bedeutet so viel wie »betrunkener ritterlicher Held« und dürfte eine humorvolle Anspielung auf den Begriff Wuxia selbst sein, denn das heißt grob übersetzt »im Wushu bewanderte ritterliche Helden“.

Und so bietet der Film eine Mischung aus teils brutaler Kampfkunst und humorvollen Einlagen, wenn unser zweiter Protagonist, der betrunkene Held ins Spiel kommt. Der Film ist von 1966 und dementsprechend sehen die Kampfszene teils recht putzig aus, sind insgesamt aber toll in beeindruckenden Settings inszeniert. Hat Spaß gemacht.

Ach ja, geht darum, dass die Heldin ihren Bruder aus den Fängen einer mächtigen Gaunerbande befreien will.

Gibt es mit 13 anderen Filmen der Shaw Brothers auf Mubi (bei Prime gibt es noch einige andere).

Youtube

Mark Kermode reviews Scala!!!

Ausnahmsweise mal eine Filmbesprechung, und zwar die von Mark Kermode zur Dokumentation Scala!!! Über den gleichnamigen subversiven Londoner Filmklub, der sich gerne über die Regeln hinweggesetzt hat und eine ziemlich tolle Institution gewesen sein muss.

Trailer

Scala!!!

Und hier der Trailer zu Scala!!! Ich hoffe, dass Mubi oder Arte sich erbarmen, die Doku zu zeigen.

Fun Fact

So blond war ich einmal

Nahaufnahme von mir als Grundschulkind auf dem Steg vor einem Teich hockend. Die Haare hellblond.

Jahresrückblick

Einen ausführlichen Jahresrückblick erspare ich mir und euch. Beruflich war 2023 für mich ein gutes Jahr. Privat eher Bescheiden, da mein Vater im Sommer überraschend verstorben ist. Und global gesehen natürlich völlig beschissen. Darauf muss ich ja hier nicht weiter eingehen. Vor allem angesichts der Gewissheit, dass die Krisen in den nächsten Jahren nur noch zunehmen werden und der Abschluss eines miesen Jahres keine Hoffnung mehr auf ein besseres mit sich bringt.

Links steh ich in gelbem T-Shirt und kurzer Hose, rechts mein Vater mit karriertem Hemd, Dreiviertelhose und Schirmmütze. Zwischen uns ist im Hintergrund eine lange Hängebrücke aus Stahl über einem grünen Tal zu sehen.

Hier stehe ich mit meinem Vater vor der Geierlay, das Foto hat meine Mutter gemacht. Wir sind immer gerne Wandern gewesen.

Ein paar private Highlights gab es aber schon. Erstmals seit Beginn der Pandemie bin ich wieder verreist und überhaupt unter Leute gegangen. Ich war in Berlin und habe erstmals seit 2020 wieder alte Freunde getroffen. Auf der Buchmesse und dem BuCon war ich ebenfalls, wo ich viele Freunde und Bekannte nach langer Zeit wiedertraf und tolle Gespräche führte. Und ich bin erstaunt, dass ich mich bei dem Ganzen immer noch nicht mit Corona angesteckt habe. Auch im Kino war ich erstmals seit Januar 2020 wieder. Ansonsten habe ich meine Leidenschaft fürs Schwimmen wiederentdeckt.

Japanisch lernen geht recht langsam (aber stetig) voran, sodass ich meine Reise nach Japan für 2025 plane. Immerhin, bei jedem neuen Film, jeder neuen Serienfolge auf Japanisch verstehe ich ein, zwei Worte mehr. Doch es ist noch ein langer Weg, der aber trotzdem Spaß macht.

Ausblick

Mein Job bei Tor Online geht so weiter, wie in diesem Jahr. Was Übersetzungen angeht, habe ich noch alle Kapazitäten für 2024 frei. Bloggen werde ich erstmal weiter wie bisher. Im Januar geht es mit dem Japanuary los (genauere Infos hier), da werde ich acht japanische Filme besprechen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei euch dafür bedanken, dass ihr hier fleißig mitlest. Und ich wünsche euch einen guten Rutsch ins neue Jahr und eine gesundes, friedliches und erfolgreiches 2024!

Meine Woche 03.12.2023: Winterwunderland, Past Lives und Aufregung in der Buchbranche

Es geht nach Japan, Indien, Südkorea und Marrakesch, es wird bluesig mit Beth Hart, aktivistisch mit Nan Godin, steampunkig mit der Library Ladder und furios mit Furiosa. Ich freue mich über die kleinen Dinge des Lebens und schwelge in vergangenen Leben. Filme, Dokus, Trailer und jede Menge Fotos.

Collage aus vier Bildern. Von links oben: 1. Bäume bei nacht im Schnee. 2. Ein Paar, das auf einem Bett liegt, er mit dem Rücken zur unverputzten Wand rechts, sie liegt links auf ihrer rechten Seite. 3. Szene aus dem Film "Spätherbs", eine junge Japanerin blickt in die Kamera. 4. Szene aus dem Film "Past Lives", Straße in südkorea, rechts führt eine Treppe hoch, links führt die Straße leicht abschüssig weiter. Ein Mädchen geht die Treppe hoch, eine Junge die Straße weiter.

Worüber ich mich freue

Winter

Na ja, für die Heizkosten ist das jetzt nicht gut, und der frühe Wintereinbruch ist auch nervig und anstrengend, aber ich liebe die weiße Winterlandschaft. Mäßiger Schneefall hieß es im Wetterbericht für Montag. Und nimmt man den Flockdown pro Minute, war das wohl auch mäßig. Nur schneite es von 8.00 Uhr morgens bis 22.00 Uhr abends und am Ende waren es über 20 Zentimeter. An dem Tag habe ich zweimal Schnee geschippt, und es war beide Mal superanstrengend. Eigentlich mache ich das gerne, aber der Schnee war nass und schwer und blieb ständig an der Schaufel kleben. Außerdem war es so viel, dass ich irgendwann nicht mehr wusste, wohin damit. Dazu sei gesagt, wir haben einen langen Bürgersteig sowie eine lange und breite Einfahrt, die es freizuräumen gilt. Folgte in den letzten Jahren meist Tauwetter auf heftigen Schneefall, war dieses Mal eine längere Frostperiode gemeldet und bereits am nächsten Tag wurde der Schnee hart. Ich wohne hier auf dem Dorf, zu den nächsten Ortschaften geht über von Wäldern gesäumte Landstraßen. Und da am Montag viele Bäume durch den schweren Schnee umgefallen sind, herrschte hier im Westerwald ziemliches Chaos. Stromausfälle gab es auch.

Leider finde ich keine Möglichkeit, zu den Fotos hier unten einen Alternativtext zu schreiben. Sie zeigen alles unser Gründstück aus verschiedenen Perspektive bei Tag und bei Nacht im Schnee.

Was ich noch mehr liebe als den Winter, sind Spaziergänge im Schnee. Das Schneewegschaufeln war die ersten beiden Tage so anstrengend und zeitaufwendig, dass ich erst am dritten Tag gegangen bin. Da dürfte es im Wald auch nicht mehr so gefährlich gewesen sein. Denn, wie schon erwähnt, der Schnee war richtig schwer, so viele umgestürzte Bäume auf einmal habe ich noch nie auf der Strecke gesehen, die ich seit Jahrzehnten gehe.

Lebkuchen

Normalerweise esse ich ab November die industriell gefertigten Lebkuchen mit Schokoladenglasur aus dem Aldi, die schmecken ganz gut. Aber kein Vergleich mit dem selbstgebackenen Lebkuchen meiner Mutter.

In Stücke geschnittener Lebkuchen mit Schokoladenglasur.

Unsere Eichhörnchen

Die Eichhörnchen kommen auch im Schnee vorbei, selbst bei Minustemperaturen, um sich ihre Walnüsse abzuholen. Aber nicht so häufig, wie bei schönerem Wetter. Mir scheint, sie arbeiten Teilzeit und nur vormittags. Das erste Bild wurde mit einer Wildkamera im Garten aufgenommen. Das Eichhörnchen blickt auf den zugefrorenen Teich.

Eichhörnchen im Schnee. Es steht direkt links vor der Kamera, und blickt von der Kamera weg auf den zugeschneiten Teich und den Garten drumherum. Wir haben fast seine Perspektive.

Dokus

Bad Woman Blues – Beth Hart

Kurzes, aber doch aufschlussreiches und interessantes Porträt der amerikanischen Sängerin Beth Hart, das jetzt nicht ihre komplette Karriere im Detail schildert, aber einen guten Eindruck von ihr vermittelt. Ich muss gestehen, ich kannte sie gar nicht. Falls mir ihre Musik mal begegnet sein sollte, habe ich sie nicht weiter beachtet. Dabei ist das ganz tolle Musik. Aber Blues ist nicht so ganz meins.

3Sat-Mediathek

Hotel-Legenden (1/4): La Mamounia in Marrakesch

Ich liebe Hotels und Geschichten über und in Hotels. Mit Airbnb könnte ihr mich jagen. Zwar mag ich es, zu sehen, wie andere Menschen wohnen, sie also zu Hause zu besuchen, aber bitte ohne Übernachtung. Und schon gar nicht in fremden Wohnungen. Da ziehe ich tatsächlich die sterile Anonymität von Hotels vor. In Filmen, Serien und Büchern sind Hotels wunderbare Orte der Begegnung. Und in der Geschichte waren sie das auch. So z. B.. das La Mamounia in Marrakesch, wo einst Winston Churchill regelmäßig residierte. Die Geschichte rund um den Künstler Jacques Majorelle und wie er das Hotel geprägt hat ist faszinierend.

Die Doku gibt es jetzt in der Mediathek von Arte, drei weitere Hotels folgen noch.

Indiens unbekannter Südosten: Götter, Karma, Tempelhaar

Es gibt sehr viele Länder, für dich ich mich interessiere. Mit seinen extrem vielfältigen Kulturen und zahlreichen Sprachen steht Indien auf der Liste ganz oben. Mit Indiens unbekannter Südosten ist in dieser Doku der Bundesstaat Tamil Nadu mit seiner Hauptstadt Pondicherry gemeint – ehemals Französisch-Indien. Auch wenn es sich um eine NDR-Produktion handelt, wurde die Doku erfrischenderweise von einer indischen Regisseurin (Roopa Rao) gedreht und zeigt das Leben einfacher Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit dem Kauf und Verkauf von Echthaar verdienen. Dazu eine junge Tauchlehrerin, die jungen Mädchen das Tauchen in einem Land beibringt, in dem gerade einmal ein Prozent der Bevölkerung schwimmen kann.

Arte-Mediathek

Youtube

Mr. Nippon in Okinawa

Tobi alias Mr. Nippon war in Okinawa unterwegs und im Dorf Ogimi auf der Hauptinsel Hontou, wo die meisten Einwohner ein Alter von um die 100 Jahren erreichen. Dem Geheimnis dieser Langlebigkeit ist er auf der Spur.

Who Put the „Punk“ in Steampunk? The Roots of Steampunk

Ein besseres Video über Steampunk werdet ihr wohl aktuell nicht finden. The Library Ladder geht ausführlich auf die Anfänge des Genres ein und stellt einige Abenteuerserien vor, die als Vorläufer gelten können und mir bisher nicht bekannt waren. Dazu arbeitet er gut heraus, dass Steampunk als Rebellion gegen das Science-Fiction-Establishment begann, mit Autor*innen, die ihre Redakteure herausforderten, in dem sie SF schrieben, die nicht in der Zukunft spielt, sondern in der Vergangenheit. Das Video weist aber auch gut auf die Widersprüchlichkeit des Genres und die damit einhergehende Identitätskrise hin. Wobei es vor allem um die Wurzeln des Genres geht. Zum aktuellen Stand gibt es in den letzten fünf Minuten aber auch noch einen interessanten Abriss.

The Essential Japanese Cinema

Ist schon ein Jahr alt, aber trotzdem ist der Video-Essay von The Cinema Cartography zum japanischen Kino sehr sehenswert. Auch wenn der Beitrag schon etwas zu überfrachtet wirkt, mit der Fülle an Filmen, die teils in schneller Abfolge erwähnt werden. So ganz konnte ich der Argumentation auch nicht immer folgen. Trotzdem habe ich eine Menge Filmtipps mitgenommen. Leider werden die Filmtitel nicht eingeblendet, aber fleißige Zuschauer haben sie in den Kommentaren aufgelistet.

Filme

Spätherbst (Akibiyori)

Zehn Filme Ozus gibt es in der Arte-Mediathek, jeden Sonntag schaue ich mir einen an, nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern einfach so, wie sie in der Arte-App gelistet sind. Letzten Sonntag war Spätherbst dran, der mit der Trauerfeier für Herrn Miwa beginnt, der drei Freunde, eine Frau und eine erwachsene Tochter hinterlässt. Und dass diese beiden (wieder) verheiratet werden, haben sich die drei alternden Freunde zur Aufgabe gemacht. Ob die Frauen das wollen, oder nicht.

Im Prinzip geht es in dem Film um die Aufrechterhaltung des Patriarchats, bei der sich die alten Männer mehr als übergriffig verhalten, was den Frauen im Film deutlich anzumerken ist, und die drei erhalten dann auch einen Anschiss von einer Freundin der Tochter, aber am Ende gibt es doch eine Hochzeit. Trotzdem hat mir der Film noch besser als Guten Morgen und Die Reise nach Tokio gefallen, weil ständig was passiert, eine schöne Dynamik im Gang ist, mit psychologisch feinfühligen Beziehungsgeflecht.

All the Beauty and the Bloodshed

Dieser Film porträtiert zum einen das bewegte Leben der Fotografin Nan Godin, die unter anderem die AIDS-Krise in der Kunstszene New Yorks der 80er miterlebt hat; zum anderen begleitet er die Aktivistin in ihrem Kampf gegen die Sackler-Familie, die mit ihren Machenschaften rund um das Schmerzmittel Oxycontin für mehr als eine Million tote Menschen in den USA verantwortlich ist. Mir gefällt vor allem, wie viel Raum ihre Fotografien einnehmen.

Past Lives

Erzählt von Na-young, die als Jugendliche mit ihren Eltern aus Südkorea nach Kanada auswandert und ihren besten Freund zurücklassen muss. Viele Jahre später nehmen sie wieder Kontakt zueinander auf und treffen sich, haben aber auch ihre eigenen Leben. Unaufgeregt und klischeefrei, ohne tragisches Sich-Verpassen oder schicksalhafte Begegnungen, versteht es der Film, eine Geschichte der Annäherung mit den vergangenen Leben zu schildern, die wir eigentlich hinter uns gelassen haben, die uns aber nie so ganz loslassen wollen. Großartiger Film.

Trailer

Furiosa: A Mad Max Saga

Nachdem ich als sehr junger Jugendlicher die ersten drei Mad-Max-Filme gesehen habe, die aus Australien stammten, dachte ich 30 Jahre lang, Mel Gibson sei Australier. Die Filmreihe hat mich also durchaus geprägt. Als der vierte Teil angekündigt wurde, hielt sich meine Erwartungen in Grenzen, im Kino habe ich ihn dennoch gesehen. Und er hat mich umgehauen. Was für ein energiegeladenes, brachiales visuelles Kunstwerk! Furiosa, ebenfalls von George Miller inszeniert, erzählt die Vorgeschichte der im Vorgänger von Charlize Theron gespielten Figur.

Ich weiß noch nicht so recht, was ich von dem Trailer halten soll. Der Überraschungseffekt ist natürlich weg. Das Color-Grading ist gewöhnungsbedürftig, habe das Gefühl, dass hier Sachen künstlich aussehen, die gar nicht auf der Live-Stage gedreht wurden (oder wurden sie es doch und der Film macht jetzt den Hobbit?). Denke aber schon, dass ich ihn mir wieder im Kino ansehen werde.

Buchbranche

Diese Woche machte eine Meldung die Runde in meiner Buchbubble, die mich doch etwas fassungslos machte. Dass es Druckkostenzuschussverlage gibt, und dass die nicht seriös sind, ist bekannt. Das Geld fließt immer vom Verlag zu den Autor*innen, nie umgekehrt. Außer bei Ravensburger. Eigentlich ein etablierter und renommierter Verlag. Doch auf dessen Webseite stand, dass man für die Prüfung eines eingesandten Manuskriptes doch bitte 35 Euro an eine externe freiberufliche Lektorin überweisen solle. Die steht dort sogar mit Klarnamen und Kontodaten!

Wenn ein Verlag Bücher von Autor*innen veröffentlichen möchte, ist es seine Aufgabe, diese zu finden. Klar gibt es eine Fülle an unverlangt eingesandten Manuskripten, die kaum zu bewältigen ist. Und ich möchte gar nicht wissen, was da jetzt noch an ChatGPT-Einsendungen hinzukommt, aber das ist kein Grund, hier hoffnungsvollen, unerfahrenen Nachwuchsautor’innen Geld abzuknöpfen, ohne das eine wirkliche Gegenleistung besteht. Absolut unseriös! Ich hoffe, das wird dem Verlag noch auf die Füße fallen.

Inzwischen ist der Verlag wohl insofern zurückgerudert, dass es auf der Webseite wieder geändert wurde, geäußert hat sich Ravensburger dazu aber nicht.

Verstorben

Shane MacGowan ist diese Woche verstorben. Einer von Irlands größten Dichtern und Sänger der Pogues. Deswegen hole ich nochmal meinen Text zur Doku über ihn, die im März auf Arte lief, hervor:

Crock of Gold: A Few Rounds with Shane MacGowan

Eine faszinierende Doku über einen Musiker, der mir mit seiner Band The Pogues zwar namentlich ein Begriff war, und von denen ich sicher schon mal Songs gehört habe, die trotzdem weitgehend an meinem Radar vorbeigegangen sind. Die Doku geht erstaunlich lange auf seine Kindheit ein und erzählt nicht nur seine Biografie, sondern teils auch eine musikalische Geschichte Irlands.

MacGowan selbst ist inzwischen körperlich ein Wrack. In einem Interview-Strang sitzt er mit Gerry Adams zusammen, der zehn Jahre älter ist, aber zehn Jahre jünger wirkt. Selbst MacGowans Vater wirkt mit über 80 noch fitter. Durch seine Nähe zur IRA ist MacGowan durchaus eine kontroverse Figur, seine Musik und die Texte sind aber unbestritten großartig. Mit ihrer wilden Mischung aus Irish Punk Folk haben die Pogues etwas ganz Eigenes erschaffen.

Die Doku konzentriert sich aber voll auf Shane MacGowan, aus der Band kommt niemand zu Wort, es geht auch nicht darum, wie sich die Musiker*innen kennengelernt haben, wie sie zusammengearbeitet haben usw. Es geht nur um MacGowan.

Anlässlich seines Todes ist die Doku bei Arte wieder in der Mediathek verfügbar

Meine Woche 26.11.2023: Echt, Konzernschriftsteller und der Tod des Kinos

In der aktuellen Ausgabe stelle ich das beeindruckende Sachbuch Killers of the Flower Moon vor, empfehle eine Doku über eine Band, mit deren Musik man mich damals hätte jagen können, gehe der Frage nach, wer das Kino ermordet hat und empfehle unter anderem den Anime Suzume.

Die Woche

Die Woche verlief nicht ganz so gewöhnlich wie sonst, da ich am Mittwoch jemanden zu einer ambulanten Zahn-OP unter Vollnarkose fahren musste. Hat dann von 8.00 bis 15.00 Uhr gedauert und mich einen Arbeitstag gekostet. Was aber nicht schlimm war, da ich am Dienstag vorgearbeitet habe. Überrascht hat mich, dass in der zahnchirurgischen Praxis überall Cola rumstand. Das ist für die Patient*innen gedacht, damit der Kreislauf nach der Narkose wieder in Gang kommt. Habe in der Wartezeit immerhin viel gelesen bekommen. Wenn ich ein gutes Buch (E-Book) dabei habe, in dem ich ganz versinke, machen mir lange Wartezeiten nichts aus.

Worüber ich mich freue

Das neue Bild meiner Mutter, das in der Küche hängt. Ist mit der gleichen Technik entstanden wie das aus der letzten Woche.

Artikel

Über Konzernschriftsteller und die Veränderung der Buchbranche

Ein interessantes Interview mit Dan Sinykin in der FAZ zu dessen Buch Big Fiction, vor allem über die Frage, wie der Aufkauf traditioneller unabhängiger Verlage durch Konzerne die Literatur und das Schreiben großer Schriftsteller*innen verändert hat. Dürfte auch für Deutschland gelten, soweit ich das aus der Literaturbranche mitbekomme. Ich arbeite ja auch für so einen Traditionsverlag, der inzwischen zu einem riesigen Konzern gehört.

The Strange $55 Million Saga of a Netflix Series You’ll Never See

Bisher dachte ich, bei Netflix würden halbwegs kluge Köpfe sitzen, also dort, wo die Entscheidungen über Geld und Projekte getroffen werden. Doch die Geschichte von Carl Erik Rinsch und seinem Projekt Conquest – die fast zu gut ist, um wahr zu sein – bringt diesen Glauben ins wanken. John Carreyrou hat sie für die New York Times niedergeschrieben. 55 Millionen Dollar hat Netflix hier verbrannt, aber wie das abgelaufen ist, ist schon mehr als kurios.

Meine Lektüre

Killers of the Flower Moon | David Grann

Kindle-Cover des Buch "Killers of the Flower Moon" mit dem Filmposter als Titelbild. Die linke Bildschimrhälfte zeigt Leonardo Di Caprio, die rechte den Buchtitel und Blurbs.

Die Sachbuchvorlage zum aktuellen Film von Martin Scorsese, die ich gelesen habe, weil ich hörte, der Film soll die Hintergründe zu diesen teuflischen Verbrechen nur sehr unzureichend beleuchten. Es geht darum, wie die Osage in Oklahoma – nachdem Öl auf ihrem Land gefunden wurde, was ihnen Reichtum brachte – Ziel weißer Golddigger wurden, die sie geheiratet und dann nach und nach umgebracht haben. Mal mit einer Kugel in den Kopf, oft aber auch durch Vergiften. Es waren weiße Männer wie Frauen, die mordeten; innerhalb eines Jahrzehnts, das als Reign of Terror bekannt war, starben mehrere Dutzend Osage unter verdächtigen Umständen, viele der Morde wurden nie aufgeklärt.

Das Buch liefert die Hintergründe dazu, wie die Osage in diese Lage geraten sind. Erst wurden sie von ihrem Land vertrieben, dort wo sie ansiedeln sollten, wurde Öl gefunden, doch diesen Reichtum wollte ihnen das weiße Amerika nicht gönnen, weshalb viele von ihnen unter weiße Vormundschaft gestellt wurden, bei der sie praktisch um jeden Cent betteln mussten. Und viele der Osage, die unter einer solchen Betreuung standen, starben auf unnatürliche Weise. Es wurde ein perfides System zu deren Ausbeutung entwickelt, an dem Richter, Ärzte, Banker, Geschäftsmänner, Senatoren, Gouverneure usw. beteiligt waren.

Das Buch beginnt mit dem Mord an Anna Brown, der Schwester der Osage Molly Burkhart (Lily Gladstone), die wiederum mit Ernest Burkhart (Leonardo Di Caprio) verheiratet war, dem Neffen von William Hale (Robert De Niro), dem Schlimmsten und Mächtigsten aller weißen Verbrecher während des Reign of Terror. Zunächst werden die erfolglosen Ermittlungen mehrere Privatdetekteien geschildert, die Untätigkeit der lokalen Behörden, bis das FBI (das damals noch nicht so hieß) in Gestalt von Tom White (Jesse Plemons) auf den Plan trat. White ist einer der wenigen anständigen weißen Protagonisten in dieser Geschichte.

David Grann geht aber noch weiter, nachdem die Geschichte von White, Hale und Moly Burkhart erzählt ist, forscht er vor Ort bei den Nachkommen der Familien nach, wie viele ungeklärte Todesfälle es noch gab und deckt ein Ausmaß an niederträchtigen Verbrechen auf, das einem den Atem verschlägt.

Den Film habe ich noch nicht gesehen. Ich warte, bis er bei AppleTV verfügbar ist. Eigentlich wollte ich das Buch ausführlicher besprechen, weiß aber nicht, ob ich das noch schaffe. Es ist auf jeden Fall ein großartiges und wichtiges Sachbuch, das ein Stück amerikanische Geschichte erzählt, das die meisten Amerikaner*innen wohl lieber unter den Teppich kehren würden.

Japan für die Hostentasche: Was Reiseführer verschweigen | Francoise Hauser

Taschen-Ausgabe von "Japan für die Hosentasche". Das Titelbild zeigt im greiß angeordnete Piktogramme mit japanischen Motiven (wie den Fuji, Samurai, Sumoringer, Geisha usw.).

Als ich das Buch geschenkt bekommen habe (nochmals Danke Andy!), habe ich mich natürlich gefreut, dachte aber trotzdem: Na, ob das mir noch was Neues erzählen kann? Gerade auch wegen des reißerischen Untertitels, der direkt aus einer Google-AdSense-Werbung stammen könnte. Hatte dann aber doch so einiges Interessantes zu bieten, an kleinen Fakten über Japan, die mir bisher noch nicht bekannt waren, das alles in einem lockeren, humorvollen Tonfall präsentiert, ohne sich über vermeindliche Verschrobenheiten der Japaner*innen lustig zu machen, wie es viele andere ähnliche Bücher tun.

Filme

Suzume (すずめの戸締まり)

Mal wieder ein richtig schöner Film von Makoto Shinkai, der, obwohl es hier unter anderem um einen jungen Mann geht, der in einen dreibeinigen Stuhl verwandelt wird, ein ernstes Thema behandelt. Für manche, die das Tōhoku-Erdbeben 2011 erlebt haben, kein einfacher Film. Es geht um die Schülerin Suzume, die einen Studenten kennenlernt, der magische Türen verschließt, um Katastrophen zu verhindern. Dadurch entwickelt sich ein toller Roadtrip, der auch eine Reise in ihre tragische Vergangenheit ist.

Gibt es bei Crunchyroll

Mission Impossible: Dead Reckoning

Die Reihe ist für mich immer noch der bessere Bond, doch nach dem starken Fallout ist sie für mich zusammen mit den Figuren auserzählt. Der Film ist immer noch nett anzusehen, aber nur noch eine Variation von schon dagewesenen Motiven und Themen. Hier wird der MI-Baukasten einfach um ein paar spektakuläre Stunts herumgebaut, die Cruise wohl noch machen möchte, bevor er den Rollator auspacken muss. Und eigentlich geht es nur um den Motoradfallschirmsprung, der im Making-Off (also real ohne Effekte) viel beeindruckender aussah. Ansonsten die üblichen Kämpfe und Verfolgungsjagden, die zusammen mit den Erklärbärszenen und den Quasselstunden einzeln viel zu lang geraten sind, was den Film auch viel zu lang macht. Und die Zug-Kletterszene am Ende ist ja mal 1:1 aus Uncharted geklaut (also dem Spiel, nicht der Verfilmung) Hätte nichts dagegen, wenn die Reihe hiermit enden würde. Aber einen Teil wird es ja noch geben.

Passages

Mit Franz Rogowski, Ben Wishaw und Adèle Exarchopoulos, über einen deutschen Regisseur, der mit einem Engländer in Paris verheiratet lebt und sich mit einer französischen Lehrerin einlässt, was zu einer komplizierten Dreiecksbeziehung führt. Mein Problem mit dem Film ist, dass der Protagonist ein totaler Unsympath ist, eine Art narzisstischer Emitionsvampir, der die Emotionen seiner Partner*innen aussaugt und davon lebt, ohne sich über deren Befinden Gedanken zu machen. Das ist natürlich der Kern des Film, aber hat mir deswegen und auch, weil die beiden anderen Figuren deutlich zu kurz kamen, nicht so wirklich Spaß gemacht, obwohl es ein ganz guter Film ist.

Mubi

Die Reise nach Tokio (Tōkyō monogatari)

Der wohl bekannteste Film von Yasujirō Ozu, über ein älteres Ehepaar, das die erwachsenen Kinder in Tokyo besucht und feststellen muss, dass die alle ihr eigenes Leben führen, in das der Besuch so gar nicht reinpasst. Meditativer Film über Familie und die Abnabelung der Kinder.

Arte Mediathek

Fallen Angels (Duòluò Tiānsh)

Das war der erste Film, den ich je von Wong Kar-Wai gesehen habe, 1996 muss das gewesen sein, als er auf Premiere im PayTV lief. Und ich war ganz hin und weg von diesen hypnotischen Kameraeinstellungen, den delierenden, fieberhaften Fahrten durch Hongkongs enge Straßen, dem stets etwas schrägen Bild und der verzerrten Optik. Eine richtige Geschichte erzählt der Film nicht, und das ist auch gut so, den umso stärker wirken Atmosphäre und Stimmungen der einzelnen Episoden und Figuren. Für mich auch heute noch der schönste Film Wongs. Nicht der eleganteste, das ist In the Mood for Love, aber der schönste.

Youtube

Searching for Fallen Angels‘ Lost Lens

Und hier ein sehr gutes Video dazu, wie die besondere Optik in Fallen Angels mit einer ultraweiten Linse von Kameramann Christopher Doyle erzeugt wurde.

Senpai in Japan: HONG KONG hat mich UMGEHAUEN….

Durchs Kino (John Woo, Wong Kar-Wai, Tsui Hark, Fruit Chan, Ann Hui) bin ich Hongkong-Fan aus der Ferne geworden, war aber leider noch nie dort. Lese auch gerne Bücher zur Stadt (siehe hier) und lasse mir keine Doku und kein Video über Hongkong entgehen. Seit den Protesten und der chinesischen Oppression ist die Stadt nicht mehr, was sie mal war, aber die Kulisse ist immer noch beeindruckend. So wie hier im Reisevideo von Senpai, der die Stadt mit einer befreundeten Hongkongerin besichtigt.

Who Murdered Cinema

Ist ein von Patrick (H) Willems als True-Crime-Ermittlung inszenierter Video-Essay über die Frage, wer das Kino auf dem Gewissen hat. Zunächst erklärt er uns, wie sich das Kino in den letzten Jahrzehnten verändert hat und warum Dramen mit mittlerem Budget, die einst an der Spitze der Jahreskinocharts standen, Filme wie Rain Man oder Kramer vs. Kramer, heute nur noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf Streaming-Diensten laufen oder gar nicht mehr produziert werden, während die erfolgreichsten Filme nur noch Fortsetzungen und Franchises sind. Und warum deren Erfolgsformel inzwischen auch nicht mehr so zieht. Dann präsentiert er uns die üblichen Verdächtigen, wie Netflix, Studiobosse und Roger Rabbit und geht dann darauf ein, wie das Kino vielleicht noch zu retten ist.

Schön finde ich, wie er erklärt, wie der hochprofitable Heimkinomarkt (DVD/Blu-Ray) vom Streaming zerstört wurde, das sich bis heute als defizitär erwiesen hat.

Wirklich neue Erkenntnisse oder Gedankengänge hat das Video nicht zu bieten, fasst alles aber kompakt zusammen, auch wenn es etwas zu lang geraten ist und zu viel Schnurrbärte enthält.

The Golden Age of Japanese Cinema

Ein Videoessay von The Cinema Cartography, der gut herausarbeitet, was das sogenannte Golden Age des japanischen Kinos, also die 1950er, ausmacht, aber auch verdeutlicht, dass es schon in den Jahrzehnten davor eine lebendige Filmlandschaft in Japan gab. Mir war nicht bewusst, wie massiv die Zensur der USA nach Ende des 2. Weltkriegs für japanische Filmschaffende war. Der Berg Fuji durfte nicht dargestellt, werden. Keine Katanas, keine Verbeugungen.

Warum Filmtrailer immer schlechter werden

David Hain spricht mir aus dem Herzen, was aktuelle Filmtrailer angeht. Die sind kaum noch zu ertragen. Hain erklärt gut an Beispielen, was daran alles nervt.

Dokus

Echt – Unsere Jugend

Die Musik von Echt galt damals bei mir und in meinem Umfeld als die personifizierte Uncoolness, ich meine, die sind im ZDF-Fernsehgarten aufgetreten, der gerontokratischen Vorhölle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Außerdem waren sie drei, vier Jahre jünger, und welcher Jugendlicher mag schon, was jüngere so machen. Dass ihnen damals solch massiver Hass entgegengeschlagen ist, war mir allerdings entgangen. Ab dem zweiten Album fand ich die Musik auch ganz okay und dachte bei manchen Songs: Gar nicht so schlecht.

Die Band hat sich nach vier Jahren aufgelöst. Während dieser Zeit sind zahllosen Stunden an Videomaterial entstanden, und daraus hat Sänger Kim Frank jetzt eine dreiteilige Doku-Serie gemacht, die Aufstieg und Fall der Band dokumentiert. Die Ereignisse kommentiert und reflektiert er selbst aus dem Off, teils ziemlich persönlich. Und so entsteht ein intimes Porträt, das sehr vielschichtig daherkommt und mir richtig gut gefallen hat. Faszinierend finde ich, dass die Band aus fünf Jugendfreunden bestand, trotzdem nur vier Jahre hielt, die Mitglieder aber heute noch Freunde sind.

ARD-Mediathek

Serien

Ich habe keine Serie beendet, die ich hier jetzt vorstellen könnte. Aber ich bin einiges am schauen und komme gar nicht hinterher mit den interessanten Sachen. Viele beschweren sich, dass Netflix nichts Gutes mehr bringen würde, was ich anders sehen. Momentan stauen sich bei mir die aktuellen Staffeln von The Witcher, Sex Education, One Piece, Bodies, Blue Eyed Samurai, Wrestlers sowie Ishiko and Haneo. Es gibt dort immer noch genügend neue Serien, dass ich nicht in Versuchung komme, mein Abo zu kündigen. Würde ich auch schon allein wegen der vielen nicht-englischsprachigen und vor allem japanischen Serien nicht machen.

Warum manche Bücher verfilmt werden sollten

Kürzlich habe ich darüber geschrieben, dass ich meine Lieblingsbücher nicht verfilmt sehen möchte. Heute mache ich mal was Gegenteiliges und behaupte, manche Bücher müssen einfach verfilmt werden.

Auf die Idee brachte mich die Lektüre von Rebecca F. Kuangs Babel (hier meine Besprechung), das auf grandiose Weise viele wichtige Themen wie Kolonialismus, Imperialismus, Diskriminierung, Rassismus, Misogynie und Feminismus behandelt, ohne dabei oberlehrerhaft zu wirken. In meinen Augen eines der wichtigste (und besten) Fantasybücher der letzten Jahre (und Jahrzehnte). Ein Buch, das richtig viel Aufmerksamkeit verdient hat.

Die englischsprachige Originalausgabe stand auf den Bestsellerlisten der Sunday-Times- und New-York-Times auf Platz 1 und auch auf einige Jahreslisten, der besten Fantasyromane 2022. In Deutschland, so fürchte ich, wird das Buch (obwohl kürzlich schon von Denis Scheck in Druckfrisch begeistert empfohlen) aufgrund seines akademischen Themas (Liebeserklärung an Sprache und Etymologie) nicht so einschlagen. Sorry, aber das deutschsprachige Publikum ist in der Masse leider etwas anspruchsloser (siehe meinen Beitrag).

Und es ist leider auch so, dass gerade Fantasybücher erst Aufmerksamkeit in den den Medien und dem Feuilleton (ja Frank, ich kenne den Hashtag #PhantFeuille 😉 ) erhalten, wenn sie als Serie umgesetzt werden. Und erst dann wird tiefer auf die Themen eingegangen, die unter dem Fantasyspektakel stecken.

Eine gelungene Verfilmung – und da ist viel Fingerspitzengefühl nötig – könnte solchen Bücher und Romanen, die sich nicht so gut verkaufen, noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Es sollte aber ausreichend Zeit zwischen Buchveröffentlichung und Verfilmung vergangen sein, damit das Buch Zeit hat, sein Publikum zu finden. Denn eine Adaption könnte auch nach hinten losgehen. Entweder, weil sie nicht gut ist, oder, weil sich viele Zuschauer*innen sagen: Warum das Buch noch lesen, wenn ich den Film oder die Serie schon gesehen habe?

Aber das beschränkt sich natürlich nicht auf Bücher aus dem Bereich der Phantastik.

Wer kannte das Buch Schindlers Liste, bevor Spielberg es verfilmte? Und könnt ihr mir, ohne nachzuschlagen, den Namen des Autors nennen? Es ist der Australier Thomas Keneally. Ich musste dafür auch eine Suchmaschine konsultieren. Wobei er 1982 für den Roman den Booker-Prize gewann und dadurch sicher etwas Aufmerksamkeit erhalten hat.

Was macht ein Buch wichtig?

Aber was macht ein Buch wichtig und wer entscheidet das? In diesem Artikel natürlich ich. Ansonsten ist das eine sehr schwammige Definition. Lange waren (und sind es immer noch) die Gatekeeper des weißen Patriarchats, die den sogenannten Literaturkanon bestimmen, die festlegen, was als „Weltliteratur“ gilt, was ein bedeutendes Werk ist. Und natürlich waren das über viele Jahrzehnte vor allem weiße Autoren. Es gibt Ausnahmen, wie Toni Morrison oder James Baldwin, aber auch das sind Autor*innen, die irgendwann als „wiederentdeckt“ neu veröffentlicht werden.

Wichtig sind für mich Bücher, die gesellschaftlich aktuelle, brisante, bedeutende Themen aufgreifen, sie auf kunstvolle Weise präsentieren, auf eine Art, wie es so zuvor vielleicht noch nicht gemacht wurde. Bücher, die sogar gesellschaftlichen Veränderungen anregen. Onkel Toms Hütte von Harriet Beecher Stowe gilt (bei aller berechtigten Kritik) als solcher Roman.

Oder Bücher, die jenen einen Stimme geben, die bisher ignoriert wurden. Eines meiner Lieblingsthemen ist ja, wie unterrepräsentiert noch immer die Arbeiterklasse in der Literatur ist. Also Bücher von Autor*innen, die in ihr aufgewachsen sind. Felix Lobrechts Sonne und Beton wurde gerade verfilmt, ich hoffe, das wird Streulicht von Deniz Ohde auch noch. Kann doch nicht sein, immer nur Bücher von Männern verfilmt werden.

Bücher, die Themen Gehör verleihen, die bisher kaum beachtet wurden. Die uns mittels Empathie ermöglichen, uns in die Lage von Menschen hineinzuversetzen, die von ihnen betroffen sind. Die Einblicke in Lebensbereiche gewähren, die uns fremd sind, uns einfach nicht im eigenen Alltag begegnen.

Romane, die uns vom Leben in anderen Kulturen berichten, sie wortgewaltig und opulent vor unserem inneren Auge lebendig werden lassen. Die uns vermitteln, wie Leben und Alltag auf diesem Planeten auch jenseits unserer Gefilde aussehen kann.

Bücher, die uns Probleme näher bringen, die für uns in naher (und ferner) Zukunft akut werden können. Was passiert, wenn die Klimakrise so eintritt, wie prognostiziert? Was macht eigentlich künstliche Intelligenz und wie könnte sie sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf unser Leben auswirken – im Positiven wie im Negativen. Bücher wie Kim Stanley Robinsons Das Ministerium für die Zukunft.

Bücher, die auf historische Ungerechtigkeiten aufmerksam machen, die Geschichte einmal nicht aus Perspektive der Sieger erzählen. Ich denke da zum Beispiel an Abdulrazak Gurnah Afterlives, das vom Wüten der deutschen Kolonialmacht in Afrika, der Schutztruppe und dem Völkermord an den Herero erzählt (immerhin gibt es mit Der vermessene Mensch jetzt einen Film aus Deutschland dazu).

Bücher die uns zum Nachdenken anregen, unser Weltbild infrage stellen, Alternativen aufzeigen, Möglichkeiten bieten, motivieren, begeistern oder auch erschüttern. The Dawn of Everything von David Graeber und David Wengrow z. B.

E und U

In diesem Beitrag gehe ich von Romanen aus, die mehr als nur Unterhaltung sind. Wobei ich nicht diese typisch deutsche starre Unterscheidung zwischen E- und U-Literatur machen möchte. Aber manche Bücher wollen einfach nur unterhalten, nicht mehr sein, als etwas Erholung vom Alltag zu bieten. Da ist überhaupt nichts verkehrt dran, solche Bücher lese ich auch regelmäßig. Die können auch interessante und bedeutende Themen ansprechen, hier kommt es aber auf die Gewichtung im Gesamtkontext der Geschichte an.

Aber es gibt Bücher, die in meinen Augen eben doch mehr sind oder wollen, die unter eine oder mehre der Kategorien fallen, die ich oben aufgezählt habe. Wobei sich hier auch die Frage stellt: Für wenn (oder was) sind sie wichtig/bedeutend?

In Zusammenhang mit Verfilmungen beziehe ich mich vor allem auf Romane, würde es aber nicht darauf beschränken. Denn es sind auch schon herausragende Sachbücher verfilmt worden. Entweder als Dokumentation oder als Spielfilm/Serie. Spontan fallen mir gerade Oliver Sacks Awakenings (Zeit des Erwachens) und Beth Marcys Dopesick (Wie Ärzte und die Pharmaindustrie uns süchtig machen) ein, um auch ein jüngeres Beispiel zu nennen.

Ich habe hier jetzt gar nicht so viele Beispiele an wichtigen Büchern genannt, die verfilmt gehören oder es schon wurden. Da müsste ich selbst erst mal länger drüber nachdenken und eine Liste anlegen und schreiben, warum ich sie für wichtig halte. Das könnte noch ein zweiter Beitrag zu diesem Thema werden.

Doch wie sieht es bei euch aus. Welche Bücher haltet ihr für wichtig oder bedeutend? Und warum? Welche sollten verfilmt werden?

Meine Woche 12.03.2023: Elric, toxische rechte Männlichkeit und vom harten Leben in Japan

Heute gibt es Artikel zu Maskulinität und Faschismus, der peinlichen BBC und KI beim Übersetzen. Dokus erzählen vom Leben nach dem Tsunami in Japan und einer Brennpunktschule in Belgien; Serien von Luden auf St. Pauli und Filme von Schuld und Sühne in China. Dazu eine Besprechung von Michael Moorcocks The Citadel of Forgotten Myths.

Artikel

Muskelmänner, Hoden-Bestrahlung und Faschismus – Von “300” bis zu Tucker Carlson

Die von mir sehr geschätzte Annika Brockschmidt (unbedingt ihr Buch Amerikas Gotteskrieger lesen) hat für 54Books einen Artikel über ein toxisches (eher peinliches, aber gefährliches) Bild von Männlichkeit geschrieben. Ausgangspunkt dafür ist die Dokumentation The End of Men von Fox-News-Oberhetzer Tucker Carlson. Brockschmidt zeigt auf, wie diese vermeintliche Maskulinität vom Faschismus genutzt wird, um Männer in einem immerwährenden Kriegszustand zu halten. Waffengewalt, weißer Nationalismus und christlicher Faschismus, das fließt alles mit ein und hat gerade in den USA aktuell wieder beängstigende Ausmaße angenommen.

BBC zensiert ihre eigenen Programme und Moderatoren

Die BBC knickt immer stärker vor der rechten Politik der Torie-Regierung ein, die den Sender am liebsten komplett abschaffen würde. Diese Woche wurde Gary Lineker suspendiert, der Moderator der beliebtesten Sportsendung im UK hatte die Asylpolitik der Regierung als unmenschlich und grausam kritisiert.

Auch der 96-jährige David Attenborough wurde Opfer dieser BBC-Politik. E hat eine neue Naturdokuserie über wilde Inseln am Start. Doch von den sechs Folgen werden nur fünf ausgetrahlt, weil die BBC angeblich Angst vor einem „rechten Backlash“ habe, wenn sie die Episode über die Folgen der Klimakrise und der Zerstörung der Umwelt ausstrahlt. Der Guardian berichtet.

So weit sind wir jetzt schon, dass wissenschaftliche Fakten zurückgehalten werden, weil man keinen Ärger mit dem Klimakrisen leugnenden rechten Teil der Gesellschaft und Politik haben will. In der Online-Mediathek der BBC wird die Folge zwar verfügbar sein, doch das Bild, das sie aktuell abgibt, ist verheerend.

Heide Franck über Kollektive Intelligenz – Übersetzungsmaschinen und Literatur

Meine ehemalige Chefin von Tor Online und Übersetzerkollegin Heide Franck arbeitet momentan mit zwei Kollegen an einem Projekt darüber, wie wir als Übersetzer*innen, aber auch die Verlage mit den Fortschritten in der künstlichen Intelligenz und bei Übersetzungsprogrammen umgehen können. Dazu hat sie dem Deutschlandfunk Kultur ein sehr interessantes Interview gegeben.

Blog

In meinem Blogbeitrag der Woche erzähle ich davon, wie und warum zwei Filme mein Leben verändert haben.

Tor Online

In meinen SFF News geht es um: Die Phantastik-Bestenliste März, einen Trailer zur Silo-Verfilmung, das 1. Fantasy Lese-Festival Köln, den Genderswapped-Podcast zu KI-Kunst und Daniel Greene zu neuen Herr-der-Ringe-Filmen.

Wenn Kathedralen atmen: Magische Gebäude in der Fantasy

Der Artikel der Woche stammt von Alessandra Reß: Ob Bibliothek oder Kathedrale, Internat oder Herrenhaus: Magische Gebäude haben in der Fantasy eine große Tradition und können den Figuren an jeder Ecke über den Weg laufen. Ein guter Grund, sich das Wesen solcher Bauwerke einmal genauer anzuschauen.

Lektüre

The Citadel of Forgotten Myths | Michael Moorcock

Elric und Moonglum reisen über den Rand der Welt hinaus in »the world below«, wo Elric mehr über die Herkunft seines Volkes erfahren möchte und eine Blume finden will, die ihm dauerhaft helfen soll, bei Kräften zu bleiben, ohne dass er mit Sturmbringer töten muss. Das Buch besteht aus zwei schon bekannten Kurzgeschichten, die zusammen 100 Seiten einnehmen und einer 200 Seiten langen Novelle und spielt zwischen den Romanen The Bane of the Black Sword and Stormbringer.

Die ersten beiden Kurzgeschichten sind für Elric-Fans ganz nett. Klassische Sword-and-Sorcery-Storys nach dem üblichen Moorcock-Muster, wo am Ende immer eine höhere Macht eingreift. Die 200-seitige Novelle fängt auch relativ vielversprechend an, durch die letzten 100 Seiten musste ich mich allerdings quälen. Die sind unheimlich langatmig. Die sich ewig wiederholenden Dialoge und Reflexionen ziehen sich zu lange hin, ständig wird wieder alles erklärt. Ich konnte der Geschichte auch nicht immer ganz folgen. Was Morcoock früher in zwei Absätzen erklärt hat, in Sachen Mulitiversums-Kuddelmuddel, erstreckt sich hier ohne Mehrwert über mehrere Seiten. Spannung kommt keine auf, Sense of Wonder nur in sehr kleinen Dosen. Sprache und Stil sind teils auch ziemlich antiquiert, was ich manchmal zu schätzen weiß, mich hier aber im Lesefluss gestört hat. Gefallen hat mir, dass Moonglum mehr Raum und Persönlichkeit erhalten hat, als ich es aus den ursprünglichen Romanen in Erinnerung habe. Und die Idee mit den Bienen ist ganz nett.

Nach Raymond Feists Midkemia-Saga war der schwarze Elric-Band von Heyne mit den sechs ursprünglichen Romanen das erste Fantasybuch, das ich als Jugendlicher gelesen und geliebt habe. Kein anderes Buch habe ich so oft wiedergelesen. Doch schon die beiden Elric-Romane aus den 1980/90ern The Fortress of the Pearl und The Revenge of the Rose konnten mich nicht so wirklich überzeugen..

Für mich persönlich ziehe ich aus der Lektüre, dass Fazit, dass Elric für mich mit den sechs Kern-Romanen auserzählt ist, vor allem mit dem wunderbaren und endgültigen Ende. Die lese ich aus Gründen der Nostalgie immer wieder gerne, bin auch sehr auf die Neuübersetzung von Hannes Riffel gespannt (im Herbst erscheint bei Fischer Tor eine prächtige Elric-Gesamtausgabe), aber alles, was darüber hinausgeht, und noch irgendwie nachträglich in die Chronologie gequetscht wird, hat für mich wenig Reiz. Als Kurzgeschichte eher noch als in der längeren Form. Wäre vor 20 Jahren vermutlich noch anders gewesen, als ich noch gerne mehr vom Gleichen und längere Serien gelesen habe.

Serien

Luden

Sechsteilige deutsche Serie über den schönen Klaus (Barkowsky) und seine Nutella-Bande, die in den 1980ern auf St. Pauli den Kiez aufgemischt haben. Eine Serie über Männern die Frauen ausbeuten, schlagen, entstellen, traumatisieren und in den Tod treiben, und sich dabei gegenseitig auf die Fresse hauen, sich abstechen und schließlich erschießen. Schlecht ist die Serie nicht, aber mir ist sie stellenweise zu fröhlich inszeniert. Die Macher*innen wollten damit wohl einen Kontrast zu den Schockmomenten schaffen, mir werden dadurch aber kriminelle Gewalttäter wie Barkowsky zu romantisierend und charmant dargestellt, auch wenn am Ende ganz klar ist, was für ein Arschloch der Mann ist. Von der Ausstattung und der Aufmachung her seht gut gemacht, die Darsteller‘innen sind auch super.

Wer sich die Serie schon anschaut, sollte sich auch die Doku-Serie Die Paten von St. Pauli ansehen, wo besser rüberkommt, was für Schmierlappen das alles sind. Und wie gewalttätig es wirklich abgelaufen ist.

Daisy Jones and the Six

Noch eine historische Serie von Amazon, dieses Mal um die titelgebende fiktive Band, basierend auf dem Roman von Taylor Jenkins Reid. Wenn ich mit der Serie durch bin, werde ich mehr dazu schreiben, die ersten fünf Folgen haben mir sehr gut gefallen, aber erst mal veweise ich auf die sehr treffende Einschätzung von Stefan Mesch beim Deutschlandfunk Kultur, der die Serie auch im Verhältnis zur Buchvorlage setzt. Die hatte mir ebenfalls gut gefallen, war aber vielleicht etwas zu beschönigend.

Dokus

Double Layered Town (二重のまち/交代地のうたを編む)

Erzählt von vier jungen Leuten, die eine vom Tsunami zerstörte Stadt besuchen, die mit 40 Zentimeter Erde aufgeschüttet und neu erbaut wurde. Dort lauschen sie den Menschen, die von der Katastrophe betroffen wurden und Angehörige verloren haben. Ziel ist, deren Geschichten weiterzuerzählen.

Es geht nicht nur darum, wie die Katastrophe das Land und die Städte verändert hat, sondern auch die Menschen. Wie die junge Mutter, die vor dem Tsunami gerne Romane gelesen hat und nie ohne Make-up aus dem Haus ging. Dies danach aber nicht mehr konnte. Ein solches Ereignis verrückt die Prioritäten, auch jenseits des Traumas.

Dryads in a Snow Valley (風の波紋)

Begleitet das Leben der Menschen in einem kleinen japanischen Bergdorf, in dem im Winter teils über drei Meter Schnee fallen können. Ein hartes Leben in einer kleinen Gemeinschaft, die aber zusammenhält und sich gegenseitig hilft. Die Kamera hält einfach drauf und lässt die Menschen erzählen.

Beide Filme sind noch bis Mittwoch kostenlos bei JFF+ Independent Cinema zu sehen.

Die Schule der letzten Chance

Eigentlich wollte ich mir auf Arte Beste Bedingungen – Eine Jugend im Pariser Nobelviertel ansehen, merkte aber schnell, dass ich die Doku von 2017 schon kannte. Ist aber sehenswert, begleitet sie doch 15 Jahre lang jene Jugendlichen, die aufgrund ihrer Herkunft auf Elitehochschulen wie die ENA oder École polytechnique gehen und später die Politik- und Verwaltungselite Frankreichs bilden.

Ganz anders jene Jugendlichen aus Die Schule der letzten Chance, die aus zerrütteten Familienverhältnissen kommen und als „Problemschüler*innen“ gelten. Drei Jahre lang begleitet die Doku sie an ihrer Schule in Lüttich (Belgien) und zeigt, das hinter jeder*jedem problematischen Schüler*in eine Geschichte steckt, die sie teils schwer traumatisiert hat, aber zumindest dafür sorgt, dass ihnen Struktur und Halt in der Familie fehlt. Was wiederum seine Ursachen in unsere Gesellschaft hat, die dabei versagt, Bedingungen zu schaffen, die solche Verhältnisse verhindern.

Filme

Tenebre

Auf Netflix gibt es jetzt diesen Giallo von Dario Argento, der zu Recht zu seinen besten Filmen gezählt wird. Menschen aus dem Umfeld eines Schriftsteller werden so ermordet, wie er es in seinen Büchern beschreibt. Dazu originelle Kamerafahrten und die dynamische Musik von Goblin. Doch auch wenn der Film selbst kritisch erwähnt, wie tumb es ist, dass Frauen immer nur die Opfer sind, geht es am Ende doch nur darum, junge, oft leichtbekleidete Frauen zu töten.

Are You Lonesome Tonight (Re dai wang shi)

Ein junger Chinese, der nachts einen Mann überfahren und Fahrerflucht begangen hat, sucht die Nähe zur Frau seines Opfers, verhält sich dabei aber auch ziemlich übergriffig. Clever verschachtelt erzähltes und in außergewöhnlich schönen Bildern gefilmtes Drama über Schuld und Sühne, das sich in der zweiten Hälfte mehr Richtung Thriller entwickelt, weil eine Tasche voller Geld eine Rolle spielt. Braucht sich hinter Filmen wie, Asche ist reines Weiß und Feuerwerk am helllichten Tage nicht zu verstecken.

Für genauere Infos empfehle ich die Besprechung von Joachim Kurz bei Kino-Zeit.

Meine Woche 05.03.2023: Wildes Tokio, Hongkong-Kino und künstliche Intelligenz

Mein Schwerpunkt liegt heute auf Filmen aus Hongkong von Johnnie To, Tsui Hark und Wong Kar-Wai, sowie einem ganz tollen aus Japan. Es geht darum, wie KI das Kino und unser Leben verändern wird. Und warum ich Bücher mehr als einmal lese. Dazu Dokus, Serien und Hörspiele.

Was für eine Woche. Der Iran vergiftet seine Kinder, die SPD möchte in Berlin unter einem Rechtsaußen der CDU mitregieren und ist jetzt auch bei Taliban-Vergleichen angekommen, wenn es um die Protestaktionen junger Klimaaktivist*innen geht. Die Verbalradikalisierung des politischen und journalistischen Establishment gegen junge Menschen, die sich außerhalb der für sie zugewiesenen Gehege politisch engagieren, nimmt bedenklich und demokratiezersetzende Züge an. Im Iran können wir sehen, wo solche Worte irgendwann hinführen. Ich hoffe, mein Wochenrückblick hilft dabei, von dem ganzen Scheiß ein wenig abzulenken.

Artikel

Read it again! Bücher noch einmal lesen?

Es gibt ja Menschen, die lesen kein Buch zweimal, weil es noch so viele interessante ungelesenen Bücher gibt. Ich gehöre nicht dazu. Nach 15 bis 20 Jahren lese ich Bücher, die mir richtig gut gefallen haben, gerne ein zweites Mal. Einige meiner Lieblingsbücher habe ich auch schon mehrfach gelesen. Denn es ist nicht das gleiche Buch, dass ich beim zweiten Mal lese, da ich nicht derselbe Mensch bin. Ich habe neues Wissen, neue Erfahrungen. Aber manchmal geht es mir auch einfach nur um Nostalgie. Für Teilzeithelden hat Marie Mönkemeyer einige Gründe für einen Reread aufgeführt.

Wo bleibt Ihr Aufruhr? – Sascha Lobo über künstliche Intelligenz

Ich persönlich gehe davon aus, dass meine Tätigkeit als Übersetzer irgendwann in den nächsten zehn Jahren weitgehend durch KI-Programme wie DeepL ersetzt wird. Vielleicht nicht bei anspruchsvoller Literatur, aber im Unterhaltungsbereich garantiert. Viele aus der Branche wiegeln noch ab, weil sie von dem Stand ausgehen, auf dem sich DeepL aktuell befindet, und bedenken nicht, dass die Fortschritte dieser KI-Programme exponentiell stattfinden und die Rechenleistung sich alle sechs Monate verdoppelt. Die professionellen Go-Spieler haben auch lange noch abgewiegelt, bis ihr Weltbild durch AlphaGo plötzlich erschüttert wurde.

Viele gehen auch davon aus, dass die meisten Menschen Kreativität und den menschlichen Faktor bei Texten und Kunstwerken zu sehr schätzen, um sich mit KI-Ergebnissen abspeisen zu lassen. Wenn ich mir aber ansehe, wie erfolgreich schlecht geschriebene und/oder schlecht übersetzte Bücher teilweise sind, ohne, dass der Mehrheit der Leserschaft das überhaupt auffällt, habe ich da wenig Hoffnung. Und viele Verlage kümmert es auch nicht, so lange es sich verkauft.

So viel zum Artikel von Sacha Lobo und meinen persönlichen Bezügen dazu. Ich denke, dazu werde ich irgendwann noch einen eigenen Blogbeitrag schreiben.

Youtube

Wie Künstliche Intelligenzen das Kino völlig verändern

Auch der Film-Youtuber David Hain hat sich diese Woche auf seinem Kanal Behaind mit dem Thema KI beschäftigt, und wie es das Filmemachen revolutioniert. Er stellt den Film Fall vor, bei dem Schimpfwörter nachträglich durch harmlosere Varianten ersetzt wurden. Damit das lippensynchron bleibt, wurde eine Software entwickelt, die die Lippenbewegungen an die neuen Wörter anpasst. Sowas wird in Zukunft auch bei Filmsynchronisationen in andere Sprachen eingesetzt werden. Eine Technologie, mit der man Menschen alle möglichen Aussagen in den Mund legen kann. Denn die Stimme lässt sich inzwischen auch deepfaken.

Aber das ist bei Hain nur die Einleitung, denn er geht auch der Frage nach, was in Zukunft noch auf uns zukommt. Wie er, sehe ich das größte Problem für originelles, kreatives Kino darin, dass der Erfolg eines Films inzwischen ziemlich genau berechnet werden kann, und die Studios nur noch solches immergleiches Zeug produzieren werden. Also noch mehr, als es ohnehin schon der Fall ist.

Serie

Skins UK

Erstmals seit ca. 2010 (damals auf Hulu) habe ich mir die ersten beiden Staffeln der britischen Serie Skins wieder angesehen. Insgesamt gibt es sieben, aber mehr habe ich nicht gesehen, da ab der dritten die Hauptfiguren wechseln – was aber durchaus verständlich ist, da ihre Geschichten auserzählt sind.

Ich kenne keine Serie, die das Gefühl der letzten Monate und Wochen vor dem Schulabschluss so gut einfängt, wie Skins. Dabei balanciert sie gekonnt zwischen großen Albernheiten und ernsten emotionalen Momenten. Allein die vorletzte Folge der 2. Staffel (mit Cassie in New York) ist ein kleines Meisterwerk.

Klar, eine Serie wie Euphoria erzählt heute noch mal auf einem ganz anderen Niveau, aber in ihr geht es auch um andere Themen. Bei Skins steht vor allem Freundschaft im Vordergrund, zwischen Sid und Tony, Jal und Michelle, Cassie und Chris. Anwar und Maxxie. Liebschaften natürlich auch sowie Trauer und Verlust. Abwesende Eltern sind ein Thema, Eltern, die sich nicht kümmern, nicht verstehen.

Vermutlich werde ich demnächst aber weiterschauen, denn Effi soll noch mit dabei sein, und die war in den ersten beiden Staffeln die coolste Sau von allen.

Gibt es auf Netflix.

Doku

Wildes Tokio

Eine 45-minütige Doku über die Fauna Tokyos. Wer glaubt, die Riesenmetropole würde nur aus Menschen, Stahl, Beton, Asphalt und bunten Lichtern bestehen, täuscht sich. Auch in Großstädten findet die Natur ihren Weg und Tiere ihre Nischen. Da ich kürzlich erst Pom Poko gesehen habe, hat es mich besonders gefreut, dass als erstes Tier der Marderhund seinen Auftritt hat, mit einer Schienenüberquerung, die auch aus dem Film stammen könnte. Ansonsten gibt es Krähen, die sich Nester aus Kleiderbügeln bauen, hungrige Haie in der Bucht von Tokyo um einen Unterwasserschrein, und Möwen, die auf Hochhausdächern brüten.
Ist in der ARD-Mediathek verfügbar.

Hörspiel

Die drei ??? Manuskript des Satans

Die Buchvorlage kenne ich nicht, aber das Hörspiel hat mir richtig gut gefallen. Einen so soliden klassischen ???-Fall hätte ich nicht mehr erwartet. Nur schade, dass das titelgebende Manuskript keine große Rolle spielt. Ansonsten gibt es unheimliche Vorgänge, einen grummelingen Auftraggeber und klassische Ermittlungsarbeit. Und Jürgen Thormann in der wichtigsten Nebenrolle, die er mit 95 Jahren! immer noch hervorragend meistert.

Filme

Hongkong

In den letzten zwei Jahren habe ich schon angefangen, eine DVD-Blu-ray-Sammlung von Filmen aus Hongkong anzulegen, da viele dieser Filme nicht im Streaming erhältlich sind, und wenn doch, dann nur mit deutscher Tonspur (siehe die Filme von Johnnie To). Von Wong Kar-Wai gibt es inzwischen tatsächlich fast alles in vernünftigen Versionen bei Streaming-Anbietern, aber bei John Woo, Fruit Chan und Ann Hui sieht es schlecht aus, weshalb ich mit dem Sammeln angefangen habe. Angeregt durch meine Sichtung von PTU auf Arte habe ich mir letzte Woche drei Filme von Johnnie To bestellt. Bis auf Mad Detective kannte ich die schon alle, die letzte Sichtung liegt aber schon sehr lange zurück.

DVD-Cover zu je drei Filmen in einer Reihe, von oben rechts: Exiled, Mad Detective, Breaking News, Bullet in the Head, Hard Boiled, A Better Tomorrow, Infernal Affairs, Made in Hong Kong, Tao Jie, Days of Being Wild, Chungking Express und In the Mood for Love.

Mad Detective ist für mich bisher Tos schwächster Film. Die Geschichte über den van Gogh unter Hongkongs Ermittlern ist eigentlich gar nicht so schlecht, auch wenn sie zwischendurch etwas wirr wirkt. Hier gibt es Anleihen an den Film Dämon mit Denzel Washington, kann unser Detective doch sehen, wenn Menschen von Dämonen besessen sind. Als er konsultiert wird, nach einem verschwundenen Polizisten zu suchen, eskaliert die Situation. Das Langweilige an dem Film ist die Art, wie er gefilmt ist. Ganz konventionell, ohne die Eleganz und Finesse, die es bei To sonst zu sehen gibt.

Ganz anders Breaking News, einer von Tos besten Filmen. Allein, wie die Schießerei am Anfang gefilmt ist, mit der Kamera, die die Straße hinauffährt, sich dreht und wieder hinunterfährt, bis sie sich in den Himmel hebt. Neben der reichhaltigen Action, ist der Film aber auch eine Kritik an den Medien und wie sie die Arbeit von Sicherheitsbehörden beeinflussen. Aus einer Zeit, in der es in Hongkong noch eine freie Presse gab.

Im Stream gesehen habe ich Happy Together, der einzige Film von Wong Kar-Wai, den ich bisher noch nicht kannte, obwohl ich ihn mir vor über 20 Jahren auf VHS aufgenommen habe. Das lag nicht unbedingt daran, dass mich damals Filme über Liebesbeziehungen zwischen Männern nicht interessiert haben, sondern eher, dass es ein Hongkong-Film ist, der in Argentinien spielt. Ich wollte eben Hongkong sehen und seine Atmosphäre. Der Film ist gut und ein Meilenstein des (asiatischen) Gay-Cinemas. Die beiden Hauptfiguren fand ich allerdings sehr unsympathisch und ihre Beziehung toxisch. Aber von Christopher Doyle in wirklich schönen Bildern gefilmt.

Die Sieben Schwerter von Tsui Hark ist ein ganz ordentlicher historischer Wuxia- bzw. Marrtial-Arts-Film, der zwar auf einer literarischen Vorlage basiert, aber doch stark an Die sieben Samurai erinnert, geht es doch um sieben Schwerkämpfer, die ein Dorf vor einer Armee aus Schurken beschützen müssen. Mit 147 Minuten hat er im Mittelteil ein paar Längen, da er aber ursprünglich auf vier Stunden ausgelegt war, geht durch die Kürzungen bei manchen Sachen das Verständnis verloren.

Ist noch bis zum 13.08.2023 in der Arte-Mediathek erhältlich.

Auf meiner Seite lesenswelt.de gibt es noch mehr zu Hongkong.

Mein Film der Woche kommt aber nicht aus Hongkong, sondern aus Japan:

Call Me Chihiro

Ein wunderbarer Slice-of-Life-Film über eine ehemalige Sexarbeiterin, die an einem Bento-Stand arbeitet, ihre Mitmenschen mit ihre Gutmütigkeit und Laune ermutigt und ermuntert, und so einen herzlichen Kosmos um sich herum schafft, in dem sich die Leute, die sich vorher nicht kannte, gegenseitig helfen.

Es gibt Kritiker, die schreiben, der Film würde weder showen noch tellen, es würde nichts passieren, aber das sind Leute, die – wie Wolfgang M. Schmitt wohl schreiben würde – nur schauen, aber nicht sehen. Denn es passiert eine Menge. Für uns Zuschauer*innen wirkt es wie Kleinigkeiten, doch für die Figuren sind das teils gravierende Veränderungen. Der Film ist eine Hommage an die Poesie des Alltags und zwischenmenschliche Beziehungen, die ohne große dramatische Momente auskommen. Ein heißer Kandidat für meinen Lieblingsfilm des Jahres.

Gibt es jetzt neu auf Netflix.

Japan Independent Cinema: 6 kostenlose Filme im Stream

Auf der Seite des JFF (Japanese Film Festival) können noch bis zum 15. März sechs japanische Independent-Filme kostenlos angesehen werden. Noch habe ich keinen davon gesehen, mir aber auf jeden Fall die beiden Dokus vorgenommen, und hoffentlich auch noch den Rest. An dieser Stelle möchte ich ein großes Lob an all die Filmfestivals aussprechen, die Filme, die in Deutschland teilweise wohl nie erscheinen werden, nicht nur vor Ort auf ihrem Festival im Kino zeigen, sondern sie seit der Pandemie auch online zugängliche machen. Das ist eine echte kulturelle Bereicherung.

Meine Woche 12.02.2023: Pom Poko, Podcasts und Petra Schier

Petra Schier erklärt, was für hauptberufliche Autor*innen alles an Arbeit anfällt. Falko Löffler podcastet über Point-and-Click-Adventures, die New York Times poträtiert Mieko Kawakami und ich bespreche den Film Pom Poko.

Die Woche wurde gleich zu Beginn von der Erdbebenkatastrophe der Türkei und Syrien überschattet. Das unfassbare Leid der Menschen dort lässt mich hilflos zurück. Seriöse Spendenaktionen gibt es im Internet wohl genug. Ich kenne mich da aber nicht ausreichend aus, um eine davon guten Gewissens teilen zu können. Bei meinen Zugriffszahlen hier lohnt sich das auch nicht.

Artikel

Mieko Kawakami im Porträt

Eine meiner literarischen Neuentdeckungen der letzten Jahre ist die japanische Autorin Mieko Kawakami, deren Bücher Breasts and Eggs und Heaven ich auf meiner Seite lesenswelt.de besprochen habe. Jonathan Hunt hat ihr im New York Times Magazine ein ausführliches Porträt gewidmet, das auch ihre Bücher vorstellt und erklärt, warum sie so ein gutes Auge für die Armut und die Misstände in der japanischen Gesellschaft hat.

Hauptberufliche Autorin – Eine Berufsbeschreibung

Hartnäckig hält sich die Vorstellung, dass Bücher schreiben doch gar kein richtiger Beruf sei. Dass das doch jeder könne. Nur ein Hobby. „So schön hätte ich es auch gern.“ Autorin Petra Schier begegnet das immer wieder, weshalb sie auf ihrem Blog jetzt eine detaillierte Aufstellung davon angelegt hat, was für haupt- und nebenberufliche Autor*innen alles an Arbeit anfällt. Und das ist wirklich nicht wenig – bis es dann überhaupt ans Schreiben geht.

Für mich als Übersetzer fällt da einiges weg, wie z. B. Buchmarketing und Lesungen, aber vieles gilt auch für mich als Freiberufler. Der Rechercheanteil ist beim Übersetzen z. B. nicht zu unterschätzen.

Podcasts

Benutze Ohr mit Lautsprecher

Falko Löffler, den einige von euch vielleicht schon durch seinen Buchpodcast Kapitel 1 kennen, und der zuletzt unter anderem an Point-and-Fick-Adventures wie Leisure Suite Larry gearbeitet hat, hat jetzt mit Benutze Ohr mit Lautsprecher einen neuen Podcast, in dem sich alle Mausräder um Point-and-Click-Adventures drehen. Und, erfrischenderweise nicht um so alte Kamellen, wie ich sie in Anfällen akuter Nostalgie immer wieder spiele, sondern Games aus diesem Jahrtausend. In der ersten Folge unterhält er sich mit Matt Grandis über The Excavation of Hob’s Barrow.

Youtube

Eine kleine Geschichte der Drei ??? – Hörspiele (Video-Essay)

Einen schönen Videoessay über die drei Fragezeichen gibt es auf dem Kanal von Neon Tukan. Der deckt so ziemlich alles ab, was man über die Kulthörspiele wissen muss, von den Anfängen der amerikanischen Buchvorlagen über die Crimebuster-Phase bis hin zu den deutschsprachigen Autor*innen und dem aktuellen Stand der Folgen und Hörspiele. Ich persönlich höre immer noch jedes neue Hörspiel, inzwischen aber nur noch im Stream, da ich sie besten Falls noch okay finde, meistens eher dürftig. Bei den Büchern leses ich immer die von André Marx, auch wenn er zuletzt schwächelt, ansonsten nur nach persönlicher Empfehlung.

Tor Online

In meinen SFF News auf Tor Online ging es um die Phantastik-Bestenliste Februar. Außerdem: Theresa Hannig bei NDR Kultur über Utopien, Salman Rushdie meldet sich im New Yorker zu Wort, ein Prachtband zu Frank Frazetta, eine Gesprächsrunde mit Mira Valentin und ein Trailer zu The Portable Door.

Raumschiffcrews im Wandel der Zeit

Der Artikel der Woche ist ein Gastbeitrag aus dem Science Fiction Jahr 2022: Wie haben sich Raumschiffcrews verändert? Star Wars und Star Trek sind wohl die bekanntesten Beispiele für einen Trend zur Diversität und Queerness. Autorin Lena Richter betrachtet die Entwicklung in der Science Fiction.

Doku

Hail Satan

Sehr gut aufgebaute Dokumentation über eine Gruppe von Humanist*innen, die sich für die Rechte von Minderheiten, religiöse Freiheit, Säkularität und die Einhaltung der amerikanischen Verfassung einsetzt, und mit dem Mitteln der Ironie und des Gesetzes gegen den Aufstieg des christlichen Faschismus kämpfen, der droht das Land in eine Theokratie zu verwandeln.

Film

Pom Poko (平成狸合戦ぽんぽこ)

Mitte/Ende der 1990er, bevor bei uns in der Westerwälder Provinz das Internet kam, war Helen McCarhtys Animeguide für mich die Bibel für japanische Zeichentrickfilme und primäre Informationsquelle. Zu Pom Poko schreibt sie in der Anime Encyclopedia, im Vergleich zu Mein Nachbar Totoro sei der Film wenig universal und könne auf Außenstehende ethnozentrisch wirken. Was aber wohl als Kompliment gemeint ist, da ihre Besprechung im Anime Guide durchgehend positiv ausfällt. Die Elemente mögen japanischer sein, als bei den vielen europäisch beeinflussten Filmen Miyazakis. Doch die Themen Fortschritt durch Umweltzerstörung und die Entfremdung von den eigenen kulturellen Wurzeln sind doch sehr universelle.

Aber, wer hier einen kitschig-knuffiges Umweltmärchen mit süßen Knuddelbärchen erwartet, kennt Isao Takahata schlecht. Der Film beginnt relativ trocken, fast wie eine TV-Reportage, ohne emotionale Bezugspunkte und Identifikationsfiguren unter den Marderhunden, die hier Stück für Stück ihre Heimat verlieren. Doch im weiteren Verlauf, wenn die mystischen Tiere sich zusammentun und um ihre Heimat kämpfen, gewinnt er eine ungeheure Wucht, die in der grandiosen Geisterparade mündet, da aber lange noch nicht endet, sondern erst danach so richtig rührend wird.

Der Film, der auf den Postern so knuffig aussieht, macht allerdings keine Gefangenen, der Protest der Marderhunde ist teils sehr clever, aber teils auch so brutal, dass Menschen sterben, und später sogar einige der Hauptfiguren.

Pom Poko ist eine grandiose Ballade über den Zusammenprall von Tradition und Moderne, Mensch und Natur und den Wert von Gemeinschaft und Heimat (ob selbstgewählt oder hineingeboren). Aufgrund seiner sperrigen Struktur und dem krassen Kontrast zwischen knuffigen Tieren und gewalttätigen Aktionen ist er, neben Meine Nachbarn die Yamadas wohl der (gerade für ein nicht-japanisches Publikum) unzugänglichste aller Ghibli-Filme. Für mich, mit meinem Interesse an japanischen Mythen und Legenden, aber einer der besten. Ist mir ein Rätsel, warum ich ihn mir nicht schon vorher angesehen habe.

Fotos der Woche

Die ersten Zugvögel kehren Richtung Norden zurück.

Ausblick

In der nächsten Woche werde ich sowohl die erste Staffel der Serie The Hardy Boys besprechen, als auch den ersten Roman The Tower Treasure von 1927. Auf lesenswelt wird die Tage meine Rezension von Emily Itamis Fault Lines online gehen. Und in Sachen Filmen wird es schmuddelig. 😉