Meine Woche: Kobe, Kairo und Taipei

Auf der Mini Theater Journey geht es nach Kobe, ich bespreche einige Serien wie The Gentlemen, 3 Body Problem und 1992 sowie die Film Kairo, Fallen Leaves und Flowers of Taipei. Ozu Yasujiro ist wieder Thema, es gibt Musiktipps und ich freue mich über ein paar Sachen.

Collage aus vier Bildern, drei kleine in der oberen Reihe, ein großes in der unten.
Von oben Links: 1. Ein Greifvogel im Flug mit ausgebreiteten Flügeln. Aufgrund der Lichtverhältnisse ist er nur als Schatten zu sehen, die einzelnen Federn sind aber gut zu erkennen..
2. Szene aus dem Film "Kairo", eine junge Frau sitzt ganz alleine in einem Bus.
3. Abstraktes Bild auf dem die Farben Rot, Orange, Rosa, Weiß und Schwarz ineinander verlaufen.
4. Foto von fünf taiwanesischen Regisseure aus der Dokumentation "Flowers of Taipei".

Youtube

Motomachi Movie Theater (Hyogo, JAPAN) – MINI THEATER JOURNEY

Kobe ist keine unbekannte Stadt für Nicht-Japaner (wohl vor allem durch das Erdbeben von 1995), aber auch nicht groß als Reiseziel bekannt. Das 2010 eröffnete Motomachi Movie Theater wirkt sehr unscheinbar, geht in der Fassade fast unter, aber die Betreiber geben sich alle Mühe, auf sich aufmerksam zu machen. Von allen Kinos, die ich hier bisher vorgestellt habe, wirkt das hier am kleinsten, der Eingangsbereich schon fast klaustrophobisch, der Kinosaal aber sehr gemütlich. Und ich mag Kinos, die nicht nur einfach Filme zeigen, sondern auch Veranstaltungen drumherum organisieren.

Why are Chinese Fans Unhappy with Netflix’s 3 Body Problem?

Fengyun vom Youtube-Kanal Tea with Fengyun erklärt in diesem Video, warum chinesische SF-Fans nicht so glücklich mit der Netlix-Adaption (siehe unten) sind. Dabei geht sie auch auf die Geschichte der chinesischen SF und Cixin Lius Karriere ein sowie die Unterschiede zwischen den Büchern und der Serie.

Musik

Awich – The Union

Eine japanische Rapperin, die ich bisher nicht kannte, aber kürzlich auf dem Coachella-Festival aufgetreten ist, was heißt, dass sie wohl auch international halbwegs bekannt ist. Gefällt mir ganz gut.

Kids DESTROY „Wish“ by NIN / O’Keefe Music Foundation

Sehr schöne Coverversion der O’Keefe Music Foundation des eigentlich nicht ganz jugendfreien Songs Wish von Nine Inch Nails.

Interviews

This Second Is Eternal: Shiguéhiko Hasumi on “Directed by Yasujiro Ozu”

Beim Mubi-Magazin Notebook gibt es ein Interview mit dem japanischen Filmkritiker Hasumi Shiguéhiko, der bereits 1987 eine Standardwerk zu den Filmen von Ozu Yasujiro veröffentlicht hat, das es jetzt mit dem Titel Directed by Yasujiro Ozu in eine englische Übersetzung geschafft hat, und das ich mir natürlich schon bestellt habe.

Artikel

7ème art: Filme von Yasujirō Ozu

Japanuary-Mitstreiterin Miss Booleana hat sich sieben Filme von Ozu Yasujiro angesehen und besprochen. Und nicht nur jene, die es in der Arte-Mediathek gibt.

Victimise people who raise a voice in Britain? Then destroy their families? Not in my name

Ausgezeichneter Kommentar von George Monbiot im Guardian, darüber wie Englands Eliten seit jeher demokratische Entwicklungen unterdrücken und aktuell wieder vermehrt jene kriminalisieren, die friedlich gegen akute Missstände demonstrieren. Alles im Namen des Kapitals und jener, die es besitzen. Eine besorgniserregende Entwicklung, die inzwischen auch in Deutschland angekommen ist und zeigt, dass die Demokratie nicht nur von außen bedroht wird, sondern auch von jenen Akteuren, die in den Schaltzentralen sitzen und sie eigentlich an vorderster Front verteidigen müssten.

Serien

Aktuell schaue ich gar nicht so viele Serien und selten mehr als eine Folge pro Tag. Aber da ich in den letzten Wochenrückblicken keine erwähnt habe, kann ich heute einige gute vorstellen. Momentan ist Netflix wieder mein bevorzugter Streamingdienst, und das nicht nur, weil ich dort japanische Serien schaue, auch mit ihren englischsprachigen Produktionen haben sie einen guten Lauf. Von Ripley fehlen mir noch zwei Folgen, mit One Day bin ich auch noch nicht ganz durch.

The Gentlemen

Guy Ritchie in Hochform, mit einer für ihn typischen Gangstergeschichte, die im selben Universum spielen soll wie der gleichnamige Film, mit dessen Geschichten aber nicht viel gemein hat. Im Prinzip geht es um einen junge Earl, der von seinen Vater nicht nur den Landsitz geerbt hat, sondern auch einen Cannabis-Deal mit Gangstern und seinen durchgeknallten Bruder, der ihn ständig in Schwierigkeiten bringt. Elegant gefilmt, ist jede einzelne Episode unterhaltsam und abwechslungsreich. Hat richtig Spaß gemacht, dabei hatte ich im Vorfeld gar keine große Lust auf die Serie, da ich Ritchies letzten Filme eher mittelmäßig fand. Ist schon ein paar Wochen her, dass ich die Serie gesehen habe, aber erst jetzt ist mir aufgefallen, dass Kaya Scodelario, die die weibliche Hauptfigur großartig spielt, ja Effy aus Skins ist, die auch schon ziemlich bad ass war.

Netflix

3 Body Problem

Die Buchvorlage hatte ich hier schon mal besprochen und auf Tor online einen längeren Artikel über Autor Cixin Liu und sein Verhältnis zu den Uiguren in China geschrieben. Die Hörpspielumsetzung vom WDR ist sehr gelungen, die chinesische Serienadaption habe ich nicht gesehen. Jetzt also haben sich die Game-of-Thrones-Macher David Benioff und D. B. Weiss (mit Hilfe von Alexander Woo) der Buch-Trilogie angenommen und sie deutlich internationaler, vor allem auf Großbritannien konzentriert inszeniert. Dafür wurden Figuren hinzugefügt, die es in der Vorlage nicht gibt, die in der Serie aber den emotionalen Ankerpunkt darstellen, was ich gut finde, da die Figuren im Buch nicht mehr als Pappkulissen sind. Die Serie hat mich jetzt nicht total umgehauen, aber insgesamt habe ich sie gerne gesehen. Aufwendig, auf Hochglanz produziert, setzt sie die faszinierenden SF-Ideen der Bücher gelungen um. Einzig Folge 5 mit dem zerschnittenen Schiff, auf die Weiss und Benioff so stolz sind, fand ich furchtbar und albern. Danach wird die Serie aber gut.

Netflix

1992

Eine herausragende italienische Serie über Politik und Korruption eben im Jahr 1992. Wir folgen einem Ermittler der Staatsanwaltschaft mit persönlichen Motiven, der Erbin eines Pharmakonzerns, einem Rüppel-Politiker der Lega Nord, einem Spin-Doctor aus der Medienbranche und einer Sexarbeiterin mit Ambitionen, alles verflochten zu einer komplexen Handlung, die immer wieder auf reale Ereignisse Bezug nimmt und die Abgründe italienischer Politik aufzeigt. Eine solche Serie aus Deutschland, für mich undenkbar.

Sky/Wow

Filme

Kairo (Pulse)

Ist ein Gruselfilm von Kiyoshi Kurosawa von 2001 über das Internet, Einsamkeit und Depression, in einer Welt spielend, die kalt, industriell und auf unschöne Weise entrückt wirkt. Alles fängt damit an, dass sich ein Freund der Hauptfiguren Kudo Michi und deren Kollegin umbringt, nachdem Kudo bei ihm merkwürdige Bilder auf dem Computermonitor sieht. Diese Phantome auf Monitoren und auch in dem, was die Protagonist*innen als Realität wahrnehmen, ziehen sich durch den ganzen Film. Immer mehr Menschen verhalten sich merkwürdig und/oder verschwinden. Bis das Ganze apokalyptische Züge annimmt.

Normalerweise mag ich es nicht, wenn Filme so kryptisch bleiben, sich jeglichem Erklärungsversuch verweigern, aber in Kairo funktioniert das gut, da die unheimliche Leeren in den Schatten, in denen etwas lauern könnte, uns genügend Raum für Spekulationen lässt. Es gibt hier keine Jump Scares, keinen klassischen Spannungsaufbau, keine Action, es wird nicht gekämpft, und trotzdem steigert sich die unheimliche Atmosphäre wie in einer Spirale. Und das alles erzählt er in wuchtigen Bildern, die gerade durch die ruhige Inszenierung so effektiv wirken.

Kairo ist eine überraschend frühe Kritik am Internet und dem Auseinanderdriften der Gesellschaft durch digitale Vernetzung, vor allem geht es aber um Einsamkeit. Die Figuren bleiben dabei allerdings etwas blass, wir erfahren fast nichts (bis auf einen kurzen Monolog von Harue) über sie und ihr Privatleben. Aber so ein Film ist Kairo einfach nicht.

Regie und Drehbuch stammen von Kurosawa Kiyoshi, von dem ich kürzlich schon Cure besprochen habe, der eine ähnlich düstere Atmosphäre hat. Filmkritiker Hasumi Shiguéhiko nennt ihn im oben verlinkten Interview übrigens als einen der interessantesten aktuellen Regisseure.

Flowers of Taipei

Dokumentarfilm aus dem Jahr 2014 über das Taiwan New Cinema der 1980er-Jahre, als im Zuge der politischen Veränderungen im Land eine neue Generation von Filmemachern antrat, das Kino zu revolutionieren. In der Doku kommen Filmschaffende aus aller Welt zu Wort, die durch diese Filme beeinflusst wurden. Koreeda Hirokazu, dessen Vater aus Taiwan stammt, sagt, ihn haben diese Filme stärker geprägt, als das japanische Kino der 80er. Auch Jia Zhangke schwärmt von diesen Filmen, bei dem sich diese Einflüsse wohl am stärksten im Werk widerspiegeln, ebenso bei Kiyoshi Kurosawa und Apichatpong Weerasethakul. Bei Olivier Assayas eher weniger.

Mit Taiwan New Cinema sind vor allem die Regisseure Edward Yang, Hou Hsiao-Hsien, Chang Yi, Chen Kun-hou, Wan Jen und Wang Toon gemeint. In der Doku kommen vor allem jene zu Wort, die von diesem Kinos beeinflusst wurden, erst am Ende des Films dann zwei der taiwanesischen Filmschaffenden selbst. Tsai Ming-liang sagt nur kurz, dass er sich nicht zum Taiwan New Cinema zähle, und Hou Hsiao-Hsien meint, dass damit der Niedergang der Filmindustrie begann.

Ich selbst habe schon als Jugendlicher in den 90ern Tsai Ming-liang Rebellen im Neonlicht gesehen und war total fasziniert von der Inszenierung. Die Filme zeichnen sich vor allem durch Ruhe und Langsamkeit aus sowie einen realistischen, direkten Blick auf die Welt, anders als z. B. die meist magische, romantisierte Atmosphäre in Hongkong-Filmen. Apropos, im Abspann steht Ann Hui bei den Interviewten, mir ist sie im Film aber nicht aufgefallen, wurde wohl rausgeschnitten. Edward Yangs The Terrorizers habe ich kürzlich erst besprochen.

Eine sehr sehenswerte Doku der taiwanesisch-französischen Filmemacherin
Chinlin Hsieh, die einen guten Eindruck von dieser bestimmten Ära des taiwanesischen Kinos und den tollen Filmen vermittelt. Ich habe direkt Lust darauf bekommen, einige der hier erwähnten Filme zu sehen, die ich teilweise auch schon länger auf meiner Wunschliste stehen habe. Leider sind die meisten davon nur schwer oder gar nicht zu bekommen.

Fallen Leaves (Kuolleet lehdet)

Der aktuelle Film von Aki Kaurismäki über zwei Menschen mittleren Alters (oh Gott, Google sagt, die sind in meinem Alter), die in finanziell benachteiligten Verhältnissen Leben und vom Leben nicht mehr viel erwarten. Er Alkoholiker, sie einsam. Zaghaft nähern sie sich an. Lakonisch mit trockenem Humor gefilmt, durchaus tragisch, eingerahmt in Radiomeldungen zum Krieg gegen die Ukraine. Im Kino schauen sie The Dead Don’t Die, und ich stelle mir vor, dass Kaurismäki und Jarmusch Kumpels sind, denn ihre Filme sind sich vom Wesen her zu ähnlich, als das wir in einer Welt leben könnten, in der die beiden nicht Kumpels sind.

Blog

Hier auf dem Blog habe ich kürzlich alle Besprechungen japanischer Filme aus meinen Wochenrückblicken zusammengefasst.

Und bin in einem Beitrag darauf eingegangen, warum ich mich so schlecht von Büchern trennen kann.

Tor Online

„Was wäre, wenn …?“ – Alternate History als Genre

Was wäre wenn, die Nazis den 2. Weltkrieg gewonnen hätten? Oder wenn die Sowjetunion zuerst auf dem Mond gelandet wäre? Solchen Fragen geht die Alternate History als Untergenre der Science Fiction nach. Lena Richter stellt es uns vor.

Weltraumgeschichten sind Horrorgeschichten

Im Weltraum hört dich niemand schreien, heißt es. Doch dafür braucht es gar kein mörderisches Alien, denn dort kann dich alles töten, beim kleinsten Fehler. Emily Hughes erzählt uns, warum das Weltall der blanke Horror ist.

Worüber ich mich freue

Ein neues Bild meiner Mutter.

Abstraktes Bild auf dem die Farben Rot, Orange, Rosa, Weiß und Schwarz ineinander verlaufen.

Die Greifvögel, die regelmäßig über unserem Grundstück kreisen.

Ein Greifvogel im Flug mit ausgebreiteten Flügeln. Aufgrund der Lichtverhältnisse ist er nur als Schatten zu sehen, die einzelnen Federn sind aber gut zu erkennen.

Ausblick

Nächste Woche wird es vermutlich keinen Wochenrückblick geben. Diese Woche war sehr ruhig, das Haus habe ich nur zum Einkaufen verlassen. Das sieht in der kommenden Woche anders aus. Zahnarzttermin, TÜV in der einen Werkstatt, Sommerreifen in der anderen und am Samstag möchte ich (wenn mein Auto es über den TÜV schafft) zum Marburg Con nach Niederweimar fahren.

Japanische Filme (1)

Hier fasse ich alle japanischen Filme zusammen, die ich bisher in meinen Wochenrückblicken auf diesem Blog besprochen habe. Ausgenommen, die zehn Ozu-Filme, die ihren eigenen Beitrag haben. Und die Einzelbesprechungen aus dem Japanuary 2024 fehlen ebenfalls. Die ältesten Besprechungen stehen am weitesten oben. Wie ihr seht, habe ich mich anfangs noch kürzer gefasst.

Sexual Drive (性的衝動;),

Schräge japanische Episodenkomödie über die Kombiantion von sexuellem und kulinarischem Verlangen. Hat ein wenig was von der Anime-Serie »Food Wars«.

Drive My Car (ドライブ・マイ・カ)

Sehr schöner Film über eine ungewöhnliche Freundschaft, Trauer und Schuldgefühle. Im Mittelteil vielleicht etwas zu lang, wenn es um die Theaterproben geht, dafür mit einem herausragenden Abschluss.

Beyond the Infinite Two Minutes (ドロステのはてで僕ら)

Genialer kleiner Zeitreisenschleifenfilm aus Japan, der aus einem minimalen Setting maximal viel rausholt. Trotz der Vorschusslorbeeren konnte ich mir nicht vorstellen, dass er so unterhaltsam wird.

Unsere kleine Schwester (海街diary)

Ein wunderbar herzlicher und einfühlsamer Film von Hirokazu Koreeda (Shoplifters) über drei junge Frauen, die nach dem Tod des Vaters ihre jugendliche Halbschwester bei sich aufnehmen. So knuffig wie ein Ghibli-Film und so schön wie die Kirschblüte. War toll, mal wieder einen Film zu sehen, in dem eigentlich alle nette Menschen sind.

Salaryman

Ganbaru

Der Film beginnt mit Männern, die bewusstlos oder schlafend auf Bürgersteigen liegen oder orientierungslos durch die Gegend torkeln. Männer, die nicht obdachlos sind, sondern Büroangestellte in Anzügen, die nach Feierabend mit den Kollegen saufen waren, was zur japanischen Arbeitskultur dazugehört. Die im Film interviewten Angestellten bezeichnen sich selbst als Arbeitsvieh und Sklaven, die morgens wie Zombies durch überfüllte Straßen und U-Bahnen ins Büro schlurfen und mittags Rahmen am Nudelstand, während es am Abend – oft verpflichtend – mit den Kollegen und dem Chef zum Karaoke geht oder in kleine Bars. Businessmen sind unabkömmlich, Salarymen ersetzbar und entbehrlich.

Der Film ist bezüglich dieser Arbeitsmoral sehr kritisch, lässt aber auch Stimmen zu Wort kommen, die dieses System in führenden Positionen umsetzen, und erklären, was dahintersteckt. Im Japanischen heißt das Wort für Angestellter als Kanji-Zeichen: „Jemand, der Arbeit befolgt“. Die unterschiedlichen Ansichten zu uns im Westen gründen sich darauf, dass in Japan die Gesellschaft bzw. Gemeinschaft vor dem Individuum kommt und den Anstrengungen, das Land nach dem 2. Weltkrieg wieder aufzubauen.

Um die Salarymen strukturiert sich auch das Geschäft mit den Host-Clubs und Hostessen, die von ihnen dafür bezahlt werden, ihnen Gesellschaft beim Trinken zu leisten, aber auch bei Geschäftsmeetings in Clubs.

Beim Zusehen empfinde ich es allerdings etwas unangenehm, wenn Regisseurin und Künstlerin Allegra Pachecco die auf der Straße Schlafenden mit Kreide umzeichnet und Leuten nachts mit der Kamera folgt, die sich kaum noch auf den Beinen halten können. Ich verstehe zwar, dass sie damit auf das Problem aufmerksam machen möchte; Karoshi, Tod durch Überarbeitung ist ein Problem in Japan, eine japanische Regisseurin hätte da so aber sicher nicht gemacht. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob nicht manche Szenen davon gestellt sind.

Es gibt auch Menschen, die versuchen, aus dem System auszubrechen. Manchmal nur im kleinen, wie die Extreme Commuters, die den Weg zur Arbeit möglichst unterhaltsam und abwechslungsreich gestalten, manchmal aber auch im Großen, indem sie ihren Job kündigen und auf Land ziehen, wo andere Arbeitsbedingungen herrschen.

Der Dokumentation gelingt es gut, Einblicke in die Arbeitskultur Japans zu liefern, zeigt eindrücklich, wie sich das so höfliche und zurückhaltende Tokyo nachts verändert, und lässt Menschen aus allen Bereichen zu Wort kommen. Aktuelle und ehemalige Salarymen, Soziologen, Gewerkschafter, Aktivisten, Vorgesetzte und die Mutter von Matsuri Takahashi. Letztere arbeitete für Japans größte Werbeagentur und nahm sich 2016 das Leben, weil sie den Druck und die Belastung durch die Arbeit, nicht mehr aushielt.

Eine durchaus einfühlsame Doku, die Bewusstsein für die Problematik liefert, aber auch ein paar unangenehme Momente hat.

The Legend of the Stardust Brothers (1985)

Völlig überdrehte japanische Satire aufs Musikbusiness, die aus jeder Einstellung 80er-Jahre schreit und kreischt, größtenteils aus Meta-Montagen mit furchtbarer Musik besteht (manche Songs sind okay), die zeit- und kulturgeschichtlich aber durchaus von Interesse ist. Hat sicher ihr Publikum, ich gehöre aber nicht unbedingt dazu.

You’ve Got a Friend (夕方のおともだち)

Wird als leichtfüßige sadomasochistische Erotikkomödie angekündigt, ist tatsächlich aber eine sehr gelungenes Charakterdrama über einen Mann mittleren Alters, der jene Mutter pflegen muss, die ihn als Kind misshandelt hat. Kompensation sucht dieser Angestellte in einem SM-Club. Doch die Sessions werden für ihn immer lustloser, nachdem jene Herrin verschwunden ist, die ihn in diese Welt eingeführt hat. Mit der neuen versteht er sich dafür privat super und so gibt es zärtliche Annäherungen und eine rührende Beziehungsgeschichte. Trotz einiger tragisch-komischen Momente, ein psychologische ausgefeiltes Drama, das trotz der plakativ wirkenden Thematik auf leisere Töne setzt. Mir hat vor allem die wunderbar melancholische Stimmung in der ersten Hälfte gefallen, die mich ein wenig an den Film Shortbus erinnert. Ein richtig toller Film, wenn einen die SM-Thematik nicht abschreckt. Wobei es auch hier wieder nicht um Erotik geht, sondern die Verarbeitung von Traumata.

Hier der japanische Trailer, da der deutsche eine Altersbeschränkung hat und nur mit Anmeldung auf Youtube geschaut werden kann. Die Stimmung des Films kommt aber auch gut rüber, ohne die Sprache zu verstehen.

Split Desires (Satsujinki o kau onna)

Ein japanischer Thriller von Hideo Nakata (Ring) über eine junge Frau, die neben einem Schriftsteller einzieht, der sich für sie zu interessieren beginnt, dabei aber einige verstörende Facetten ihrer Persönlichkeit kennenlernt. Was zu einem Strudel aus Sex und Gewalt führt.

Im Prinzip Ich und die Anderen im Pinku-Eiga-Stil. Ich bin kein Experte, aber die Darstellung dieser Persönlichkeitsstörung scheint mir etwas übertrieben. Die ausgiebigen Sexszenen (vor allem am Ende) sind gut gefilmt, aber ich würde dies nicht als Erotikthriller bezeichnen, da der Grund für das sexuelle Verhalten in traumatischen Ereignissen der Vergangenheit liegt. Da kommt keine Erotik auf. Von Nakata hätte ich mehr erwartet. Durchaus sehenswert, aber kein Muss.

Belle

Mamuro Hosada knüpft an Summer Wars an und erzählt eine Geschichte von Trauer, Freundschaft, Empowerment, Coming of Age, Gewalt in der Familie und wie uns virtuelle Realitäten heute miteinander verbinden können. Motivisch bedient er sich an Die Schöne und das Biest, inszeniert mit wirklich toller Musik. Mit der Thematik um Gewalt in der Familie macht er es sich aber etwas einfach, wodurch Belle weniger Substanz hat, als seine bisherigen Filme, trotzdem aber sehenswert bleibt.

Pom Poko (平成狸合戦ぽんぽこ)

Mitte/Ende der 1990er, bevor bei uns in der Westerwälder Provinz das Internet kam, war Helen McCarhtys Animeguide für mich die Bibel für japanische Zeichentrickfilme und primäre Informationsquelle. Zu Pom Poko schreibt sie in der Anime Encyclopedia, im Vergleich zu Mein Nachbar Totoro sei der Film wenig universal und könne auf Außenstehende ethnozentrisch wirken. Was aber wohl als Kompliment gemeint ist, da ihre Besprechung im Anime Guide durchgehend positiv ausfällt. Die Elemente mögen japanischer sein, als bei den vielen europäisch beeinflussten Filmen Miyazakis. Doch die Themen Fortschritt durch Umweltzerstörung und die Entfremdung von den eigenen kulturellen Wurzeln sind doch sehr universelle.

Aber, wer hier einen kitschig-knuffiges Umweltmärchen mit süßen Knuddelbärchen erwartet, kennt Isao Takahata schlecht. Der Film beginnt relativ trocken, fast wie eine TV-Reportage, ohne emotionale Bezugspunkte und Identifikationsfiguren unter den Marderhunden, die hier Stück für Stück ihre Heimat verlieren. Doch im weiteren Verlauf, wenn die mystischen Tiere sich zusammentun und um ihre Heimat kämpfen, gewinnt er eine ungeheure Wucht, die in der grandiosen Geisterparade mündet, da aber lange noch nicht endet, sondern erst danach so richtig rührend wird.

Der Film, der auf den Postern so knuffig aussieht, macht allerdings keine Gefangenen, der Protest der Marderhunde ist teils sehr clever, aber teils auch so brutal, dass Menschen sterben, und später sogar einige der Hauptfiguren.

Pom Poko ist eine grandiose Ballade über den Zusammenprall von Tradition und Moderne, Mensch und Natur und den Wert von Gemeinschaft und Heimat (ob selbstgewählt oder hineingeboren). Aufgrund seiner sperrigen Struktur und dem krassen Kontrast zwischen knuffigen Tieren und gewalttätigen Aktionen ist er, neben Meine Nachbarn die Yamadas wohl der (gerade für ein nicht-japanisches Publikum) unzugänglichste aller Ghibli-Filme. Für mich, mit meinem Interesse an japanischen Mythen und Legenden, aber einer der besten. Ist mir ein Rätsel, warum ich ihn mir nicht schon vorher angesehen habe.

Netflix

The Torture Club

Ein Film, der besser geworden ist, als er eigentlich sein dürfte, was vor allem daran liegt, dass er seine völlig alberne und grenzwertige Prämisse mit tödlichem Ernst durchzieht. Inszeniert von einem Regisseur (Kota Yoshida), der für solche Pinku-Eiga-Softpornos völlig überqualifiziert ist, was er einige Jahre später z. B. mit der gelungenen Gesellschaftssatire Sexual Drive unter Beweis stellt.

The Torture Club liegt dank seiner Fähigkeiten handwerklich deutlich über dem üblichen Pinku-Eiga-Niveau, mit der Geschichte über ein Folter-AG an der Schule, in der Mädchen/junge Frauen? Lernen, Schmerzen auszuhalten oder zu verursachen. Das ist alles so gaga, dass ich schnell vergessen habe, wie unangenehm ein solches Szenario im Schulmädchenumfeld eigentlich ist. Es ist so ein Film, der wirklich nur in Japan gedreht werden kann. Die BDSM-Thematik wird tatsächlich halbwegs respektvoll umgesetzt. Der Trash-’Faktor ist ziemlich hoch, was die Story angeht, und der Male-Gaze dann doch ziemlich unangenehm. Ein Filmkuriosum, das nur für jene interessant sein dürfte, die auf abgedrehte japanische Filme stehen. Ach ja, basiert auf den Mangas von Makoto Fukami.

Journey to the Shore (Kishibe no Tabi)

Ruhige Meditation über Tod, Trauer, Verlust und Abschiednehmen, und eine Frau, die mit ihrem ertrunkenen Mann Stationen seines Lebens abklappert. Teils etwas zu bedeutungsschwanger inszeniert, insgesamt aber schön gefilmt und gut gespielt.

Call Me Chihiro

Ein wunderbarer Slice-of-Life-Film über eine ehemalige Sexarbeiterin, die an einem Bento-Stand arbeitet, ihre Mitmenschen mit ihrer Gutmütigkeit und Laune ermutigt und ermuntert, und so einen herzlichen Kosmos um sich herum schafft, in dem sich die Leute, die sich vorher nicht kannte, gegenseitig helfen.

Es gibt Kritiker, die schreiben, der Film würde weder showen noch tellen, es würde nichts passieren, aber das sind Leute, die – wie Wolfgang M. Schmitt wohl schreiben würde – nur schauen, aber nicht sehen. Denn es passiert eine Menge. Für uns Zuschauer*innen wirkt es wie Kleinigkeiten, doch für die Figuren sind das teils gravierende Veränderungen. Der Film ist eine Hommage an die Poesie des Alltags und zwischenmenschliche Beziehungen, die ohne große dramatische Momente auskommen. Ein heißer Kandidat für meinen Lieblingsfilm des Jahres.

Netflix.

Dryads in a Snow Valley (風の波紋)

Diese Doku begleitet das Leben der Menschen in einem kleinen japanischen Bergdorf, in dem im Winter teils über drei Meter Schnee fallen können. Ein hartes Leben in einer kleinen Gemeinschaft, die aber zusammenhält und sich gegenseitig hilft. Die Kamera hält einfach drauf und lässt die Menschen erzählen.

Wonderwall (ワンダーウォール)

Schöner kleiner Indie-Film aus Japan, über ein seit 1913 bestehendes selbstverwaltetes Studentenwohnheim in Kyoto, das Ausgangspunkt vieler Studentenbewegungen war, dessen historisches Gebäude aber nun abgerissen werden soll, wogegen die Student*innen protestieren. Kein klassischer Spielfilm, mehr eine repräsentative Momentaufnahme. Für mich wären solche Wohnverhältnisse ja ein Albtraum, sympathisch finde ich es aber trotzdem. Heißt im Film Konoe Dorm, wenn ich das richtig recherchiert habe, basiert es auf dem real existierenden Yoshida Dormitory. Der Film zeigt auch, wie zurückgenommen Protest in Japan abläuft. Statt das Studentenbüro einfach zu besetzen, sprechen die Student*innen dort höflich vor und ziehen sich zurück, wenn sie wieder abgewiesen und vertröstet werden.

Leaving on the 15th Spring (Tabidachi no Shima Uta – 15 Go Haru)

Erzählt vom Leben auf einer kleinen Insel östlich von Okinawa und Yunas letztem Jahr dort, bevor sie für die Oberschule aufs Festland ziehen muss. Gelungene Mischung aus Coming-of-Age, leisem Familiendrama und dem Überlebenskampf der kleinen Gemeinschaft in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Ein richtig schöner Film, der das Leben auf dem Land in Japan nicht romantisiert, sondern zeigt, welche Nachteile es mit sich bringt.

Leider ist der Film in Deutschland nicht erhätlich (wie alle Filme von Yasuhiro Yoshida). Ich habe ihm auf den letzten Drücker auf der Webseite des Japanese Film Festival gesehen (wie einige andere Filme in dieser Liste), wo er inzwischen aber nicht mehr verfügbar ist.

Like Father, Like Son (Soshite Chichi ni Naru)

Um diesen Film von Hirokazu Koreeda habe ich mich lange gedrückt, da mich Geschichten über Familien, deren Babys im Krankenhaus vertauscht werden, so gar nicht ansprechen. Doch jetzt, wo es den Film bei Mubi gibt, konnte ich doch nicht widerstehen. Natürlich geht es um eine wohlhabendere Familie mit einem ambitionierten Architekten als Vater, der seinen Sohn leistungsbewusst erziehen möchte, und eine Familie, die eher so in den Tag lebt, gerne Spaß zusammen hat, mit einem von Lily Frank, in einer seiner typischen Rollen, gespielten Vater,

Ein sehr bewegender Film über das, was Familie ausmacht.

Lonely Glory (Watashi no miteiru sekai ga subete )

Sehr schöner kleiner Film über vier Geschwister, die sich nach dem Tod der Mutter um den Nachlass der Eltern kümmern müssen, zu dem ein Lebensmittel- und Udon-Laden gehört, in dem zwei von ihnen noch immer arbeiten, während die Business-Schwestern ihn verkaufen möchte, um das Geld für ein Start-up zu verwenden. Liefert einfühlsame Einblicke in das Alltagsleben jenseits der Großstadt, wo sich die Menschen noch um einander kümmern.

And Your Bird Can Sing (Kimi no tori wa utaeru)

Japanischer Film über drei junge Menschen aus Hakodate, die zusammen eine schöne Zeit miteinander verbringen, während sie sich etwas ziellos durchs Arbeitsleben treiben lassen. Junges, erfrischendes Kino, das nichts Besonderes erzählt, aber Spaß macht. Schön melancholisch.

Suzume (すずめの戸締まり)

Mal wieder ein richtig schöner Film von Makoto Shinkai, der, obwohl es hier unter anderem um einen jungen Mann geht, der in einen dreibeinigen Stuhl verwandelt wird, ein ernstes Thema behandelt. Für manche, die das Tōhoku-Erdbeben 2011 erlebt haben, kein einfacher Film. Es geht um die Schülerin Suzume, die einen Studenten kennenlernt, der magische Türen verschließt, um Katastrophen zu verhindern. Dadurch entwickelt sich ein toller Roadtrip, der auch eine Reise in ihre tragische Vergangenheit ist.

Netflix

Porco Rosso (Kurenai no Buta)

»Ich bin lieber ein Schwein als ein Faschist«, ist immer noch eines der besten Filmzitate aller Zeiten. Ansonsten geht es in dem Film im Prinzip um den Schwanzvergleich zweier Alphamännchen, nur dass Porco ein Ringelschwänzchen hat, und das ist länger, als es auf den ersten Blick scheint. Der Film ist Hayao Miyazakis – dessen Vater Flugzeugfabrikant war, wenn ich mich recht erinnere – Liebeserklärung ans Fliegen, im faschistische werdenden Italien an der Adria-Küte spielend. Enthält aber ansonsten alle typischen Miyazaki-Zutaten. Vor 20 Jahren habe ich ihn schon einmal gesehen, und finde ihn heute immer noch so toll.

Netflix

Summer Ghost (Samā Gōsuto)

Schöner, kurzer Coming-of-Age-Anime über drei jugendliche Außenseiter, die gemeinsam einen Geist suchen und neben Freundschaft auch Motivation finden, weiterzumachen. Sehr einfühlsam und rührend inszeniert.

Hell Dogs

Ausgezeichnet gefilmter Yakuza-Thriller über einen Ex-Cop, der sich bei einer Yakuza-Familie undercover einschleusen und hocharbeiten soll. Dabei geht er nicht gerade zimperlich vor und mordet auch im Auftrag der Polizei. Erinnert an Donnie Brasco, mit knallharter Action, guten Darsteller*innen und einer Handlung, die nicht ganz den typischen Yakuza-Trillern entspricht. Wirkt ab und zu etwas ziellos, ist aber trotz seiner 138 Minuten zu keiner Zeit langweilig. Der Film basiert übrigens auf einem Roman von Akio Fukamachi, der wiederum das Drehbuch zu World of Kanako geschrieben hat. So schön abgründig ist Hell Dogs aber nicht.

Netflix.

Bad Lands

Bad Lands von Masato Harada (Hell Dogs) begint als Film über Kleinganoven, die komplexe Enkel-Tricks am Laufen haben, entwickelt sich bald zum Yakuza-Thriller und endet als Drama über eine junge Frau, die sich von jenen Männern befreit, die sie jahrelang missbraucht und misshandelt haben. Sehenswert, unter anderem auch wegen der tollen Hauptdarstellerin Sakura Andō (Shoplifters, Love Exposure).

Netflix

The Village (ヴィレッジ, 2023)

Als ich den Film angefangen habe, wusste ich nichts über ihn. Ich habe auf Netflix einfach »japanese movies« eingegeben, und ausgewählt, was halbwegs nach Thriller aussah. Ist aber eher ein Provinzdrama über ein Dorf, das im Schatten einer Müllverbrennungsanlage und der angrenzenden Mülldeponie steht, die in einem Strudel aus illegaler Müllentsorgung, Korruption und Gewalt versinkt. Mittendrin der junge Mann Yuu, der die Spielschulden seiner Mutter auf der Deponie abarbeitet. Er wird vom Dorf ausgegrenzt, weil sein Vater ein Verbrechen begangen haben soll, und vom Dorfbully gemobbt. Doch als seine Jugendfreundin ins Dorf zurückkehrt, geht es aufwärts, sie hilft ihm, zum Aushängeschild der Deponie und des Dorfes zu werden. Ein Aufstieg, der zu einem noch tieferen und dramatischeren Fall führt.

Regisseur Michihito Fujii (A Family) ist ein sehr gutes Drama über die Abgründe der Provinz gelungen, das zeigt, was solche toxischen Verflechtungen mit einem Menschen machen können. Das Ganze ist in eleganten Bildern gefilmt, und wird von faszinierenden Nō-Theater-Aufführungen geschickt eingerahmt.

Aufgepasst! Es gibt noch eine Post-Credit-Szene, wenn noch 1:26 Min. übrig sind.

Netflix

The Parades

Der aktuelle Film von Michihito Fujihat mich überrascht. Kürzlich habe ich erst den eher düsteren Village von ihm besprochen, schaue gerade die Serie The Journalist, und auch ansonsten scheint er eher Thriller gedreht zu haben. Doch The Parade ist ein ganz toller und berührender japanischer Film über eine Schicksalsgemeinschaft von Verstorbenen, die sich in einer Zwischenwelt gegenseitig hilft, mit sich selbst und dem Leben ins Reine zu kommen. Es beginnt mit Minako, die nach einen Tsunami am Strand aufwacht und sich auf die Suche nach ihrem Sohn begibt, aber bald feststellen muss, dass niemand sie sehen oder hören kann. Sie ist tot, aber noch nicht ins Jenseits übergegangen, weil es noch Unfinished Business gibt. Dabei stößt sie sie auf eine Gruppe unterschiedlicher Menschen, die alle ihre eigene bewegende Geschichte haben, und zu einer so herzlichen Gemeinschaft zusammenwachsen, wie ich es nur aus japanischen Filmen kenne (in denen oft, wie auch hier, Lily Franky mitspielt ).

A Family (Yakuza to kazoku)

Guter Film von Michihito Fujii (The Parades) über die Geschichte eines Mannes, der in jungen Jahren an die Yakuza gerät, bei ihnen schnell aufsteigt, dann im Gefängnis landet und viele Jahre später in eine Welt entlassen wird, die er nicht mehr wiedererkennt. Passt perfekt zur Doku oben, da hier gezeigt wird, warum jemand bei der Yakuza landen kann, und welche Auswirkungen die strikten Anti-Yakuza-Gesetze von 2011 haben. Menschen, die bei der Yakuza aussteigen, dürfen fünf weitere Jahre kein Bankkonto haben, nicht beschäftigt werden usw. Scheint mir doch eher kontraproduktiv, jene so zu gängeln, die aus der Kriminalität aussteigen wollen. So werden sie eher dazu gedrängt, weiter illegale Geschäft zu machen. Der Film ist kein klassischer Gangsterfilm, mehr Familiendrama und Gesellschaftsporträt mit Menschen, die Yakuza sind.

Netflix

Inu-Oh

Vorweg als Warnung, dieser Anime ist vor allem ein Musikfilm, es wird also die meiste Zeit musiziert und gesungen. In der ersten Hälfte vor allem mit der Biwa im Stil des Noh-Theaters, ab der Mitte wandelt sich der Film zu einer opulenten Rock-Oper. Als ich den Film startete, musste ich vom Zeichenstil her und der Dynamik direkt an Night Is Short Walk On Girl denken, und siehe da, er ist vom gleichen Studio und Regisseur Masaaki Yuasa. Eine klassische japanische Geschichte erzählt in einer Mischung aus Tradition und Moderne.

River – Time Loop Hotel (Ribâ, nagarenaide yo)

Habt ihr schon Beyond the Infinite Two Minutes gesehen? Falls nicht, solltet ihr das schnell nachholen. Ein toller kleiner Film über jemanden, der auf seinem Fernseher eine Botschaft aus zwei Minuten in der Zukunft empfängt – von sich selbst. Was daraus in diesem begrenzten Setting gemacht wird, ist genial.

Auch in River vom gleichen Filmteam geht es um zwei Minuten, nur wiederholen die sich hier immer wieder. Die Mitarbeiter*innen und Gäste (das sind tatsächlich nur Männer) eines schnuckeligen Hotels mit Onsen sind in einer zweiminütigen Zeitschleife gefangen, müssen der Sache auf den Grund gehen und finden dabei einiges über sich selbst raus.

Wirklich erstaunlich, was auch hier wieder aus einer kleinen Idee auf engen Raum und mit begrenztem Ensemble gemacht wird. Und das in der knappen Zeit, die wie im Flug vergeht und den Film zu keiner Zeit langweilig macht. Nur die Auflösung ist mir einen Tick zu albern geraten, beeinflusst meine Einschätzung des Films aber nur minimal. Ganz so großartig wie Beyond the Infinite Two Minutes ist er nicht, aber dafür eine tolle Wohlfühlkomödie mit einem Cast, der sichtlich Spaß an der Sache hat. Das Drehbuch stammt von Makoto Ueda, der auch schon Night is Short, Walk On Girl und Time Machine Blues geschrieben hat.

Warum kann ich mich so schlecht von Büchern trennen?

Die Eingangsfrage könnte ich auch etwas positiver formulieren: Warum hüte ich meine Bücher wie liebgewonnene Schätze?

Weil es liebgewonnene Schätze sind!

Vor etwas mehr als einer Woche habe ich getan, was ich seit einigen Jahren vor mir hergeschoben habe. Ich habe meinem Arbeitszimmer endlich einen neuen Teppichboden verpasst. Das Auseinandernehmen des Kleiderschranks, die schwere Kommode, der Schreibtisch, das waren schon Gründe dafür, warum ich die Aktion hinausgezögert habe. Aber der Hauptgrund waren die ganzen Bücher. Dabei steht der Hauptteil meiner Bibliothek gar nicht im Büro, sondern im Schlaf/Wohnzimmer. Sieben volle Umzugskartons waren es am Ende doch, die ich zur Zwischenlagerung auf den Speicher geschleppt habe. An einen richtigen Umzug möchte ich gar nicht denken; als ich nach Berlin zog, verblieben zwei Drittel meiner Büchersammlung im Elternhaus. Seitdem hat sie sich die Menge ungefähr verdoppelt. Bücher sind wie Tribbles. Einmal nicht hingeschaut, schon sind zehn neue hinzugekommen.

Das könnte ich alles einfacher haben, wenn ich gelesene Bücher wieder abgeben würde. In Bücherschränke (okay, gibt es bei uns nicht) oder gebraucht verkaufen. Nur, das möchte ich nicht. Ich möchte die Bücher behalten, und zwar aus verschiedenen Gründen, die zusammenkommen.

Nostalgie und Kontext

Ich bin jetzt 44 Jahre alt, sammle also seit mehr als 30 Jahren Bücher. Viele von den ersten Büchern, die ich gekauft und gelesen habe, sind mir wohlig in Erinnerung, und ich möchte mir einfach die Option offenhalten, sie irgendwann noch einmal zu lesen. Das habe ich bereits mit einigen der prägendsten Bücher meines Leselebens gemacht. Denn ich lese nie das gleiche Buch zweimal. Wenn ich ein Buch fünfzehn Jahre später erneut lese, bin ich ein anderer Mensch, mit anderem Wissen und anderen Erfahrungen, die mich das Buch mit anderen Augen sehen lassen. Und auch die Welt, in der ich es lese, hat sich verändert. Also der Kontext. Während ich Anspielungen und Sachen erkenne, die mir in jüngeren Jahren entgangen sind. Manche Bücher altern dabei schlecht, andere gut. Aber vielleicht bin manchmal auch ich es, der schlecht gealtert ist.

Und bei manchen Büchern geht es mir wirklich nur um pure Nostalgie. Zumindest für einen kurzen Lesezeitraum noch einmal einen Hauch der Freude erleben, die ich beim ersten Lesen als Jugendlicher oder junger Erwachsener mit dem Buch empfunden habe. Noch einmal ein wenig in jene Welt abtauchen, die mich damals so verzaubert hat. Das ist dann nur noch ein Tribute an das ursprüngliche Leseerlebnis, wie Tenicacious D es vielleicht formulieren würden, aber auch eine kleine Zeitreise zurück in Zeiten, die ich – zumindest im verklärten Rückblick – als heimeliger, aufregender, einfacher und als hach-war-das-schön-damals empfinde. Als die Zukunft noch vor mir lag und viele Abenteuer versprach.

Die Bücher im Regal stehen zu haben, meinen Blick jeden Tag über sie schweifen zu lassen, erinnert mich auch immer wieder ein wenig an diese schöne Zeit. Denn sie sind archivierte Erinnerungen. Bei vielen Büchern weiß ich noch (mehr oder weniger) gut, wann und wo ich sie gelesen habe, vielleicht sogar, wo ich sie gekauft habe. Wie viel Spaß mir das Stöbern und der Auswahlprozess in der Buchhandlung gemacht haben. Ob ich dafür eine Schulstunde geschwänzt habe, oder gerade einen Freund in Berlin besuchte.

Diese Bücher sind für mich Teil meiner Zimmerdekoration. Da bleibt kaum Platz für Poster, Bilder, Zimmerpflanzen usw. Nur die papierenen Staubmilbenzuchtkolonien. Für die Milben dürften das inzwischen Generationenschiffe sein.

Langfristige Investition

Manche Bücher habe ich vor 20 Jahren gekauft und bis heute nicht gelesen. Dann könnte ich sie ja eigentlich weggeben. Aber ich möchte sie tatsächlich noch irgendwann lesen. Und das habe ich mit einigen auch schon nach so langer Zeit gemacht. Und teilweise hat es sich wirklich gelohnt, sie aufzuheben.

Andere habe ich angefangen und abgebrochen, weil sie mir nicht gefallen habe. Aber ich sage lieber, ich habe sie unterbrochen. Denn vielleicht habe ich sie einfach nur zum falschen Zeitpunkt gelesen, in der falschen Stimmung und könnte irgendwann in ein paar Jahren doch noch Spaß mit ihnen haben. Alles schon vorgekommen.

Widersprüchlichkeiten

Auf meinem E-Book-Reader befinden sich knapp 400 Bücher. Zum einen, um Platz zu sparen, immerhin sind das 400 Bücher weniger im Regal. Streng genommen ja nur Leselizenzen für die 400 Titel. Zum anderen, weil mir gedruckte Bücher, gerade bei kleiner Schrift, manchmal zu anstrengend zu lesen sind (hier bin ich definitiv schlecht gealtert). Aber das sind eben auch Bücher, die fehlen, wenn mein Blick über meine Bücherregale schweift und Erinnerungsstaub an die Lektüre aufwirbelt. Oft kann ich mir sogar die Titel und Autor*innen nicht so gut merken, weil ich sie nicht, wie beim gedruckten Buch, jedes Mal beim Aufklappen während der Lektüre vor Augen habe.

Andererseits habe ich mir früher unzählige Bücher aus unserer Gemeindebücherei ausgeliehen und direkt nach der Lektüre wieder zurückgegeben. Die sind genauso wenig physisch präsent wie die E-Books. Und letztere könnte ich auch jederzeit wieder lesen, ohne sie mir neu zu kaufen.

Blick über den Buchrand

Ein befreundeter Übersetzer hat ein Bücherregal. Da stellt er das gerade gelesene Buch ganz vorne hin, und nimmt ganz unsentimental das letzte hinten raus und gibt es weg. So ist das Regal ständig im Fluss, aber nie dasselbe. Das könnte ich nicht. Dafür hänge ich zu sehr an manchen Büchern.

Andere verkaufen ihre gelesenen Bücher bei Medimops und Co. direkt nach Lektüre und holen so zumindest einen Teil des Kaufpreises wieder rein. Oder spenden sie der phantastischen Bibliothek in Wetzlar. Ich habe meiner Gemeindebücherei schon so einige Bücher gespendet, vor allem Rezensionsexemplare aus meiner Rezensentenzeit, aber bei einigen wünschte ich mir, ich hätte sie jetzt hier im Regal. Die historischen Krimis von Boris Akunin würde ich z. B. gerne mal wieder lesen, in der Bücherei sind sie aber schon längst ausgemustert worden. Also müsste ich sie mir neu kaufen.

Weniger kaufen hilft übrigens nur bedingt, wenn man in der Buchbranche tätig ist und Bücher von Verlagen sowie befreundeten Autor*innen und Übersetzer*innen zugeschickt bekommt.

Warum ich lese

Ich lese nicht nur, um Zeit totzuschlagen, oder einfach, weil es mir Spaß macht. Auch, wenn das der Hauptgrund ist. Aber ich bin seit Jugendjahren Fan besonderer Genres, vor allem der Fantasy und der Science Fiction. Ich bin seit zwei Jahrzehnten im Fandom aktiv, arbeite inzwischen sogar in diesem Bereich der Buchbranche. Und dazu gehört für mich meine eigene kleine phantastische Bibliothek. Wobei ich auch alles Mögliche ander lese und behalte. Sachbücher, Krimis, Thriller, historische Romane, Reiseberichte usw.

Besuch habe ich äußerst selten, es geht also nicht darum, meine Bücher vor anderen zu präsentieren. Die Regale sind ganz allein für mich. So ein kleiner Sammelzwang dürfte durchaus dazugehören, wobei der durch die E-Book-Lektüre deutlich abgemildert wird. Selbst, wenn mir ein E-Book ganz fantastisch gefällt, wie z. B. kürzlich Babel von Rebecca F. Kuang, kaufe ich es mir nicht noch einmal, um es mir ins Regal zu stellen.

Immerhin habe ich es jetzt im Zuge der Renovierung geschafft, Bücher im Umfang von eineinhalb Umzugskartons auf dem Speicher zu lassen. Und zwei ganze Bücher habe ich an meine Mutter abgegeben, die ihre gelesenen Bücher an Bücherfreundinnen weitergibt, oder ans örtliche Seniorenheim.

Ich habe sonst keine große Sammelleidenschaft. Der Amiga500, das NES, das meiste Spielzeug von früher oder sonstige Erinnerungsstücke sind größtenteils schon in der Mülltonne oder bei anderen Interessenten gelandet. Einzig CDs, Hörspielkassetten und DVDs befinden sich noch in größerer Anzahl in meinem Besitz. Bei allem anderem bin ich ganz unsentimental.

Und ja, ich träume durchaus gelegentlich davon, wie Jack Reacher nur mit dem, was ich am Leib trage, durch die Welt zu ziehen, ohne die Last von dem ganzen Krempel, der irgendwann dich hat.

Wie sieht es bei euch aus? Was macht ihr mit euren Büchern?

Na okay, da ihr ja jetzt doch irgendwie bei mir zu Besuch seit, gibt es hier noch ein wenig Bookshelf-Porn. Hatte überlegt, die Fotos in den Text einzubinden, aber die hätten wohl nur von ihm abgelenkt. Also mich hätten sie das, da ich nie widerstehen kann, genauer hinzuschauen, was da so im Regal steht, wie viele Bücher ich erkenne. Die Fotos lassen sich in der Glarie per Doppelklick vergrößern, die meisten Buchtitel sind aber etwas unscharf geworden.

Meine Woche: Schamanen, Schlangen und Tokyo bei Nacht

Der Hauptschwerpunkt liegt natürlich wieder auf Japan, mit den Filmen River – The Time Loop Hotel und Inu-Oh sowie der Fortsetzung der Mini Theater Journey und zwei schicken Videos zu Tokyo bei Nacht. Aber ich stelle auch drei interessante Filme aus Lateinamerika vor, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Kolonialisierung auseinandersetzen.

Collage aus vier Screenhots. Drei kleine in der oberen Reihe, ein großes in der unteren.
1. Männliche Hauptfigur aus "Adios Buenes Aires" sitzt auf einem Dach und spielt Ziehharmonika.
2. Weibliche Hauptfigur aus "River" in einem Kimono von vorne zu sehen.
3. Der junge Schamane aus "Der Schamane und die Schlange" in Nahaufnahme von vorne.
4.  Ein Straße in Tokio bei Nacht, die vorbeigehenden Passanten mit Regenschirm spiegeln sich in einer Pfütze im Neonlicht.

Youtube

Cinematic Reality: Japan | Photography Journey from Tokyo to Osaka

Sehr schöner halbstündiger Film von illkoncept, der in tollen Bildern, das Stadtleben von Tokyo und Osaka (vor allem bei Nacht) gefilmt hat. Einfach unterlegt mit entspannter Musik, die hier und da mit den vielen Neonlichtern im Regen Bladrunner-Vibes aufkommen lässt.

Tokyo Solitude

Sehr elegant gedrehter Kurzfilm von teemu.mp4 , der ganz ohne Worte auskommt und drei einsame Menschen in Tokyo bei Nacht zeigt.

Jig Theater (Tottori, JAPAN) – MINI THEATER JOURNEY

So klein sind die Städte der Mini Theater Journey meist gar nicht, Tottori hat fast 200.000 Einwohner und liegt an der Westküste Japans. Das Jig Theater wirkt nicht wie ein klassisches Kino, eher wie ein Schulgebäude, was daran liegt, dass es tatsächlich eine Grundschule war. Wie auch bei den anderen Kinos der Tour gibt es hier ein Café, eine Bibliothek und einen kleinen Verkaufsbereich. Das wirkt schon alles sehr improvisiert, aber auch knuddelig und wie aus der Gemeinschaft für die Gemeinschaft. Ich muss da an das Uni-Kino aus meinem ersten Studium in Siegen denken.

Artikel

Five Films for Learning Japanese. Recommendations from Experts in Japanese Language Education

Das Japanese Filmfest (von der Japanese Foundation) hat auch immer wieder interessante Artikel. So dieser hier, in dem von Experten fünf Filme für Menschen empfohlen werden, die Japanisch lernen. Bisher habe ich davon nur Summer Wars gesehen.

Ich schaue relativ viele japanische Filmen und Serien und empfinde es als sehr hilfreich. Zum einen, was die Aussprache angeht, aber auch in Bezug auf Begriffe, Redewendungen oder Sprechweisen, die in offiziellen Lernmaterialien nicht erwähnt werden, aber nah am japanischen Alltag sind. Allerdings muss man dort auch vorsichtig sein, denn in vielen Animes wird zum Beispiel kein alltägliches Japanisch gesprochen, ebenso wenig in historischen Serien und Filmen. Und ich freue mich auch einfach über die kleinen Erfolgserlebnisse, wieder mal ein Wort oder gar einen ganzen Satz verstanden zu haben. Sich jeden Tag mit Japanisch zu umgeben, ist einfach hilfreich, aber das gezielt einzusetzen, dürfte noch effizienter sein.

Veranstaltungen

Japan Food Festival

Vom 31. Mai bis zum 2. Juni findet in Düsseldorf das Japan Food Festival statt. Düsseldorf ist ja bekannt für seine große japanische Gemeinde, da wird es sicher viel leckeres authentisches Essen geben. Leider überschneidet sich der Termin mit der Nippon Connection in Frankfurt.

Hörspiel

Hardland

Ich habe diese Woche die ersten beiden Folgen von Hardland gehört, der ARD-Hörspielumsetzung des gleichnamigen Romans von Benedict Wells, den ich ganz gut fand. Das Hörspiel ist sicher nicht schlecht gemacht, hört sich aber sehr öffentlich-rechtlich an. Nicht falsch verstehen. Ich mag die Hörspiele, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das legendäre Herr der Ringe-Hörspiel, Die drei Sonnen oder ganz aktuelles wie Mia Insomnia. Aber Hardland hört sich so gar nicht nach USA der 1980er an, nicht nach den Filmen, die Vorbild für Wells waren. Ich finde es schon zu kunstvoll inszeniert. Hier wird in den Dialogen auch noch deutlicher, dass Jugendliche einfach nicht so reden, wie sie es in dem Roman tun. Wirkt stellenweise auch wie eine inszenierte Lesung, da es sich mit dem hohen Erzähleranteil nicht von der Vorlage lösen möchte, und ich vermute mal, teile der Musikeinlagen stammen von dem Singer/Songwriter, der mit Wells seinerzeit auf Lesetour war.

ARD-Audiothek

Filme

Ich habe nicht nur eine Leidenschaft für Japan, sondern seit meinem Brasilienaufenthalt 2006 auch ein großes Interesse an Lateinamerika und seiner Geschichte. Diese Woche habe ich drei Filme gesehen, die in Kolumbien, Chile und Argentinien spielen und unterschiedliche Phasen der Geschichte abdecken. Geprägt sind sie allle von der Brutalität und den verheerenden Wirkungen des Kolonialismus. Selbst Adiós Buenos Aires, in dem die große Wirtschaftskrise von 2001 thematisiert wird. Hier wurde das Land von den korrupten Eliten, den Nachfahren und Erben der Kolonialisten geplündert und ruiniert, in Strukturen, die seit über 200 Jahren bestehen.

Der Schamane und die Schlange (El abrazo de la serpiente)

Zwei Forscher, die im Abstand von 40 Jahren den Amazonas bereisen und von einem indigenen Schamanen begleitet werden. Eine Reise ins Herz der kolonialen Finsternis, auf der Suche nach Kautschuk und Gott. Ein fast meditativer Film über den Verlust, nein Raub von Kultur, das herzlose Wesen der Unterdrückung und die Beschaffenheit der Welt. Basierend auf den Aufzeichnungen von Theodor Koch-Grünberg.

Mubi

Colonos

Großgrundbesitzer José Menéndez, der pervers viel Land in Patagonien besitzt, schickt Anfang des 20. Jahrhunderts ein dreiköpfiges Killerkommando los, um sein Land von den lästigen Indigenen zu säubern. Das Kommando zieht mordend und vergewaltigend durchs Land, bekommen aber zum Teil auch, was sie verdienen. Bildgewaltige, düstere Anklage an den Kolonialismus, der den Gründungsmythos von Chile zerstört. Wie ein Western inszeniert. Auch Der Schamane und die Schlange ist eine Anklage an die Ausbeutung durch den Kolonialismus, enthält aber viele poetische Phasen und es wird gelacht. In Colonos lacht niemand. Basiert auf einer wahren Geschichte. An Originalschauplätzen konnte nur sehr eingeschränkt afu einer Mülldeponie und am Flughafen gedreht werden, da das Land noch immer der Familie Menéndez gehört.

Mubi

Adiós Buenos Aires

Über einen alleinerziehenden Vater mit Schuhgeschäft und Tango-Band während der großen Wirtschaftskrise von 2001 in Argentinien, der das Land verlassen möchte, da er keine Hoffnung mehr hat, dass es dort besser wird. Bis ihm eine rabiate Taxifahrerin ins Auto fährt. Schöner kleiner Film, wenn auch keine Filmperle, da er sehr vorhersehbar und kitschig verläuft, aber mit liebenswert schrulligen Figuren, kleinen Alltagspoesien und angenehmer Melancholie.

Inu-Oh

Vorweg als Warnung, dieser Anime ist vor allem ein Musikfilm, es wird also die meiste Zeit musiziert und gesungen. In der ersten Hälfte vor allem mit der Biwa im Stil des Noh-Theaters, ab der Mitte wandelt sich der Film zu einer opulenten Rock-Oper. Als ich den Film startete, musste ich vom Zeichenstil her und der Dynamik direkt an Night Is Short Walk On Girl denken, und siehe da, er ist vom gleichen Studio und Regisseur Masaaki Yuasa. Eine klassische japanische Geschichte erzählt in einer Mischung aus Tradition und Moderne.

River – Time Loop Hotel (Ribâ, nagarenaide yo)

Habt ihr schon Beyond the Infinite Two Minutes gesehen? Falls nicht, solltet ihr das schnell nachholen. Ein toller kleiner Film über jemanden, der auf seinem Fernseher eine Botschaft aus zwei Minuten in der Zukunft empfängt – von sich selbst. Was daraus in diesem begrenzten Setting gemacht wird, ist genial.

Auch in River vom gleichen Filmteam geht es um zwei Minuten, nur wiederholen die sich hier immer wieder. Die Mitarbeiter*innen und Gäste (das sind tatsächlich nur Männer) eines schnuckeligen Hotels mit Onsen sind in einer zweiminütigen Zeitschleife gefangen, müssen der Sache auf den Grund gehen und finden dabei einiges über sich selbst raus.

Wirklich erstaunlich, was auch hier wieder aus einer kleinen Idee auf engen Raum und mit begrenztem Ensemble gemacht wird. Und das in der knappen Zeit, die wie im Flug vergeht und den Film zu keiner Zeit langweilig macht. Nur die Auflösung ist mir einen Tick zu albern geraten, beeinflusst meine Einschätzung des Films aber nur minimal. Ganz so großartig wie Beyond the Infinite Two Minutes ist er nicht, aber dafür eine tolle Wohlfühlkomödie mit einem Cast, der sichtlich Spaß an der Sache hat. Das Drehbuch stammt von Makoto Ueda, der auch schon Night is Short, Walk On Girl und Time Machine Blues geschrieben hat.

Musik

Ren – Mackay

Einer der aufregendsten jungen Musiker ist für mich aktuell Ren (Hi Ren). Mein Lieblingssong von ihm ist das grandiose Duett Chalk Outline mit Chinchilla. Auch seine Rap-Songs wie Hunger oder Losing It sind fantastisch. Sein neustes Werk, Mackay, ist ein Klavierinstrumental und steht den anderen Songs in nichts nach.

Lektüre

Das Leuchten der Rentiere | Ann-Helén Laestadius

Bücher aus Schweden habe ich schon so einige gelesen, und nicht nur Krimis. Doch das indigene Volk der Samen kam darin nicht vor, auch nicht in den Filmen und Serien, die ich bisher gesehen habe. Ann-Helén Laestadius ist selbst Sámi und hat mit Das Leuchten der Rentiere der Lebensweise ihres Volkes ein Denkmal gesetzt. Hier geht es zu meiner Besprechung.

Tor Online

Deutschsprachige Phantastik auf Irland-Reise

Judith Vogt wurde nach Irland eingeladen, um an drei Universitäten aus ihren Werken zu lesen und Vorträge und Workshops zur progressiven Phantastik zu halten. Für uns hat sie einen spannenden Reisebericht verfasst.

Manegen durch andere Welten: Der Zirkus in der Fantasy

Und Alessandra Reß hat sich dem Thema Zirkus in der Phantastik gewidmet.

Meine Woche: Yakuza, das Ende der Science Fiction und ein Teppich, der das Zimmer so richtig gemütlich macht

Letzte Woche gab es keinen Wochenrückblick, da mein Arbeitszimmer renoviert wurde bzw. einen neuen Teppichboden erhalten hat, und mir dadurch Zeit und Energie für den Beitrag gefehlt haben. Heute geht es um die Yakuza in Japan, die Frage, warum sich Science-Fiction-Bücher immer schlechter verkaufen und den Abschied von einem geliebten Sessel.

Collage aus vier Fotos. Drei kleine in der oberen Reihe, ein großes unten.
Oben: !. Der Hauptdarsteller aus "A Family" in Nahaufnahme mit nacktem tätowierten Oberkörper in einem Onsen. 2. Die gedruckte Ausgabe des Buchs "Die Sterne Leuchten am Erdenhimmel" von vorne. 3. Blick aufs eingeräumte Arbeitszimmer mit dem neuen Teppichboden durch die Zimmertür. Rechts steht ein grauer Lesesessel, hinten an der Wand ein hellbraune Kleiderschrank.
4. Ein dick gepolsterter grauer Fernsehsessel von oben fotografiert

Doku

Japan und die „Ära des erleuchteten Friedens“

Ausgezeichnete Doku über die Showa-Ära, also jener Zeit vor und während des 2. Weltkriegs, erzählt aus der persönlichen Perspektive einer französischen Familie, die in dieser Zeit in Japan gelebt hat. Es ist eigentlich naheliegend aufgrund der Brutalität bei der Eroberung des asiatischen Raums, aber trotzdem war mir nicht bewusst, wie repressiv die Behörden auch in Japan selbst gegen Kritiker*innen vorgegangen sind.

Arte-Mediathek

Yakuza – Japans Mafia

Sehr gute zweiteilige Doku über die Yakuza, also die organisierte Kriminalität in Japan. Geht gut auf die Geschichte ein, die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten und die geänderten Gesetze in den letzten Jahren. Ich kenne kein Land, in denen die lokale Mafia so einen Status hatte, wie in Japan. Sie haben öffentliche Geschäftsadressen mit dem Symbol der jeweiligen Organisation an der Fassade. Erstaunlich, dass in einem Land, das als eines der sichersten der Welt in Sachen Kriminalität gilt, die Yakuza über Jahrzehnte so mächtig war, dass sie Einfluss bis in die höchsten Ämter der Politik hatte.

Hier kommen auch ehemalige und aktuelle Yakuza zu Wort, die sich die Sache teilweise aber ordentlich Schönreden, wenn sie behaupten, es wären jetzt die jungen nicht-organisierten Kriminellen, die vergewaltigen und Zivilisten überfallen würden. Als hätten Yakuza das nie gemacht. Auch zu Wort kommt Jack Adelstein, Autor des Buchs Tokyo Vice (die gleichnamige Serie gibt es aktuell in der ARD-Mediathek), der sich schon wirklich gut mit der Thematik auskennt, der aber auch mit Vorsicht zu genießen ist, da er als Aufschneider gilt.

Die Doku schildert ein faszinierendes Bild der Yakuza, aber ich fand sie nicht ganz so gut, wie die dreiteilige Serie über die Triaden, da hier die historischen und gesellschaftlichen Einflüsse noch ausführlicher bearbeitet wurden.

Arte-Mediathek

Filme

A Family (Yakuza to kazoku)

Guter Film von Michihito Fujii (The Parades) über die Geschichte eines Mannes, der in jungen Jahren an die Yakuza gerät, bei ihnen schnell aufsteigt, dann im Gefängnis landet und viele Jahre später in eine Welt entlassen wird, die er nicht mehr wiedererkennt. Passt perfekt zur Doku oben, da hier gezeigt wird, warum jemand bei der Yakuza landen kann, und welche Auswirkungen die strikten Anti-Yakuza-Gesetze von 2011 haben. Menschen, die bei der Yakuza aussteigen, dürfen fünf weitere Jahre kein Bankkonto haben, nicht beschäftigt werden usw. Scheint mir doch eher kontraproduktiv, jene so zu gängeln, die aus der Kriminalität aussteigen wollen. So werden sie eher dazu gedrängt, weiter illegale Geschäft zu machen. Der Film ist kein klassischer Gangsterfilm, mehr Familiendrama und Gesellschaftsporträt mit Menschen, die Yakuza sind.

Netflix

Youtube

Die FRAU mit PLAN! 1 Tag in KAMAKURA feat. @JapanHautnah

Zusammen mit Lena von @JapanHautnah hat der gute Senpai Kamakura besucht und einen Buddha von innen gefilmt. Schönes kleines Video.

Artikel

Nobody Wants to Buy The Future: Why Science Fiction Literature is Vanishing

… the science fiction books that do sell are a shrinkingly small number of reprints, classics and novels that had been adapted into movies.

Simon McNeil in einem lesenswerten Artikel darüber, warum sich Science-Fiction-Bücher immer schlechter verkaufen. Und mit dem obigen Zitat geht auch einher, dass es sich bei diesen verfilmten Romanen in der Regel um die Werke alter weißer (und oft toter) Männer handelt (siehe Foundation, Dune, The Peripheral oder demnächst Neuromancer) – auch wenn es Ausnahmen wie The Handmaid’s Tale oder The Three Body Problem oder Kindred gibt. Die Ursachen sieht McNeil auch darin, dass wir in einer der prognostizierten Zukünfte angekommen sind, und die scheiße ist.

We got to one of the futures Science Fiction proposed, and it sucked.

Doch der Artikel ist differenzierter als dieser eine Satz. Lest selbst. Trotzdem würde ich gerne wissen, ob sich SF früher, bis auf die bekannten Ausnahmen, wirklich besser verkauft hat. Vergleichszahlen wären da ganz nett.

Lektüre

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel | Sylvana Freyberg

Gedruckte Ausgabe von "Die Sterne leuchten am Erdenhimmel" mit dem Cover nach vorne im Regal stehend.

Habt ihr schon mal Science Fiction aus Südkorea gelesen? Nicht. Dann habt ihr hier jetzt die Gelegenheit. Neun Autor*innen liefern uns mit ihren Kurzgeschichten interessante Einblicke in das Genre. Meine Besprechung auf lesenswelt.de.

Podcast

IN THE MOOD FOR LOVE: Die schöne Zeit

Einer neuen Besprechung des wohl elegantesten Films aller Zeiten kann ich einfach nicht widerstehen. Schöner Denken hat sich Wong Kar-Weis In the Mood for Love auf der großen Leinwand erstmals angesehen und ist begeistert.

Worüber ich mich freue

Die Teilrenovierung meines Arbeitszimmers

Ein dick gepolsterter grauer Fernsehsessel von oben fotografiert

Dieser Sessel hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Zunächst diente er meinen Großeltern, ging dann an mich über, als sie sich eine neue Sofagarnitur kauften, und leistete mir über 20 Jahre treue Dienste. Zog mit mir nach Berlin um, wurde von Frank Böhmert auf dem Kopf drei Stockwerke in die Tiefe getragen, als ich dort wieder wegzog. In ihm habe ich nach Feierabend in der Suchtklinik James Sullivans und Bernhard Hennens Die Elfen gelesen, Terror von Dan Simmons, House of Leaves von Mark Z. Danielewski oder Stephen Kings Duma Key, immer mit den Füßen an der Heizung und einem wohligen Gefühl im Leseherzen. Er war für mich Bürostuhl, weil einfach superbequem, während der Ikea-Bürostuhl Markus in der Ecke verstaubte.

Doch vor Jahren schon brachen die Rollen unter ihm Stück für Stück auseinander und rissen ein Loch in den Teppich, nachdem dieser aufweichte, weil Wasser aus der Heizung ausgelaufen war. Also musste ein neuer Teppichboden her, und ein neuer Sessel, damit der alten den neuen Teppich nicht wieder löcherte. Er war total durchgesessen, hatte selbst Löcher im Bezug, aber fühlte sich fast wie eine Erweiterung meines Körpers an.

Er wird mir fehlen. Der neue ist auch sehr bequem, nur die Armlehnen sind etwas schmal, dafür gehört ein ebenfalls sehr bequemer Fußhocker dazu.

Ich würde nicht behaupten, dass der alte Teppich das Zimmer erst so richtig gemütlich gemacht hat, er war einfach da, seit 38 Jahren, seit meine Eltern das Haus gebaut haben. Aber der neue tut dies. Als ich ihn mir im Probenbuch aussuchte, hätte ich nicht gedacht, dass er mir so gut gefallen würde. Obwohl ich gar keine anderen Vorschläge mehr sehen wollte, nachdem ich ihn einmal gestreichelt hatte. Doch jetzt freue ich mich jedes Mal, wenn ich das Zimmer betrete, mir der Geruch nach frischem Teppich in die Nase steigt und ich sehe, wie gut er farblich zur Tapete und den Möbeln passt, und auch zum neuen Sessel. Außerdem fühlt er sich richtig toll an, ob auf Socken oder barfuß. Ganz eingeräumt ist das Zimmer noch nicht wieder, deswegen sehen die Regale noch etwas leer aus.

Für die Leser*innen hier aus der Region: Gekauft habe ich ihn im Farbenhaus Robert Meurer. Verlegt wurde er von der Malerwerkstatt Meurer. Rückmeldung, Vermessung, Lieferung und Verlegen erfolgten superzeitnah und zu meiner vollsten Zufriedenheit.

Arbeit hatte ich selbst nur mit dem Ausräumen des Zimmers. Vier Billy-Bücherregale, drei Regalbretter, ein Schreibtisch, eine lange Kommode und das Auseinanderbauen eines Kleiderschranks. Und später dann alles wieder in umgekehrter Reihenfolge. Deswegen hatte ich mich auch lange davor gedrückt, aber das Loch im Teppich wurde einfach zu groß.

Meine Woche: Tiefsee, Mafia und neue Hosen

Meine Woche in Artikeln, Dokus, Büchern, Youtube-Videos und und Filmen: The Parades, Deep Sea, Shine Your Eyes, „How to Have Sex“, die Mini-Kino-Reihe aus Japan und eine Doku über Mafia und Banken, und lästige Einkäufe.

Collage mit Szenen aus den Filmen "How to Have Sex", "Shine Your Eyes", The Parades" und "The Deep Sea".

Artikel

Demokratie braucht weniger „Politikerphrasen“ und mediale Dramatisierung

Marian Weisband im Deutschlandfunk über phrasendreschende Politiker und Medien, die das noch hochbauschen und so der Demokratie schaden. Ich persönlich kann Politier*innen kaum noch zuhören, da sie wirklich fast nur noch in unerträglichen Phrasen reden und schwammige Nicht-Aussagen von sich geben. Robert Habeck ist meistens (auch nicht immer) eine erfrischend Ausnahme.

Youtube

Mini Theater Journey: Cinema Onomichi (Hiroshima, JAPAN)

Okay, weiter geht es mit der Mini Theater Journey (wenn ich durch bin, packe ich noch mal alle in einen Bietrag) und meiner vorläufigen Reiseplanung für das nächste Jahr. Onomichi ist eine Stadt mit über 100.000 Einwohner*innen in der Präfektur Hiroshima. Da dürfte ein Besuch in der gleichnamigen historischen Stadt wohl doch mit auf die Route kommen, obwohl ich ja die klassischen Touristenziele meiden möchte (siehe letzten Wochenrückblick). Onomichi gilt als Filmstadt, da berühmte Regisseure von dort stammen und es früher viele Kinos gab, bis irgendwann alle schlossen. Für mich schwer vorstellbar, dass es in einer so großen Stadt keine Kinos gibt. Das Cinema Onomichi öffnete dann 2008 unter Eigeninitiative einiger Einheimischer.

Going Back to Japan | A Half Japanese Story

Elina Osborne, die sonst Videos zu ihren Wanderungen dreht, hat einen schönen kleinen Film zu ihrem Besuch in der Heimat ihrer verstorbenen Mutter gedreht. Im ländlichen Japan besucht sie ihre Tante und berichtet aus dem Alltag und von früher.

Doku

Mafia und Banken

Ausgezeichnete dreiteilige Doku über die Verstrickungen von organisierter Kriminalität, Banken und Politik, die den Eindruck verstärkt, dass Justiz und Rechtsstaat nur dazu da sind, den Pöbel in Schach zu halten und dem Bürgertum die Illusion von Gerechtigkeit und Demokratie vorzugaukeln.

Arte-Mediathek

Filme

Shine Your Eyes

Brasilianischer Film über einen jungen Igbo aus Nigeria, der nach Sao Paulo kommt, um seinen großen Bruder zu finden, aber feststellt, dass dieser nicht ganz die Wahrheit über sein Leben dort erzählt hat und seit einem Jahr verschwunden ist. Sich auf dessen Spuren begebende, lernt Amadi die Menschen kennen, deren Leben sein Bruder beeinflusst hat, und erfährt, welchen wilden Theorien zur Ergründung des Universums er nachgegangen ist. Ein toller Film über Einwanderer in Sao Paulo, aber auch ein bewegendes Familiendrama mit einer dichten Atmosphäre. Der hat mich echt überrascht. Klare Empfehlung von mir. Und interessant zu sehen, dass sich am Straßenbild Sao Paulos seit meinem Aufenthalt dort 2006 nicht viel verändert hat.

The Parades

Der aktuelle Film von Michihito Fujihat mich überrascht. Kürzlich habe ich erst den eher düsteren Village von ihm besprochen, schaue gerade die Serie The Journalist, und auch ansonsten scheint er eher Thriller gedreht zu haben. Doch The Parade ist ein ganz toller und berührender japanischer Film über eine Schicksalsgemeinschaft von Verstorbenen, die sich in einer Zwischenwelt gegenseitig hilft, mit sich selbst und dem Leben ins Reine zu kommen. Es beginnt mit Minako, die nach einen Tsunami am Strand aufwacht und sich auf die Suche nach ihrem Sohn begibt, aber bald feststellen muss, dass niemand sie sehen oder hören kann. Sie ist tot, aber noch nicht ins Jenseits übergegangen, weil es noch Unfinished Business gibt. Dabei stößt sie sie auf eine Gruppe unterschiedlicher Menschen, die alle ihre eigene bewegende Geschichte haben, und zu einer so herzlichen Gemeinschaft zusammenwachsen, wie ich es nur aus japanischen Filmen kenne (in denen oft, wie auch hier, Lily Franky mitspielt 😉 ).

How to Have Sex

Erzählt von drei jungen Engländerinnen, die für ein paar Tage auf eine Party-Insel fliegen und dort mit anderen jungen Engländer*innen Party zu machen. Das geht so lange gut, bis Tara am Strand Sex hat, dem sie zwar zunächst noch (wenn auch schon widerstrebend) einwilligt, der sich aber sehr schnell sehr falsch anfühlt. Dem Film (und Darstellerin Mia McKenna-Bruce) gelingt es sehr gut, zu zeigen wie das Erlebte so langsam bei Tara einsinkt, die zwar versucht, weiter Party zu machen, um ihre Verletzlichkeit zu überspielen, was aber nicht wirklich gelingt, und sie sich immer unwohler und traumatisierter fühlt.

Deep Sea (Shen Hai)

Wunderschön und kunstvoll animierter chinesischer Film über ein junges Mädchen, das sich mit Vater, Stiefmutter und Stiefbruder auf eine Kreuzfahrt begibt, sich aber eigentlich nur nach ihrer Mutter sehnt. Dabei geht sie über Bord und landete in einem fantastischen Tiefseerestaurant. Der Film ist optisch ein Kunstwerk, erzählt eine berührende Geschichte ist aber auch superanstrengend zu sehen, da er total hibbelig und hektisch ist, keine Sekunde stillsteht, immer irgendwo Hektik im Bild herrscht.

Meg 2

Ach kommt, Leute, der macht doch Spaß. Wenn auch nicht so viel, wie Teil 1, da er diesem nichts Neues hinzuzufügen hat und alles eine Stufe schlechter erzählt. Aber da ich als Kind trashige Tiefseefilme wie Caprona oder Deep Star Six geliebt habe, bin ich weiterhin anfällig für solche Machwerke.

Im Zuge Meinens spontanen Tiefsee-Specials habe ich mir noch The Abyss auf Arte aufgenommen und angemacht, nach einer Stunde aber wieder abgeschaltet, da die deutsche Synchro gar nicht geht. Allein schon die Stimme von Ed Harris passt überhaupt nicht. Dazu die suboptimale Übersetzung. An einer Stelle, sagt der Chef der Navy-SEALS, er habe seine Anweisungen gehabt. Aber Navy-SEALS erhalten keine Anweisungen, sondern Befehle. Da warte ich lieber mal auf die Gelegenheit, mir den Film, den ich seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen habe, mit Originaltonspur anzusehen.

Lektüre

Project 562 | Matika Wilbur

In der letzten Ausgabe habe ich ganz vergessen, auf meine Besprechung des Buch Project 562 hinzuweisen.

Foto vom aufrecht stehenden Buch "Project 562", darauf ist eine ältere indigene Frau mit modischer Brille, kurzen grauen Haaren und traditioneller Kleidung vor einem blauen Himmel in einem Weizenfeld zu sehen.

Wer sich für die indigene Bevölkerung der USA oder überhaupt die USA interessiert, sollte dieses Buch lesen. Mit Project 562 möchte Matika Wilbur unsere Wahrnehmung der indigenen Bevölkerung Amerikas ändern. Ob ihr dies mit diesem ambitionierten und faszinierenden Projekt gelungen ist, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Tor Online

Faschistische Hobbits? Julius Evola und die rechtsextreme Adaption von J.R.R. Tolkiens Welt

Was reizt Faschist*innen wie Georgia Meloni so am Herrn der Ringe? Welche Lesarten von Tolkiens Werk lassen solche Interpretationen zu? Tobias Hof klärt uns auf.

Highlight der Woche

Einkaufen

Ich hasse, es einkaufen zu gehen. Ich hasse es wirklich. Vor allem, wenn es um Klamotten geht. Aber manchmal geht es nicht anders. Ich besitze kaum noch Hosen, die mir passen, die keine Löcher haben oder deren Knöpfe jederzeit zu gefährlichen Geschossen werden können. Während der Pandemie habe ich mir zwei Hosen bestellt, die aber nur so halbwegs passen, am Bund eigentlich etwas zu weit sind, und nur nicht runterrutschen, wenn ich sie ordentlich festbinde. Ich schicke aber auch keine bestellte Kleidung zurück, da ich weiß, dass die dann vermutlich geschreddert im Müll landet. Also ging es ins Geschäft, Hosen anprobieren. Habe auch zwei gefunden, die ganz okay sind.

Ich wohne auf dem Dorf, die nächste größere Stadt ist Koblenz. Dort bin ich als Kind immer Samstagsmorgens zum Einkaufen hingefahren. Wobei mich schon damals nur die Buchhandlungen interessiert haben (wo ich auch meine Liebe zur Fantasy entdeckt habe). Bücher kaufen ist okay, alles andere mehr als nur lästig.

Aber ich habe mir auch einen neuen Fahrradsattel gekauft. Das Mountainbike habe ich mir erst letzten Sommer zugelegt, das ist super, nur der Sattel aus recyceltem Autoreifen ist mir zu hart. Ich dachte, ich gewöhne mich mit der Zeit dran, aber es wurde nicht besser und das Sitzen darauf zur Qual. Der neue Sattel macht nach einer ersten Testfahrt letzten Donnerstag am ersten sonnigen Frühlingstag einen sehr guten Eindruck.

Zwei Fahrradsättel nebeneinander. Rechts ein gut gepolsterter auf dem Mountainbike montiert. Links ein ziemlich harter und flacher, den ich in der Hand halte.

In der Buchhandlung war ich dann natürlich auch, hätte es aber fast geschafft, sie ohne Kauf zu verlassen, bis ich auf dem Weg zu Ausgang am Ramschtisch vorbeikam. Da fand ich zwei Hardcover für sieben Euro im Angebot, die schon länger auf meiner Leseliste stehen.

Die beiden Hardcoverausgaben von "Grand Hotel Europa" und "Ocean" mit dem Titelbild nach vorne in einem Bücherregal stehend.

Aus der Pendergast-Reihe von Preston/Child bin ich nach Band 15 (Demon) von inzwischen 21 ausgestiegen, weil die Bücher immer schlechter und abstruser wurden. Zu Ocean – Insel des Grauens habe ich aber gelesen, der könne von den neuesten Bänden am ehesten noch ein wenig an das alte Feeling anknüpfen. Mal sehen.

Und Grand Europa Hotel wollte ich schon länger lesen, weil ich einfach Hotelgeschichten mag. Und es da anscheinend gar nicht so viele gute Bücher gibt, in denen der zentrale Handlungsort ein Hotel ist. Falls ihr mir Bücher empfehlen könnt, die in Hotels spielen, immer her damit.

Meine Woche: Okinonawa, Carcosa und Treckerterroristen

Mein Wochenrückblick mit Filmen wie Das Lehrerzimmer und The Terroriziers, den Serien Odd Taxi und Somebody Feed Phil, Musik von Nick Cave und Hana Vu sowie der Mini Theater Journey in Okinawa und vielem mehr.

Collage aus vier Bildern, drei kleine quadratische oben, ein großes in der unteren Reihe, alles Screenshots auf Filmen und Serien, von links nach rechts: 1. Die schreiende Hauptdarstellerin aus "Das Lehrerzimmer", 2. Szene aus "Somebody Feed Phil" in der Phil rechts im Bild in einen Bürger beißt. 3. Szene aus "The Terrorizers", Protagonistin sieht sich selbst in einer Fotocollage an der Wand, 4. Das tierische Ensemble aus der Anime-Serie "Odd Taxi" vor der nächtlichen Kulisse Tokios.

Diese Woche zeigte sich, dass es bei den anhaltenden Bauernprotesten zahlreiche Unfälle mit Verletzten gab. Doch all jene, die bei der letzten Generation schnell von Klimaterroristen sprachen, sind hier erstaunlich still, kein Wort von der Bauern-RAF oder Treckerterroristen. Dabei haben sich die, anfangs sicher noch halbwegs legitimen, Proste inzwischen zu einem hasserfüllten rechten Mob entwickelt, für den ich kein Verständnis aufbringen kann. Und während der Rechtsstaat mit hartem Knie auf den Hälsen minderjähriger, friedlicher Demonstranten kniet, wird der rechte Mob auf Traktoren vom Rechtsstaat nicht mit Quarz-, sondern mit Samthandschuhen angefasst.

Youtube

Mini Theater Journey: Sakurazaka Theater (Okinawa, JAPAN)

Weiter geht es mit der Vorstellungsreihe kleiner, unabhängiger Kinos in Japan durch das JFF bzw. die Japanese Foundation.

Okinawa ist der Teil Japans, der am ehesten an eine Südseeinsel erinnert, mit Palmen und subtropischem Klima. Das Sakurazaka Theater ist ein kleines Kino, das eine möglichst breite Bevölkerungsschicht ansprechen möchte, und kein elitäres Arthouse-Kino nur für bestimmte Gesellschaftsklassen sein will. Daneben gibt es eine interessante Bandbreite an Shops und Workshops.

Ich muss zugeben, das Kino selbst sticht jetzt nicht besonder heraus, aber Okinawa dürfte die weite Anreise durchaus wert sein. Ein Begriff ist mir die Insel-Kette natürlich schon seit meiner Kindheit, seit ich Karate Kid 2: Entscheidung in Okinawa gesehen habe. Interessant finde ich die Präfektur vor allem, weil sie erst seit 1879 Teil von Japan ist, und bis dahin das Königreich Ryūkyū war. Dementsprechend gelten die Einwohne*innen auch als relativ rebellisch und eigenwillig. Die Ryūkyū haben eine eigene Kultur und eigene Sprachen. Und ich finde es immer interessant, mehr über indigene Bevölkerungen zu erfahren. Sollte es zeitlich und finanziell machbar sein, möchte ich auf jeden Fall für ein paar Tage nach Okinawa.

Das japanische Wort für „Film“ lautet übrigens „eiga“ (えいが), ausgesprochen wird es „eega“. Das Wort für „Kino“ ist „eigakan“ (えいがかん). „Kino“ (きのう) gibt es im Japanischen auch, das heißt aber „gestern“.

Doku

Insider Deutsche Bahn

Drei Insider plaudern aus dem Nähkästchen, was die Tricks der Deutschen Bahn gegenüber den Kund*innen angeht. Durchaus interessant, auch wenn die Inspector-Closeau-Verkleidungen etwas befremdlich wirken. Die Kopfkissen an den Sitzen waren mir schon immer suspekt, wie sich zeigt, zu Recht. Die werden so gut wie nie gewechselt oder gereinigt. Das sind schwabbelige, verhaarte Keimherde.

Tja, das wollte ich eigentlich über die Doku schreiben, doch nach massiver Kritik hat das ZDF sie inzwischen aus der Mediathek genommen. Und zwar zu Recht. Was hier als vermeintliches Insider-Wissen inszeniert wurde, sind teils weithin bekannte Tatsachen. Da wird so getan, als wäre es skandalös, dass die Bahn bei Verspätungen, die von dritten Personen ausgelöst wurden, keine Rückerstattungen bezahlt. Es gibt vieles, was bei der Deutschen Bahn zu Recht kritisiert wird, aber diese Reportage wirkte doch sehr unseriös und reißerisch.

Das erstaunliche Leben der Ratten

Spannende Reportage über das Verhalten von Ratten in Metropolen wie New York und Vancouver. Mit einigen erstaunlichen Erkenntnissen. Das sind schon faszinierende Tiere, sehr intelligent und anpassungsfähig. Das „Rattenproblem“ ist übrigens menschengemacht.

ZDF-Mediathek

Artikel

Die Blicke unserer Mütter

Sehr interessanter Beitrag von Sophia Fritz darüber, wie sehr das Patriarchat auch im Blick von Müttern auf ihre Töchter verankert ist. Die permanente Suche nach „Fehlern“ im Äußeren, der ständig auf den Töchtern lastende soziale Druck.

Normalisierung und ihre Folgen

Die taz über die erneute Wahl eines AFD-Bürgermeisters und wie sehr sich das schon normalisiert hat, nachdem es beim letzten Mal noch einen medialen Aufschrei gab. Einher geht damit eine weitere Verrohung der politischen Stimmung und zunehmende Gewalt gegen Demokraten. Der AFD-Politiker hier steht dem Höcke-Flügel nahe und dürfte wohl als Rechtsextremist durchgehen, während sein Vorgänger, der lange unter rechten Anfeindungen litt, sich das Leben genommen hat.

Blogs

Warum Verfilmung einer Serie vorzuziehen wäre. Die große „Neuromancer“-Besprechung.

Da Apple kürzlich angekündigt hat, eine Serie zu William Gibsons Kultroman Neuromancer zu produzieren, hat sich Sören Heim dem Roman auf seinem Blog noch mal ausführlich gewidmet und geht vor allem auf sein sprachliches Niveau ein. Ich persönlich brauche keine Verfilmung (auch wenn mir die Gibson-Serie The Peripheral durchaus gefallen hat), da ich finde, dass in letzter Zeit schon genügend Werke alter weißer (und teils toter) Männer verfilmt wurden. Verfilmt endlich mal die aufregenden Werke jüngerer Autor*innen of Color!

Lektüre

Harmony | Project Itoh

Wo fängt der menschliche Wille an? Wo besteht er nur aus neuronalen Prozessen im Gehirn? Was macht das Bewusstsein aus? Und was wären wir ohne? In seinem Science-Fiction-Roman Harmony geht der japanische Schriftsteller Project Itoh den ganz großen Fragen der Menschheit nach.

Meine komplette Besprechung auf Lesenswelt

Farbige E-Book-Ausgabe des Romans "Harmony".

Tor Online

Sparks: Die Magie der Funken – Ein Gutachter berichtet

Was hat es eigentlich mit Manuskriptgutachten auf sich? Welche Rolle spielen sie bei Verlagsentscheidungen? Anhand unseres aktuellen Romans Sparks – Die Magie der Funken  von J. R. Dawson gewährt euch Gutachter Markus Mäurer einen kleinen Blick hinter die Kulissen.

Ein Buch, das mir sehr am Herzen liegt.

Hardcover-Ausgabe des Buchs "Sparks - Die Magie der Funken" mit dem Titelbild nach vorne in einem Bücherregal stehend.

LitRPG: Alles, was du über das Genre wissen musst

Eine Charakterklasse wählen, bei Level 1 starten, Kräuter sammeln und dann langsam hochleveln: Klingt nach einem Online-Rollenspiel, gibt es aber auch in Buchform. Ein Blick in die Welt der LitRPGs von Alessandra Reß.“

Ein sehr interessanter Artikel über ein Subgenre, über das ich bisher praktisch nichts wusste.

Filme

The Terrorizers (Kongbu Fenzi, 1986)

Relativ früher Film des taiwanesischen Regisseurs Edward Yang über eine unglückliche Ehe und einen jungen Fotografen, der von einer Frau besessen ist, die vor der Polizei flieht. Leicht kryptisch gehalten, was die Handlungsstränge angeht, die sich am Ende zwar zusammenfügen, aber nicht immer Sinn ergeben. Aber der Film setzt auch mehr auf Atmosphäre und Stimmung. Den Ausdruck eines bestimmten Lebensgefühls. Sehenswert, wenn auch kein Meisterwerk.

Mubi

American Fiction

In American Fiction stecken zwei gute Filme: ein Familiendrama über Tod und Demenz, und eine (sehr treffende) Satire auf die Buchbranche. Alles dabei richtig toll gespielt, vor allem von Jefrey Wright. Aber beides passt für mich nicht ganz zusammen. Ein unterhaltsamer Film, aber nicht ganz stimmig.

Prime

Das Lehrerzimmer

Von İlker Çatak über eine junge Lehrerin an einer neuen Schule, die eine Schulmitarbeiterin (vermeintlich?) beim Klauen filmt, was einige unschöne Ereignisse zur Folge hat, unter anderem auch, weil der Sohn der Mitarbeiterin in der Klasse der Lehrerin ist. Anfangs dachte ich noch: Och nö, 4:3 muss das sein. Aber das Format fängt das Kammerspielartige des Film, der ausschließlich an der Schule spielt, aus Perspektive der Lehrerin gut ein und sorgt für eine steigende bedrückende Beklemmung ob der Situation. Ein sehr guter Film, nur die Sache mit dem Rubiks-Zauberwürfel war mir zu viel.

Prime

Serien

Odd Taxi

Noch mal danke für den Tipp, Simone! Anime-Serie über einen Taxifahrer, der in die Angelegenheiten seiner Fahrgäste verwickelt wird, darunter eine Idol-Band, ein Comedy-Duo, Yakuza und andere Nachtgestalten. Hat eine ganz tolle Atmosphäre und erzählt originelle Geschichten. Die finale Folge ist grandios. Ach ja, alle Menschen sind Tiere.

Crunchyroll

Somebeody Feed Phil (Season 7)

Es gibt ja Leute, die können Phils kindliche Begeisterung für Essen nicht ertragen, ich finde sie wunderbar. Die Serie verursacht bei mir verlässlich gute Laune, weshalb ich nie mehr als eine Folge pro Tag schaue, da ich ein Maximum an guter Laune herausholen möchte. Die aktuelle Staffel hat gleich acht neue Folgen, in denen es nach Bombay, Kyoto, Washington, Orlando, Dubai, Taipeh, Island und Schottland geht. Vor allem die Dubai-Folge hat mich überrascht. Das ist so ziemlich der letzte Ort, an den ich mal reisen möchte, aber Phil hat ein paar interessante Flecken und Menschen in der Altstadt entdeckt, die die Stadt in einem anderen Licht erscheinen lassen. Und das ihm der superteuere mit Gold überzogenen Burger im Burj Khalifa auf den Boden fällt, ist ein wunderbares Symbol. Ansonsten sind meine Anspielstipps Kyoto, Taipeh und Bombay. Die Produktion scheint vor allem in Sachen Kamera noch mal einen Sprung nach oben gemacht zu haben, die Aufnahmen der Orte sind wunderschön. Ist aber keine Show für Veganer*innen.

Netflix

Neu im Regal

Carcosa-Memoranda

Diese Woche hatte ich ein Paket aus dem Memoranda Verlag im Briefkasten, zu dem auch das Imprint Carcosa gehört.

Fünf Bücher, drei oben, zwei unten, auf einem Tisch ausgelegt: "In fernen Gefilden" von Joanna Russ, "Schwelende Rebellion" von Leigh Brackett, "Das Einstein-Vermächtnis" von Samuel R. Delany, "Oktoberrevolutioin 1967" von Kir Bulytschow und "Die Sterne Leuchten am Erdenhimmel" herausgegeben von Sylvana Freyberg.

Die Sterne leuchten am Erdenhimmel ist eine Anthologie mit südkoreanischen Science-Fiction-Kurzgeschichten. Mein Schwerpunkt liegt zwar auf Japan, aber ich habe auch großes Interesse an Südkorea, zumal beide Länder ja auf eine lange, wenn auch turbulente, gemeinsame Geschichte zurückblicken.

Oktoberrevolution 1967 von Kir Bulytschow wurde mir von Verleger Hardy Kettlitz empfohlen. Und als alter Golkonda-Fan (vom ursprünglichen Verlag, nicht dem rechtsbraunversifften Überbleibsel, das der Europa Verlag daraus gemacht hat, siehe Thor Kunkel) bin ich natürlich sehr an Hannes Riffels neuem Projekt Carcosa interessiert, das vor allem progressive Klassiker wieder oder erstmals nach Deutschland bringt, die in den letzten Jahrzehnten leider etwas in Vergessenheit geraten sind. Von Joana Russ wollte ich schon immer mal was lesen, Gleiches gilt für Leigh Brackett.

Mehr zu Carcosa gibt es auf dem Blog von Hannes Riffel.

Musik

Nick Cave | Wild God

Neuer Song von Nick Cave. Gefällt mir. Erinnert ein wenig an das Doppelalbum Abattoir Blues/The Lyre of Orpheus, das ich sehr mag. Bin schon sehr auf das gleichnamige Album gespannt, das am 30. August erscheint.

Hana Vu | Care

Junge Singer-Songwriterin aus Los Angeles, die ich bisher nicht kannte. Toller Song. Eine ihrer EPs heißt Nicole Kidman / Anne Hathaway.

Meine Woche: Queeres chinesisches Kino, japanische Programmkinos und deutsche Empathielosigkeit

Meine Woche in Filmen, Serien, Podcasts und Youtubevideos: queeres Kino mit Spring Fever, Chungking Express bei Schöner Denken, japanische Programmkinos beim JFF, Stonehouse bei Arte und Nein in Japan.

Collage aus vier Bildern, drei quadratische kleine in der oberen Reihe, ein längliches in der unteren. Von links nach rechts: 1. Szene aus dem Film "Spring Fever" mit zwei der Figuren, die in verschiedene Richtungen schauen. 2. ein grüner Frosch mit weißem Bauch, gezeichnet von Hoji Matsumoto, blickt grimmig drein und bereite Tee zu. 3. Szene aus dem Film "The Village", eine Noh-Theateraufführung. 4. Die Fassade des kleinen japanischen Programmkinos "Theater Enya". In der Mitte die Eingangstür, rechts davon zwei Filmposter.

Der Umgang deutscher Behörden diese Woche mit dem Gedenken an die Opfer von Hanau (Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov) ist nicht nur beschämend, sondern hat auch wieder einmal gezeigt, wie kalt, empathielos und rassistisch Deutschland doch ist. Da wundert es nicht, wenn philippinische Pflegekräfte lieber woanders hingehen. Einerseits gibt es einen großen Fachkräftemangel und halbherzige Bemühungen der Politik, sie im Ausland anzuwerben, andererseits ist Deutschland sehr bemüht, Migranten und dem Rest der Welt zu zeigen, dass sie hier nicht zu Gast (oder gar zu Hause) bei Freunden sind, sondern nicht willkommen. Die Gastfreundschaft hält in der Regel nur so lange, wie man Gast mit Abreisedatum bleibt – was ja eine lange Tradition hat (Stichwort „Gastarbeiter“).

Youtube

THEATER ENYA (Saga, JAPAN) – MINI THEATER JOURNEY

Das Japanese Film Festival von der Japanese Foundation ist eine ganz tolle Sache, hat es sich doch zur Aufgabe gemacht, japanische Independent-Filme kostenlos der Welt zugänglich zu machen. Vom 5. bis zum 19. Juni wird es wieder so weit sein, dann können wir uns 23 Filme über die Webseite ansehen. Da freue ich mich sehr drauf und halte euch auf dem Laufenden.

Im letzten Jahr hat das JFF auch Videos über kleine, unabhängige Kinos in Japans gedreht, die wichtiger Bestandteil der lokalen Gemeinschaft und des Kulturlebens sind. Die sind auf Youtube verfügbar. Ich werde mir jede Woche eins ansehen und hier darüber berichten.

Karatsu ist eine Stadt mit knapp 100.000 Einwohner*innen und liegt im Süden Japans auf der Insel Kyūshū in der Präfektur Saga. Das Theater Enya entstand aus einem Film-Klub heraus als Initiative zur Wiederbelebung der Ortes. Das Kino macht einen richtig guten Eindruck, mit breiten Sitzen und viel Beinfreiheit, aber vor allem einem Team, das seine Arbeit liebt.

Ich liebe kleine Programmkinos, die aus privater oder kulturpolitischer Initiative entstanden sind und betrieben werden. Bei mir in der Nähe gibt es so was leider nicht. Aber ich hoffe sehr, bei meiner Reise nach Japan im nächsten Jahr, ein oder zwei der hier vorgestellten Kinos besuchen zu können.

Karatsu sieht richtig toll aus, mit einem historischen Stadtkern und toller Landschaft. Das habe ich direkt mal auf meine Liste der Reiseziele gesetzt. Je mehr ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir die Idee, meine Reiseroute entlang der hier vorgestellten Kinos zu planen – wobei ich erst mal noch die anderen Videos sehen muss -, statt der üblichen Touri-Strecke Tokio-Kyoto-Hiroshima-Osaka zu folgen.

Japaner sagen nie Nein

Senpai von Senpai in Japan erzählt in einem kurzen Video, warum man von Japaner*innen so gut wie nie ein klares „Nein“ zu hören bekommt. Ich habe da auch schon meinen Erfahrungen mit gemacht. Vor ca. 20 Jahren hatten wir einen japanischen Mitbewohner namens Takumi im Studentenwohnheim in Siegen. Der hat Physik studiert, sprach aber kein Wort Deutsch und so gut wie kein Englisch. Wie er an der Uni kommuniziert hat, ist mir ein Rätsel, vermutlich in Mathematik. Jedenfalls haben wir an einem Abend mit der Etage Pizza gebacken, zwei Bleche, dick mit Paprika belegt. Und wir haben Takumi gefragt, ob er nicht mitessen wolle. Und als alle schon vollgefressen waren, aber noch Pizza übrig, fragten wir ihn, ob er noch ein Stück wolle. Was er bejahte. Und dann fragten wir wieder, und wieder nickte er. Usw. Bis er schon ganz grün im Gesicht wurde und mir einfiel, dass es in Japan ja als unhöflich gilt, nein zu sagen, wenn man etwas angeboten bekommt. Was ich dann anmerkte, und zu Takumis Glück hat niemand mehr gefragt.

Film Critisism is Dead

Eine Weile lang habe ich die Filmkritiken von Chris Stuckman ganz gerne gesehen, aber nachdem er selbst einen Film gedreht hat, ist der Teil mit der „Kritik“ bei im wohl verloren gegangen. Der kleine Youtube-Kanal Reel Shift arbeitet gut heraus, warum eine Filmkritik die einen Film negativ bewertet, eine Bewertung des Produkts bzw. Werks ist, und kein Angriff auf die beteiligte Kreativen. Stuckman weigert sich, Madame Web zu besprechen, weil er lieber nichts sagt als etwas Negatives. Das ist im Prinzip der Tod der Filmkritik, damit wird nur ein System befördert, in dem Studios schlechte Produkte veröffentlichen können, ohne dafür kritisiert zu werden.

Stuckmann kann natürlich machen, was er möchte, aber damit ist er für mich in Sachen Filmbesprechungen uninteressant geworden. Auf meiner Seite lesenswelt.de bespreche ich selbst fast nur Bücher, die mir gut gefallen haben. Das liegt vor allem daran, dass ich Bücher, die mir nicht gefallen, in der Regel abbreche. Denn ich verdiene kein Geld mit dem Verfassen von Kritiken, Bücher lese ich also nur zum privaten Vergnügen. Ein schlechter Film verschlingt jetzt nicht so viel Lebenszeit wie ein Buch, den schaue ich dann meist auch zu Ende und ab und zu äußere ich mich auch dazu hier auf dem Blog.

Podcasts

Kapitel Eins: Kaputter Kindle, umstrittener Hugo, dunkler Turm

Falls ihr euch fragt, was da bei den Hugo Awards los ist, aber keine Lust habt, Artikel auf Englisch zulesen, empfehle ich euch die aktuelle Ausgabe des Buchpodcasts Kapitel Eins, in der Falko Löffler und Jochen Gebauer das Ganze aufdröseln.

Chungking Express bei Schöner Denken

Der Japanuary-Veranstalter Schöner Denken hat sich Chungking Express im Kino angesehen und die unmittelbaren Eindrücke direkt nach der Vorstellung zu Protokoll gegeben. Schöner Denken ist ein Kollektiv aus mehreren Personen, von denen hier drei vertreten sind. Und Thomas Laufersweiler sagt, er habe nicht nur diesen Film zum ersten Mal gesehen, sondern überhaupt erstmals einen Film von Wong Kar-Wei. Ein wenig beneide ich ihn darum, dessen Werke noch ganz neu entdecken zu können, während ich sie schon als Teenager und junger Erwachsener gesehen habe. Wobei der große Rewatch in den letzten zwei, drei Jahren bei mir auch ein Art Neuentdeckung war, habe ich die Filme doch 25 Jahre später mit ganz anderne Augen gesehen.

Filme

Spring Fever (Chūnfēng Chénzuì de Yèwǎn, 2009)

Ein weiterer Film von Lou Ye, kürzlich besprach ich hier schon Suzhou River. Spring Fever beginnt direkt mit einer homosexuellen Sexszene, was die Zensoren in China nicht gefreut haben dürfte. Da Ye sowieso schon mit einem fünfjährigen Berufsverbot belegt war, dürfte ihm das aber egal sein. Spring Fever ist ein tragischer Beziehungsfilm, in dem ein verheirateter Mann eine Affäre mit einem anderen Mann anfängt, seine Frau das aber herausbekommt, und von da an wird der Film tragisch.

In den ersten beiden Dritteln konnte ich der Handlung nicht immer ganz folgen und fand sie stellenweise etwas langatmig, im letzten Drittel wird sie aber richtig schön, bis es dann noch mal eine Szene gibt, der ich nicht ganz Folgen konnte. Trotzdem ein guter Film, der der LGBTQ+-Szene in China viel Platz einräumt und interessante Einblicke liefert. Klar, aus Hongkong gibt es das schon länger, ich erinnere nur an den tollen Happy Together, aus China habe ich so einen Film aber noch nicht gesehen. Der chinesische Titel bedeutet übrigens „The Night Deeply Drunk on the Spring Breeze“.

Homosexualität ist in China übrigens nicht strafbar oder irgendwie verboten. Gerne gesehen in Film und Fernsehen von staatlicher Seite aber wohl auch nicht. Das Verhältnis der Kommunistischen Partei zu Queernes gilt als ambivalent. In sozialen Netzwerken wie Weibo wird queerer Content wohl immer wieder mal gelöscht. In einer Gesellschaft, die noch stark auf den Ruf der Familie und eine gute Ehepartie ausgerichtet ist (wenn auch nicht so stark wie in Japan oder Südkorea), dürfte der soziale Druck auf queere Menschen ziemlich hoch sein. Ich kenne mich aber auch nicht wirklich aus.

Mubi

The Village (ヴィレッジ, 2023)

Als ich den Film angefangen habe, wusste ich nichts über ihn. Ich habe auf Netflix einfach »japanese movies« eingegeben, und ausgewählt, was halbwegs nach Thriller aussah. Ist aber eher ein Provinzdrama über ein Dorf, das im Schatten einer Müllverbrennungsanlage und der angrenzenden Mülldeponie steht, die in einem Strudel aus illegaler Müllentsorgung, Korruption und Gewalt versinkt. Mittendrin der junge Mann Yuu, der die Spielschulden seiner Mutter auf der Deponie abarbeitet. Er wird vom Dorf ausgegrenzt, weil sein Vater ein Verbrechen begangen haben soll, und vom Dorfbully gemobbt. Doch als seine Jugendfreundin ins Dorf zurückkehrt, geht es aufwärts, sie hilft ihm, zum Aushängeschild der Deponie und des Dorfes zu werden. Ein Aufstieg, der zu einem noch tieferen und dramatischeren Fall führt.

Regisseur Michihito Fujii (A Family) ist ein sehr gutes Drama über die Abgründe der Provinz gelungen, das zeigt, was solche toxischen Verflechtungen mit einem Menschen machen können. Das Ganze ist in eleganten Bildern gefilmt, und wird von faszinierenden Nō-Theater-Aufführungen geschickt eingerahmt.

Aufgepasst! Es gibt noch eine Post-Credit-Szene, wenn noch 1:26 Min. übrig sind.

Netflix

The Adults

Ich habe seit jeher eine große Schwäche für Homecoming-Geschichten, also Bücher, Serien und Filme (vor allem amerikanische) in denen jemand nach vielen Jahren in die alte Heimat zurückkehrt, die alten Freund*innen trifft, sieht, was sich verändert und wie man sich selbst entfremdet hat. So ähnlich geht es dem von Michael Cera gespielten Protagonisten in The Adults. Er besucht seine beiden Schwestern, die er drei Jahre lang nicht gesehen hat. Die jüngere himmelt ihn an, die ältere ist sauer auf ihn, weil sie glaubt, er hasse sie.

Ich wollte den Film wirklich mögen, er hat seine Momente, eine interessante Beziehungskonstellation und ein schönes Ende, aber er nervt auch tierisch. Zum einen wird viel Poker gespielt, was ich überhaupt nicht ausstehen kann, zum anderen reden die Geschwister ständig in verstellten Stimmen in eine Art geschwisterlicher Geheimsprache miteinander, was beim ersten Mal noch nett ist, bei zweiten Mal auch, danach aber nur noch nervt. Ist auch alles ähnlich träge inszeniert, wie Michael Cera immer spielt. Hat mir leider nicht gefallen.

Serie

Stonehouse

Gute dreiteilige Mini-Serie basierend auf der wahren Geschichte des britischen Parlamentsabgeordneten John Stonehouse, der für die Tschechoslowakei spionierte, seinen eigenen Tod vortäuschte, sich dabei aber wenig geschickt anstellte und eine Regierungskrise im Vereinten Königreich auslöste. Ist eher humoristische-satirisch inszeniert und zeigt gut auf, was für ein alberner Zirkus das britische Parlament teilweise ist. Mit ganz tollen Darsteller*innen.

Worüber ich mich freue

Meine neue Schlafzimmertürdekoration. Ich habe lange nach einem Poster oder Kunstdruck für meine Schlafzimmertür gesucht, an der alten hing jahrelang ein Ghostbuster-Poster. Aber ich wollte etwas aus Japan. Die drei grimmigen Frösche vom geheimnisvollen Hoji Matsumoto passen perfekt, da wir auch jedes Jahr Frösche im Teich haben, die ich leidenschaftlich gerne beobachte und fotografiere.

Eine weiße Zimmertür neben orangenfarbener Tapete. An der Tür befinden sich drei Drucke von gezeichneten Fröschen, die grimmig dreinblicken. Ein Bild oben links, eines in der Mitte und eines rechts unten unter dem Türgriff. Der Frosch in der Mitte bereitet einen Teezeremonie vor.

Mir ist übrigens bewusst, dass die drei Bilder nicht ganz gleichmäßig an der Tür hängen. Da ist Absicht. Perfekte Symmetrie finde ich langweilig. Ich mag es, wenn es fast, aber nicht ganz perfekt passt. Wenn es ein klein wenig schief ist und etwas aus dem Rahmen fällt.

Tor Online

Die 10 besten Romantasy-Bücher

Liebe in Zeiten der Fantasy. Ist Romantasy mehr als nur toxische Beziehungsmuster? Christian Handel stellt uns die zehn besten Romane des Genres vor.

News: Invincible – Die Superheldenserie kehrt im März zurück

Mit der aktuellen Ausgabe feiern meiner SFF News auf Tor Online siebenjähriges Jubiläum. Als ich Anfang 2017 mit dem Verlag telefonierte und gefragt wurde, ob ich nicht eine News-Rubrik für Tor Online übernehmen wolle, ähnlich meinen Phantastischen Netzstreifzügen auf meine Blog Translate Or Die, hatte ich erst keine Lust, da ich zu dem Zeitpunkt schon ein halbes Jahr lang keine Phantastik gelesen hatte und mir die Aussicht, regelmäßig über die neuesten Marvel-Blockbuster zu berichten, wenig verlockend erschien. Aber ich wollte auch den Kontakt zum Verlag halten, also habe ich zugesagt. Damals hieß es, es sei erst einmal ein Testballon und wir würden schauen, ob und wie es funktionieren würde. Ich hätte nicht gedacht, dass es länger als sechs Monate laufen würde.

Die erste Ausgabe der News gibt es nicht mehr, die ist beim Umzug verloren gegangen, ich weiß aber noch, dass es darin eine Meldung zum Tode des Mangaka Taniguchi Jiro gab, dessen großartiger Zeitreise-Manga Vertraute Fremde ich just zu diesem Zeitpunkt las. Und dass ein Autor stirbt, während ich eines seiner Bücher lese, ist mir auch noch nicht passiert, weshalb es mir in Erinnerung geblieben ist. Erstellt wurde die Ausgabe im Berliner Büro von Fischer Tor (alle anderen dann im Homeoffice).

Und hier sind wir jetzt, sieben Jahre später. Anfangs erschienen die News dreimal die Woche, bei manchen Meldungen war ich echt auf Zack und habe sie zeitnah bringen können. Als ein neuer Star-Wars-Trailer für Freitagnachmittag 17.00 Uhr angekündigt wurde, habe ich mit der Veröffentlichung der Ausgabe extra bis dahin gewartet, damit wir mit die Ersten sind, die ihn in Deutschland bringen.

Mir war es immer wichtig, neben Film- und Serien-Trailern auch auf interessante Artikel hinzuweisen, auf Videoessay, Veranstaltungen usw. Die News sollten eine Mischung aus Mainstream und Nische abdecken. Kultur und Unterhaltung.

Irgendwann wurden aus den drei Ausgaben zwei, und schließlich nur noch eine. Der News-Zyklus hat sich deutlich entschleunigt. Inzwischen sind die SFF News eher ein Newsletter, der die meiner Meinung nach interessantesten Meldungen der letzten Tage zusammenfasst. Der Fokus liegt nicht mehr so stark auf Film-Trailern, denn die ziehen gar nicht mehr so stark wie in den ersten Jahren. Während der Pandemie hat sich das stark verändert. Früher habe ich, wenn es ging, einen Blockbuster-Trailer als Aufmacher mit Teaserbild und Überschrift genommen, das brachte immer ordentlich Klicks. Jetzt ziehen nicht einmal mehr Trailer zu den größten Blockbustern wie Dune und Co. wenn ich es schaffen, sie zeitnah zu bringen. Das hängt sich auch mit der sinkenden Reichweite auf den sozialen Netzwerken zusammen, wo ich die News immer verlinke.

Bei Facebook konnte ich schon während der Pandemie beobachten, wie die Reichweiten deutlich zurückging, Twitter ist seit Musks Übernahme praktisch tot. Dafür tut sich jetzt was auf Bluesky, wo wir auch einen Account haben, und erstaunlich viel auch auf Mastodon, wo ich aber nur über meinen Privat-Account verlinke.

Seit Januar 2020 mache ich nicht nur die SFF-News, sondern auch das CMS-Management für Tor Online; Artikel habe ich sowieso die ganze Zeit schon geschrieben. Und seit 2021 bin ich auch im Prinzip der leitende Redakteur, überlege mir Themen, akquiriere Autor’innen, bespreche mit unseren Stamm*autorinnen neue Themen, nehme die fertigen Artikel entgegen, redigiere sie, plane und baue sie ein und veröffentliche sie. Alles in Absprache mit dem Lektor von Fischer Tor.

Meine Woche: FCKAFD, Mob gegen die Grünen und gefährdete Kunst in Hongkong

Heute beginne ich meinen Wochenrückblick mit einem politischen Rant. Dazu gibt es eine sehenswerte Doku über Kunst und Freiheit in Hongkong, einen berührenden und erschreckend Artikel einer Mutter über den Einfluss von rechten Podcasts auf ihren Sohn, das Zeitalter der Überraschungen und etwas Notalgie mit Super Mario.

Collage aus vier Bildern, drei kleine quadratische in der oberen Reihe, ein längeres in der unteren: Von links oben nach rechts unten: 1.Luftaufnahme der Protesten in Hongkong eine Menschenmasse steht um den Schriftzug "Free Hong Kong, Democracy Now" herum.
2. Foto von NES-Mini und SuperNES-Mini nebeneinander.
3. Szene aus dem Trailer zum Film "Super Mario Bros." Mario und Luigi stehen nebeneinander und geben sich einen Fistbump
4. Die Bücher aus meinem Foto (siehe unten) zu Neu im Regal.

Meine persönliche Woche verlief wieder völlig ereignislos und uninteressant (genau so, wie ich es mag 😉 ). Was von der politischen Woche leider nicht gesagt werden kann. Die Proteste der Bauern sind jetzt wohl endgültig zum rechten Mob mit Fackel und Forke verkommen. Die Verrohung ist erschreckend, die jeder Grundlage entbehrende Hetze gegen die Grünen und einzelne Politiker*innen ebenso. Ein Teil unserer Gesellschaft steht anscheinend kurz davor, zur SA-Schlägerbande zu verkommen.

Und da fällt den Redaktionen der Öffentliche-Rechtlichen nichts Besseres ein, als noch mehr AFD-Politiker*innen einzuladen, um deren rechtsextremen Positionen eine Plattform zu bieten, wodurch diese immer mehr im Zuge einer Diskursverschiebung nach rechts in der sogenannten gesellschaftlichen Mitte verankert werden. Bei Maybrit Illner gab es am Donnerstag die volle populistische Breitseite mit Jens Spahn, Sahra Wagenknecht und Beatrix von Storch. Und Illner glaub wahrscheinlich immer noch, dass sie mit dieser »gesellschaftlichen Meinungsvielfalt« die Demokratie hochhält und die Rechten thematisch stellt und entzaubert, in Wahrheit aber genau das Gegenteil erreicht.

Ich habe auch vieles inhaltlich an der Politik der Grünen zu kritisieren, aber eben auf einer sachlichen Ebene. Wer weiterhin unqualifiziert gegen die Grünen jenseits aller Fakten ablästert, wird von mir in den sozialen Medien geblockt. Denn ein Teil unserer Gesellschaft hat sich von jeglicher faktenbasierter und sachlich-inhaltlicher Debatte entfernt. Da bringt Diskutieren nichts mehr. Solchen Menschen muss man jegliche Plattform entziehen. Alles andere gießt nur Öl ins Feuer.

Artikel

Einer der erfolgreichsten Podcasts impft unsere Kinder mit radikalem Gedankengut – und keiner kriegt’s mit

Jugendliche heute schauen bestimmt nicht Maybrit Illner oder andere Talkshows im Fernsehen, die hören sich eher Podcasts an. Z. B. Hoss und Hopf, wie der Sohn einer Stern-Redakteurin, die sich entsetzt darüber wundert, warum der plötzlich rechte Parolen von sich gibt. Ein eindrucksvoller und erschreckender Beitrag.

The 2023 Hugo Nomination Scandal Gets Worse

Und sind die Anti-Demokraten erst mal an der Macht, müssen sie ihre oppressiven Zensurmaßnahmen oft gar nicht selbst ausführen, das machen wir dann schon oft selbst in vorauseilendem Gehorsam, wie z. B. die jüngsten Entwicklungen im Hugo-Skandal zeigen. Was da lost ist, beim einstmals wichtigsten Preis der englischsprachigen Phantastikszene erklärt uns Cora Buhlert.

Das Zeitalter der bösen Überraschungen

Diese Woche gab es wieder eine neue Studie zum möglichen Versiegen des Golfstroms, die erneut erschreckende Szenarien entwirft. Warum das eben nicht einfach eine weitere Studie von vielen ist und uns einigen böse Überraschungen bevorstehen, erklärt der stets lesenswerte Lars Fischer in Spektrum der Wissenschaft. Und je schlimmer uns die Klimakrise trifft, desto schlimmer werden jene Probleme, die die Menschen in die Arme von Populisten treibt, obwohl eigentlich das Gegenteil wichtig wäre. Hängt alles mit allem zusammen.

Dokus

Hongkong – Zensur. Protest. Kunst.

Apropos China und Zensur. Das hier ist eine ausgezeichnete Reportage über Kunst und Aktivismus in Hongkong, die zeigt, wie dystopisch die Zeiten dort geworden sind, dass der Protest aber trotz Hunderttausender ins Exil Geflohener nicht gänzlich verstummt ist und kritische Kunst zumindest verschlüsselt noch möglich ist.

Hongkong war bis 1997 britische Kronkolonie und damit keine Demokratie. Aber es herrschte Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit. Die Briten haben es versäumt, Hongkongs Bevölkerung und Politiker*innen mit in die Rückgabeverhandlungen mit China einzubeziehen oder sie in die Unabhängigkeit zu überlassen. Dass die garantierte Autonomie bis 2047 nicht das Papier wert ist, auf dem es steht, haben wir in den letzten Jahren erleben können. In Hongkong zeigt sich, wie erschreckend es ist, wenn eine einst freie Gesellschaft von einer Autokratie übernommen und zerstört wird. Taiwan schaut hier ganz genau hin.

Arte-Mediathek

Der Regisseur dieses Films Kiwi Chow kommt in der Reportage ausführlich zu Wort.

Filme

Zhao, der Unbesiegbare (King Boxer/Tian xia di yi quan, 1972)

Da hat Quentin Tarantino also diesen dramatischen Sirenensound in Kill Bill her. Wieder was gelernt. Im Vergleich zu den letzten beiden hier besteprochenen Shaw-Brother-Filmen (Das Schwert der gelben Tigerin und One Armed Swordsman) ist der hier schon deutlich fortgeschrittener, was die Inszenierung der Kämpfe angeht, die finden auf einem anderen Level statt. Ansonsten ist es halt der übliche Kram über verfeindete Kampfkunstschulen, die sich bitter bekämpfen. Und das auf ziemlich brutale Weise, hier werden Augen mit Fingern ausgestochen. Lohnt sich vor allem wegen der Kämpfe und aus filmhistorischen Gründen.

Super Mario Bros. Movie

Unterhaltsame Portalfantasy über zwei Schluffis aus Brooklyn, die mit einer Prinzessin ein Fantasykönigreich vor dem bösen Thanos äh Bowser retten müssen und dabei über sich hinauswachsen.

Ich muss gestehen, dass ich sehr skeptisch war, halte ich doch die erste Verfilmung mit Bob Hoskins für ein anarchistisches Meisterwerk, das mit seiner subversiven Kritik an Franchises und Marken, indem es sie einfach völlig ignoriert und sein eigenes Ding durchzieht, seiner Zeit voraus war.

Doch der Film hat bei mir genau die richtigen Nostalgie-Knöpfe gedrückt, bin ich doch, wie so viele, mit Super Mario aufgewachsen. Meine erste Konsole, da muss ich in der vierten Klasse gewesen sein, war das NES mit Super Mario 1, Teil 2 (der eigentlich gar kein Super Mario war) und dem phantastischen Teil 3, den ich mit seiner Kreativität und dem Abwechslungsreichtum geliebt habe. Ebenso wie Super Mario World auf dem SNES. Das war dann auch schon mein letztes klassisches Super-Mario-Spiel, ich habe mir zwar noch die N64 gekauft, aber ohne Mario. Mario Kart 64 und Mario Party hingegen habe ich mit meinen Freunden damals rauf und runter gespielt. Das letzte Mal auf der Wii, die ich aber nicht selber hatte. Zuletzt habe ich die alten Spiele dann auf dem NES-Mini und dem SNES-Mini gespielt und mich wieder fast wie ein Kind dabei gefühlt. Hätte aber auch echt mal Lust, Super Mario Wonder auf der Switch zu spielen, da das echt gut aussieht und sehr originell zu sein scheint.

Der Film ist mir fast zu kurz und hektisch geraten, der hätte sich ruhig etwas mehr Zeit in der Röhrenwelt nehmen können. Als kurzweiliger Spaß aber sehr sehenswert, nur die Musikauswahl mit den üblichen alten Kamellen von AC/DC und den Beastie Boys ist doch sehr langweilig geraten.

Ach ja, mit dem Japanuary mache ich einfach weiter, und bespreche das ganze Jahr lang regelmäßig japanische Filme. Diese Woche war Stray Dog von Kurosawa Akira dran. 218 wurden übrigens insgesamt im Japanuary besprochen. Die könnt ihr jetzt alle hier nachlesen.

Tor Online

Folgt dem weißen Kaninchen: Bücher, die aus der „Patrix“ führen

Populismus, Autokratie, Diktatur, Rechtsextremismus, das alles funktioniert innerhalb eines Systems, dass wir bei der Beschäftigung mit diesen Themen oft aus den Augen verlieren. Sie gedeihen im Patriarchat. In der letzten Woche stellte uns Judith Vogt einige Sachbücher zu diesem Thema vor, in dieser Woche sind des Science-Fiction- und Fantasy-Romane, die zeigen, wie es auch ohne die „Herrschaft des Vaters“ gehen kann.

Meine Lektüre

Eigentlich will ich keine Bücher bekannter, erfolgreicher weißer Autoren mehr bessprechen, aber Der Weg der Wünsche von Patrick Rothfuss hat es mir einfach angetan, denn so etwas jenseits aller Genreklischees und Tropen gibt es nur selten in Buchform zu lesen. Entschleunigt und voller Poesie.

Neu im Regal

Die im Text unten erwähnten Bücher in genau dieser Reihenfolge von links nach rechts auf einem Tisch mit den Covern nach vorne aufgestellt.

Ralf Langroth heißt eigentlich Jörg Kastner, und von dem habe ich schon ein paar gute Thriller mit historischen Themen gelesen, und Band 1 Die Akte Adenauer fand ich auch sehr gut und spannend. Weshalb ich schon auf Ein Präsident verschwindet gespannt bin, wo es um die Geschichte von Verfassungschutzpräsident Uwe John geht.

Zu Sparks von J. R Dawson wird es noch einen eigenen Blogbeitrag geben, wenn es am 28. Februar erscheint. Das Buch wurde vom Verlag auf meine Initiative eingekauft. Die deutsche Ausgabe ist richtig schick geworden, ein echter Hingucker in der Buchhandlung, und das Buch ist sowieso großartig.

Von Keitu Gakus Boys Run The Riot habe ich bereits Band besprochen.

Inspector Mouse von Caroline Ronnefeldt werde ich demnächst rezensieren. Aber sieht diese Ausgabe mit dieser tollen Covergestaltung nicht einfach großartig aus! Für mich das beste Cover, das ich seit langem gesehen habe.

Ebenfalls besprechen werde ich Der nasse Tod von Kenzaburō Ōe, der meinen Einstieg in die Klassiker der japanischen Literatur sein soll.

Musik

Lambrini Girls

Musik gibt es diese Woche von den Lambrini Girls, efrischender, politischer Post-Punk aus Großbritannien.

Foto der Woche

Seit zwei Wochen sind die Zugvögel bei uns wieder unterwegs.

Zugvögel in V-Formation am blauen Himmel

Der Weg der Wünsche | Patrick Rothfuss

Also wenn so was dabei rauskommt, darf Patrick Rothfuss von mir aus gerne weiter Novellen schreiben und Band 3 der Königsmörder-Chronik ignorieren.

Gebundene Ausgabe von "Der Weg der Wünsche" mit dem Cover nach vorne in einem Bücheregal stehend.

Ein Tag im Leben von Bast

Bast lebt und arbeitet bei einem gewissen Reshi im Gasthaus, weil da tagsüber aber wenig zu tun ist, stromert er durchs Dorf und dessen Umgebung, macht es sich unterm Blitzbaum gemütlich und nimmt dort Geheimnisse von Kindern im Austausch für Gefallen entgegen und wirbelt so das Dorfleben gehörig durcheinander.

Es scheint, als wäre Bast ein kleiner Puck, der allerlei Schabernack treibt, in den Tag hinein lebt und moralisch wenig Skrupel aufbringt. Doch, ohne Spoilern zu wollen, steckt mehr hinter Bast, als es den Anschein hat. Kann er wirklich Magie wirken, Flüche aussprechen und hat er schon mal Fae getroffen?

Die Kinder sind natürlich fasziniert von ihm, suchen seine Hilfe und werden zu seinen Helfern. Doch alles hat seinen Preis, hier wird verhandelt wie um eine Flasche in Das Leben des Brian; jede Äußerung, jede Formulierung muss genau überdacht werden. Als würden hier Unterhändler über Frieden im Nahen Osten verhandeln. Ein Fehltritt und die Folgen sind unabsehbar.

Das hier ist keine Fantasygeschichte, in der gekämpft oder wild herumgezaubert wird, es gibt keine dunkle Bedrohung, keinen bösen Herrscher, keine offensichtliche Quest zu erfüllen. Wir begleiten Bast einfach durch den Tag und bis in die Nacht hinein. Aber wie das geschieht, mit welcher Liebe zum Details, voller Poesie und einem Blick für die kleinen Dinge und das Zwischenmenschliche, das ist schon große Kunst.

Die Novelle ist sehr vielschichtig und spricht so einige Themen und Problematiken an, die auch heute noch aktuell sind, während sie andere Sachen wie selbstverständlich einwebt – also genauso, wie es sein sollte.

Deshalb würde ich das Buch durchaus der progressiven Phantastik zuzählen, wenn die auch nur in kleinen Momenten eingestreut wird. Dass sich bei Amazon Leser über den Woke-Wahn aufregen, ist ein deutliches Anzeichen dafür. Und die ewig gestrigen Meckerer sollen halt weiter ihren John Norman lesen.

Mir hat Der Weg der Wünsche richtig Spaß gemacht, und das hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Denn während ich The Name of the Wind (Im Original vor Erscheinen der deutschen Ausgabe gelesen) – bis auf die Drachenepisode – großartig fand, bin ich bei The Wise Men’s Fear auf Seite 596 hängen geblieben und habe es bis heute nicht weitergelesen. Entsprechend schmerzt mich das Warten auf Band 3 nicht. Wie eingangs schon erwähnt, würde ich viel lieber mehr solcher abgeschlossener Novellen von Patrick Rothfuss lesen.

Disclaimer: Ich habe das Buch vom Übersetzer erhalten, dem ich bei einer nerdigen Frage zum Nachwort helfen konnte, und den ich schon seit einem Übersetzungsseminar 2011 – das er leitete und aus dem am selben Abend noch dieser Blog hervorgegangen ist – und durch einen gemeinsamen Freund – durch den ich überhaupt erst zum Übersetzen kam – kenne. Dass sich diese Übersetzung von Jochen Schwarzer ganz hervorragend liest, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen.