Meine Woche 28.01.2023: Tätowierte Helden, Schöpfer und Außenseiter

Meine Woche in Filmen, Dokus, Artikeln und Youtube-Videos. Neo-Noir in Shanghai, Tätowierungen in Japan, Coppolas The Outsiders, Edwards The Creator und die Frage, ob SF-Autor*innen heute weniger subtil schreiben

Collage aus vier Screenshots. Oben drei kleine quadratische in eine Reihe, unten ein großes rechteckiges: Von oben links nach rechts bis unten: Das Kind aus "The Creator" lächelnd, eine Horimono-Tätowierung über einen gesamten Rücken, Ralf Macchio in "The Outsiders" und die beiden Hauptfiguren aus "Suzhou River" mit Helmen ohne Visier auf einem Motorrad im Seitenprofil.

Die letzten beiden Wochen haben mich überrascht. Vor allem, wie viele Menschen an so vielen Orten gegen die AFD und den Rechtsruck in diesem Land auf die Straße gegangen sind. Bisher war mein Eindruck, dass ein Großteil der Bevölkerung tatsächlich wie „Schlafschafe“ durch das zunehmende Erodieren der Demokratie schlurfen. Ich hoffe, dass das Momentum anhält und eine breite Bürgerbewegung gegen Rechtsextremismus entsteht. Ein Rechtsextremismus, der sich nicht nur in den offensichtlich rechtsradikalen Parteien zeigt, sondern auch tief in Volksparteien wie der CDU verwurzelt ist (siehe z. B. die Umtriebe des ehemaligen Berliner Finanzsenators, von der sogenannten Werteunion ganz zu schweigen).

Youtube

Do SFF Authors Think We Are Stupid Now

Unter dem etwas reißerischen Titel Do SFF Authors Think We Are Stupid Now verbirgt sich ein differenzierter Videoessay zur Frage, ob Phantastikautor*innen heutzutage weniger subtil und mehr mit dem Holzhammer schreiben als früher. Dabei ist zu erwähnen, dass Bookborn nicht die Inhalte der hier erwähnten Bücher kritisiert (ist also kein Anti-Woke-Beitrag), sondern, wie sie vermittelt werden. Interessant finde ich die Theorie, dass es daran liegen könnte, dass so viele Leser*innen im Internet ihre Meinung äußern und die Autor*innen kein Risiko eingehen wollen, missverstanden oder auf eine Weise interpretiert zu werden, die ihnen missfällt. Von den hier erwähnten Büchern habe ich The Calculating Stars gelesen und mochte es. Der Argumentation, es sei wenig subtil habe ich aber nichts entgegenzusetzen. Ob das gut oder schlecht ist, lasse ich mal offen.

Artikel

Es zählt nur die Qualität – Über ein fadenscheiniges Argument

Wieder und wieder dieselbe Formulierung, da kommt man um die Schlussfolgerung kaum herum, dass hier wohl tatsächlich jemand glaubt, Männer schrieben die besseren Bücher. Das einzige Problem: Man darf es nicht mehr sagen.

Nicoele Seifert

Sehr interessanter Artikel von Nicole Seifert bei 54Books, in dem sie das Nur-die-Qualität-zählt-Argument in der Kultur fundiert auseinandernimmt.

Doku

Japans tätowierte Helden

Wer sich schon mal ein wenig mit Japan beschäftigt hat, weiß, dass Tätowierungen dort gesellschaftlich verpönt sind (im öffentlichen Bad, dem Onsen, sind sie meist verboten), da sie meist mit der organisierten Kriminalität, also der Yakuza assoziiert werden. Das war aber nicht immer so. Während der Edo-Periode waren die Horimono-Tätowierung weit verbreitet, vor allem unter den Feuerwehrleuten, die sich heldenhaft dem feurigen Inferno gestellt haben. Horimono haben feste Motive, die bestimmte Geschichten von mythischen Helden erzählen. Heute werden sie vor allem von den Tobi getragen, den Gerüstbauern. Die Doku zeigt einige von ihnen, wie sie tätowiert werden, aber auch wie sie organisiert sind und einmal im Jahr offen auf der Straße bei einem Festumzug ihre Kunstwerke präsentieren. So langsam scheint es ein Umdenken zu geben, was das Ansehen solcher Tätowierungen gibt.

Arte-Mediathek

Blog

Auf meinem Blog habe ich noch das japanische Gruselmeisterwerk Kwaidan besprochen.

Tor Online

Lena Richter ist in ihrem Artikel Noch ein Zwergenbier? Der allgegenwärtige Alkohol in der Phantastik der Frage nachgegangen, warum Alkohol in der Phantastik eine so große Rolle spielt und ob es nicht anders geht.

Und in meinen SFF News geht es um einen neuen Indiana Jones, Ungereimtheiten bei den Hugo Awards und Denis Schecks Empfehlung des historischen Retro-SF-Roman Der eiserne Marquis, der sich superinteressant anhört, mir mit 36 Euro aber auch etwas zu teuer ist.

Film

The Outsiders – The Complete Novel

Nachdem 1967 der Roman der damals erst 19 Jahre alten Susan E. Hinton erschien, dachten sich einige Kinder und Jugendliche, dass würde doch einen tollen Film abgeben, und deren Bibliothekarin schrieb das so Francis Ford Coppola, der sich wiederum dachte, ja super Idee, mach ich, und zwar mit Patrick Swayze, Tom Cruise, Rob Low, Emilio Estevez, Matt Dillon, Diane Lane, Flea und Tom Waits, aber die Hauptrollen, die Spielen C. Thomas Howell und Ralph Macchio.

Im Prinzip ist es die klassische amerikanische Außenseitergeschichte, von sozial und finanziell benachteiligten Jugendlichen, die von der Gesellschaft als ausgegrenzt werden und sich damit dann identifizieren.

Robert Ebert beschwerte sich, Coppola habe sich zu sehr darauf konzentriert, Szenen wie Gemälde zu inszenieren, statt den Figuren Raum zu geben. Ich vermute mal, dass sich das auf die gekürzte Fassung bezieht. Manche Szenen vor dem Sonnenuntergang sehen aber wirklich sehr künstlich nach Studio aus, wenn auch schön.

The Outsiders ist ein guter, aber kein sehr guter Film, der auch für das Jahr 1983 keine wirklich neue Geschichte erzählt, aber einen guten Fokus auf die Familiendynamik der drei Brüder legt, deren Eltern verstorben sind.

Der Film erschien ursprünglich in einer vom Studio stark gekürzten 90-minütigen Fassung, 2005 dann endlich die komplette mit 113 Min., in Deutschland aber erst 2023.

Paramount+

Suzhou River (Suzhou He)

Suzhou River aus dem Jahr 2000 ist ein Neo-Noir-Film, der in einem industriellen Randgebiet von Shanghai spielt, das nichts mit der Hochglanzmetropole zu tun hat, die wir heute kennen. Rauchende Schlote, bröckelnde Fassaden, abbruchreife Häuser, ein verschmutzter Fluss und Menschen, die ums Überleben kämpfen. Es geht um einen Kleinganoven, der Jahre nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis nach jenem Mädchen sucht, das einst auf der Flucht vor ihm in den Fluss sprang, und der nun eine Frau kennenlernt, die als Meerjungfrau arbeitet und der Gesuchten sehr ähnlich sieht.

Erinnert von der Atmosphäre her an eine Mischung aus Wong-Kar Wei und Jia Zhangke. Wer Probleme mit Wackeldackelkameras hat, ist hier aber im falschen Film, den die Kamera wackelt praktisch von Anfang bis Ende, da oft eine Egoperspektive eingenommen wird, was durchaus interessant ist, aber es schwer macht, die Untertitel zu lesen.

Suzhou River ist ein chinesischer Film, wurde aber von einigen öffentlich-rechtlichen Sendern mitproduziert und die Postproduktion hat in Babelsberg stattgefunden.

Mubi

The Creator

Die Welt, in der The Creator spielt, finde ich superinteressant, visuell ist der Film beeindruckend, vor allem mit dem Wissen, wie und wo er gedreht wurde, nämlich vor Ort, mit kleiner Crew, nicht auf der Live Stage. Inhaltlich fand ich ihn allerdings ziemlich schwach, da er fast komplett nach demselben lahmen Schema abläuft: Kampf, Flucht, Kampf, Flucht, Kampf, Flucht, Kampf, Flucht; Gefangenschaft, damit sie auch in die Nähe des zu zerstörenden Objekts kommen; Flucht zum Objekt, etwas Drama, Explosion, Zerstörung der Superwaffe, Hurra.

Es gibt durchaus spannende Ansätze, was moralisch, ethische und philosophische Fragen angeht und einige gute Einfälle, wie die laufenden Bomben, die gehen aber in dem ganzen Getöse unter. Hinzu kommt ein uncharismatischer Hauptdarsteller und zu viel Kitsch im Finale.

Regisseur Gareth Edwards’ Debütfilm Monster habe ich 2010 auf dem Fantasy Filmfest gesehen und war schwer beeindruckt von der Atmosphäre des Films, mit den großen Monstern, die aber nicht zu Spektakel führten. Nachdem Film stand Edwards auf der Bühne und erzählte, wie mit kleinen Kameras vor Ort gefilmt wurde, und er die Spezialeffekte bei sich zu Hause mit Adobe an einem normalen Rechner eingefügt habe. Nach Blockbustern wie Star Wars: Rogue One und Godzilla ist The Creator eine Rückkehr zu diesen Wurzeln, aber leider mit übergestülpten Hollywood-Konvention, die vermutlich für die Finanzierung notwendig waren. Über gewisse Logikfragen, wie ob es in New Asia keine Luftabwehrraketen gibt, möchte ich gar nicht weiter nachdenken.

Ein inhaltlich schwacher und zusammengestückelter Film, der umwerfend aussieht, sein Potenzial aber nicht ausnutzen kann. Ich würde total gerne eine Serie in dieser Welt sehen, in der es nur darum geht, wie Menschen und KIs miteinander leben, ohne Krachbumm.

Disney+

Daneben habe ich noch den elegant gefilmten und spannend inszenierten Thriller Catch the Killer gesehen und den wendungsreichen südkoreanischen Geiselverhandlungsthriller The Negotiation.

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