Vom Frust des Übersetzens – Wenn sich Übersetzer und Verlag uneins sind

Nachtrag März 2016: Da es immer wieder Zugriffe auf diesen Beitrag gibt, möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen, dass er jetzt drei Jahre alt ist. Seitdem habe ich nur noch gute Erfahrungen als Übersetzer gemacht und arbeite in diesem Beruf  inzwischen hauptberuflich

Demnächst erscheint wieder eine Übersetzung von mir, für die ich aber nicht groß Werbung machen werde, da es zwischen dem Verlag und mir gewisse Unstimmigkeiten gab. Ich werde da keine Namen nennen und trage dem Verlag auch nichts nach. Werde diesen Beitrag hier aber mal dafür nutzen, zu schildern, wie eine Zusammenarbeit suboptimal laufen kann.

Ich hatte meine Übersetzung eingereicht, und bereits 20 Minuten später bat mich der Verlag, ob er seinen nächsten (schon an mich vergebenen) Auftrag zurückziehen könne, meine Übersetzung lese sich echt nicht gut. Kein Problem kann ich verstehen, habe auch zugestimmt.

Von meiner Übersetzung habe ich dann nichts mehr gehört, außer dass der Lektor sie miserabel finden würde. Das ist auch völlig legitim. Ich gebe gerne zu, dass sich meine Übersetzung nicht so gut liest. Das liegt zum einen daran, dass das Original schon nicht gut geschrieben ist und vor Fehlern nur so strotzt (zum Beispiel wechselt der Name einer Figur ständig zwischen zwei unterschiedlichen Versionen, teilweise auf der selben Seite), zum anderen, dass ich mich sehr unsicher dabei fühlte, in der Übersetzung stark vom Original abzuweichen. Da hat mir als Anfänger das Selbstvertrauen für gefehlt. Auch ist die Übersetzung unter großem Zeitdruck entstanden, da ich schrecklich viel für die Uni zu tun hatte, und ihr nicht die notwendige Sorgfalt gewidmet habe. Das soll aber alles keine Entschuldigung sein. Am Ende zählt das Ergebnis, und das hat sich nicht gut gelesen.

Wie ich mir danach vorgenommen habe, meine Arbeitsweise zu verändern, um bessere Arbeit abzuliefern, habe ich schon in einem älteren Beitrag bzgl. Selbstkritik geschrieben. Ich hoffe und denke, dass mir das auch gelungen ist. Die nächste Übersetzung wird es zeigen.

Was mir persönlich aber an der Zusammenarbeit mit dem Verlag nicht gefallen hat, ist, dass ich bis auf eine kurze Pauschalkritik keinerlei Feedback zu meiner Übersetzung bekommen habe. Auch keine Datei mit den Änderungen. Nicht einmal die Fahnen zum Korrekturlesen. Ich habe also keine Ahnung, was da unter meinem Namen erscheinen wird.

Auch das ist wohl bei einigen Verlagen üblich, und es gibt auch Übersetzer, denen das nur recht ist. Bedeutet für sie weniger unbezahlte Arbeit. Mir als Anfänger, der sich möglichst schnell weiterentwickeln und verbessern will, bringt es aber nichts, und ich mag es auch nicht, dass mein Name auf einer Übersetzung steht, von der ich nicht weiß, wie sie aussehen wird und was vom Lektorat alles verbessert bzw. geändert wurde.

Bei Golkonda und auch bei Atlantis habe ich die Korrekturen der Lektoren bekommen und ihnen zu 90% auch zugestimmt. Bei manchen (zumindest bei einem der beiden Verlag) gab es zu einigen wenigen Stellen Diskussionen (immer auf freundschaftlicher Ebene), und teilweise habe ich mich auch durchsetzen können. Das war eine Zusammenarbeit, die mir (und hoffentlich auch den Verlagen) wirklich etwas gebracht hat. Bei Golkonda hat sich der Lektor sogar mit mir persönlich für zwei Stunden zusammengesetzt, um die Übersetzung durchzugehen (was aber sicher eine Ausnahme ist, weil ich eben Anfänger bin und wir hier in Berlin sowieso Kontakt zueinander haben).

Der Verlag, der mir keine Korrekturen geschickt hat, arbeitet eben nicht so. Ist auch in Ordnung, ich weiß es jetzt und habe meine Lektion gelernt. Ich hätte ja auch vorher fragen können, wie die Zusammenarbeit ablaufen wird. Habe ich nicht gemacht. Mein Fehler. Ich bin dem Verlag trotzdem dankbar, dass er mir eine Chance gegeben hat.

Die Übersetzung, die ich meine, ist noch nicht erschienen, aber ich habe jetzt eine Leseprobe gefunden. Es ist sicher einiges an meinem Text verbessert worden. Es liest sich flüssiger (soweit ich das nach drei Seiten Leseprobe beurteilen kann). Auch wenn ich überzeugt bin, dass die Übersetzung noch besser geworden wäre, wenn der Lektor mit mir zusammengearbeitet hätte, aber das ist reine Spekulation.

Wenn ich allerdings in der Leseprobe schon auf der zweiten Seite einen solchen Satz lese:

Mit diesen Worten ließ sie im Dunkeln zurück.

wundere ich mich doch sehr darüber, dass man mir vorgeworfen hat, unsauber zu arbeiten. Dass man am Anfang des Textes doch besondern sorgfältig arbeiten würde, um direkt einen guten Eindruck zu machen (was ich wohl nicht gemacht habe). Und dann steht in der lektorierten Fassung direkt am Anfang ein solcher Klops (Klöpse gleich zu Beginn wurden mir vorgeworfen).

Bei mir hieß der Satz noch:

Sie ließ sie im Dunkeln zurück.

Im Original heißt es übrigens:

She left in the dark.

Ist schon klar, der Lektor wollte sich noch auf die wörtliche Rede beziehen, die direkt davor stand, hat Mit diesen Worten eingefügt und beim Satzumbau ein Wort vergessen. Ist mir auch schon passiert.

Trotzdem ärgert es mich sehr. Wenn Fehler von mir im Text sind, die einfach übersehen wurden, weil ich zu viele gemacht habe, ist ja in Ordnung. Aber Text von mir geändert und dann Fehler drin. Das finde ich nicht in Ordnung. Das sind Verschlimmbesserungen. Wenn man mir schon mit deutlichen Worten und ohne Angaben gravierende Fehler und eine schlechte Übersetzung vorwirft, dann sollte die verbesserte Version auch wirklich besser und fehlerfrei sein.

Wenn der Lektor viel am Text des Übersetzers ändern muss, und dabei viele Sätze umbaut, dann ist das für ihn natürlich viel Arbeit und anstrengend, da passieren zwangsläufig Fehler. Vor allem das Wörter dabei „verschluckt“ werden. Aber gerade dabei hilft es doch, wenn der Übersetzer dann noch einmal über die verbesserte Fassung drüber schaut. Ich hätte diesen Fehler entdeckt. Schließlich habe ich ihn ja gerade entdeckt.

Für den Verlag sind solche Fehler doch auch ärgerlich. Ich kann diese Arbeitsweise durchaus nachvollziehen. Der Lektor arbeitet die Übersetzung an wenigen Tagen durch, dann geht es weiter zur nächsten. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Übersetzer kann da viel Zeit und Nerven kosten. Ich habe schon die heftigsten Geschichten über kriegerische Auseinandersetzungen mit dem Lektorat von Übersetzerkollegen gehört. Es nicht zu tun ist aber eine Massenabfertigung, bei der am Ende nicht das bestmögliche Ergebnis rauskommt.

Kann ja gut sein, dass die Fehler in der gedruckten Fassung nicht mehr drin sein werden (Nachtrag: sie sind drin), gute Werbung ist eine solche Leseprobe auf der Verlagshomepage aber trotzdem nicht. Wenn ich die Belegexemplare erhalten habe, werde ich berichten, ob es noch korrigiert wurde.

Auch wenn sich die verbesserte Fassung wirklich besser lesen sollte als meine ursprüngliche Übersetzung, sind für meinen Geschmack dabei einige Sachen hinzugedichtet worden, die zu sehr vom Original abweichen.

Fassung des Lektors:

Aber sie konnte nicht sprechen, weil ihr Gott bei der Geburt keine Stimmbänder mit auf den Weg gegeben hatte.

Meine Fassung:

Aber sie konnte nicht sprechen – sie ist ohne Stimmbänder geboren worden.

Im Original steht:

But she couldn‘t speak – she‘d been born without vocal chords.

Da bin ich womöglich zu dicht am Original geblieben. Besser wäre vielleicht das hier gewesen:

Aber zu sprechen vermochte sie nicht, da sie ohne Stimmbänder auf die Welt gekommen war.

Oder:

Da sie aber ohne Stimmbänder geboren worden war, konnte sie nicht sprechen.

Von Gott steht im Original aber nichts (ich weiß, dass sagt man nur so, ohne es wörtlich zu meinen, aber trotzdem). Die Person, um die es geht und aus deren Perspektive erzählt wird, ist nicht nur physisch sondern auch psychisch behindert und nur sehr eingeschränkt zu eigenständigem Denken fähig. Der Satz mit Gott impliziert meiner Meinung nach, dass sie ein zumindest rudimentäres Verständnis vom Konzept „Gott“ habe. Später im Text wird aber klar, dass dies nicht der Fall ist. Für meinen Geschmack ist das zu viel Abweichung vom Original. Da kann ich nicht mit meinem Namen für Einstehen.

Eigentlich wollte ich nur kurz auf der Verlagshomepage nachschauen, wann das Buch erscheint. Bin dann aber auf die Leseprobe gestoßen und war natürlich neugierig, was da jetzt alles verändert wurde. Und als ich diesen Fehler entdeckt habe, kam der Ärger aus dem letzten Jahr wieder ein wenig hoch und musste an dieser Stelle raus.

Dadurch habt ihr jetzt mal einen Einblick erhalten, wie frustrierend die Arbeit als Übersetzer auch sein kann.

Ich habe bisher nur die ersten beiden Seiten der Leseprobe gelesen. Den Rest schaue ich mir morgen in Ruhe an.

Parque Oziel – Eintrag 4: Wir von außen

Heute noch den kurzen Rest aus dem ersten Kapitel meiner Diplomarbeit. Nächste Woche geht es dann mit einem längeren Teil aus Kapitel 2 weiter, in dem es um die zentrale Fragestellung meiner Arbeit geht.

1.4  Wir von außen

Wir sind Abenteurer, die vertrauten Boden verlassen und in unbekannte Gefilde vordringen.

Ich glaube, die echten Feldforscher und die echten Feldforscherinnen in der Soziologie und Ethnologie sind mehr Abenteurer als großartige Experimentierer oder ausufernde Theoretiker, sie haben etwas von Eroberern und Konquistadoren, im positiven Sinn, an sich, die fremde Lebenswelten kennenlernen wollen und sie so erobern (Girtler 2001, S.11).

Wir sind aber auch Eindringlinge; Fremde, die in eine verschworene Gemeinschaft vorstoßen und mit Skepsis betrachtet werden. Nach unserer Ankunft in Campinas reagierte die ehemalige Bildungsministerin Corinta sehr skeptisch, als wir ihr mitteilten, dass wir nur sieben Wochen Zeit für unser Projekt hätten. Sie meinte, es sei sehr schwierig und langwierig das Vertrauen der Bewohner von Parque Oziel zu gewinnen, da sie Fremden gegenüber sehr reserviert reagieren würden. Es waren schon viele „Leute von der Uni“ in Oziel und haben dort geforscht und sind wieder verschwunden, ohne dass man in Oziel je wieder etwas von ihnen gehört hat. Corinta versuchte uns zu überreden unseren Aufenthalt zu verlängern. Doch das was uns leider nicht möglich. Es musste also in der kurzen Zeit gehen. Und es ging.

Dass Andreas und Thomas uns bereits ein halbes Jahr vorher angekündigt haben, hat sicher dazu beigetragen, dass der Canarion uns von Anfang an offen begegnet ist. Eine seiner ersten Fragen war, was wir für die Bewohner von Oziel tun können. Es war eine durchaus berechtigte Frage. Immerhin würden der Canario und seine Mitarbeiter auch einiges an Zeit in unser Projekt investieren. Es war auch unser Anliegen, ihnen etwas zurückgeben zu können. Ich hoffe sehr, dass uns dies auch gelungen ist.

Vertrauen

Wir waren die Eindringlinge, die Studenten aus Deutschland, die Leute von der Universität. Wir waren Fremde, die sich in eine Welt begaben, die uns unbekannt war. Eine fremde Sprache, fremde Sitten und Gebräuche. So wie diese Welt fremd für uns war, waren wir auch fremd für diese Menschen.

Deshalb war unser erstes Anliegen Vertrauen zu schaffen. Den Menschen zeigen, dass wir keine Forscher aus dem Elfenbeinturm waren, sondern ganz normale Menschen wie sie auch. Wir mussten eine gemeinsame Sprache finde. Dies taten wir über die Kinder. Wir spielten mit ihnen Fußball, Volleyball, Pingpong. Wir halfen ihnen am Computer, wir hörten ihnen zu und erzählten von Deutschland.

Die Schattenseiten

Drogen, Drogenhandel, organisierte Kriminalität, Gewalt, Schusswaffen, Kinderprostitution. Auch wenn man uns freundlich aufgenommen hat und wir uns frei in der Favela bewegen konnten, hat man versucht, uns von dieser Problematik weitestgehend fernzuhalten. Wir haben nur die „offizielle“, die Sonnenseite kennengelernt. Sicher, die Armut, der Müll, die hygienischen Probleme waren so offensichtlich, dass wir sie bemerken mussten. Über diese Themen wurde auch relativ offen mit uns geredet. Aber von den oben genannten Themen haben wir so gut wie nichts mitbekommen. Wenn dann nur über Außenstehende die die Favela besser kennen als wir – wie z.B. Prof. Fichtner oder Prof. Wanderley.

Anmerkung: Wer alle bisherigen Artikel zu Parque Oziel sehen will, muss ein hier klicken: hier

 

„Vom Wesen der einfachen Dinge“ Das Leben in der brasilianischen Favela Parque Oziel/Campinas aus der Perspektive von Kindern

So, ich habe beschlossen, dass Sonntag Brasilientag ist. Deshalb gibt es jetzt jeden Sonntag weitere Auszüge aus meiner Diplomarbeit. Aus Datenschutzgründen aber teilweise leicht modifiziert. Ich werde z. B. nur Vornamen verwenden. Auch den Kern dieser Arbeit werde ich nicht so zeigen, wie es in der gedruckten Fassung der Fall ist, da diese Bilder der Kinder teilweise sehr intime Einblicke in deren Familienleben zeigen. Die Fußnoten werde ich in Klammern in den Text einbauen, da ich keine Ahnung habe, wie man ordentliche Fußnoten in diesen WordPressblog einbinden kann.

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Einleitung

Durch die Augen von Kindern schimmert eine Wahrhaftigkeit, die wir Erwachsene im Laufe der Jahre verloren haben. Diese Wahrhaftigkeit möchte ich nutzen, um einen Einblick in eine uns fremde Kultur zu erhalten. Einen authentischen und realistischen Blick in den Alltag der Bewohner der Favela ( Eine Favela ist ein Armenviertel, ein Slum.) Parque Oziel in Campinas/Brasilien.

Deshalb habe ich mit meinen Kommilitonen Lea und Thomas im Februar/März 2006 ein Fotoprojekt im Jugendzentrum der Favela durchgeführt. Doch es waren nicht unsere Augen, die die Bilder einfangen sollten und nicht unsere Finger, die den Abzug drücken sollten. Es waren die Augen der Kinder, durch die wir sehen wollten und es waren 34 kleine Finger, die die Abzüge von 34 Einwegkameras drückten, um uns zu zeigen, wie die Welt aus ihrer Perspektive aussieht.

Am Ende gab es 915 Schnappschüsse, die uns in die Welt der Kinder führen. Diese 915 Fotos sind die Basis für diese Diplomarbeit. Hinzu kommen Videointerviews mit den Kindern zu ihren Fotos und zu ihrem Leben.

Es ist nicht meine Absicht das Leben der Bewohner zu analysieren. Das würde ich mir nicht anmaßen. Es ist vielmehr meine Absicht, zu zeigen, wie die Kinder ihre Welt wahrnehmen und erleben. Was ihnen wichtig ist, was ihren Alltag bestimmt. Genauer gesagt möchte ich diese Diplomarbeit nutzen, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, uns all dies zu zeigen.

Da es sich hierbei um eine wissenschaftliche Arbeit handelt, komme ich nicht an einem theoretischen Teil vorbei, der die wissenschaftlichen Theorien und Werkzeuge vorstellt, die ich im Forschungsteil anwende. Ich habe mich aber bemüht die trockene Theorie so interessant und unterhaltsam wie möglich vorzustellen, ohne dabei den wissenschaftlichen Anspruch zu verlieren.
In Kapitel 1 schildere ich zunächst die Entstehung des Fotoprojektes „Vom Wesen der einfachen Dinge“, und warum wir uns für Brasilien als Land und Campinas als Stadt entschieden haben. In zwei weiteren Punkten schildere ich die Vorurteile, denen die Bewohner der Favela ausgesetzt sind, und welchen Vorurteilen wir als „Personen von Außen“ in Parque Oziel vielleicht begegnen müssen.

In Kapitel 2 widme ich mich der zentralen Fragestellung dieser Arbeit und beschreibe, warum die Feldforschung für mich so wichtig war. In einem weiteren Punkt gehe ich auf
die – für diese Arbeit – wichtigen Aspekte der Kindheitsforschung zum Schwerpunkt „Aus der Perspektive der Kinder“ ein.

In Kapitel 3 beschäftige ich mich mit der Fotografie und erkläre, warum ich Einwegkameras verwendet habe. Im letzten Punkt widme ich mich der Bildanalyse.

In Kapitel 4 stelle ich die Kinder mit Hilfe der von ihnen selbst ausgefüllten Steckbriefe vor, bevor ich dann die Durchführung des Projektes beschreibe und die Ergebnisse anhand einiger statistischer Angaben präsentiere.

In Kapitel 5 analysiere ich einige ausgewählte Bilder nach der Fragestellung: „Was ist fotografiert worden, und warum? – wiederkehrende Motive und ihre Bedeutung“

Im letzten Kapitel werde ich diese Arbeit und das Fotoprojekt abschließend betrachten.

1.1 Die Entstehung des Projektes

Für jemanden, der Europa noch nie verlassen hat, ist die Verlockung während des Studiums ins Ausland zu gehen fast unwiderstehlich. Zumindest ging es mir so, als ich bereits in meinem ersten Semester von der Möglichkeit ein Praktikum in Brasilien zu machen gehört habe. Seit dem stand für mich fest, dass ich nach Brasilien will.

Es sollte noch einige Semester dauern, bis ich begann, diese Pläne in die Tat umzusetzen. Damit ich nicht ganz alleine in die Fremde ziehen musste, vermittelte mir Prof. Fichtner den Kontakt zu Thomas und Soleilla. Wir verstanden uns von Anfang an gut, und beschlossen das Praktikum gemeinsam anzugehen.
Aber warum gerade Brasilien?

 Brasilien

Land der Zukunft – so nannte Stefan Zweig einst Brasilien. Es war auch das Land, in dem er Selbstmord begann. Es ist ein Land der extremen Gegensätze. Fast nirgendwo auf der Welt ist die Kluft zwischen Arm und Reich so groß. In Brasilien prallen diese Gegensätze direkt aufeinander. Die schwer bewachten goldenen Käfige der Oberschicht stehen direkt neben den spärlichen Bretterbuden der Armen. Luxusviertel grenzen direkt an Favelas und bieten jede Menge Zündstoff. Den Armen bleibt oft kein anderer Ausweg als die Kriminalität. Und die Reichen leben in ihren überwachten und gesicherten Wohnblöcken wie in Festungen.

Obwohl beide Gruppen so dicht beieinander wohnen wissen sie praktisch nichts voneinander. Sie kennen nur die üblichen Klischees aus dem Fernsehen: „Die Favelas seien ein Hort der Kriminalität und Gewalt und ihre Bewohner nur dumm und kriminell. Während die Reichen alle sorgenfrei in ihrem Luxus schwelgen und sich nicht für die realen Probleme der restlichen Bevölkerung interessieren.“
Es sind zwei Parallelgesellschaften, die aneinander vorbei leben. Wenn sie einmal aufeinanderprallen dann meist mit Gewalt.

Brasilien ist mit seinen 8.511.996 qkm das fünftgrößte Land der Erde. Hier ragt vor allem der tropische Norden heraus, der mit seinem Dschungel 53% des Landes ausmacht. Der Norden ist auch die ärmste Region Brasiliens. Hier leben die meisten Menschen mehr schlecht als recht von den kärglichen Erträgen der Landwirtschaft. Den Menschen bleibt immer weniger zum Leben. Um dieser hoffnungslosen Zukunft zu entgehen, zieht es die jungen Menschen in die großen Städte. Dort erhoffen sie sich ein besseres Leben. Werden von der Realität aber schnell eingeholt, wenn sie sich in der ärmlichen und gewalttätigen Umgebung der Favela wieder finden.
Die ehemalige portugiesische Kolonie, die 67 Jahre lang ein Kaiserreich war, ist ein Sammelsurium der Kulturen und Ethnien. Weiße (Brancos), braunhäutige Mischlinge (Pardos), Schwarze (Negros), Ureinwohner (Vermelhos) und Asiaten leben in einer Gesellschaft zusammen, deren Konflikte größtenteils nicht durch die unterschiedliche ethnische Herkunft, sondern durch die soziale Herkunft bestimmt werden.

Dies alles machte Brasilien für uns so interessant. Wobei die exotische Landschaft und das schöne Wetter sicher auch noch eine kleine Entscheidungshilfe waren.

Parque Oziel wurde von Prof. Fichtner vorgeschlagen, der gute Kontakte dorthin hat. Parque Oziel, die Favela, die in der Millionenstadt Campinas liegt.

Campinas

Campinas ist keine schöne Stadt. Graue Hochhäuser, die einen traurigen Anblick bieten und nichts von der so typischen brasilianischen Lebensfreude vermitteln, dominieren das Stadtbild. Vermutlich ein passender Anblick für eine der reichsten Städte Brasiliens; eine Stadt mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Südamerika (Wikipedia.de 27.06.07).

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Eine Million Einwohner bewohnen dieses Technologiezentrum, das durch seine geografische Lage – ca. 100 Kilometer nördlich von Sao Paulo – einer der wichtigsten Verkehrsknoten im Staate Sao Paulo ist. Viele Einwohner nutzen diese Lage, um zwischen Sao Paulo und Campinas zu pendeln.

Dieser Reichtum zeigt sich unter anderem in der größten Shopping Mall Südamerikas – dem Shopping Dom Pedro. Ein riesiges Einkaufszentrum, in dem man sich leicht verläuft und dank der Klimaanlage auch schnell eine Erkältung holt. Es gibt Kinos, Restaurants (auch McDonalds und Co.), Geschäfte mit Importwaren aus Europa, Läden mit teuren Sportartikeln und Kleidung. Eben mit allem, was sich ein Favelabewohner nicht leisten kann.

Für die arme Landbevölkerung aus dem Nordosten Brasiliens ist eine Stadt wie Campinas ein Magnet. Eine Stadt, in der man sein Glück finden kann. Die Realität – die ich mit dieser Diplomarbeit beschreiben möchte – sieht allerdings anders aus. All die schönen und teuren Dinge, die Campinas zu bieten hat, bleiben für die Favelabewohner unerreichbar hinter Schaufenstern verschlossen.

Dass in Campinas nicht alles schön und reich ist, sieht man, wenn man über eine der Autobahnen in die Stadt kommt. Rechts und links säumen sich die Holz- und Bretterbuden, die unmissverständlich die Armut ihrer Bewohner zur Schau stellen. Aber dazu mehr im Kapitel 1.2 Parque Oziel.

Die eigentliche Idee zu einem Fotoprojekt mit Einwegkameras bekamen wir durch einen kurzen Spiegelartikel über einen deutschen Fotografen, der solche Kameras an Soldaten im Irak verteilt hat, um ein realistisches Bild von der dortigen Lage zu bekommen.

Genau das war dann auch unsere Absicht. Einen authentischen und ehrlichen Einblick in das Leben in der brasilianischen Favela Parque Oziel. Damit war das Projekt „Vom Wesen der einfachen Dinge“ geboren.

Wir hatten im Vorfeld viele Pläne geschmiedet, die vor Ort – vor allem dank der brasilianischen Mentalität – wieder über den Haufen geworfen wurden. Dazu mehr im Kapitel 4.2 Die Durchführung.

Uns war von Anfang an klar, dass wir mit einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen arbeiten wollten. Unter anderem auch, weil Soleilla Lehramtsstudentin ist.

Wir waren der Meinung, dass wir durch die Augen von Kindern einen ehrlicheren Blick auf die Lebenssituation der Menschen in Oziel bekommen würden, als durch die Augen von Erwachsenen. Auf diese Theorie werde ich in den folgenden Kapiteln noch näher eingehen.
Am 30 Januar 2006 war es dann für uns so weit. Mit 30 Einwegkameras, einer Vielzahl von Plänen und Ideen, spärlichen Portugiesischkenntnissen und einer gesunden Portion Optimismus flogen wir ins Land des Sambas und des Zuckerhuts.

Anhang: Hier noch zwei Bilder aus Campinas

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Nachtrag: Hier noch die Links zu den bisher veröffentlichten Einträgen:

https://translateordie.wordpress.com/2013/04/14/achtung-vorurteile-ein-essen-in-der-favela/

https://translateordie.wordpress.com/2012/03/10/100/

Untertitel des Blogs geändert

Heute habe ich den Untertitel meines Blogs wieder geändert. Von „Mein Leben als Literaturübersetzer“ zu „Das Übersetzen, die Literatur und der ganze Rest …“.
Zum einen, weil ich den alten Untertitel irgendwie blöd fand, und zum anderen, weil er einfach nicht stimmt.

Ich lebe nicht als Literaturübersetzer. Momentan bin ich Student, der demnächst mit seiner Bachelorarbeit anfängt, Ende September sein Studium beenden wird und bis dahin nebenbei noch ein wenig übersetzt.

Inzwischen sehe ich meine Zukunftsperspektive als Übersetzer sehr unrealistisch. Ich werde ab Oktober nicht vom Übersetzen leben können. Ich werde ab Oktober auch nicht vom Übersetzen und einer Teilzeitstelle leben können. Zum einen, weil ich bis dahin sicher keinen ordentlich bezahlten Auftrag zum Übersetzen bekommen werde, und zum anderen, weil ich die Chancen auf eine Teilzeitstelle, die es mir ermöglicht gleichzeitig auch noch professionell zu übersetzen, für unrealistisch halte.

Fakt ist aber, dass ich ab Oktober ein festes Einkommen brauche, weshalb ich mich ab Juli auf feste Vollzeitstellen bewerben werde. Erstmal in Berlin, und wenn es hier nichts gibt, auch woanders. Und neben einer vollen Stelle noch zu übersetzen, dass halte ich nicht für möglich und hätte da auch keine Lust drauf. Höchstens kleinere Sachen.

Aktuell arbeite ich noch an zwei Übersetzungen für Kleinverlage. „Captain Future“ werde ich bis zum Sommer fertigmachen und „Das Blut der Helden“ bis Ende Oktober. Bis dahin werde ich auch noch gelegentlich über die Arbeit an den beiden Übersetzungen bloggen, aber wie Ihr sicher schon bemerkt habt, habe ich mich in den letzten Wochen verstärkt mit anderen Themen beschäftigt. Das wird vermutlich auch der Trend für die Zukunft dieses Blogs sein. Sollte nicht noch ein Wunder geschehen. Als ganz gescheitert, sehe ich meinen Versuch professioneller Übersetzer zu werden (der ja auch der Grund für die Entstehung dieses Blogs war) noch nicht, aber erfolgreich war er bisher auch nicht. Und nach einer gewissen Zeit ohne regelmäßiges Einkommen bei dieser Arbeit muss ich einfach realistisch sein. Es wird höchste Zeit, dass ich wieder regelmäßig Geld verdiene.

Also nicht wundern, wenn es in der nächsten Zeit in diesem Blog nur noch gelegentlich um das Thema Übersetzen gehen wird. Meine Abschlussarbeit und die Jobsuche haben jetzt Priorität. Auch wenn ich es sehr schade finden würde, nicht weiter einen Captain Future Band pro Jahr übersetzen zu können. Vielleicht lässt sich ja zumindest das zeitlich noch machen, aber das hängt stark von der Arbeitsstelle ab, die ich hoffentlich ab Oktober/November haben werde.

Nach meinem ersten Studium habe ich nahtlos eine feste Stelle antreten können. Genau genommen sogar schon, drei Monate, bevor die Abgabefrist für meine Diplomarbeit abgelaufen war. Drei Bewerbungen, drei Einladungen zu Vorstellungsgesprächen und nach dem zweiten hatte ich schon eine Stelle. Ich befürchte, dass es dieses Mal nicht einfach werden wird, aber irgendwas wird sich schon ergeben. Ich werde euch auf dem Laufenden halten.

Ortstermin: Ladentreff im Otherland (in Berlin/Kreuzberg)

Im Roman „In einer anderen Welt“ von Joe Walton geht es um die 14-jährige Morwenna, die nach einem schweren Unfall und unglücklichen Lebensumständen in einem Internat landet. Von ihren ersten Monaten dort, berichtet sie in Tagebuchform. Davon, wie sie als Hinkebein schräg angesehen wird und wie schwer es für sie ist, in einer Schule, in der Sport ganz groß geschrieben wird, Anschluss an die unterschiedlichen sozialen Zirkel der Mädchen zu finden. Trost findet sie in der Literatur. Ihr absolutes Lieblingswerk ist »Herr der Ringe«, ansonsten liest sie enorm viel Science Fiction. Heinlein, Zelazny, Delany, LeGuin uvm. werden von ihr regelrecht verschlungen und in den Tagebucheinträgen reflektiert. Anschluss zu den Einheimischen findet sie dann in Form einer wöchentlichen Leserunde, in der immer ein SF- oder Fantasyautor im Fokus steht.

Als ich vor ca. 8 Jahren das erste Mal für ein paar Tage nach Berlin gefahren bin, um einen guten Freund zu besuchen, gehörten zwei Lokalitäten zu meinem Plichtprogram: das Videodrom und die Ufo-Buchhandlung. Eine ganze Buchhandlung nur mit Science Fiction und Fantasy, das war damals für mich, als jemand, der sich auf dem Lande sonst mit einem einzigen Regal in einer Buchhandelskettenfiliale zufriedengeben musste, wie ein Besuch im Gelobten Land. Stundenlang habe ich dort in fremden Welten gestöbert, ganz berauscht von dieser konzentrierten Fülle an Phantasie und Abenteuer. Aufgrund meines beschränkten Reisegepäcks musste ich mich auf drei Titel beschränken: »Bedenke Pflebas« von Iain Banks, »Zeit aus den Fugen« von Phillip K. Dick und »Der ewige Krieg« von Joe Haldeman, alles drei Bücher, die bis heute einen Ehrenplatz in meinem Regal haben.

Die UFO Phantastische Buchhandlung wurde im Jahre 1998 von Birgit Herden und Hannes Riffel gegründet. Da man nicht länger als Anlaufstelle für Fans von Erich Dänniken gehalten werden wollte, hat man sich vor einigen Jahren mit dem Einverständnis von Tad Williams in Otherland umbenannt (imho eine gute Entscheidung). Zum 1. April dieses Jahres haben Hannes und Birgit das Otherland in die Hände der langjährigen Mitarbeit Jakob, Wolfgang und Simon übergeben, die fortan die Buchhandlung als neue Chefs betreiben werden.

Als erste Neuerung hat man einen monatlichen Ladentreff unter dem Titel Gatherland im Otherland eingeführt:

Jeden 3. Donnerstag: Gatherland (to gather: versammeln, versammelte, versammelt) im OtherlandAb sofort lädt das Otherland all seine Kundinnen und Kunden und Freundinnen und Freunde an jedem dritten Donnerstag im Monat zum abendlichen Plaudertreff Gatherland. In lockerer Runde stellen wir Bücher vor und plaudern über alles aus der Welt der SF und Fantasy.Die Pforten zum Gatherland öffnen sich um 19.30 Uhr, Der Eintritt ist selbstverständlich frei und eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Getränke gibt es gegen einen kleinen Obulus.

Quelle: http://otherland-berlin.de/

Am ersten Abend hat Verleger und Übersetzer Hannes Riffel das Buch „In einer anderen Welt“ von Joe Walton vorgestellt, dass in seinem Golkonda Verlag erschienen ist. Es wurde kurz darüber diskutiert (einige in der dreizehnköpfigen Runde hatten es, wie ich, bereits gelesen) und die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass sich der monatliche Treff zu einer ähnlichen Runde entwickeln würde, wie es im Buch der Fall ist.

Danach hat jeder  sein Lieblingsbuch der letzten Monate vorgestellt. Das hat sich zu einer wirklich sehr interessanten Runde entwickelt, in der eine Menge über die vorgestellten Werke diskutiert wurde. Ein Teilnehmer stellte „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R. R. Martin vor und Buchhändler Wolfgang meinte, dass er eigentlich nur ungern solche gehypten Werke weiterempfehle, er in diesem Fall aber gar nicht anders könne, da es einfach zu gut sei.

Im weiteren wurden die historisch-fantastischen Werke von Guy Gavriel Kay (z. B. „Die Fürsten des Nordens“) vorgestellt, die intellektuell fordernde Sword and Sorcery Reihe „Nimmèrÿa“ von Samuel R. Delany, die postmoderne, schockierende und hoch ambitionierte Horrorreihe „Hiobs Spiel“ von Tobias O. Meißner, ein Buch über geheime Melodien von Helmut Krausser, die herausragende Kurzgeschichten Sammlung „Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes“ von Ted Chiang, die komplexe Zukunftsvision „Fraktal“ von Hannu Rajaniemi, die ungewöhnliche und außergewöhnliche Fantasy von K. J. Parker (»The Company«) und einige andere Sachen.

Es war eine richtig schöne Runde, in der intensiv und abwechslungsreich über die unterschiedlichsten Werke, Facetten und Autoren der phantastischen Literatur diskutiert wurde. Bis man schließlich bei Dan Brown, Weltverschwörungen und mit Steroiden aufgepumpten Frettchen, die als Pudel verkauft werden, ankam.
Damit hat sich das erste Gatherland im Otherland schon am ersten Termin als einer ernstzunehmenden und interessanten Anlaufstelle für Freunde der phantastischen Literatur etabliert. Er wurde auf hohem Niveau, aber in lockerem Ton, in gemütlicher Runde bei Wein, Wasser und Bier diskutiert. Den nächsten Termin am 16. Mai habe ich mir in meinem Terminplan schon fest vorgemerkt.

Serienkiller in Serie: „Hannibal“, „Bates Motel“ und „The Following“

Spätestens seit Hannibal Lector die Leinwand betrat und dem Zuschauer wie seinen Opfern unter die Haut ging, gehören Serienkiller zum beliebtesten Motiv moderner Thrillerautoren und Filmemacher. Es gab sie natürlich schon vorher, vor allem im realen Leben. Der Berühmteste unter ihnen ist wohl Jack the Ripper, der im London des 19. Jahrhunderts Prostituierte ermordete und nie gefasst wurde. Ted Bundy, Charles Manson, der Zodiac-Killer, Son of Sam usw. All diese realen Serienmörder wurden auch in Film und Literatur verarbeitet.
Aber es gibt auch die fiktiven Killer, die ganz der Phantasie der Autoren entsprungen sind.

1981 veröffentlichte Thomas Harris einen Roman namens „Roter Drache“, in dem der FBI-Profiler Will Graham, den von ihm vor einigen Jahren gefassten Serienkiller, Kannibalen und Psychiater Dr. Hannibal Lector um Hilfe bei einem Fall bittet. Wobei Lector in diesem Buch mehr im Hintergrund bleibt. Weitaus mehr Platz bekommt er vom Autor dann in „Das Schweigen der Lämmer“ eingeräumt, das 1988 erschienen ist. Hier ist es die junge FBI-Agentin Clarice Starling, die Lector um Hilfe bittet. Im Zuge der Gegenleistungen für seine Hilfe läuft Lector zur Höchstform auf und wird auch selbst wieder handgreiflich.

„Roter Drache“ wurde bereits 1986 von Michael Mann mit William M. Petersen als Graham und Brian Cox als Lector verfilmt. Wirkliche Berühmtheit erlangte der geniale Kannibale aber erst durch die intensive Darstellung von Anthony Hopkins in der Verfilmung „Das Schweigen der Lämmer“ aus dem Jahre 1991 von Jonathan Demme. Der Erfolg des Filmes trat eine ganze Schwemme von Serienkiller-Filmen los, von denen nur wenige (z.B. „Sieben“) an das Vorbild heranreichen konnten. Nach der ganzen Serie von Filmen schwappte die Welle auch auf den Büchermarkt über, auf dem sie bis heute anhält und unzählige Romane mit ach so genialen und immer grausameren Serienkillern hervorgebracht hat. Ein ziemlich ausgelutschtes Thema, das mir in Buch- und Filmform zum Hals heraushängt.

Auch im Bereich der TV-Serien ist das Thema bereits ausführlich behandelt worden. Schon FBI Special Agent Dale Cooper jagte 1990 in „Twin Peaks“ den Serienkiller Windom Earl. In jeder Krimiserie tauchen regelmäßig Serientäter auf und in Criminal Minds geht es sogar jede Woche um einen neuen . Ginge es nach letzterer Serie, müsste fast jeder dritte Amerikaner ein psychopathischer Serienkiller sein.

Bei all diesen Serien liegt der Fokus aber auf den Ermittlern. Serien, in denen der Killer selbst die Hauptfigur oder gar der Held ist, sind selten. Die erfolgreichste und beste dieser Serien ist „Dexter“. Hier wird ein tatsächlich ein Serienkiller zum Helden. Allerdings geht er nach einem strengen Kodex vor und bringt selbst nur anderen Serienkiller und Mörder um die Ecke. Die Serie spielt auf hohem Niveau mit der Ambivalenz der Hauptfigur als Killer und Familienvater, dem moralischen Dilemma von Selbstjustiz in einem Rechtssystem, in dem die Gerechtigkeit nicht immer siegt. Der Zuschauer wird hier in die unangenehme Lage gebracht, Sympathien für einen Mörder zu entwickeln.

„Dexter“ läuft jetzt schon in der siebten Staffel (die achte wird die letzte sein) und war lang ziemlich allein auf weiter Flur. Bis zur aktuellen Fernsehsaison. Plötzlich tauchen gleich drei Serien auf, in denen Serienmörder zu Hauptfiguren gemacht werden. Trotz der thematischen Nähe haben Hannibal, Bates Motel und The Following sehr unterschiedliche Ansätze.

Hannibal (Folgen 1 und 2 gesehen)

Nachdem Roman „Hannibal Rising“ und dessen Verfilmung, in denen es um Lectors Jugendjahre ging, rückt die Serie den FBI Profiler Will Graham und dessen Beziehung zum Psychiater Dr. Hannibal Lector in den Mittelpunkt. In der Pilotfolge lernt man Graham als schwierige Person kennen, die sich am Tatort ganz in die Perspektive des Täters hineinversetzen kann, aber Schwierigkeiten hat, soziale Kontakte zu anderen Menschen zu pflegen. Trotzdem möchte sein Chef Jack Crawford ihn wieder ins Feld schicken. Um sicherzugehen, ob er dafür tauglich ist, muss er zu Sitzungen mit Dr. Lector gehen, der sich dann auch gleich mit in die Ermittlungen zu den aktuellen Fällen einbringt. Wobei sein Interesse gänzlich anderer Natur ist, als das der Ermittler.

Diese Serie von NBC hat mich überrascht. Nach dem gurkigen The Following (siehe weiter unten) hatte ich eine weitere Serie erwartet, die routinemäßig und seelenlos runtergekurbelt wird, und sich dabei mit dem berühmten Namen schmückt. Aber weit gefehlt. Die beiden ersten Folgen sind auf sehr hohem Niveau gefilmt. Bei der visuellen Darstellung hat man sich richtig Mühe gegeben. Wenn sich Graham in die Täter hineinversetzt wird das in kunstvollen Bildern visualisiert und soundtechnisch hervorragend untermalt. Die Serie sieht richtig edel aus.
Die Darsteller sind durch die Bank weg erstklassig. Auch wenn Mads Mikkelsen und seine leicht nuschelige Art sicher nicht jedermanns Sache sind.
Bisher zeichnet sich ein Fall der Woche Schema mit zusätzlicher folgenübergreifender Handlung (durch Lector) ab. Da bleibt abzuwarten, ob es den Machern gelingt, ein stimmiges Konzept zu etablieren.
Der erste Fall der Woche war ziemlich gewöhnlich und nichts Besonderes. Die Pilotfolge lebte mehr von der Konzentration auf die Figur des Will Graham und seinen ersten Begegnungen mit Hannibal, die mit intelligenten Dialogen und feiner Ironie glänzen konnten. Der Fall in Folge 2 ist dann allerdings etwas Besonderes. Die hier zu Pilzfarmen umfunktionierten Menschen sind nichts für schwache Mägen und suchen an Perfidität ihresgleichen. Da war selbst ich, der sich in diesem heftigen Genre gut auskennt, ziemlich schockiert.

Bates Motel (Folgen 1-4)

Ist eine Art Prequel zu Alfred Hitchcocks Film“Psycho“, der auf dem gleichnamigen Roman von Robert Bloch basiert, und damals mit seiner berühmten Duschszene, in der die weibliche Hauptfigur bereits nach der Hälfte des Films ermordet wurde, eine ziemliche Sensation. Allerdings spielt Bates Motel in der Gegenwart, inklusive Handys, Internet usw.
Der Teenager Norman Bates ist gerade mit seiner, noch lebenden, Mutter in das berüchtigte Motel gezogen, nachdem Normans Vater unter tragischen Umständen ums Leben kam. Die Serie konzentriert sich dabei auf die Figur von Norman und der sehr, sehr engen Beziehung zu seiner Mutter. Norman kommt erstaunlich gut bei den weiblichen Teenagern des Ortes an, knüpft schnell Kontakte, die von seiner Mutter kritisch gesehen werden, und macht einige Entdeckungen, die die schöne Fassade der idyllischen Kleinstadt bröckeln lassen.
„Bates Motel“ ist eine Serie, die sich viel Zeit für die Entwicklung ihrer Figuren nimmt und auf blutige Effekthascherei verzichtet, auch wenn gelegentlich jemand umgebracht wird. Die enge bis erdrückende Beziehung zwischen Norman und seiner Mutter wird teilweise etwas zu offensichtlich inszeniert. Das hätte man ruhig etwas subtiler machen können, ist aber vermutlich für Zuschauer gedacht, die das berühmte Original nicht kennen.
Die Serie funktioniert auch ganz unabhängig davon. Ganz langsam und stimmungsvoll wird eine bedrohliche Atmosphäre aufgebaut, die mit jedem Blick hinter die saubere Fassade von White Pine Bay noch dichter wird. Es ist keine typische Serienkillergeschichte. Hier kann man einem zukünftigen Serienkiller beim Aufwachsen zusehen. The coming of age of Norman Bates, der sich einerseits mit den üblichen Teenagerproblemen rumschlagen muss, gleichzeitig aber auch eine dunkle Seite entwickelt, die sich anfangs nur selten zeigt, aber im Laufe der Folgen immer düsterer wird. Trotzdem ist er bisher noch der Sympathieträger der Serie.

The Following (Folgen 1-10 1/2)

Die Serie erhielt im Vorfeld viel Aufmerksamkeit und hohe Erwartungen. Immerhin sollte es hier nicht einfach um einen Serienkiller gehen, sondern um eine ganze Sekte von Serienkillern. Diese sogenannten Follower haben sich um den charismatischen Uniprofessor Joe Carroll gescharrt, der das Werk von Edgar Allen Poe zu einer Art Religion erhoben hat und danach Morde begeht. Zu Beginn der Serie sitzt er, nachdem er vor acht Jahren vom FBI Agenten Ryan Hardy geschnappt wurde, im Knast, bricht aus, bringt jemanden um, wird wieder geschnappt, bricht wieder aus usw. Währenddessen fangen überall im Land seine Follower an, Leute zu ermorden. Scheinbar alles nach einem genialen Plan von Joe Carroll, der unter anderem seinen Sohn und seine Frau zurückbekommen möchte. Die ist inzwischen mit Ryan Hardy befreundet, was diesen endgültig zur Hauptzielscheibe bzw. zum Protagonisten von Carrolls Plänen macht. Hört sich alles etwas wirr und lahm an. Oder? Ist es auch.

Das Grundprinzip der Serie besteht daraus, dass sich die Ermittlungsbehörden, allen voran das FBI, in wichtigen Situationen immer auf die dümmst mögliche Weise verhalten. Und zwar in jeder Folge mehrfach. Würden sie das nicht tun, würde zum Beispiel das Team aus Criminal Minds gegen Joe Carroll und seine Follower ermitteln, die Serie wäre nach zwei Folgen vorbei. Der ach so geniale Masterplan von Carroll funktioniert nicht, weil er wirklich so genial ist, sondern weil seine Gegenspieler grenzenlos dumm agieren.Was man durchaus als eine extreme Beleidigung der Intelligenz der Zuschauer durch die Autoren bezeichnen kann. Die sind nämlich zu faul oder unfähig, sich was wirklich Cleveres auszudenken und setzen voll auf Dummheit. Und das ausgerechnet von Chefautor Kevin Williamson, der bisher für seine intelligenten Drehbücher bekannt war.
Auch läuft fast jede Folge nach demselben Schema ab. Das FBI will jemanden schützen, befreien und/oder schnappen, verhält sich dabei wie der letzte Dorftrottel, Agenten sterben, Unbeteiligte sterben, Bösewichte entkommen, Ryan Hardy stapft mit einer Taschenlampe durch einen dunklen Keller, eine Fabrik oder Ähnliches, läuft in eine Falle, schafft es aber viele namenlose Follower zu erschießen, hat am Ende aber genauso wenig erreicht, wie das planlose FBI, dass überhaupt nichts checkt.
Hier ein Beispiel für das Prinzip Dummheit: Drei US-Marschalls sollen eine wertvolle Person vor den Followern beschützen. Dabei quartieren sie sich ein einem Motel! ein. Zwei der Marschals werden durch verdächtige Aktivitäten nach draußen gelockt, Marschal Nr. 3 bleibt im Zimmer und beobachtet über eine Videokamera, wie seine beiden Kollegen von zwei Angreifern mit Maschinenpistolen niedergemäht werden. Er sieht die Angreifer über den Monitor auf sein Zimmer zukommen. Was macht dieser professionell ausgebildete Personenschützer? Er stellt sich mit gezogener Waffe direkt hinter die papierdünne Holztür und warten seelenruhig darauf, durch die Tür hindurch erschossen zu werden. Die Angreifer tragen kugelsichere Westen, die Marschals natürlich nicht.

Während ich bei »The Following« mitten in der zehnten Folge ausgestiegen bin, weil ich diesen Dummfug nicht mehr ertragen habe, erwarte ich gespannt die neuen Episoden von »Hannibal« und »Bates Motel«. Von den Dreien ausgerechnet die Serien, von denen ich am wenigsten erwartet hatte.

Deutsche Ausstrahlung: Die Rechte an Hannibal hat sich die ProSiebenSat1 gesichert, eine Ausstrahlung soll für 2013 geplant sein, aber einen genauen Termin gibt es noch nicht. Zu Bates Motel ist mir diesbezüglich nichts bekannt. The Following soll ab dem 6. Juni auf dem Digitalsender RTL-Crime laufen.

P.S. eigentlich müsste ich diesen Artikel noch ein wenig mit Szenenbildern aus den Serien auflockern und attraktiver machen. Da ich aber keine Lust auf irgendwelches Abmahngedöns habe und mich da rechtlich auch nicht mit auskenne (vermutlich müsste ich bei den Presseabteilungen der Sender anfragen), verzichte ich lieber darauf. Was das Einbetten von Videos, bzw. Trailern von Youtube angeht, da befasst sich ja gerade der Bundesgerichtshof mit, ob das eine Uhrheberrechtsverletzung sein könnte, bisher war es wohl keine.

P.P.S. Irgendwie spinnt WordPress heute, was die Absätze angeht. Immer wenn ich den Text aktualisiere, werden von mir gesetzte Absätze wieder „geklaut“. Deshalb sieht der Text etwas uneinheitlich formatiert aus.

Achtung Vorurteile – Ein Essen in der Favela

Während ich an einem längeren Artikel über die aktuellen Serienkiller-Serien „Hannibal“, „Bates Motel“ und „The Following“ schreibe, der in den nächsten Tagen online geht, möchte ich die Wartezeit darauf mit einem leicht exotischen Beitrag verkürzen. Bereits vor einem Jahr habe einen Auszug aus meiner Diplomarbeit von 2007  geposted: https://translateordie.wordpress.com/2012/03/10/100/

Ich hatte es aber dabei belasssen und nie verraten, worum es in der Diplomarbeit ging. Tja, heute gibt es einen weiteren Auszug:

1.3 Achtung Vorurteile

„Was macht ihr in Campinas?“
„Ein Fotoprojekt in Parque Oziel.“
„Seid ihr denn bewaffnet?“

Das war unser erstes Gespräch in Campinas. Mit einem Taxifahrer, der uns in die Innenstadt brachte.

Was für uns noch amüsant klang, ist für die Bewohner von Oziel trauriger Alltag. Dazu ein Zitat aus dem Forschungstagebuch von Thomas Thewes, der ein Gespräch mit der Frau des Canarios geführt hat – die sich gerade zur Lehrerin ausbilden lässt:

„sie hat mir die geschichte erzählt, dass eine ihrer Professorinnen erzählte, sie glaube, dass oziel ein ort des verbrechens sei, dass die leute dort dumm wären, das ansehen der stadt schädigen, dass wegen ihnen die steuern erhöht worden seien usw.. sie, die sie aus selbstschutz nie ihre wohnanschrift angegeben hatte, wie es die meisten leute hier tun, die arbeit suchen und dabei die anschrift von bekannten angeben, die nicht in oziel wohnen, ließ besagte person ausreden und antwortete. „ich wohne in oziel und was ich erzähle, das glaube ich nicht, sondern das WEISS ich, eben weil dort mein zuhause ist!““(Thewes 2007)

 
So sieht das Dilemma der Bewohner Oziels aus. Um aus der Armut rauszukommen, brauchen sie Arbeit in der Stadt. Geben sie ihre richtige Adresse an, bekommen sie diese aber nicht.
Ein Teufelskreis, der nur mit Notlügen zu durchbrechen ist. Was die Menschen aber unter den ständigen Druck setzt, sich nicht zu verraten.
Solche soziale Diskriminierung gibt es zwar auch bei uns – Banken stufen die Kreditwürdigkeit z. B. auch nach der Adresse ein – aber die Verachtung, der die Bewohner Oziels ausgesetzt sind, hat mich doch sehr schockiert.
Für die Kinder muss diese Diskriminierung noch schlimmer sein, da sie meist nicht die Gründe dafür nachvollziehen können.

Viele Lehrer und Professoren sind so von ihren Vorurteilen geprägt, dass sie sich nicht in die Favela hinein trauen. Um einige von ihnen diese Angst zu nehmen, hatten wir in unserer letzten Woche in Brasilien, unser Projekt an der Universität von Campinas vorgestellt. Gekommen waren vor allem Lehrer und Schuldirektoren, die sehr überrascht waren, dass wir uns ohne Bedenken nach Oziel reingetraut haben. Auch der Canario und Adailton waren mitgekommen, um ein bisschen Oziel in die Uni zu tragen.
Obwohl alle interessiert zuhörten und sich eine lebhafte Diskussion entwickelte, bin ich mir nicht sicher, ob wir ihnen ihre Ängste nehmen konnten.

Ich frage mich auch, ob ich so unbefangen – und vielleicht auch naiv? – nach Oziel rein gegangen wäre, wenn ich in Brasilien aufgewachsen wäre. Ich werfe den Brasilianern die ich kennen gelernt habe nicht ihre Vorurteile vor, denn dann würde ich wohl den Einfluss der Medien und die Macht von über Jahrzehnte gewachsenen Vorurteilen unterschätzen.
Ich denke jeder von uns trägt gewisse Vorurteile mit sich herum, hat aber auch das Potenzial diese zu überwinden. Allein am Willen liegt es, ob man sich durch vorgefestigte Meinungen in seiner Bewegungsfreiheit einschränken lassen möchte.

Ich möchte aber auch noch darauf hinweisen, dass man, abgebaute oder nicht vorhandene Vorurteile nicht mit Naivität und Unvorsichtigkeit verwechseln sollte. Brasilien ist ein Land, das von Gewalt geprägt wird. Wenn man sich auf der Straße bewegt, sollte man stets auf seine Wertsachen acht geben. Man sollte sich auch vorher informieren, welche Gegenden sicher sind und welche nicht. Es wäre ausgesprochen unvorsichtig, als Tourist einfach in eine Favela zu spazieren.
Trotz aller Toleranz und Offenheit haben wir uns stets wachsam und vorsichtig durch Brasilien bewegt, und versucht nicht als „reiche Touristen“ aufzufallen. Wir sind damit gut gefahren, und haben keinerlei negative Erfahrungen gemacht.

Das beste Mittel um Vorurteile abzubauen, sind positive Erfahrungen. Deshalb möchte ich nun von unseren positiven Erfahrungen mit den Bewohnern Parque Oziels berichten.
Eine dieser positiven Erfahrungen ist Adailton gewesen. Er ist sozusagen der Leiter des Jugendzentrums P.A.F. und hat uns während unseres ganzen Projektes betreut. Er ist morgens der Erste, der die Tür aufschließt und abends der Letzte, der geht. Er betreut die Kinder über den ganzen Tag und hat trotzdem immer Zeit gefunden, uns zu helfen. Er hat für uns und mit uns gekocht und gelacht.

Ein Essen in der Favela

Wir waren bereits seit 9.00 Uhr in der Favela, und die Sonne brannte unbarmherzig auf uns nieder. Obwohl wir den Morgen im Büro des Canarios verbracht hatten, das den Luxus eines Ventilators bieten konnte, machte uns die Hitze schwer zu schaffen. Die unzuverlässige Internetverbindung – die einzige in Parque Oziel! – funktionierte ausnahmsweise. So konnten wir den fünf Kindern von der Internetgruppe Bilder aus Deutschland zeigen. Eigentlich warteten wir auf Corinta Geraldi, doch warten auf Corinta bedeutet viel Geduld mitbringen.
Also warteten wir … und warteten. Es wurde immer heißer und unsere Mägen begannen zu knurren. Also ab ins P.A.F. Das spartanisch eingerichtete Jugendzentrum verfügte über eine abenteuerliche Küche mit zwei Gasherden und fließend Wasser. Nur floss das Wasser nicht an diesem Tag. Die Bewohner Oziels sind an solche Widrigkeiten gewöhnt und haben gelernt damit umzugehen – sie sind Meister der Improvisation.

Adailton schlug vor die Küche eines der Nachbarhäuser zu nutzen, das sei kein Problem.

Vorher ging es aber noch in den Supermercado – den Supermarkt. Automatisch öffnende Gleittüren – die man früher nur vom Raumschiff Enterprise kannte – von Klimaanlagen gekühlte Luft, grenzdebile Fahrstuhlmusik – gelegentlich von Preisangeboten unterbrochen, labyrinthartige Gänge von scheinbar endloser Weite und einen dekadenten Überfluss an Produkten; all dies sucht man in den Supermärkten Parque Oziels vergeblich. Was man findet, sind Räumlichkeiten von Garagengröße, in denen nur das Nötigste vorrätig ist; verschrumpeltes Obst und Gemüse – vermutlich Ausschusswaren – eine von Fliegen gesäumte Fleischtheke ohne jegliche Kühlung. Ein deutsches Gesundheitsamt hätte den Laden wohl zur Quarantänezone erklärt. Aber es war alles da, was wir für ein Mittagessen brauchten. Hähnchenfleisch, Spaghetti, Reis, Bohnen und Paprika.
Trotz der spärlichen Ausstattung waren wir über die Supermärkte – von denen es nicht wenige in Oziel gibt – überrascht.

Mit vollen Tüten ging es weiter zur 27-jährigen Issabella, die direkt neben dem P.A.F wohnt und deren Sohn Bruno an unserem Fotoprojekt mitmachte. Es war ein gemauertes Haus von einem Holzaun umrahmt. Für die fünfköpfige Familie waren drei Räume vorhanden – die Küche, ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer inklusive Couch und Fernseher. Was uns beim betreten dieser Räumlichkeiten zuerst auffiel, war die Sauberkeit. Issabella war eine kräftige Frau mit einem schüchternen Lachen, die es sich nicht nehmen ließ, das Essen selber zu kochen. Wir durften ihr noch nicht einmal helfen. Das heißt, wir Männer nicht, aber Soleilla schon. In dieser Hinsicht sind die Bewohner Oziels sehr konservativ.
Adailton, Thomas und ich konnten uns derweil mit dem Hamster der Familie beschäftigen, bei dem es sich offensichtlich um eine Ratte handelte. Da man ihn aber für einen Hamster hielt, musste er auch in ein Hamsterrad.

Das Essen war köstlich. Isabella verstand wirklich etwas vom Kochen. Während wir noch aßen, stieß Corinta zu uns, und machte uns gleich darauf aufmerksam, dass wir hier bei sehr armen Leuten speisen würden und ihnen etwas für das Essen bezahlen sollten. Adailton meinte das sei nicht nötig, doch Thomas bekam ein schlechtes Gewissen und so legten wir heimlich 10 Reais  (ca. 3 Euro auf den Tisch). Das Geld blieb nicht lange unentdeckt, und es folgte eine peinliche Situation, in der uns Adailton tadelte und erklärte, dass die Menschen von Oziel zu Stolz währen, um Geld anzunehmen.

Trotz dieses unangenehmen Zwischenfalls war dies einer unserer schönsten Tage in Brasilien. Denn gerade, dass so arme Menschen bereit waren, das wenige was sie hatten mit uns zu teilen, hat uns tief bewegt. Die Gastfreundschaft der Bewohner Oziels ist wirklich einmalig und zeigt, welch große Lebensfreude in diesen Menschen steckt. Wüssten die Angehörigen der oberen Schichten von dieser uneigennützigen Gastfreundschaft, sie würden sicher anders über die Favela denken.

Nachdem wir Kontakte mit der reicheren Mittelschicht und der armen Favelabevölkerung gemacht haben, sind wir zu der – natürlich nicht zu verallgemeinernden – Formel gekommen: Je weniger die Leute haben, desto mehr sind sie bereit mit einem zu teilen. Wie gesagt, dies spiegelt nur unsere eigenen Erfahrungen wieder.

Mad Translator at Work

Übersetzen ist eine Arbeit, die hohe Konzentration erfordert. Idealerweise führt man sie an einem Arbeitsplatz durch, der frei von Störungen, Lärmbelästigungen, Nacktprotesten und anderen Ablenkungen ist. Da ich mir kein Büro leisten kann, arbeite ich zu Hause. Weil ich als Student nicht sehr wählerisch sein kann, was meine Wohnung angeht, ist diese leider nicht ganz frei von obigen Ablenkungen. Leider handelt es sich dabei aber nicht um Nacktproteste, sondern um Lärmbelästigungen.

Da gibt es den Nachbarn unter mir, der seine Wohnung regelmäßig in eine türkische Disko verwandelt und die Wände zum Wackeln bringt. Es gibt die Autowerkstatt, die regelmäßig die Motoren aufheulen lässt oder Felgen unter lautem Getöse in Container knallt. Und nebenan liegt eine Lager/Fabrik?-Halle, die ständig undefinierbare Geräuschverschmutzungen von sich gibt, von denen man nicht einmal erahnen kann, worum es sich dabei handelt. Dazu wird auch noch kräftig auf Arabisch rumgebrüllt (oder sich entspannt unterhalten; soll sich in dieser Sprache ja beides sehr ähnlich anhören).

Als vom Lärm geplagter, fleißiger Übersetzer ist man dadurch zu drastischen Maßnahmen gezwungen. Zum Beispiel zum Abschneiden der Ohren (von den Lärmverschmutzungen der Umgebung).

Das sieht dann so aus:

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Da stimmt doch was nicht mit dem Satz?

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Die Verwirrung steigt.

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Was will mir der Autor damit nur sagen? Teufel des Weltalls! Wie soll ich das nur übersetzen?

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So, der Satz wird jetzt ohne Rücksicht auf Verluste, mit dem Bokken,  zerstückelt.

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Schon besser …

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Ja, so lässt es sich gut lesen.

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Und wieder einen Satz zerhäckselt, durchgewirbelt und in einer anderen Sprache zusammengesetzt.

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Den zufriedenen Gesichtsausdruck hat sich der Übersetzer redlich verdient.

Deadwood – Die Entwicklung des amerikanischen Western und die Möglichkeiten, die das moderne Serienformat diesem Genre eröffnet

Nachdem es zuletzt etwas viele Einträge zu »Captain Future« gab, gibt es heute zur Abwechslung mal einen thematischen Wechsel. Im letzten Sommer habe ich in einem Uni-Seminar über den amerikanischen Western eine Hausarbeit über die Entwicklung des Westerns und die Serie „Deadwood“ geschrieben. Die Arbeit ist insgesamt etwas oberflächlich und deskriptiv geraten und hätte sprachlich etwas akademischer formuliert werden können, hat aber trotzdem noch eine 2,0 erhalten. Falls jemanden das Thema interessiert oder lesen möchte, was ich so an der Uni verzapfe, gibt es hier einen kurzen Auszug. Am Ende des Textes kann man sich auch die komplette Hausarbeit als PDF-Datei ansehen.

1.     Die Bedeutung der Gewalt für den Western, für die Frontier und die USA als Nation

 

Die Geschichte der USA ist leider nicht von dem Thema Gewalt zu trennen. Zunächst richtete sich die Gewalt gegen die Ureinwohner, die aus ihrem natürlichen Lebensraum verdrängt wurden, um den Siedlern Platz zu machen. Dann richtete sich die Gewalt gegeneinander. Im Unabhängigkeitskrieg von 1775 – 1783 richteten sich die Siedler gegen die „eigene“ britische Regierung bzw. Krone. Und im amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 – 1865 richteten sich die ehemaligen Siedler in Form von Bundesstaaten gegeneinander.

Aber auch unabhängig von diesen großen Ereignissen war der Alltag vor und nach dem Sezessionskrieg von Gewalt geprägt. Afrikanische Sklaven wurden gewaltsam zur Sklaverei gezwungen; chinesische Bahnarbeiter wurden bei der Verlegung von Eisenbahnschienen in den Westen nicht viel besser als Sklaven behandelt; die Ureinwohner wurden weiterhin gewaltsam unterdrückt und ihn Reservate gezwungen, es kam immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Massakern; und auch im Alltag der Weißen an der Frontier, in den Minenstädten wie Deadwood herrschte eine gewalttätige Atmosphäre und es kam immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen einzelner Personen.

Das Genre des Westerns bezieht sich ja vor allem auf die Zeit nach dem Bürgerkrieg ab 1865 bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und genau in dieser Zeit gab es auch einen maßgeblichen Fortschritt bei der Entwicklung von Schusswaffen. Während im Bürgerkrieg noch mit einschüssigen Vorderladern gekämpft wurde, entstanden danach sowohl mehrschüssige Pistolen wie der Colt als auch mehrschüssige Gewehre wie die Winchester.

Zudem wurde die Produktion dieser Waffen durch die Industrialisierung einfacher in Bezug auf die Herstellung hoher Mengen und kostengünstiger. Schusswaffen waren also nicht nur leichter zu bedienen, sondern auch erschwinglicher. Ihrer Ausbreitung stand also nichts mehr im Wege und durch ihre leichte und mehrfache Benutzung war auch der Typ bzw. Mythos des „gunfighter“ geboren.

Der spielt für das Genre des Westerns eine wichtige Rolle. Kaum ein Western kommt ohne einen „gunfighter“ oder einen „gunfight“ aus. Schon „The Great Train Robbery“ erschreckte seine Zuschauer, indem einer der Schauspieler seine Pistole direkt auf die Kamera, und damit auf das Publikum, richtete und abdrückte.

„Stagecoach“ verzichtet erstaunlich lange auf den Einsatz von Gewalt. Ford zieht die bedrohliche Atmosphäre zwecks Spannung lieber in die Länge, um sie dann in einem spektakulären Showdown mit den Indianern explodieren zu lassen. Ganz am Ende gibt es aber auch noch eine klassische Schießerei unter Cowboys.

 Kaum ein Western kommt ohne Gewalt (meist durch Schusswaffen) aus. Neben den historischen Gegebenheiten hat dies maßgeblich zum Selbstverständnis der USA als Schusswaffennation beigetragen.

Der zweite Verfassungszusatz von 1791 garantiert den Besitz und das Tragen von Schusswaffen auf Bundesebene: A well regulated Militia being necessary to the security of a free State, the right of the people to keep and bear Arms shall not be infringed (Constitution of the United States of America, Article 2).

Aber warum spielt die Gewalt im Western eine so entscheidende Rolle?

Der Western spielt in der Regel an der Frontier. Also in den noch „gesetzlosen“ Gebieten des westlichen Teils des Kontinents, die zu diesem Zeitpunkt noch keine Bundesstaaten sind. Die Regierung der damaligen Union hatte also noch keine Verfügungsgewalt über diese Gebiete. Sie übte dort keine Autorität aus und setzte keine Gesetze durch.

Wenn in einer Gegend keine Gesetze herrschen, dann herrscht meist Anarchie oder der Anarchie ähnliche Zustände. Anarchie bedeutet in der Regel das Gesetz des Stärkeren, und der Stärkere setzt seine Interessen mit Gewalt durch.

Richard Slotkin bezeichnet diese gewalttätigen Prozesse und deren Mythologisierung in der Geschichte der USA regeneration through violence.

In each stage of is development, the Myth of the Frontier relates  the achievement of „progress“ to a particular form or scenario of violent action. “Progress” itself was defined in different ways: the Puritan colonists emphasized the achievement of spiritual regeneration through frontier adventure; Jeffersonians (and later, the disciples of Turner “Frontier Thesis”) saw the frontier settlement as a re-enectment and democratic renewal of the original “social contract”; while Jacksonian Americans saw the conquest of the Frontieras a means to the regeneration of personal fortunes and/or of patriotic vigor and virtue. But in each case, the Myth represented the redemption of American spirit or fortune as something to be achieved by playing through a scenario of separation, temporary regression to a more primitive or “natural” state, and regeneration through violence (Slotkin, 11,12).

 Das Element der Gewalt im Western dient also nicht nur Unterhatltungszwecken, sondern der Bildung eines nationalen Mythos und einer nationalen Identität, in der Fortschritt und Wiedeherstellung bestimmter Zustände nur durch Gewalt möglich sind.

In vielen Western wird dies auf einfache Konflikte heruntergebrochen. Oft ist es eine Bande von gesetzlosen Banditen, die mit brutaler Gewalt ihre Interessen gegen eine meist wehrlose Gemeinschaft durchsetzt, bis eben jemand auftaucht, der es in puncto Gewalt mit ihnen aufnehmen kann. Oder es geht um Großgrundbesitzer, die ihre Interessen gegen kleine Farmer auf ähnliche Weise durchsetzen wie Banditen. In „Deadwood“ ist es der vermögende und rücksichtlose George Hearst, der seine Interessen gegenüber den kleinen Goldschürfern mit Gewalt durchsetzt. Im Falle von „Deadwood“ wird deutlich, wie der Fortschritt im Westen durch Gewalt vorangetrieben wird. Aber dazu mehr in Kapitel 3.

Die Naturgewalten, mit denen sich die Siedler an der Frontier rumschlagen mussten, lass ich an dieser Stelle aus, weil sie für die Analyse der Serie „Deadwood“ keine Rolle spielen.

1.     Deadwood

3.1 Der Western als Serie

Der Western im Serienformat ist schon älter als das Fernsehen selbst. Es gab ihn nicht nur als Fortsetzungsgeschichten in der Literatur, sondern auch als Serie im Radio. Bevor das Fernsehen seinen Siegeszug nach dem 2. Weltkrieg antrat, erfreute sich das Radio in vielen Haushalten großer Beliebtheit. Zu den beliebten Programmen gehörten nicht nur Nachrichten, Reportagen und Musik, sondern auch zahllose Radiohörspiele im Serienformat, wie z.B. „The Shadow“, „The Green Hornet“ und die Westernserie „The Lone Ranger“ (1933). Letzterer schaffte es im Jahre 1949 auch ins Fernsehen und lief dort bis 1957. Der maskierte Westernheld mit seinem indianischen Freund Tonto hat sich zu einer Art Kulfigur des amerikanischen Fernsehens entwickelt, sein Ausruf „Hi-yo, Silver! Away!“ ist in den gängigen Sprachgebrauch mit eingeflossen, ebenso wie Tontos „Kemosabe“, das inzwischen als Begriff für einen vertrauensvollen Freund benutzt wird. Aktuell entsteht sogar ein Hollywoodremake mit Johnny Depp.

Vor allem in den 60er und 70er Jahren erfreuten sich Westernserien wie „Bonanza“ und „Gunsmoke“ großer Beliebtheit, auch außerhalb der USA. Clint Eastwood, der mit den Italo-Western von Sergio Leone seinen großen Durchbruch feierte, spielte zuvor in der Fernsehserie „Rawhide“ mit.

Den Western ins Serienformat zu bringen ist also keine Neuerung, sondern schon so alt, wie das Genre selbst. Was „Deadwood“ so besonders macht, ist die Art, wie die Serie inszeniert ist. Hier unterscheidet sie sich deutlich von bisherigen Westernserien und Filmen. Um dies näher zu erläutern, werde ich einen kurzen Exkurs zur Entwicklung des Serienformats beim Sender HBO machen.

hausarbeit-deadwood-western

A Fistful of Future

Nach drei Wochen langen Wartens, bin ich jetzt endlich wieder in Berlin und konnte meine Belegexemplare von „Captain Future – Erde in Gefahr“ abholen.

Fistful of Future

Zu wissen, dass eine Übersetzung erschienen ist, ist eine Sache, aber die gedruckten Exemplare in der Hand zu halten, sie durchzublättern und den Geruch des Papiers einzuatmen, das ist nochmal ein ganz anderes Gefühl. Vor allem, wenn das Buch so liebevoll und schön gestaltet ist, wie die Ausgaben von Golkonda.
Auf dem Cover befindet sich ein Auszug aus der originalen Titelgrafik der Ersterscheinung des Magazins Captain Future, in dem der Roman Calling Captain Future („Erde in Gefahr“), neben anderen Kurzgeschichten enthalten war.
Auf dem linken Innenumschlag sieht man das komplette Originalcover mit dem Titelbild von H. W. Wesso. Inklusive der Preisangabe von 15 Cent. Wohlgemerkt 15 US-Cent in den 1940er Jahren:

Originalmagazin
Auf dem rechten Innenumschlag prangt das von molosovsky gezeichnete Porträt Edmond Hamiltons:

Potrai von molo

Es sind auch sämtliche Originalillustrationen in dieser Ausgabe enthalten:

Innenillu

Dazu gibt es noch einen ausführlichen Anhang mit Informationen, die sich direkt auf die Geschichte „Erde in Gefahr“ beziehen. Eine Beschreibung des Plutos inklusive einer Karte, die die See von Avernus und die mächtigen Marschierenden Berge zeigt. Sowie Infos über Mark Carew, einem der Pioniere der Raumfahrt, dem Captain Future die letzte Ehre erweist. Und zu guter Letzt Leserbriefe aus der ersten Ausgabe.

Die Neuausgabe von Captain Future setzt also voll auf eine nostalgische Atmosphäre. Der Flair der Pulp-Ära wird meines Erachtens sehr gut rübergebracht. Wobei ich jetzt nicht weiß, wie die deutsche Erstausgabe von Bastei aussah.

Für die Gestaltung der Ausgabe ist s. BENes (www.benswerk.de) verantwortlich.

Für den Satz Hardy Kettlitz