Anders als Fahrradfahren und Schwimmen sind Sprachkenntnisse etwas, dass man durchaus wieder vergessen kann. Sprachkenntnisse wollen gepflegt werden, man muss in Übung bleiben und sein Gedächtnis regelmäßig trainieren, sonst verschwinden die Vokabeln in den tiefsten und finstersten Kerkern der Erinnerungsbibliothek, wo sie selbst der Bananen liebende Bibliothekar der Unsichtbaren Universität nicht mehr finden würde. Ich bin auf dem Gebiet kein Experte, habe auch nichts dazu gelesen und kann deshalb nur von meinen eigenen Erfahrungen berichten.
Englisch habe ich wie die Meisten meiner Generation in der Schule gelernt (die Ausnahmen sind vermutlich vor der Wende im Osten zur Schule gegangen). In der Realschule waren meine Leistungen eher bescheiden bzw. befriedigend. Auf der höheren Handelsschule hatte ich dann eine Englischlehrerin, die zwar mit großem Vergnügen ihre Schüler vorgeführt und niedergemacht hat, bei der ich aber auch unglaublich viel gelernt habe. Zur selben Zeit habe ich auch begonnen, Bücher auf Englisch zu lesen.
Zunächst habe ich mir einen kurzen und einfachen Roman besorgt, den ich schon auf Deutsch gelesen hatte: „Catcher in the Rey“ von J. D. Salinger. Da sind mir bereits deutliche Unterschiede zwischen der Original- und der deutschen Fassung aufgefallen. Heinrich Böll hatte den subversiven und anzüglichen Ton des Romans deutlich entschärft. Danach habe ich mit eher einfach zu lesenden Büchern weitergemacht und bald auch angefangen Bücher auf Englisch zu lesen, die auf Deutsch nicht erhältlich waren. Das stellte eine unglaubliche und aufregende Erweiterung der Lesemöglichkeiten da. Vor allem seit man englische Bücher günstig über amazon bestellen kann.
Filme hatte ich zuvor bereits auf Englisch geschaut. Ja, noch in der Prä-DVD-Ära auf VHS-Kassetten. Zu Realschulzeiten (Anfang bis Mitte der 90er Jahre) waren ich und einige meiner Freunde große Horrorfilmfans, und viele Filme waren in Deutschland ungekürzt nicht erhältlich oder gar ganz verboten. Aber zum Glück gab es in dieser Prä-Internet-Ära obskure Versandkataloge wie Incredible Strange Video, die Filme wie „Texas Chainsaw Massacre“, „Braindead“ (ungekürzt), „Bad Taste“ und anderes schräges Zeug in englischen Fassungen mit u. a. holländischen Untertiteln angeboten haben (das führte damals zu den heute vermutlich ausgestorbenen Sammelbestellungen von bis zu 15 Leuten, ähnlich wie T-Shirt-Bestellungen im EMP Katalog). So macht Englisch lernen Spaß und es bleibt auch am meisten hängen, wenn es Spaß macht.
Als die ersten DVDs mit englischer Originalspur erschienen, hat dies ganz neue Dimensionen eröffnet. Seitdem habe ich fast jeden Film den ich mir in der Videothek ausgeliehen oder gekauft habe ausschließlich in der englischen Originalfassung angeschaut. Der aller Erste war „Magnolia“ (damals noch mit Untertiteln, die man nicht ausblenden konnte, ein absolutes Unding!). Inzwischen bin ich ein Serienjunkie geworden und schaue mir zahllose amerikanische und britische Serien im Original entweder auf DVD oder über legale Seiten wie Hulu oder ITunes an.
Dadurch bekommt man auch ein Gehör für verschiedene Dialekte und Akzente. Mit irischen, englischen (Cokney usw.) oder Akzenten aus den Südstaaten habe ich überhaupt kein Problem mehr. Einzig den afroamerikanische Slang in „The Wire“ konnte ich ohne Untertitel teilweise nicht verstehen. (Demnächst werde ich mal einige Serien empfehlen.) Inzwischen schaue und lese ich ohne Probleme flüssig auf Englisch, auch anspruchsvollere Literatur.
Ich kann nur jedem empfehlen, sich zu trauen Bücher und Filme auf Englisch zu lesen bzw. schauen, auch wenn man anfangs noch nicht soviel versteht. Bei Filmen kann man Untertitel einschalten. Bei Büchern geht anfangs vielleicht etwas vom Leseerlebnis verloren und es ist anstrengend, aber mit jedem neuen Buch, das man liest, verbessern sich die Sprachkenntnisse und das Vokabular. Lest ein Buch, markiert euch Wörter, die ihr nicht kennt, und schlagt sie nach der Lektüre nach, damit der Lesefluss nicht zu sehr unterbrochen wird. Vieles ergibt sich auch aus dem Kontext.
Meine Schulzeit liegt inzwischen über 10 Jahre zurück. Von vielen ehemaligen Mitschülern weiß ich, dass die Englischkenntnisse nach der Schule eingerostet sind, weil sie sie nicht gepflegt hatten bzw. es sich keine Möglichkeit ergab, sie zu nutzen. Also schafft euch selbst solche Möglichkeiten. Während meines ersten Studiums gab es für mich kaum Gelegenheit Englisch zu sprechen. Ich habe viel gelesen und geschaut, aber das Sprechen wurde schmerzlich vernachlässigt. 10 Tage Urlaub in Schottland waren und sind bisher mein einziger längerer Aufenthalt in einem englischsprachigen Land.
Dabei ist ein längerer Aufenthalt von mehr als einem Monat Gold wert. Das habe ich während meines Praktikums in Brasilien gelernt (9 Wochen). Da habe ich in den ersten zwei Wochen mehr gelernt als zuvor in vier Monaten Sprachkurs. Das war 2006, seit dem habe ich kaum noch Portugiesisch gesprochen. Zurzeit habe ich Besuch aus meiner damaligen Gastfamilie und merke schmerzlich, wie viel ich vergessen habe. Es ist verdammt frustrierend, wenn man nach so langer Zeit Freunde wiedertrifft und man sich mit ihnen nicht einmal halb so gut unterhalten kann wie damals.
Erworbene Sprachkenntnisse sind ein kostbarer Schatz, den man hüten und stetig erweitern sollte. Bei meinen Englischkenntnissen hat sich das enorm ausgezahlt. Für meinen aktuellen Studiengang (Nordamerikastudien) musste ich einen Sprachtest auf C1 Niveau machen (die zweit höchste Stufe), um zugelassen zu werden (10 Jahre, nachdem ich Englisch in der Schule hatte!). Ich habe mich darauf vorbereitet, indem ich eine Staffel von „Buffy“ geschaut habe. Hat gut funktioniert. J
In diesem Studiengang finden viele Seminare auf Englisch statt, ich muss Hausarbeiten und Referate auf Englisch machen und hatte über drei Semester einen sehr guten Sprachkurs, der unsere Englischkenntnisse auf ein akademisches Niveau trimmen sollte.
All das hat enorm geholfen, jetzt Texte aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen. Natürlich ist es vor allem wichtig das man gute Deutschkenntnisse hat, damit sich die Übersetzung gut liest, aber um den Originaltext auch wirklich richtig zu verstehen und ihn dann auch richtig zu übersetzen ist ein gewisses Level an Englischkenntnissen unabdingbar. Und zwar nicht nur ein rein technisches Verständnis der Sprache, sondern auch ein kulturelles. Deshalb lohnt es sich durchaus, nicht nur Shakespeare und Sommerset Maugham zu lesen, sondern auch „Buffy“ oder „Dr. Who“ zu schauen.
In meinem Studiengang ist es eigentlich Pflicht für mindestens ein Semester (im Idealfall ein Jahr) ins Ausland (vorzugsweise natürlich die USA) zu gehen. Leider konnte ich mir das nicht leisten. Da ich über 30 bin und mein Zweitstudium keinen Bezug zum Erststudium hat, habe ich keinen Anspruch auf Auslandsbafög und für ein Stipendium hat es auch nicht gereicht. Ich hoffe sehr, dass es mir nach meinem Studium gelingen wird, für längere Zeit in die USA zu gehen. Übersetzen kann man ja von überall in der Welt. Die Zusammenarbeit mit den Verlagen läuft ja sowieso fast ausschließlich per E-Mail. Ist also nur eine Frage des Visums und der Kosten. Vielleicht ergibt sich ja auch was beruflich. Ein bis zwei Brasilienaufenthalte sind momentan aber wahrscheinlicher (aber erst mal abwarten, ob dieses Projekt auch klappen wird.)
Fazit: Sprachen lernen kann durchaus Spaß machen. Sprachkurse sind oft langweilig und sehr anstrengend, liefern aber die notwendigen Basiskenntnisse. Bücher, Filme und auch Computerspiele bieten eine gute Möglichkeit, auf unterhaltsame Weise seine Sprachkenntnisse zu pflegen und zu erweitern. Am effektivsten und interessantesten ist aber ein Aufenthalt in einem Mutterland der Sprache. Dabei ist aber wichtig, dass man auch regelmäßig Kontakt mit den Einheimischen hat und nicht nur mit anderen Rucksacktouristen aus aller Welt. Wenn die zu lernende Sprache nicht Englisch ist, muss man aufpassen, dass man sich nicht ständig mit den Leuten auf Englisch unterhält, nur weil dies einfacher ist. So lernt man nichts. Ich Brasilien war das einfach, da spricht kaum jemand Englisch. In meiner sehr großen Gastfamilie hat niemand Englisch gesprochen. Da muss man zwangsläufig schnell lernen. J