Mein Wochenrückblick mit Filmen wie Das Lehrerzimmer und The Terroriziers, den Serien Odd Taxi und Somebody Feed Phil, Musik von Nick Cave und Hana Vu sowie der Mini Theater Journey in Okinawa und vielem mehr.
Diese Woche zeigte sich, dass es bei den anhaltenden Bauernprotesten zahlreiche Unfälle mit Verletzten gab. Doch all jene, die bei der letzten Generation schnell von Klimaterroristen sprachen, sind hier erstaunlich still, kein Wort von der Bauern-RAF oder Treckerterroristen. Dabei haben sich die, anfangs sicher noch halbwegs legitimen, Proste inzwischen zu einem hasserfüllten rechten Mob entwickelt, für den ich kein Verständnis aufbringen kann. Und während der Rechtsstaat mit hartem Knie auf den Hälsen minderjähriger, friedlicher Demonstranten kniet, wird der rechte Mob auf Traktoren vom Rechtsstaat nicht mit Quarz-, sondern mit Samthandschuhen angefasst.
Youtube
Mini Theater Journey: Sakurazaka Theater (Okinawa, JAPAN)
Weiter geht es mit der Vorstellungsreihe kleiner, unabhängiger Kinos in Japan durch das JFF bzw. die Japanese Foundation.
Okinawa ist der Teil Japans, der am ehesten an eine Südseeinsel erinnert, mit Palmen und subtropischem Klima. Das Sakurazaka Theater ist ein kleines Kino, das eine möglichst breite Bevölkerungsschicht ansprechen möchte, und kein elitäres Arthouse-Kino nur für bestimmte Gesellschaftsklassen sein will. Daneben gibt es eine interessante Bandbreite an Shops und Workshops.
Ich muss zugeben, das Kino selbst sticht jetzt nicht besonder heraus, aber Okinawa dürfte die weite Anreise durchaus wert sein. Ein Begriff ist mir die Insel-Kette natürlich schon seit meiner Kindheit, seit ich Karate Kid 2: Entscheidung in Okinawa gesehen habe. Interessant finde ich die Präfektur vor allem, weil sie erst seit 1879 Teil von Japan ist, und bis dahin das Königreich Ryūkyū war. Dementsprechend gelten die Einwohne*innen auch als relativ rebellisch und eigenwillig. Die Ryūkyū haben eine eigene Kultur und eigene Sprachen. Und ich finde es immer interessant, mehr über indigene Bevölkerungen zu erfahren. Sollte es zeitlich und finanziell machbar sein, möchte ich auf jeden Fall für ein paar Tage nach Okinawa.
Das japanische Wort für „Film“ lautet übrigens „eiga“ (えいが), ausgesprochen wird es „eega“. Das Wort für „Kino“ ist „eigakan“ (えいがかん). „Kino“ (きのう) gibt es im Japanischen auch, das heißt aber „gestern“.
Doku
Insider Deutsche Bahn
Drei Insider plaudern aus dem Nähkästchen, was die Tricks der Deutschen Bahn gegenüber den Kund*innen angeht. Durchaus interessant, auch wenn die Inspector-Closeau-Verkleidungen etwas befremdlich wirken. Die Kopfkissen an den Sitzen waren mir schon immer suspekt, wie sich zeigt, zu Recht. Die werden so gut wie nie gewechselt oder gereinigt. Das sind schwabbelige, verhaarte Keimherde.
Tja, das wollte ich eigentlich über die Doku schreiben, doch nach massiver Kritik hat das ZDF sie inzwischen aus der Mediathek genommen. Und zwar zu Recht. Was hier als vermeintliches Insider-Wissen inszeniert wurde, sind teils weithin bekannte Tatsachen. Da wird so getan, als wäre es skandalös, dass die Bahn bei Verspätungen, die von dritten Personen ausgelöst wurden, keine Rückerstattungen bezahlt. Es gibt vieles, was bei der Deutschen Bahn zu Recht kritisiert wird, aber diese Reportage wirkte doch sehr unseriös und reißerisch.
Das erstaunliche Leben der Ratten
Spannende Reportage über das Verhalten von Ratten in Metropolen wie New York und Vancouver. Mit einigen erstaunlichen Erkenntnissen. Das sind schon faszinierende Tiere, sehr intelligent und anpassungsfähig. Das „Rattenproblem“ ist übrigens menschengemacht.
Artikel
Die Blicke unserer Mütter
Sehr interessanter Beitrag von Sophia Fritz darüber, wie sehr das Patriarchat auch im Blick von Müttern auf ihre Töchter verankert ist. Die permanente Suche nach „Fehlern“ im Äußeren, der ständig auf den Töchtern lastende soziale Druck.
Normalisierung und ihre Folgen
Die taz über die erneute Wahl eines AFD-Bürgermeisters und wie sehr sich das schon normalisiert hat, nachdem es beim letzten Mal noch einen medialen Aufschrei gab. Einher geht damit eine weitere Verrohung der politischen Stimmung und zunehmende Gewalt gegen Demokraten. Der AFD-Politiker hier steht dem Höcke-Flügel nahe und dürfte wohl als Rechtsextremist durchgehen, während sein Vorgänger, der lange unter rechten Anfeindungen litt, sich das Leben genommen hat.
Blogs
Warum Verfilmung einer Serie vorzuziehen wäre. Die große „Neuromancer“-Besprechung.
Da Apple kürzlich angekündigt hat, eine Serie zu William Gibsons Kultroman Neuromancer zu produzieren, hat sich Sören Heim dem Roman auf seinem Blog noch mal ausführlich gewidmet und geht vor allem auf sein sprachliches Niveau ein. Ich persönlich brauche keine Verfilmung (auch wenn mir die Gibson-Serie The Peripheral durchaus gefallen hat), da ich finde, dass in letzter Zeit schon genügend Werke alter weißer (und teils toter) Männer verfilmt wurden. Verfilmt endlich mal die aufregenden Werke jüngerer Autor*innen of Color!
Lektüre
Harmony | Project Itoh
Wo fängt der menschliche Wille an? Wo besteht er nur aus neuronalen Prozessen im Gehirn? Was macht das Bewusstsein aus? Und was wären wir ohne? In seinem Science-Fiction-Roman Harmony geht der japanische Schriftsteller Project Itoh den ganz großen Fragen der Menschheit nach.
Meine komplette Besprechung auf Lesenswelt
Tor Online
Sparks: Die Magie der Funken – Ein Gutachter berichtet
„Was hat es eigentlich mit Manuskriptgutachten auf sich? Welche Rolle spielen sie bei Verlagsentscheidungen? Anhand unseres aktuellen Romans Sparks – Die Magie der Funken von J. R. Dawson gewährt euch Gutachter Markus Mäurer einen kleinen Blick hinter die Kulissen.„
Ein Buch, das mir sehr am Herzen liegt.
LitRPG: Alles, was du über das Genre wissen musst
„Eine Charakterklasse wählen, bei Level 1 starten, Kräuter sammeln und dann langsam hochleveln: Klingt nach einem Online-Rollenspiel, gibt es aber auch in Buchform. Ein Blick in die Welt der LitRPGs von Alessandra Reß.“
Ein sehr interessanter Artikel über ein Subgenre, über das ich bisher praktisch nichts wusste.
Filme
The Terrorizers (Kongbu Fenzi, 1986)
Relativ früher Film des taiwanesischen Regisseurs Edward Yang über eine unglückliche Ehe und einen jungen Fotografen, der von einer Frau besessen ist, die vor der Polizei flieht. Leicht kryptisch gehalten, was die Handlungsstränge angeht, die sich am Ende zwar zusammenfügen, aber nicht immer Sinn ergeben. Aber der Film setzt auch mehr auf Atmosphäre und Stimmung. Den Ausdruck eines bestimmten Lebensgefühls. Sehenswert, wenn auch kein Meisterwerk.
Mubi
American Fiction
In American Fiction stecken zwei gute Filme: ein Familiendrama über Tod und Demenz, und eine (sehr treffende) Satire auf die Buchbranche. Alles dabei richtig toll gespielt, vor allem von Jefrey Wright. Aber beides passt für mich nicht ganz zusammen. Ein unterhaltsamer Film, aber nicht ganz stimmig.
Prime
Das Lehrerzimmer
Von İlker Çatak über eine junge Lehrerin an einer neuen Schule, die eine Schulmitarbeiterin (vermeintlich?) beim Klauen filmt, was einige unschöne Ereignisse zur Folge hat, unter anderem auch, weil der Sohn der Mitarbeiterin in der Klasse der Lehrerin ist. Anfangs dachte ich noch: Och nö, 4:3 muss das sein. Aber das Format fängt das Kammerspielartige des Film, der ausschließlich an der Schule spielt, aus Perspektive der Lehrerin gut ein und sorgt für eine steigende bedrückende Beklemmung ob der Situation. Ein sehr guter Film, nur die Sache mit dem Rubiks-Zauberwürfel war mir zu viel.
Prime
Serien
Odd Taxi
Noch mal danke für den Tipp, Simone! Anime-Serie über einen Taxifahrer, der in die Angelegenheiten seiner Fahrgäste verwickelt wird, darunter eine Idol-Band, ein Comedy-Duo, Yakuza und andere Nachtgestalten. Hat eine ganz tolle Atmosphäre und erzählt originelle Geschichten. Die finale Folge ist grandios. Ach ja, alle Menschen sind Tiere.
Crunchyroll
Somebeody Feed Phil (Season 7)
Es gibt ja Leute, die können Phils kindliche Begeisterung für Essen nicht ertragen, ich finde sie wunderbar. Die Serie verursacht bei mir verlässlich gute Laune, weshalb ich nie mehr als eine Folge pro Tag schaue, da ich ein Maximum an guter Laune herausholen möchte. Die aktuelle Staffel hat gleich acht neue Folgen, in denen es nach Bombay, Kyoto, Washington, Orlando, Dubai, Taipeh, Island und Schottland geht. Vor allem die Dubai-Folge hat mich überrascht. Das ist so ziemlich der letzte Ort, an den ich mal reisen möchte, aber Phil hat ein paar interessante Flecken und Menschen in der Altstadt entdeckt, die die Stadt in einem anderen Licht erscheinen lassen. Und das ihm der superteuere mit Gold überzogenen Burger im Burj Khalifa auf den Boden fällt, ist ein wunderbares Symbol. Ansonsten sind meine Anspielstipps Kyoto, Taipeh und Bombay. Die Produktion scheint vor allem in Sachen Kamera noch mal einen Sprung nach oben gemacht zu haben, die Aufnahmen der Orte sind wunderschön. Ist aber keine Show für Veganer*innen.
Netflix
Neu im Regal
Carcosa-Memoranda
Diese Woche hatte ich ein Paket aus dem Memoranda Verlag im Briefkasten, zu dem auch das Imprint Carcosa gehört.
Die Sterne leuchten am Erdenhimmel ist eine Anthologie mit südkoreanischen Science-Fiction-Kurzgeschichten. Mein Schwerpunkt liegt zwar auf Japan, aber ich habe auch großes Interesse an Südkorea, zumal beide Länder ja auf eine lange, wenn auch turbulente, gemeinsame Geschichte zurückblicken.
Oktoberrevolution 1967 von Kir Bulytschow wurde mir von Verleger Hardy Kettlitz empfohlen. Und als alter Golkonda-Fan (vom ursprünglichen Verlag, nicht dem rechtsbraunversifften Überbleibsel, das der Europa Verlag daraus gemacht hat, siehe Thor Kunkel) bin ich natürlich sehr an Hannes Riffels neuem Projekt Carcosa interessiert, das vor allem progressive Klassiker wieder oder erstmals nach Deutschland bringt, die in den letzten Jahrzehnten leider etwas in Vergessenheit geraten sind. Von Joana Russ wollte ich schon immer mal was lesen, Gleiches gilt für Leigh Brackett.
Mehr zu Carcosa gibt es auf dem Blog von Hannes Riffel.
Musik
Nick Cave | Wild God
Neuer Song von Nick Cave. Gefällt mir. Erinnert ein wenig an das Doppelalbum Abattoir Blues/The Lyre of Orpheus, das ich sehr mag. Bin schon sehr auf das gleichnamige Album gespannt, das am 30. August erscheint.
Hana Vu | Care
Junge Singer-Songwriterin aus Los Angeles, die ich bisher nicht kannte. Toller Song. Eine ihrer EPs heißt Nicole Kidman / Anne Hathaway.