Kurzkritiken: Meine Lektüre der letzten Wochen (März 2014)

Eigentlich hätte jedes Buch eine ausführliche Rezi verdient, aber mir fehlt die Zeit. Habe interessantere Sachen, über die ich eingehend schreiben will.

 

Joel Dicker – Die Wahrheit im Fall Harry Quebert

Die Erfolgswelle des ersten Bestsellers schwächt gerade ab, der junge amerikanische Schriftsteller Marcus Goldman steht unter Druck, einen Nachfolger zu liefern, steckt aber mitten in einer Schreibblockade, als auf dem Grundstück seines Mentors Harry Quebert eine Mädchenleiche ausgegraben wird. Marcus eilt zur Hilfe und versucht herauszufinden, was vor 33 Jahren in dieser kleinen Stadt in New Hempshire geschehen ist.

Die Geschichte an sich ist gar nicht so uninteressant, auch wenn die Liebesgeschichte zwischen dem Mittdreißiger Quebert und einem fünfzehnjährigen Mädchen deutlich Unbehagen bereitet. Der Autor lässt den Leser mittels des recherchierenden Marcus Goldman in einen interessanten Kleinstadtkosmos einsteigen und liefert neben bei noch eine gelungene Satire auf den Buchbetrieb. Trotz der 700 Seiten war das Buch recht spannend, aber sprachlich ist es leider nur sehr mittelmäßig. An sein offensichtliches Vorbild John Irving reicht er nicht einmal ansatzweise heran. Dickers Sprache ist jetzt nicht schlecht, aber eben nur durchschnittlicher Standard. Es gibt im gesamten, nicht gerade dünnen Buch, nicht einen einzigen Satz, von dem ich sagen könnte, dass er schön oder außergewöhnlich ist; alles massentaugliche Dutzendware ohne jegliche Kreativität (und damit wird das Buch seinem eigenen Anspruch nicht gerecht). Dabei hätte mit einer schönen, poetischen Sprache aus der interessanten Geschichte ein herausragendes Buch werden können. So ist es nur eine kurzweilige Unterhaltungslektüre, die nicht weiter im Gedächtnis bleibt.

Ben Aaronovitsch – Schwarzer Mond über Soho

In London wird wieder auf magische Weise gemordet. Jazzmusiker fallen plötzlich tot um, und Constable Peter Grant wittert Magie dahinter. Der zweite Teil der Reihe um den sympathischen jungen Ermittler ist eben so lässig unterhaltsam wie Teil 1. In gemütlichem Tempo und mit viel britischem Humor führt uns der Autor durch die Jazzszene der Stadt und auch ein wenig durch ihre magische Vergangenheit. Die Spannung hält sich in Grenzen, es gibt keinen großen Showdown und auch nicht viel Action, was aber alles nicht stört. An der Seite von Peter Grant fühlt man sich einfach wohl, als würde man mit einem Freund um die Häuser ziehen.

Felix J. Palma – Die Landkarte des Himmels

Palmas Erstling „Die Landkarte der Zeit“ hat mich seinerzeit schwer begeistert. Band 2 der geplanten Trilogie knüpft sowohl vom Inhalt als auch vom Aufbau an das Debüt an. Wieder spielt ein Roman von H.G. Wells eine wichtige Rolle (nach „Die Zeitmaschine“ dieses Mal „Krieg der Welten“), wieder spielt H. G. Wells eine wichtige Rolle, wieder taucht ein gewisser zwielichtiger Unternehmer auf, wieder hält Palma einige überraschende Wendungen parat und wieder verwurstet er historische Stoffe mit modernen Filmen. „Die Landkarte des Himmels“ ist eine wilde Mischung aus „Krieg der Welten“, „Das Ding aus einer anderen Welt“, Jane Austen und anderen Werken, die ich noch nicht verraten möchte. Vor allem die ersten 280 Seiten, auf denen es um eine Arktisexpedition geht, die eigentlich zum Mittelpunkt der Erde führen sollte, und dann etwas ganz anders entdeckt, hat mich richtig gepackt. Da kam eine ähnlich frostige und dichte Atmosphäre auf, wie in Dan Simmons‘ „Terror“. Danach gibt es einen Stilbruch, wenn sich der Roman zu einer Beziehungsklammmotte á la Jane Austen entwickelt. Da hatte ich einen kleinen Durchhänger und musste mich weiterkämpfen. Aber es dauerte nicht lange, und es wurde wieder richtig spannend. Das Ende ist zwar etwas vorhersehbar, doch insgesamt hat mich der Roman wieder schwer begeistert. Dafür sorgt auch Palmas wunderbare, poetische Sprache. Obwohl hier inhaltlich ein wüster Mix aus unzähligen Groschenheftromanthemen geboten wird, wimmelt es im Buch nur so von schönen, außergewöhnlichen Sätzen (da sollte sich Joel Dicker eine gehörige Scheibe von abschneiden). Der Autor ist ein begnadeter Erzähler, dem sprachlich eine großartige Hommage an die viktorianische Literatur und die Science Fiction gelungen ist.

Christopher Brookmyre – Die hohe Kunst des Bankraubs

Hat bei mir nicht so recht funktioniert. Ist mir zu gewollt auf cool geschrieben. Ein cleverer Bankraub ist für mich eigentlich ein guter Köder, aber hier ist mir das insgesamt zu langweilig geschrieben.

Gillian Flynn – Gone Girl

Eines der großen Hypebücher der letzten Jahre; wird gerade von David Fincher verfilmt. Vom Verlag als Thriller vermarktet, handelt es sich doch eher um ein abgründiges Psychogram einer Ehe. Frau verschwindet, Mann wird des Mordes verdächtig, erzählt wird die Geschichte dieser Ehe aus seiner (Nicks) Perspektive und durch die Tagebucheinträge seiner Frau (Amy). Gillian Flynn ist hier ein durchaus gutes Beziehungsdrama geglückt, mit eindrucksvollen Einblicken in eine zerrüttete Ehe und die Psyche der beiden Hauptfiguren; sie spielt auch recht geschickt mit der Technik des unzuverlässigen Erzählers; spannend ist das Ganze aber nicht. Teilweise plätschert die Handlung so vor sich hin, man ärgert sich ständig über das dämliche Verhalten von Nick, und am Ende wird es doch etwas abstrus. Ich habe die Lektüre zwar nicht bereut, weiß aber nicht, ob ich noch einmal etwas von dieser Autorin lesen werde.

Lauren Beukes – Shining Girls

Wichtige Erkenntnis: Klappentexte lügen! In diesem Fall gleich mehrfach. Der Bösewicht wird Lee Harper genannt, obwohl er im Buch Harper Curtis heißt. Es wird auch behauptet, dass sein Opfer Kirby den Serienkiller durch die Zeit jagen würde. Das stimmt auch nicht. Sie ist ihm zwar (ausschließlich in der Gegenwart 1993) auf der Spur, aber eine spannende Jagd durch verschiedene Epochen, wie der Klappentext hier suggeriert, findet nicht statt.
Das Buch erinnert an eine Mischung aus Serienkillerroman und „Die Frau des Zeitreisenden“. Zu Beginn ist das auch ein faszinierendes Konzept, das vor allem auch wegen der aufwendigen Recherchearbeit der Autorin so gut funktioniert, die man fast jeder Zeile anmerkt. Hier wird ein dichtes Porträt von Chicago in unterschiedlichen Zeiten geliefert. Auch die junge Protagonistin weiß mit ihrer rebellischen Art und ihrer sympathischen Hartnäckigkeit zu begeistern. Irgendwann verpufft die Wirkung des Konzepts aber ein wenig, weil es sich zu häufig wiederholt, ohne interessante Variationen aufzuweisen. Von der raffinierten Konstruktion Audrey Niffeneggers „Die Frau des Zeitreisenden“ ist „Shinning Girls“ weit entfernt. Das zeitreisende Haus, das von Harper fordert, bestimmte Mädchen zu töten, entpuppt sich als McGuffin. Das Finale enttäuscht. Kein schlechter Roman, aber man hätte deutlich mehr daraus machen können.