Der Weg der Wünsche | Patrick Rothfuss

Also wenn so was dabei rauskommt, darf Patrick Rothfuss von mir aus gerne weiter Novellen schreiben und Band 3 der Königsmörder-Chronik ignorieren.

Gebundene Ausgabe von "Der Weg der Wünsche" mit dem Cover nach vorne in einem Bücheregal stehend.

Ein Tag im Leben von Bast

Bast lebt und arbeitet bei einem gewissen Reshi im Gasthaus, weil da tagsüber aber wenig zu tun ist, stromert er durchs Dorf und dessen Umgebung, macht es sich unterm Blitzbaum gemütlich und nimmt dort Geheimnisse von Kindern im Austausch für Gefallen entgegen und wirbelt so das Dorfleben gehörig durcheinander.

Es scheint, als wäre Bast ein kleiner Puck, der allerlei Schabernack treibt, in den Tag hinein lebt und moralisch wenig Skrupel aufbringt. Doch, ohne Spoilern zu wollen, steckt mehr hinter Bast, als es den Anschein hat. Kann er wirklich Magie wirken, Flüche aussprechen und hat er schon mal Fae getroffen?

Die Kinder sind natürlich fasziniert von ihm, suchen seine Hilfe und werden zu seinen Helfern. Doch alles hat seinen Preis, hier wird verhandelt wie um eine Flasche in Das Leben des Brian; jede Äußerung, jede Formulierung muss genau überdacht werden. Als würden hier Unterhändler über Frieden im Nahen Osten verhandeln. Ein Fehltritt und die Folgen sind unabsehbar.

Das hier ist keine Fantasygeschichte, in der gekämpft oder wild herumgezaubert wird, es gibt keine dunkle Bedrohung, keinen bösen Herrscher, keine offensichtliche Quest zu erfüllen. Wir begleiten Bast einfach durch den Tag und bis in die Nacht hinein. Aber wie das geschieht, mit welcher Liebe zum Details, voller Poesie und einem Blick für die kleinen Dinge und das Zwischenmenschliche, das ist schon große Kunst.

Die Novelle ist sehr vielschichtig und spricht so einige Themen und Problematiken an, die auch heute noch aktuell sind, während sie andere Sachen wie selbstverständlich einwebt – also genauso, wie es sein sollte.

Deshalb würde ich das Buch durchaus der progressiven Phantastik zuzählen, wenn die auch nur in kleinen Momenten eingestreut wird. Dass sich bei Amazon Leser über den Woke-Wahn aufregen, ist ein deutliches Anzeichen dafür. Und die ewig gestrigen Meckerer sollen halt weiter ihren John Norman lesen.

Mir hat Der Weg der Wünsche richtig Spaß gemacht, und das hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Denn während ich The Name of the Wind (Im Original vor Erscheinen der deutschen Ausgabe gelesen) – bis auf die Drachenepisode – großartig fand, bin ich bei The Wise Men’s Fear auf Seite 596 hängen geblieben und habe es bis heute nicht weitergelesen. Entsprechend schmerzt mich das Warten auf Band 3 nicht. Wie eingangs schon erwähnt, würde ich viel lieber mehr solcher abgeschlossener Novellen von Patrick Rothfuss lesen.

Disclaimer: Ich habe das Buch vom Übersetzer erhalten, dem ich bei einer nerdigen Frage zum Nachwort helfen konnte, und den ich schon seit einem Übersetzungsseminar 2011 – das er leitete und aus dem am selben Abend noch dieser Blog hervorgegangen ist – und durch einen gemeinsamen Freund – durch den ich überhaupt erst zum Übersetzen kam – kenne. Dass sich diese Übersetzung von Jochen Schwarzer ganz hervorragend liest, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen.