„The Social Dilemma“: eine Doku, die ihr sehen solltet

»The Social Dilemma« ist eine ausgezeichnete und sehr beängstigende Dokumentation auf Netlix, darüber, wie perfide und destruktiv uns das Internet und vor allem soziale Medien manipulieren. Wie sie die Gesellschaft spalten und die Demokratie zerstören, weil die meisten nur noch Informationen und Desinformationen aus der eigene von Algorithmen bestimmten Filterblase erhalten und gar nicht mitbekommen, dass andere Menschen ganz andere Sachen vorgesetzt bekommen. Ganz gleich ob in der Facebook-Timeline oder in der Google-Suche.

Darüber, wie soziale Netzwerke und Apps über Belohnungssysteme und Endorphinausschüttung unser Suchtverhalten triggern. Wie sie sie seit 2010 die Suizidrate unter Jugendlichen in den USA massiv ansteigen lassen. Und wie sie am Ende zur Zerstörung unseres Planeten führen, weil niemand mehr die Wahrheit und an die Wahrheit glaubt, und klare Fakten für Lügen hält.

Alles davon ist eigentlich bekannt (zumindest in meiner Filterblase), wirkt aber hier noch mal auf kompakte, verständliche und drastische Art von eben jenen Leuten präsentiert, die diese sozialen Netzwerke und Algorithmen mitentwickelt haben.

Es gibt natürlich auch viel Positives, was das Internet und die sozialen Netzwerke hervorgebracht haben, aber durch ihren jüngsten Einfluss auf den Aufstieg zahlreicher Populisten an die Regierungsmacht ihrer jeweiligen Ländern, und wie effizient und effektiv autokratische Regierungen wie Russland und China sie zur Desinformation und Unterdrückung und für Propagandazwecke nutzen, zeigt sich, dass die negativen Folgen inzwischen massiv überwiegen. Und zwar jetzt und hier, und nicht der fiktiven Zukunft einer »Black Mirror«-Folge.

Wer das hier liest, sollte sich die Doku auf jeden Fall ansehen.

Ich werde ab jetzt zumindest mal den Samstag zum komplett Internetfreien Tag bei mir machen. Und mich noch mehr mit dem Thema beschäftigen.

Kleiner Filmtipp (Underdogs): Dawg Fight

Dawg Fight ist eine Dokumentation über Hinterhofkämpfe im zu Dade County gehörenden Viertel West Perrine in Florida. Ein Viertel, in dem große Armut herrscht und 73 Prozent der Bewohner Afroamerikaner sind. Und für diese Bewohner organisiert der MMA(Mixed-Martial-Arts)-Kämpfer Dada 5000 illegale Hinterhofkämpfe zwischen mal mehr, mal weniger durchtrainierten Männern aus dem Viertel. Es gibt einen improvisierten Ring, Dada als Ringrichter und nur wenige Regeln. Gekämpft wird »bare-knuckled«, also ohne Handschuhe. Dabei geht es ganz schön brutal zur Sache und kommt immer wieder zu ernsthaften Verletzungen. Der Begriff »backyard-brawl« passt wohl am besten, da es sich oft um wilde Raufereien unprofessioneller Kämpfer handelt. Die Untrainierten verletzen sich an der Hand, weil sie nicht wissen, wie man richtig zuschlägt, oder sie erleiden heftige Kopfverletzungen, da eben ohne Handschuhe gekämpft wird.

Dada versteht die Organisation dieser Kämpfe als »community work«, also praktisch als Sozialarbeit in seinem Viertel. Er gebe den Kämpfern einen Grund auf Hoffnung, ein Ziel, etwas, woran sie glauben können. Der Traum: als professioneller MMA-Kämpfer Geld verdienen. Und einige schaffen das tatsächlich. An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass ich (obwohl Kampfsportfan) kein großer Fan von MMA-Kämpfen bin, diese aber für weniger gefährlich halte, was schwere Verletzungen angeht, als Boxen, was von einigen Studien auch bestätigt wird. Auch wenn es nicht so aussieht, sind die Handschuhe beim MMA besser gepolstert als beim Boxen, und da häufig Hebel und Klammergriffe angewendet werden, gibt es nicht so viele direkte Treffer auf den Kopf. Auch wenn es brutaler aussieht, als beim Boxen.

Aber was da auf den Hinterhöfen stattfindet, ist brutal, illegal und unsicher. Es gibt keinen Ringarzt, und wenn jemand dabei stirbt, kommt auch der Veranstalter wegen Mordes ins Gefängnis. Wer eine Karriere als professioneller MMA-Kämpfer machen will, darf sich nicht bei solchen Hinterhofkämpfen erwischen lassen, da er sonst seine Lizenz verliert.

Ich hätte mir von dem Film gewünscht, dass er etwas mehr auf die Biografien und Lebensumstände der einzelnen Kämpfer eingeht. Stattdessen wird viel Zeit auf eine martialische und (dank der Musikuntermalung) pompöse Inszenierung der Kämpfe gelegt. Dada meint, auf diese Art könnten diese jungen Männer ihre Aggressionen und ihren Ärger in den Ring tragen und dort loswerden. Eine aggressive Stimmung herrscht auch beim Publikum, wenn da ältere Damen und kleine Kinder blutdürstig danach rufen, dass ihr Favorit seinen Gegner alle machen solle.

Die Polizei lässt die Kämpfe übrigens laufen, da es, wenn Dada wieder was organisiert, weniger Ärger auf der Straße gebe. Das war zumindest 2009 so, als der Film gedreht wurde, inzwischen soll sich das geändert haben, wie Regisseur Billy Corbern in einem sehr interessanten Interview auf Rollingstone.com erzählt. Der Film hat auch sehr lange keinen Verleih gefunden, bis sich Netflix in diesem Jahr erbarmt hat.

Trotz der teils martialischen Inszenierung und der grafisch stilisierten Gewalt, liefert der Film einen interessanten Einblick in eine Parallelwelt am Rande der Gesellschaft, in der Menschen, die teils auf der Strecke geblieben sind, ihre Hoffnung in eine gefährliche Tätigkeit stecken.

Einer der Kämpfer (der Publikumsliebling) wurde zur Zeit der Dreharbeiten übrigens erschossen, was aber nichts mit den Kämpfen zu tun hatte. Ein weiterer starb kurz nach den Dreharbeiten während einer Verhaftung, als die Polizei mit Pfefferspray und Tasern gegen ihn vorging.