„Rocking the Forest“ von Cornelius Zimmermann

Slayer in the Jungle

Iggy ist ein Wolfmorf, der sich mit seiner Band verkracht und plötzlich, nur wenige Tage vor dem legendären Rocking the Forest Contest, ohne Kapelle dasteht. Also macht er sich auf – wie einst Al Bundy und seine No’Mam-Kollegen zu Iron Ed Hayes -, um sich Rat bei einem großen Weisen des Forst Dooms zu holen. Forest Doom ist die vorherrschende Musikrichtung im musikalischen Mützelwald, und ihr Hohepriester ist Blubb die Pfütze, der inzwischen am anderen Ende des Waldes in einer Gated Community unter Spießerkäfern wohnt. Für Iggy beginnt eine Odyssee durch die gefährlichsten Regionen des Mützelwaldes, in denen er den absonderlichsten und kuriosesten Wesen begegnet, die (zimmer)man sich vorstellen kann. Unterwegs muss er sich seinem größten Trauma stellen, verliebt sich hoffnungslos und begibt sich auf einen mörderischen Trip zwischen halluzinogenen Pilsporen. Und ab und zu rockt er einfach das (Baum)Haus.

Mit Funny Fantasy ist das so eine Sache, entweder heißt man Terry Pratchett, oder man hat als Autor in diesem Untergenre nicht viel zu lachen. Denn in kaum einem Untergenre muss man sich so sehr an dessen prominentesten Vertreter messen lassen. Dabei war Pratchett nicht mal der erste, der dieses Gebiet beackerte. Robert Aspirin und Piers Anthony begannen ungefähr zur gleichen Zeit, die Lachmuskeln ihrer Leser zu reizen, erreichten aber nie so ganz das Niveau Pratchetts (das er selbst auch erst später erreichte), an das meiner Meinung auch nur Walter Moers wirklich heranreicht, und ein paar vereinzelte Autoren mit einzelnen Werken (wie William Goldmann z. B. mit Die Brautprinzessin).

Und Cornelius Zimmermann mischt mit Animal Fantasy (Unten am Fluss, Der Wind in den Weiden) gleich noch ein zweites Untergenre dabei, mit dem sich deutsche Leser eher schwertun. Auf Tor Online gibt es einen Artikel, der einen ganz guten Genreüberblick liefert. Zimmermann begeht den Kunstgriff, real existierende Tiere, wie die Libellen, mit Kreaturen seiner Fantasie zu verknüpfen, was zu einer bizarren Fauna in einem relativ normal wirkenden Wald führt.

Ich muss gestehen, ich hatte Schwierigkeiten, in die Geschichte und dieses spezielle Setting hineinzufinden. Auf den ersten hundert Seiten spielte ich immer wieder mit dem Gedanken, die Lektüre abzubrechen, nicht weil es schlecht geschrieben ist (was es nicht ist), sondern weil mir der rote Faden und eine Identifikationsmöglichkeit mit den Figuren fehlte. Doch ab Seite 100 hatte ich mich schließlich akklimatisiert und Gefallen an Iggys musikalischer Mission zur Rettung des Forest Dooms gefunden.

Zimmermann ist sich der Schwächen seines Romans bewusst: Dass hier eine lineare Abenteuergeschichte erzählt wird, der es an Erzählebenen mangelt. Und er kokettiert damit, versucht es mit ironischen Metaeinschüben zu überspielen. Doch ich muss gestehen, auf mich wirkt das etwas gezwungen, gehört es doch auch schon wieder zu den Erzählkonventionen der humorvollen Phantastik. Pratchett und Stroud machen das über ironische Fußnoten, Walter Moers mit seinen mythenmetzchen Abschweifungen. Aber vielleicht bin ich gerade auch einfach nur besonders unlustig drauf.

Mit seinen kursiv gesetzten Meta-Einschüben (den Zimmerman’schen Einschüben) seziert Zimmermann seinen eigenen Roman schon so sehr, dass er eigentlich auch diese Rezension hätte schreiben können. Aber vielleicht hat er das ja auch. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob diese in den Text geschummelten Fußnoten (ja, ja, Andy, ich weiß 😉 ) für mich funktionieren. Einerseits sind sie natürlich witzig und klug, kaschieren die bzw. kokettieren mit den Schwächen des Romans.

Meine leichte Abneigung könnte aber auch einfach an der Namensgebung der Zimmermann’schen Einschübe liegen, den nach Abschluss der Realschule musste ich mich (dummerweise auf eigenen Wunsch) drei Jahre durch die Zimmermannsche Wirtschaftsschule (die heißt wirklich so) quälen. Die dauert offiziell übrigens nur zwei Jahre.

Der Autor merkt korrekt an, dass es sich um ein Rock’n Roll Märchen handelt, ganz ohne magische Schwerter, Orks, Elfen oder dunkle Herrscher. Hier geht es um den Funk, den Groove, den Beat und den Rock. Und das ist doch mal eine willkommene Abwechslung für einen Fantasyroman. Er kommt fast ganz ohne Gewalt aus (na ja, bis auf das eine Gemetzel, aber das findet in einer Rückblende statt – das gildet nicht), keine Schlachten, keine Kämpfe und nur ein paar kleine Intrigen, die man wohl in jeder Musikszene findet.

Rocking the Forest ist übrigens auch der Titel einer EP der amerikanischen Indierocker Sebadoh aus dem Jahr 1992. Einer Indie-Band, die so Indie war, dass man sie nicht mal auf Viva oder MTV mitbekam, in den Sendungen, in denen sogar Pavement, Sonic Youth oder Dinosaur Jr. liefen. Eine Band, die in den 90er-Jahren nur Spex-Lesern, wie meinem Klassenkameraden Dennis bekannt waren, der mich mit Sebadoh bekanntmachte. Ob Metal- und Klassik-Fan Cornelius Zimmermann allerdings auf diese Band anspielt, da bin ich mir nicht ganz sicher.

In der Story steckt auch eine Menge Blues Brothers. Iggy ist nicht im Auftrag des Herrn unterwegs, sondern im Auftrag des Tiefen Morfs. Er wird von Nazi-Libellen verfolgt und muss seine alte Band wieder zusammenbekommen. Wenn auch aus viel profaneren Gründen: nicht, um ein Waisenhaus zu retten, sondern einfach, um einen fetten Auftritt beim Rocking the Forest Festival hinzulegen.

Die große Stärke des Buchs ist seine Sprache bzw. der Wortschatz. Während die Sätze recht schlicht strukturiert sind, verleiht der putzige bis verschrobene Wortschatz dem Roman einen gewissen Charme und kommt besonders bei den musikalischen Darbietungen zu tragen, die eine Tiefe erreichen, die in der restlichen Geschichte ein wenig fehlt. Wald und Wiesenprosa auf LSD.

In erster Linie ist Rocking the Forest eine Liebeserklärung an die Musik, und als solche absolut gelungen. Denn die Beschreibungen der aufgeführten Musik sind die stärksten Passagen des Romans, der von seiner Struktur her an Musik-Stoner-Filmkomödien wie Blues Brothers, Wayne’s World oder Tenacious D and the Pick of Destiny erinnert.

Und Autor Cornelius Zimmermann, was gibt es über ihn zu schreiben? Wenn ich dieses Interview richtig interpretiere (was ich vermutlich nicht tue), ist er gelernter Rechtsanwalt, der jedoch als wissenschaftlicher Mitarbeiter für einen SPD-Abgeordneten im Bundestag arbeitet, heimlich aber davon träumt, als Brezelverkäufer auf einer Bohrinsel zu arbeiten. Um diese Diskrepanz zwischen Traum und Wirklichkeit produktiv zu kompensieren, muss er sich unheimlich viele Drogen und/oder Fantasie einwerfen, was zu exzessivem Bratschenspiel in Sinfonieorchestern und dem verfassen durchgeknallter, farbenfroher und der Musik huldigenden Rock-’n-Roll-Märchen führt.

Karsten Cuhr hat das Buch auch schon besprochen.

P. S. Meine Mutter hätte es schön gefunden, wenn es zwischen den Kapiteln noch ein paar Illustrationen von den im Buch vorkommenden Tieren gegeben hätte. Ansonsten hat ihr das Buch aber gut gefallen (dabei liest sie sonst kaum Fantasy).

P.P.S beim Forest Doom musste ich immer an dieses Stück von Gojira denken:

2 Gedanken zu “„Rocking the Forest“ von Cornelius Zimmermann

  1. Klingt für mich wie eine Empfehlung.

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