Literaturübersetzer werden — aber wie?

Wie versprochen gibt es heute einen Gastbeitrag von Frank Böhmert (http://frankboehmert.blogspot.de/). Dabei handelt es sich allerdings um keinen neuen Beitrag, sondern um einen, den er bereits 2009 in seinen Blog gestellt hat. Unter anderem aufgrund meiner Anfrage danach, wie man denn Literaturübersetzer werde. Ich hatte mich seiner Aufgabe gestellt und in seinem Blog darüber berichtet. Dieser Eintrag ist also mit dafür verantwortlich, dass ich jetzt diesen Blog hier betreibe und auch inzwischen fleißig Bücher übersetze.

Es lohnt sich also, sich auf diesen Test einzulassen.
Dass dieser Beitrag jetzt hier im Blog gelandet ist, liegt daran, dass Frank seine Blogeinträge nach 3 Jahren wieder löscht. Doch dieser Beitrag erfreut sich immer noch großer Beliebtheit und es gibt immer noch Interessenten, die diesen Test absolvieren. Außerdem findet man ansonsten nur wenig zu dem Thema „Literaturübersetzer werden“ im Internet.

Und jetzt übergebe ich Frank das Wort:

In der letzten Zeit haben mich mehrmals angehende Literaturübersetzer um Rat gefragt. Aus Gründen der Arbeitserleichterung antworte ich jetzt mal hier, wo es auch andere lesen können:

Du bist ja selber als Quereinsteiger zum Übersetzen gekommen. Wie würdest du heute die Chancen für einen Quereinsteiger einschätzen (aus dem Englischen ins Deutsche)?

Ob Quereinsteiger oder studiert, das ist, glaube ich, völlig egal.

Ich habe damals meine ersten Aufträge nicht bekommen, weil ich so toll englisch gekonnt hätte, sondern weil ich so gut deutsch konnte. Sprich: aufgrund meiner eigenen, ganz unbescheiden gesagt sehr vielfältigen Schreiberfahrungen.

Dass ich vorher jahrelang in allen möglichen Firmenjobs gelernt habe, meine Arbeitsabläufe selbst zu ordnen und Termine einzuhalten, war sicher auch nicht schädlich.

Ich spiele schon länger mit dem Gedanken es als Übersetzer zu versuchen. Gibt es da überhaupt eine Chance?

Diese Frage kann sich jeder nur selbst beantworten.

Mein dringender Tipp: Spiele nicht mit dem Gedanken, spiele mit der Tätigkeit!

Hier kommt eine Übungsaufgabe, die dich ganz dicht an die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse der Branche heranführt. Lies sie dir durch, überschlafe die Entscheidung, und wenn du das Spiel am nächsten Morgen immer noch wagen willst, dann lege knallhart los! Als würdest du dafür bezahlt werden. Als müsstest du damit deinen nächsten Lebensmitteleinkauf finanzieren.

Also:

  • Zieh sofort los, ganz gleich ob zur Bahnhofsbuchhandlung oder zum Internetbuchhändler, und kaufe das Buch, das in deiner Ausgangssprache diese Woche auf Platz 12 der allgemeinen Belletristik-Bestseller steht.
  • Ganz egal, was für ein Roman das ist, du wirst jetzt die ersten zwanzig Seiten davon übersetzen. Ab dem Augenblick, wo du das Buch zu Hause in den Händen hältst und den Anfang das erste Mal in Ruhe wirst lesen können — Uhrzeit notieren! –, hast du genau sieben Kalendertage Zeit, die endgültige deutsche Fassung zu erstellen.
  • Ganz gleich, was für Hindernisse kommen: sieben Kalendertage für die zwanzig Seiten. Organisiere sie dir gut.

Wichtig ist, dass du die Sache sportlich nimmst und dich nicht selbst betrügst:

  • Das Buch auf Platz 12 liegt dir nicht? Egal! Stell dir vor, du hast nach einer Durststrecke endlich die Chance, einen Auftrag an Land zu ziehen, und bekommst gerade genau dieses Buch angeboten. Und jetzt sollst du mit einer Probeübersetzung beweisen, dass du es drauf hast. Dieses Buch, dieses verflixte Buch, das dir nicht liegt, könnte dein Einstieg sein!
  • In den sieben Tagen hast du nicht frei … ist eine wichtige Party … bist du frisch verliebt … hast du gerade Zahnschmerzen … oder Krach mit deinem oder deiner Liebsten? Egal! Verschieb den Termin nicht. Klar, die Verlage mögen tolle geniale Übersetzer. Aber noch lieber mögen sie zuverlässige tolle geniale Übersetzer.

Wenn du nach sieben Tagen eine fertige Fassung in der Hand hältst und sagen kannst: Ja, das ist eine anständige deutsche Übersetzung, für die ich mich nicht schämen müsste — dann hast du auch das Zeug zum Literaturübersetzer.

Womit wir beim zweiten wichtigen Teil des Handwerks wären: dem Klappern.

Was würdest du einem Berufsanfänger empfehlen? Wie geht man da am besten vor? Wie bekommt man „einen Fuß in die Tür“?

Kontaktpflege, Kontaktpflege, Kontaktpflege. Gehe zu Übersetzerstammtischen. Fahre zu Übersetzerseminaren und -tagungen. Besuche Übersetzereinrichtungen. Unter www.literaturuebersetzer.de findest du vieles.

Über den Verdienst mache ich mir keine Illusionen.

I’m sorry, aber da wärst du der Erste.

Um mal ein paar Pflöcke einzuschlagen, die ich beide in meinen über fünfzehn Berufsjahren schon erlebt habe: Zwischen Alg-II-Niveau und drei-, viertausend Euro im Monat ist alles drin. Es wird im Wesentlichen an dir liegen.

3 Gedanken zu “Literaturübersetzer werden — aber wie?

  1. So, Markus, seit gestern Vormittag gibt es diesen Blogeintrag nur noch bei dir! Ich werde die E-Mail-Benachrichtigung aktivieren – falls Fragen aufkommen, die du noch nicht beantworten kannst.

  2. Pingback: Über das Übersetzen | wanniehs worte

  3. Pingback: Eingedeutscht! Übersetzungen im Fokus, Teil 3 - stuffed-shelves.de

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