Meine Woche 06.01.2023: Japan, Japan, James May, sumimasen

Erstmal noch frohes neues Jahr euch allen! Ich hoffe, es wird besser als 2022 (auch wenn ich das nicht wirklich glaube). Und danke fürs Vorbeischauen auf meinem Blog!

In meinem aktuellen Wochen-Newsletter geht es wieder viel um Japan: Eine ausführliche Besprechung der Dokumentation Salaryman über die teils problematische Angestelltenkultur in Japan. James May stellt in sechs Episoden die schöneren Seiten von Nippon vor. Dazu geht es noch um sinnlose Arbeit (Stichwort Bullshitjobs) und Buchneuerscheinungen 2023 in den Bereichen Science Fiction, Fantasy und Horror.

Filme

The Legend of the Stardust Brothers (1985)

Völlig überdrehte japanische Satire aufs Musikbusiness, die aus jeder Einstellung 80er-Jahre schreit und kreischt, größtenteils aus Meta-Montagen mit furchtbarer Musik besteht (manche Songs sind okay), die zeit- und kulturgeschichtlich aber durchaus von Interesse ist. Hat sicher ihr Publikum, ich gehöre aber nicht unbedingt dazu.

The Middle Man

Nettes Kleinstadtdrama mit komödiantischen Zügen, das einige makabere Wendungen nimmt.

Salaryman

Ganbaru

Der Film beginnt mit Männern, die bewusstlos oder schlafend auf Bürgersteigen liegen oder orientierungslos durch die Gegend torkeln. Männer, die nicht obdachlos sind, sondern Büroangestellte in Anzügen, die nach Feierabend mit den Kollegen saufen waren, was zur japanischen Arbeitskultur dazugehört. Die im Film interviewten Angestellten bezeichnen sich selbst als Arbeitsvieh und Sklaven, die morgens wie Zombies durch überfüllte Straßen und U-Bahnen ins Büro schlurfen und mittags Rahmen am Nudelstand, während es am Abend – oft verpflichtend – mit den Kollegen und dem Chef zum Karaoke geht oder in kleine Bars. Businessmen sind unabkömmlich, Salarymen ersetzbar und entbehrlich.

Der Film ist bezüglich dieser Arbeitsmoral sehr kritisch, lässt aber auch Stimmen zu Wort kommen, die dieses System in führenden Positionen umsetzen, und erklären, was dahintersteckt. Im Japanischen heißt das Wort für Angestellter als Kanji-Zeichen: „Jemand, der Arbeit befolgt“. Die unterschiedlichen Ansichten zu uns im Westen gründen sich darauf, dass in Japan die Gesellschaft bzw. Gemeinschaft vor dem Individuum kommt und den Anstrengungen, das Land nach dem 2. Weltkrieg wieder aufzubauen.

Um die Salarymen strukturiert sich auch das Geschäft mit den Host-Clubs und Hostessen, die von ihnen dafür bezahlt werden, ihnen Gesellschaft beim Trinken zu leisten, aber auch bei Geschäftsmeetings in Clubs.

Beim Zusehen empfinde ich es allerdings etwas unangenehm, wenn Regisseurin und Künstlerin Allegra Pachecco die auf der Straße Schlafenden mit Kreide umzeichnet und Leuten nachts mit der Kamera folgt, die sich kaum noch auf den Beinen halten können. Ich verstehe zwar, dass sie damit auf das Problem aufmerksam machen möchte; Karoshi, Tod durch Überarbeitung ist ein Problem in Japan, eine japanische Regisseurin hätte da so aber sicher nicht gemacht. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob nicht manche Szenen davon gestellt sind.

Es gibt auch Menschen, die versuchen, aus dem System auszubrechen. Manchmal nur im kleinen, wie die Extreme Commuters, die den Weg zur Arbeit möglichst unterhaltsam und abwechslungsreich gestalten, manchmal aber auch im Großen, indem sie ihren Job kündigen und auf Land ziehen, wo andere Arbeitsbedingungen herrschen.

Der Dokumentation gelingt es gut, Einblicke in die Arbeitskultur Japans zu liefern, zeigt eindrücklich, wie sich das so höfliche und zurückhaltende Tokyo nachts verändert, und lässt Menschen aus allen Bereichen zu Wort kommen. Aktuelle und ehemalige Salarymen, Soziologen, Gewerkschafter, Aktivisten, Vorgesetzte und die Mutter von Matsuri Takahashi. Letztere arbeitete für Japans größte Werbeagentur und nahm sich 2016 das Leben, weil sie den Druck und die Belastung durch die Arbeit, nicht mehr aushielt.

Eine durchaus einfühlsame Doku, die Bewusstsein für die Problematik liefert, aber auch ein paar unangenehme Momente hat.

Serien

Auf Disney+ – das ich noch für einen Monat habe – habe ich mir die erste Folge von The Old Man angesehen. Schlecht ist die nicht, aber Folge 2 habe ich nach zehn Minuten wieder ausgemacht, weil ich momentan einfach keine Lust auf noch eine Geschichte über einen alten CIA-Agenten habe, der von der Vergangenheit eingeholt und gejagt wird. So toll Jeff Bridges den auch spielt.

Nach Sumo Do, Sumo Don’t habe ich auch noch die anderen japanischen Serien auf Disney+ angefangen, von denen mich zwei mit ihren Pilotfolgen aber nicht so recht überzeugen konnten. Die Geschichten sind eigentlich ganz interesant, aber die Inszenierung ist eher so mittelprächtig und trifft in beiden Fällen nicht den intendierten Ton. Bei Was wir vergessen (Subete Wasurete Shimau Kara)geht es um einen Krimiautor, der sich auf die Suche nach seiner vermissten Freundin macht und herausfindet, dass sie gegenüber anderen Menschen eine ganz andere Person war, als bei ihm. So richtige Noir-Atmosphäre kommt aber leider nicht auf. Tomorrow I’ll Be Somone’s Girlfriend (Ashita, Watashi wa Dareka no Kanojo)erzählt von einer Studentin, die sich ihren Lebensunterhalt als Miet-Freundin verdient. Leider ist das recht holprig inszeniert.

Vielversprechender war die erste Folge der neuen Serie Gannibal (Gannibaru), die auf dem gleichnamigen Manga von Masaaki Ninomiya basiert (der erst im März auf Deutsch erscheint). Das Drehbuch stammt von Takamasa Ōe, der auch das Drehbuch von Drive My Car mitgeschrieben hat. Scheint in die Richtung von The Wailing zu gehen. Stadtbulle landet mit Frau und Kind in einem Dorf, in dem Unheimliches vorgeht und die Gebräuche der Einheimischen nicht immer ganz gesetzeskonform sind. Technisch ist das viel besser gefilmt, als die beiden Serien oben (wie man auch am Trailer sieht).

The Makanai: Cooking for the Maiko House

Einer meiner derzeit absoluten Lieblingsregisseure ist der Japaner Hirokazu Kore-eda (Shoplifters), dessen Our Little Sister mich letztes Jahr verzaubert hat. Am 12. Januar startet eine Serie von ihm auf Netflix. In The Makanai: Cooking for the Maiko House (Maiko-san Chi no Makanai-san)geht es um zwei Teenagerinnen/junge Frauen, die in der Zeit zurückreisen? um Meikos zu werden (eine noch exklusivere Variante der Geishas). Im Magazin Time-Out gibt es einen Artikel dazu, der auch ausführlich darauf eingeht, wie Kore-eda junge Filmemacher*innen fördert. Die Serie basiert auf dem Manga Maiko in Kyoto: From the Maiko House von Aiko Koyama.

James May – Our Man in Japan

Um diese Reisedoku habe ich mich lange gedrückt, weil James May einer der drei Moderatoren von The Grand Tour ist, neben Jeremy Clarkson. Zum Glück entpuppt sich May nicht als so ein großes, misogynes, rassistisches Arschloch. In der Serie kommt er sogar als ganz netter Kerl rüber. Clarkson hätte sicher keine Hemmungen gehabt, das Maid-Café zu betreten.

In sechs Folgen reist May vom verschneiten Hokkaido im Norden über Fukushima und Tokyo bis an die sonnigen Strände von Shikoku im Süden. Dabei macht er immer wieder skurrile Sachen mit, wie das Schneeball-Battle oder die Mechwarriors; aber auch traditionelle japanische Sachen wie Aikido, Kalligrafie oder Bogenschießen; oder besucht modernere japanische Events, wie ein Boy-Band-Konzert um 7.00 Uhr morgens, das Schülerinnen vor der Schule besuchen.

Begleitet wird er oft von unterhaltsamen Guides, verhält sich gerne recht albern (manchmal auch etwas respektlos) und bringt viel britischen Humor mit, für den er sich ständig – sumimasen – entschuldigen muss. Da ist natürlich viel dabei, was Japan-Aficionados wie ich kennen, aber auch Sachen, die mir bisher unbekannt waren.

Dokus

New York, New York

Beim ZDF gibt es seit dieser Woche mit New York, New York einen guten Film über die Stadt nach zwei Jahren Pandemie. Ist halt die klassische ÖR-Reportage, in der ein gestandener Auslandsreporter (Johannes Hano) interessante Menschen besucht und interviewt, die stellvertretend für viele jüngere Veränderungen stehen. Darunter ein aus Deutschland stammender Immobilienmakler für Superreiche, der genauso so auftritt, wie es das Klischee verlangt. Aber auch jemand, der sich seit drei Jahren darauf vorbereitet, dass Cannabis endlich in NY legalisiert wird.

Arbeit ohne Sinn

Die Doku auf Arte geht der Frage nach, warum eine Vielzahl moderner Arbeitsstellen das sind, was der hier auch zu Wort kommende (inzwischen leider verstorbene) David Graeber in seinem gleichnamigen Buch als Bullshitjobs bezeichnet. Wie konnte unsere Arbeitswelt so ineffizient werden, was vor allem auf Kosten der Angestellten geht, die diese sinnlosen (oder als sinnlos empfundenen) Tätigkeiten ausführen, und dann im Burnout landen. Von der massiven Kapitalvernichtung, die schlechtes Management verursacht, ganz zu schweigen. Kann Arbeit auch Spaß machen? Auf jeden Fall! Mir macht meine Arbeit Spaß. Noch mehr Spaß würde sie allerdings machen, wenn sie besser bezahlt wäre.

Offices are graveyards of possibilities.

Lektüre

Farbiges E-Book-Cover von "The Jasmine Throne". Vor gelbem Hintergrund sitzt eine junge Frau in indischem Sari auf der Steintreppe eines Tempels.

Endlich beendet: The Jasmine Throne von Tasha Suri. Einer der besten Fantasyromane, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Opulenter Weltenbau, der Magie und Natur auf sehr originelle Weise verbindet; eine mitreißende Geschichte; vielschichtige Figuren und eine an die indische Kultur angelehnte Mythologie. Im Mittelpunkt stehen drei Frauen, die für ihr Recht zu leben, aber auch die Freiheit ihres Landes kämpfen. Hat den World Fantasy Award 2022 verdient erhalten. Auf Deutsch ist das Buch leider noch nicht erschienen. Für eine ausführlichere Besprechung fehlen mir leider Zeit und Muse, verdient hätte es das Buch aber.

Neue Bücher 2023: Science Fiction, Fantasy und Horror

Auf seinem Kanal SFF 180 stellt Thomas Wagner in drei Videos interessante Neuerscheinungen aus den Bereichen Science Fiction, Fantasy und Horror vor. Ich bette hier nur mal das Video zur Fantasy ein, da dort die meisten Titel dabei sind, die mich interessieren. Z. B. The Daughters of Idzihar von Hadeer Elsbai, The Keeper’s Six von Kate Elliot oder Victory City von Salman Rushdie. Bereits lesen konnte ich The Basilisk Throne (04.04.23) von Greg Keyes und The First Bright Thing (22.06.23) von Jenna Dawson, die ich beide nur empfehlen kann (mehr schreibe ich dazu, wenn sie im Original erschienen sind). Wagner versteht es wirklich gut, in kurzen, klaren Sätzen vorzustellen, worum es in den Büchern geht und wie sie im Kontext des Gesamtwerk der jeweiligen Autor*innen einzuordnen sind.

Tor Online

In meinen SFF News ging es diese Woche um die Absetzung der deutschen Netflix-Serie 1899, über die ich hier auf dem Blog bereits gerantet habe. Dazu ein Teaser-Trailer zum südkoreanischen Science-Fiction-Film Jung_E, das Brecht-Haus über progressive Phantastik und das Magazin nd über gute Science-Fiction-Bücher 2022.

Im Artikel der Woche von Natascha Strobl geht es um Akte X, Dystopien und Querschwurbeleien. Der ist richtig gut geworden und hat mir wieder Lust gemacht, meinen Akte X-Rewatch (in Staffel 4) fortzusetzen.

lesenswelt

Auf meiner anderen Webseite lesenswelt.de habe ich eine Besprechung des Mangas Boys Run The Riot von Keito Gaku veröffentlicht. Hier ein kurzer Teaser:

Gefühlvoller und mitreißender Manga über junge Menschen, die noch nach ihrer Identität und Stimme suchen; die sich gegen die gesellschaftlichen Konventionen auflehnen und ihre Kreativität nutzen, um einen Platz im Leben zu finden.

Worüber ich mich freue

Juhu, Januar. Endlich kann ich meinen neuen Kalender aufklappen. Das Foto hier von Jan Becke zeigt verschneite Bauernhäuser in Shirakawa.

Links der Rand eines Bücherregals, in der Mitte eine Karte von Japan und rechts daneben ein Wandkalender mit einem Fotos von verschneiten Bauernhäusern in Japan - alles vor einer gelben Tapete, rechts daneben ein blauer Vorhang.

Meine erste Arbeitswoche im neuen Jahr. Kein Scheiß! Während der beiden Wochen Weihnachtsurlaub habe ich mich natürlich nicht darauf gefreut, montags wieder mit der Arbeit anzufangen. Hätte gerne noch eine Woche mehr sein können. Doch schon nach dem ersten Arbeitsvormittag hatte ich gute Laune, die die ganze Woche lang anhielt, weil eigentlich alles gut lief und Spaß gemacht hat (siehe „Arbeit ohne Sinn“ weiter oben).

5 Gedanken zu “Meine Woche 06.01.2023: Japan, Japan, James May, sumimasen

  1. Wobei ohne Bullshit-Jobs halt die Welt auch nicht besser wäre, wenn die sonstigen Umstände gleich bleiben. Dann sind halt viele arbeitslos, Kaufkraft fällt aus, Abwärtsspirale usw.

    • Dafür gibt es ja Lösungen, wie das bedingungslose Grundeinkommmen z. B. Daneben müssten noch neue Ebenen für kreative oder sonstige Tätigkeiten/Beschäftigungen geschaffen werden, und die Menschen im Bildungssystem so erzogen bzw. gebildet werden, dass sie selbständig Neugierde für solche Tätigkeiten entwickeln. Graeber sagt es in der Doku richtig (sinngemäß): Eigentlich sind genügend Mittel, Ressourcen usw. da, damit alle Menschen auskömmlich davon leben könnten. Nur ist das System so kaputt, dass das nicht funktioniert.

      • Es gibt Papier-Lösungen, wie für Klimawandel, Corona und Lindnersche Logorö. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass wir eher letzteres dank Chatbots unsterblich machen, als eines der Probleme ernsthaft zu lösen, bevor es zu spät ist.

      • Ich glaube schon, dass es einige wenige Länder geben wird, die das Grudeinkommen irgendwann einführen. Finnland vielleicht, oder Neuseeland. Hier in Deutschland natürlich nicht, wo man selbst die einfachsten und kostenärmsten Lösungen für gravierende Probleme aus ideologischen Gründen ablehnt. Siehe das Verhalten von Politik und Unternehmen in Sachen Einwanderung und Fachkräftemangel.

      • Möglich, aber das hilft ja nicht viel, zumal die Länder, die am ehesten experimentieren werden die Bevölkerung stellen, die das im Weltvergleich am wenigsten braucht.
        Und selbst in Skandinavien kann ich mir gut vorstellen, dass das dann rechte Grundeinkommen mit Anti-Migranten-Klausel werden.

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